Wal Buchenberg
13.01.2002, 11:36 |
Da irrte Marx... Thread gesperrt |
Irrtümer von Marx & Engels
Nach dem Tod von Karl Marx traten bald Leute auf, die sich mit Widerlegungen der Marx’schen Theorie einen Namen machen wollten. Mit einigen von ihnen schlug sich Friedrich Engels in seinem Vorwort zum 3. Band des"Kapital" (1894) herum. Inzwischen lohnt es sich kaum noch, auf einzelne"Widerleger" von Marx einzugehen, denn heute lehrt jeder Schullehrer, dass Marx sich geirrt habe.
Hatte sich nicht auch Kopernikus geirrt, der sowohl glaubte, dass die Sonne der Mittelpunkt des Weltalls sei, als auch dass die Planetenbahnen kreisförmig seien? Wird Kopernikus nicht trotz dieser Irrtümer als revolutionärer Denker in unseren Schulbüchern gepriesen?
Hatte sich nicht auch Newton geirrt, als er die Planetenbewegungen als Wechselspiel einer Zentripetal- und einer Zentrifugalkraft erklärte? Niemand spricht heute von Zentripetal- oder Zentrifugalkräften im Weltall, trotzdem gilt Newton immer noch als Meilenstein in der geistigen Entwicklung der Menschheit.
Ich bin sicher, dass die Theorie von Karl Marx einmal so anerkannt sein wird wie die Auffassungen von Kopernikus und Newton - trotz der Irrtümer von allen dreien. Bei jeder umstrittenen Theorie stehen die Irrtümer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, bei jeder anerkannten Theorie die Fortschritte, die sie brachte. Notgedrungen muss man also noch über die Irrtümer von Karl Marx sprechen.
Um die gröbsten Missverständnisse vorneweg anzusprechen: Wer etwa meint, dass er mit der Feststellung, Marx habe sich da oder dort geirrt, schon mit der ganzen Marx’schen Theorie fertig sei, der hat ebenso wenig Ahnung von Wissenschaft wie die Marxisten, die vielleicht meinten, dass Marx sich nie geirrt habe. Beide Auffassungen gehen von der lächerlichen Annahme aus, dass eine wissenschaftliche Theorie zu allen Zeiten und unter allen Umständen 100prozentig korrekt sein könne und korrekt sein müsse.
Der eine sucht bei Marx hier Fehler, der andere da. Die folgende Liste zählt die wichtigsten Irrtümer von Marx und Engels auf, die ich gefunden habe:
Marx, 1848:
“Revolutionäre Erhebung der französischen Arbeiterklasse, Weltkrieg - das ist die Inhaltsanzeige des Jahres 1849.” (MEW 6, S. 150).
Marx, März 1850: “Die Revolution... steht im Gegenteil nahe bevor.” (MEW 7, S. 245)
Marx, Juni 1850: “...gerade jetzt, wo... der Ausbruch einer neuen Revolution nicht mehr lange ausbleiben kann.” (MEW 7, S. 312)
Aber Marx noch im Jahr 1850:
“Bei dieser allgemeinen Prosperität, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig entwickeln... kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein.” (MEW 7, S. 440)
Marx, 1853:
“die jetzigen Verhältnisse,... die nach meiner Ansicht bald zu einem Erdbeben führen müssen.” (MEW 28, S. 223.)
Engels, 1856:
“Es gibt diesmal ein dies irae (=Zeit der Empörung) wie nie vorher, die ganze europäische Industrie kaputt, alle Märkte überfüllt... alle besitzenden Klassen hereingeritten, kompletter Bankrott der Bourgeoisie.... Auch ich glaube, dass sich alles dies Anno 1857 erfüllen wird...” (MEW 29, S. 78)
Marx, 1857:
“Die Revolution marschiert heran, wie durch die Entwicklung der (französischen Bank) Credit mobilier und durch die Finanzen Bonapartes im allgemeinen bewiesen wird.” (MEW 29, S. 153)
Marx, 1857:
“1848 sagten wir: jetzt kommt unsere Zeit, und sie kam in einem eingeschränkten Sinn, diesmal aber kommt sie vollständig, jetzt geht es um den Kopf.” (MEW 29, S. 212).
