JLL
08.01.2002, 22:02 |
Zur Psychologie der Währungsumstellung Thread gesperrt |
Wenn ich es richtig sehe, dann ist eine Einheit des neuen Euro jeweils mehr wert, als eine Einheit der ursprünglichen Währungen in jedem einzelnen der teilnehmenden Länder. Dadurch sind die in Euro ausgedrückten Preise in allen Teilnehmerländern optisch niedriger geworden. Bei uns bekanntlich etwa im Verhältnis 2:1. In der Praxis scheint es nun so zu sein, dass die Konsumenten von der Währungeinheit sehr viel stärker abstahieren als von der davorstehenden Zahl. D.h. es ist nur noch bedingt im Fokus ihrer Aufmerksamkeit, dass es eine neue Währung ist, mit der sie hantieren, während sie eine geradezu kindliche Freude darüber empfinden, dass sie mit dem schönen neuen Geld nicht nur richtig einkaufen können, sondern auch darüber, dass die Preise in ihrem subjektiven Empfinden niedriger sind, weil es optisch kleinere Zahlen sind. Wohl bricht sich hier auch die Erleichterung Bahn, dass die lange gehegte Skepsis scheinbar unbegründet war. Ich glaube dieser psychologische Effekt ist mit ein Grund dafür, dass jede (?) Währungsreform der Vergangenheit in Richtung auf niedrigere Nominale ging (typischerweise das Wegstreichen von Nullen - auf den Scheinen, nicht bei den Regierenden). Es wäre interessant gewesen, zu beobachten, wie sich die Verbraucher verhalten hätten, wenn nach dem Jahreswechsel eine Semmel statt 40 Pfennig plötzlich 120 Euro gekostet hätte, weil man das Umtauschverhältnis als Reminiszenz an unsere italienischen Freunde mit 300 / 1 festgelegt hätte.
Im Windschatten der Währungsumstellung haben nun viele Anbieter sog. Low-Interest-Artikel, d.h. niedrigpreisiger Artikel des täglichen Bedarfs demonstriert, was echte Inflation ist. Das Registrieren von Preissteigerungen von 8 Prozent bis weit über 30 Prozent innerhalb nur einer Woche mag für den einen Erbsenzählerei sein, ich nenne das Inflation. Interessant auch, dass durch die Währungsumstellung auch die Strukturen beeinflußt werden. Während bestimmte Anbieter (z.B. Vermieter, Rechtsanwälte, etc.) durch staatliche Fürsorge in ihrem Preiserhöhungsbegehren ausgestoppt werden, können andere (Bäcker, Wirte, etc.) Ihrer Gier freien Lauf lassen.
Viele Grüße
JLL
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Baldur der Ketzer
08.01.2002, 22:15
@ JLL
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Re: Zur Psychologie der Währungsumstellung |
Hallo, JLL,
da ist viel dran, es soll Solidität verschaffen.
Wenn Du jetzt an der Tankstelle den Preisen nachguckst, kannst Du gar keine Affencent mehr nachvollziehen, so langsam läuft der Preiszähler. Also wird halt gerundet.
Irgendwie. So halt.
Es ist Psychologie, aber vor allem hat man wieder Affen dressiert, weil ein Großteil der Betroffenen brav zum Schalter gehüpft ist und schnurstracks den Gesslerwillen akzeptierte.
So, wie innerhalb einer Woche die ganze Währungsordnung umgekippt wurde, kann man es wieder machen, beim nächsten Mal.
Eine Woche reicht, und das ist jedem zuzumuten. Das war ein Probelauf.
Keiner blickt mehr durch, man nimmt das Wechselgeld ohnmächtig und glaubensvoll entgegen.
Die ganzen Endverbraucher-Belieferer hat man als Büttel vergewaltigt, sie sind die Deppen der Nation geworden, als Wechselstube wider Willen und auf eigene Rechnung.
Die Äurotz-Einführung zeigt, man kann noch vieeeeeel weiter gehen mit der Betrampelung der Bürger, es ist noch lange nicht Schluß...........
beste Grüße vom Äurotz-Muffel Baldur (Äu von Räude)
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Taktiker
08.01.2002, 23:37
@ Baldur der Ketzer
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Die andere Seite der Münze... |
hey Baldur,
machs so wie ich: ich begreife den Ã-ro als Chance, mir mein ganz privates Lieblingswährungsportfolio gänzlich unverbrieft und spesenfrei selber zu mixen:
Du nimmst ab sofort beim Bäcker und im Supermarkt nur noch irische Ã-romünzen entgegen (na das wird ein Gekrame)! Die verkaufst Du dann bei Ebay für den dreifachen Preis, und wenn Du Glück hast, zahlt der Käufer mit portugiesischen Ã-romünzen, die Du zufälligerweise auch mit Faktor 1,2 zum Adler-Ã-ro gewichtest.