Marx, Dezember 1857:
“Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammenfassung meiner ökonomischen Studien, damit ich wenigstens die Grundrisse im Klaren habe vor der Sintflut.” (MEW 29, S. 225)
Marx, 1857:
“Da Lupus (= Wilhelm Wolff, der den Vorhersagen von Marx nicht traute, ihm aber bei seinem Tod 1864 sein Vermögen vermachte, so dass Marx Zeit und Geld hatte, das KAPITAL zu schreiben.) beständig Buch über unsere Krisenvorhersagen führte, so erzähle ihm, dass der ‚Economist‘ von letztem Sonnabend erklärt, die Endmonate von 1853, durch ganz 1854, Herbst 1855 und während der plötzlichen Veränderung von 1856 sei Europa immer nur um Haaresbreite dem drohenden Krach entkommen.” (MEW 29, S. 225)
Marx, 1862:
“Wir gehen offenbar einer Revolution entgegen - woran ich seit 1850 nie gezweifelt habe.” (MEW 30, S. 641)
Marx, 1969
"Es gibt in der Tat keine deutsche Einheit. Sie könnte nur erreicht werden durch eine deutsche Revolution, die die preußische Dynastie hinwegfegt....." (MEW 32, S. 608) (Die deutsche Einigung wurde zwei Jahre später erreicht nicht gegen die preußische Dynastie, sondern durch die preußische Dynastie. wb)
Marx, 17. 02. 1870:
"Unter uns gesagt... ich erwarte für die soziale Bewegung mehr von Deutschland als von Frankreich." (MEW 32, S. 651) Aber:"Am Morgen des 18. März 1871 wurde Paris geweckt durch den Donnerruf: 'Es lebe die Kommune!' Was ist diese Kommune?... Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse.... dies war die erste Revolution, in der die Arbeiterklasse offen anerkannt wurde als die einzige Klasse, die noch einer gesellschaftlichen Initiative fähig war." (Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, S. 335 u. 342 u. 344)
Marx, 1874:
“Die allgemeinen europäischen Zustände sind derart, dass sie mehr und mehr zu einem allgemeinen europäischen Krieg drängen.” (MEW 33, S. 635)
(Karl Marx starb am 14. März 1883, es dauerte bis 1914, bevor ein europäischer Krieg ausbrach.)
Engels, 1884:
“Die russische Konstitution (=bürgerliche Revolution) wird nun so oder so doch wohl im Lauf dieses Jahres kommen, und dann kann’s losgehen.” (MEW 36, S. 88)
Engels, 1886
"... wenn es auch für eine ruhige und festbegründete Herrschaft der Bourgeoisie in Deutschland zu spät ist...." (MEW 21, S. 454)
Engels, 1889:
“Der Verfall der englischen Industrie aber ist nach meiner Ansicht zusammenfallend mit dem Kladderadatsch der kapitalistischen Produktion überhaupt.” (MEW 37, S. 325)
Engels, 1891:
“Aber wenn diese Ackerbaukrise die Industriekrise in England ausbrechen lässt, die wir seit 25 Jahren erwarten... dann!.... und wenn die Ereignisse diese Richtung nehmen, wird unsere Partei schon um das Jahr 1998 zur Macht kommen können.” (MEW 22, S. 243).
Engels, 1892:
“Natürlich wird die nächste Revolution, die sich in Deutschland mit einer Beharrlichkeit und Stetigkeit ohnegleichen vorbereitet, zu ihrer Zeit kommen, sagen wir 1898-1904.” (MEW 38, S. 545).
Welche Schlussfolgerungen sind aus dieser Irrtümerliste zu ziehen?
Man könnte sich mit der einfachen Feststellung begnügen, dass kein Mensch in die Zukunft sehen könne, und Karl Marx und Friedrich Engels halt auch nur Menschen gewesen seien. Ich denke, das würde die Sache nicht ganz treffen.
Von marxistischer Seite könnte man noch einwenden, dass nur die politischen Fehleinschätzungen aus den Jahren 1848 bis 1850 in öffentlichen Schriften geäußert wurden. Alles andere waren Bemerkungen an enge Freunde und Genossen, an die man nicht den gleichen wissenschaftlichen Maßstab wie zum Beispiel an die Bände des"Kapital" stellen kann. Richtig ist daran, dass diese Bemerkungen nicht selber Teil einer wissenschaftlichen Theorie waren, aber es waren immerhin politische Schlussfolgerungen aus dieser Theorie, und zwar von Leuten, denen niemand unterstellen kann, sie hätten diese Theorie missverstanden und falsch angewandt.
Ich denke, für alle diese Irrtümer von K. Marx und F. Engels gilt, was Engels 1892, fast 50 Jahre nach dem Erscheinen seines Buches"Lage der arbeitenden Klasse in England", zur amerikanischen Neuauflage schrieb:"Ich habe mir nicht einfallen lassen, aus dem Text die vielen Prophezeiungen zu streichen, namentlich nicht die einer nahe bevorstehenden sozialen Revolution in England.... Das wunderbare ist nicht, dass so viele dieser Prophezeiungen fehlgingen, sondern dass so viele eingetroffen sind...." (MEW 22, S. 270).
So muss man meiner Meinung nach auch über Irrtümer von Marx und Engels sagen: Das Bemerkenswerte ist nicht, dass so viele ihrer Prognosen fehlgingen, sondern dass so viele eingetroffen sind.
Wal Buchenberg, 08.10.2000
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Turon
13.01.2002, 12:01
@ Wal Buchenberg
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Re: Da irrte Marx... |
Das Problem heutzutage ist nicht ob er sich irrte, sondern das man einfach
nicht bereit ist, gewisse Dinge neuaufzurollen und noochmals zu überprüfen.
Dann sagt man eben es irrten sich alle, die der heutiger Ordnung irgendwie
widersprachen.
Das ist das hauptsächlicher Problem unserer Schulbildung, sie lehrt zwar
in die Zukunft zu schauen. Das ist korrekt. Sie lehrt aber nicht, ein Schritt
zurück zu machen, und etwaige Fehlentwicklungen dort zu beseitigen, bzw. zu
korrigieren, wo sie entstehen, entstanden sind. Die logische Konsequenz ist,
daß wenn ein Turm auf einer Spitze gebaut ist, so wird er anfangen zu wackeln,
wenn daß über dem Turm Zoff macht, zu schwer wird, oder die Spitze beseitigt wird.
Solche Prozesse lassen sich eben nur physikalisch am besten erklären.
Ob nun Marx recht hatte, oder auch nicht - seine Überlegungen zu vernachlässigen, kann sich ebenfalls genauso rächen, wie auch die Überzeugung,
daß dies was wir hutzutage als richtig ansehen,(und aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht ist) sich ebenfalls rächen kann.
Die Ignoranz ist nicht unbedingt der richtige Wegweiser.
Gruß.
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Galiani
13.01.2002, 14:09
@ Wal Buchenberg
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@Wal Buchberg Re: Da irrte Marx... @R.Deutsch; @McMike |
Lieber Wal Buchberg
Ich glaube nicht, daß die Irrtümer des Schöpfers einer Theorie ein quantitatives Problem sind; es ist vielmehr ein qualitatives Problem: Nicht wieviele Irrtümer jemandem überhaupt unterlaufen sind, zählt, sondern, ob seine entscheidenden Fundamentalaussagen stimmen oder nicht.
Kopernikus mag geirrt haben, aber eines hat er doch richtig erkannt: Daß man nicht"herunterfällt", wenn man an den Rand jener"Scheibe" kommt, die - wie man annahm - die Erde ist; sondern daß die Erde Kugelgestalt hat.
Und Newton mag manches falsch gesehen (und sogar ein Vermögen im Südseeschwindel verloren) haben, aber warum ein Apfel vom Baume auf die Erde fällt statt wegzufliegen, hat er richtig gedeutet.
Demgegenüber scheinen mir fundamentale Aussagen in der Marx'schen Theorie, wie nicht erst Reinhard Deutsch in seiner Realenzyklopädie 27 ausgeführt hat, unhaltbar. Dazu gehört beispielsweise eben an vorderster Stelle die Arbeitswertlehre, hinter der ja sofort die Ausbeutungs-Anklage gegen die Besitzer der Produktionsmittel hervorschaut (weil die Arbeiter angeblich gerade um die Entlohnung für jenen Faktor, der allein den Wert des fertigen Produktes bestimme, nämlich eben die Arbeit betrogen würden.) Nun ist aber diese Arbeitswertlehre zweifellos falsch! Und damit bricht ein tragender logischer Grundstein des ganzen marxistischen Denkgebäudes weg. Es gäbe noch viele andere Dinge von ähnlichem Gewicht zu erwähnen.