In Deinem Portemonnaie hälst Du dann einen sorgsam abgewogenen Anteil jeweiliger Herkunftsländer, z.B. 80% irisch, 10% portug., 5% österreichisch und die restlichen 5% floaten frei herum. Sag mir nicht, das sowas vorher so einfach gewesen wäre! Du bist immer liquide und trotzdem gut diversifiziert.
Ich begreife nicht, wieso Ihr den Ã-ro immer als unsicher bezeichnet! Schließlich hat er unglaublich highgetechte Echtheitszeichen... ähemm. Außerdem und da liegt der Witz: Die Gelackmeierten werden doch nicht die ehemaligen Superhartgeldler sein ("Inflation Inflation"), sondern die alten"Weicheier". Wenn man zusammenpackt, was noch nicht so ganz zusammenpaßte, verliert seltener der ehemals Starke, sondern es verliert der ehemals Schwache, aber dann richtig!
Das ist so, als wenn man Sachsenring Zwickau in die Champions League steckte: Der FC Bayern und ManU werden rumsäuern, weil sie 2mal gegen Zwickau spielen müssen, statt gegen Milan. Zwickau bekommt 3 schöne Heimspiele und ein paar Kröten, geht aber natürlich hoffnungslos baden. Und steigt dann im Folgejahr aus der 4. in die 5.Bundesliga ab, weil ChampionsLeague und 4.Bundesliga zeitgleich zu viel auf einmal waren. Die DDR hats ja auch erst komplett zerhauen, als sie über Nacht die DM bekamen. Keine Chance, so plötzlich zu konkurrieren.
Die strukturschwachen Regionen in Europa -und die suchen wir überwiegend sicher nicht in Deutschland- werden einen halbwegs harten Ã-ro auf Dauer -Brüssels Maßnahmen zum Trotz- schwer verdauen.
Die Angst, dass deren Schwäche den Ã-ro weich macht, habe ich da weniger. WIR (D) werden aber außer einer weiterhin wohl harten Währung noch darüber hinaus profitieren: denn die plattgemachten Industrien bzw. die Märkte in den schwachen Regionen fallen an die Majors... die überwiegend bei uns sitzen. Ok, es hat sich da einiges an Schwerpunkten quer durch Europa gebildet, aber im Querschnitt ist Deutschland auf allen Feldern fett mit dabei...und in ein paar Jahren wirst Du sehen, wie Griechenland, Portugal und all die anderen"Ränder" vollends ausgesaugt sind. Wir haben dann höchstens auszubaden, dass sich entsprechende Wanderungsströme ausbilden werden.
- Vielleicht sollte man dann doch noch rechtzeitig Immos kaufen, denn dann wirds hier der einheimischen Gebährunfreudigkeit zum Trotz doch noch eng und teuer.
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Baldur der Ketzer
09.01.2002, 00:00
@ Taktiker
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Re: wer verliert beim Eurotz |
Hallo, Taktiker,
abgesehen davon, daß der Eurotz geradezu rassistisch ist (schau Dir mal die Farbgebung des europäischen Terrariums an, Rußland ist mit drauf, aber nicht mehr Nordafrika und vor allem nicht die Türkei), sind wir von dem 3% Schuldenkriterium vielleicht mal selbst mehr betroffen als andere, denn so gut gehts uns ja nicht.
Daß gerade die Abwertungsländer in die Klemme kommen, ist mir einsichtig, und ob man dann einen Kohäsionsfond auflegt, werden wir sehen - wer reinzahlt, ist eh schon klar.
Ich hasse den Eurotz, weil er das Sinnbild einer undemokratischen ungewollten Schwachsinnskultur darstellt.
Der Eurotz ist defacto die Währung der EU, mag das de jure auch noch anders sein. Und davon möchte ich nichts haben.
Wie man die Sache anging, hat mittelalterlichen Charakter - Landsknechte und Bauern, huldigt Euren Herrn.............
B Ä H!
Und die Münzen erinnern mich an Chips für Dampfstrahler, aber nicht an Geld.
Beste Grüße vom Baldur
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