Das ist m.E. der Unterschied zwischen Kopernikus und Newton auf der einen und Karl Marx auf der anderen Seite.
Ich will Dich im übrigen nicht"bekehren". Aber ich empfehle Dir ein Buch, auf das mich McMike hier im Forum vor den Weihnachtsfeiertagen aufmerksam gemacht hat: Löw, Der Mythos Marx (erschienen 2000). Dort findest viele Antworten auf viele Fragen, die Marx und seine"Lehre" betreffen.
Grüße
G.
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Wal Buchenberg
13.01.2002, 15:04
@ Galiani
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Re: Ich finde an der Abeitswertlehre nichts auszusetzen. (owT) |
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Galiani
13.01.2002, 15:20
@ Wal Buchenberg
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Was ich an der Abeitswertlehre nichts auszusetzen habe: |
Lieber Wal Buchberg
Ich habe heute chiquito zum Thema Arbeitswertlehre folgendes gepostet:
quote
Hallo nochmal
chiquito meinte (in Beantwortung eines Postings von R.Deutsch):
>Wie begründen Sie eigentlich Ihr Urteil über die Arbeitswert-Theorie:"Diese Theorie ist eindeutig falsch."?
Wenn die Arbeitswerttheorie stimmen würde, müßten die"arbeitsintensivsten" Produkte den höchsten Wert haben. Wie Du an tausend Beispielen im realen Leben aber selbst nachprüfen kannst, ist es nachgerade umgekehrt. Die Produkte, deren Herstellung am meisten Schweiß und Arbeit verursachen, sind nicht selten gerade solche Produkte, die am Markt nicht viel erlösen, also"einen relativ geringen Wert haben": Brot zum Beispiel; oder normale Lederschuhe (nicht vom Designer); Stahl u.s.w.
chiquito meinte:
>...es gibt Dinge, die sind"überbewertet", sie haben"keinen wirklichen Wert", sie haben"nur einen fiktiven Wert". Papiergeld zum Beispiel ist so etwas, was"keinen realen Wert" hat, im Gegensatz zu Gold oder Silber.
>Was ist den eigentlich der Grund, dass man von"wirklichen Werten" sprechen kann? Was entscheidet darüber, dass ein Wert ein"wirklicher Wert" ist? Wie kommt es dass Gold, Silber oder Schweinebäuche einen"realen Wert" haben können?
Das Gebiet der"Wertlehre" - so verworren es seit zwei oder drei Generationen auch geworden sein mag - hat doch einige ewig gültige Grundsätze hervorgebracht: Der"Wert" wird durch zwei voneinander unabhängige Komponenten bestimmt: nämlich einmal durch die"Nützlichkeit" einer Sache (das hat mit unseren Bedürfnissen bzw. Motiven zu tun); häufig wird uns aber von interessierter Seite durch Propaganda ein"Nutzen" der Dinge suggeriert, der in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Das macht dann den Unterschied zu einem bloß"fiktiven" Wert aus! Die zweite Komponente, die den Wert bestimmt und die vom"Nutzen" der Sache völlig unabhängig ist, ist deren"Seltenheit" bzw. die Schwierigkeit, die es macht, der"nützlichen" Sache habhaft zu werden. (Hier spielt das Moment der Arbeitsleistung manchmal mit; keineswegs aber immer!)
Das berühmte Wertparadoxon zeigt das sehr deutlich auf: Wasser und Luft sind zwar unerhört nützlich, aber weil es sich nicht um"seltene" Dinge handelt, haben sie keinen eigentlichen Wert; hingegen wäre, wie Ferdinando Galiani sagt, ein Säckchen Sand von einem ganz bestimmten japanischen Strand etwas außerordentlich schwer zu Bekommendes,"Seltenes", aber, wenn das für niemanden von Nutzen ist, wäre es ebenfalls nichts Wert. (Es sei denn, irgend ein Quacksalber würde mit großer Medienunterstützung dafür Propaganda machen, daß gerade dieser Sand große Heilwirkung habe.)
>Der Grund ist doch offensichtlich, dass man sie nicht (wie Papiergeld) aus"thin air", aus hohler Luft schaffen kann, sondern - und hier scheint mir Marx nach wie vor überzeugend zu sein - weil man wirkliche Arbeit in ihre Produktion stecken muß.
Das ist eben ein Trugschluß! Das Genie, das für ein unlösbar erscheinendes Problem der Menschheit eine Lösung"aus dem Ärmel schüttelt", hat für die Menschheit vielleicht einen unermeßlichen Wert, ohne daß da viel Arbeit im Spiel ist. (Wobei ich Dir zugebe: Für wirkliche Leistungen ist Arbeit meistens eine unabdingbare Voraussetzung. Arbeit allein aber reicht nicht aus! Sie ist eine - meist - notwendige, aber keine ausreichende Bedingung des Wertes)
Ich hoffe, daß sich Deine weiteren Überlegungen und Fragen damit einigermaßen beantworten lassen.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
G.
unquote
Indem ich Ihnen ebenfalls einen schönen Sonntag Abend wünsche, bin ich Ihr
G.
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Galiani
13.01.2002, 15:22
@ Galiani
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Hoppla! Ich meinte natürlich: 'Was ich.... auszusetzen habe' Nochmals Grüße (owT) |
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Galiani
13.01.2002, 15:30
@ Galiani
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Außerdem |
Ich entschuldige mich:
Ich hätte Sie natürlich richtig mit"Wal Buchenberg" ansprechen sollen.
Werde es mir merken!
Gruß
G.
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chiquito
13.01.2002, 23:27
@ Galiani
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Re: Was ich an der Abeitswertlehre nichts auszusetzen habe: |
>Lieber Wal Buchberg
>Ich habe heute chiquito zum Thema Arbeitswertlehre folgendes gepostet:
>
>quote
>Hallo nochmal
>chiquito meinte (in Beantwortung eines Postings von R.Deutsch):
>>Wie begründen Sie eigentlich Ihr Urteil über die Arbeitswert-Theorie:"Diese Theorie ist eindeutig falsch."?
>Wenn die Arbeitswerttheorie stimmen würde, müßten die"arbeitsintensivsten" Produkte den höchsten Wert haben. Wie Du an tausend Beispielen im realen Leben aber selbst nachprüfen kannst, ist es nachgerade umgekehrt. Die Produkte, deren Herstellung am meisten Schweiß und Arbeit verursachen, sind nicht selten gerade solche Produkte, die am Markt nicht viel erlösen, also"einen relativ geringen Wert haben": Brot zum Beispiel; oder normale Lederschuhe (nicht vom Designer); Stahl u.s.w.
>chiquito meinte:
>>...es gibt Dinge, die sind"überbewertet", sie haben"keinen wirklichen Wert", sie haben"nur einen fiktiven Wert". Papiergeld zum Beispiel ist so etwas, was"keinen realen Wert" hat, im Gegensatz zu Gold oder Silber.
>>Was ist den eigentlich der Grund, dass man von"wirklichen Werten" sprechen kann? Was entscheidet darüber, dass ein Wert ein"wirklicher Wert" ist? Wie kommt es dass Gold, Silber oder Schweinebäuche einen"realen Wert" haben können?
> Das Gebiet der"Wertlehre" - so verworren es seit zwei oder drei Generationen auch geworden sein mag - hat doch einige ewig gültige Grundsätze hervorgebracht: Der"Wert" wird durch zwei voneinander unabhängige Komponenten bestimmt: nämlich einmal durch die"Nützlichkeit" einer Sache (das hat mit unseren Bedürfnissen bzw. Motiven zu tun); häufig wird uns aber von interessierter Seite durch Propaganda ein"Nutzen" der Dinge suggeriert, der in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Das macht dann den Unterschied zu einem bloß"fiktiven" Wert aus! Die zweite Komponente, die den Wert bestimmt und die vom"Nutzen" der Sache völlig unabhängig ist, ist deren"Seltenheit" bzw. die Schwierigkeit, die es macht, der"nützlichen" Sache habhaft zu werden. (Hier spielt das Moment der Arbeitsleistung manchmal mit; keineswegs aber immer!)
>Das berühmte Wertparadoxon zeigt das sehr deutlich auf: Wasser und Luft sind zwar unerhört nützlich, aber weil es sich nicht um"seltene" Dinge handelt, haben sie keinen eigentlichen Wert; hingegen wäre, wie Ferdinando Galiani sagt, ein Säckchen Sand von einem ganz bestimmten japanischen Strand etwas außerordentlich schwer zu Bekommendes,"Seltenes", aber, wenn das für niemanden von Nutzen ist, wäre es ebenfalls nichts Wert. (Es sei denn, irgend ein Quacksalber würde mit großer Medienunterstützung dafür Propaganda machen, daß gerade dieser Sand große Heilwirkung habe.)
>
>>Der Grund ist doch offensichtlich, dass man sie nicht (wie Papiergeld) aus"thin air", aus hohler Luft schaffen kann, sondern - und hier scheint mir Marx nach wie vor überzeugend zu sein - weil man wirkliche Arbeit in ihre Produktion stecken muß.
> Das ist eben ein Trugschluß! Das Genie, das für ein unlösbar erscheinendes Problem der Menschheit eine Lösung"aus dem Ärmel schüttelt", hat für die Menschheit vielleicht einen unermeßlichen Wert, ohne daß da viel Arbeit im Spiel ist. (Wobei ich Dir zugebe: Für wirkliche Leistungen ist Arbeit meistens eine unabdingbare Voraussetzung. Arbeit allein aber reicht nicht aus! Sie ist eine - meist - notwendige, aber keine ausreichende Bedingung des Wertes) >
>Ich hoffe, daß sich Deine weiteren Überlegungen und Fragen damit einigermaßen beantworten lassen.
>Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
>G.
Lieber Galiani,
erst mal: Ich hatte ja schon den Entschluß gefaßt, gar nichts mehr auf deinen Beitrag zu antworten, weil es ja vielleicht doch nichts bringt, einfach nur Positionen auszutauschen.
Jetzt hast du deine Antwort auf meinen Beitrag noch einmal zitiert; das bringt mich dazu, doch noch einmal was zu entgegnen.
Du schreibst:
"Wenn die Arbeitswerttheorie stimmen würde, müßten die"arbeitsintensivsten" Produkte den höchsten Wert haben. Wie Du an tausend Beispielen im realen Leben aber selbst nachprüfen kannst, ist es nachgerade umgekehrt. Die Produkte, deren Herstellung am meisten Schweiß und Arbeit verursachen, sind nicht selten gerade solche Produkte, die am Markt nicht viel erlösen, also"einen relativ geringen Wert haben": Brot zum Beispiel; oder normale Lederschuhe (nicht vom Designer); Stahl u.s.w."
Meine Antwort:
Dieses Problem, dass"kapitalintensive" Produkte einen höheren Preis haben, diskutiert (und löst meiner Ansicht nach!) Karl Marx im zweiten Abschnitt des Dritten Bandes des Kapitals auf der Grundlage der Arbeitswerttheorie; und zwar indem er zeigt, dass der Preis eines Produktes notwendigerweise vom Wert abweicht, je nachdem wie die Zusammensetzung des Kapitals in der betreffenden Branche (bzw. im entsprechenden Unternehmen) ist.
Zum zweiten: du schreibst:
"Der"Wert" wird durch zwei voneinander unabhängige Komponenten bestimmt: nämlich einmal durch die"Nützlichkeit" einer Sache (das hat mit unseren Bedürfnissen bzw. Motiven zu tun); häufig wird uns aber von interessierter Seite durch Propaganda ein"Nutzen" der Dinge suggeriert, der in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Das macht dann den Unterschied zu einem bloß"fiktiven" Wert aus! Die zweite Komponente, die den Wert bestimmt und die vom"Nutzen" der Sache völlig unabhängig ist, ist deren"Seltenheit" bzw. die Schwierigkeit, die es macht, der"nützlichen" Sache habhaft zu werden. (Hier spielt das Moment der Arbeitsleistung manchmal mit; keineswegs aber immer!)
Das berühmte Wertparadoxon zeigt das sehr deutlich auf: Wasser und Luft sind zwar unerhört nützlich, aber weil es sich nicht um"seltene" Dinge handelt, haben sie keinen eigentlichen Wert; hingegen wäre, wie Ferdinando Galiani sagt, ein Säckchen Sand von einem ganz bestimmten japanischen Strand etwas außerordentlich schwer zu Bekommendes,"Seltenes", aber, wenn das für niemanden von Nutzen ist, wäre es ebenfalls nichts Wert. (Es sei denn, irgend ein Quacksalber würde mit großer Medienunterstützung dafür Propaganda machen, daß gerade dieser Sand große Heilwirkung habe.)"
Meine Antwort:
Dieses Problem von"Nutzen" und"Schwierigkeit... der"nützlichen" Sache habhaft zu werden" hat Marx meiner Einschätzung nach viel genauer in den Begriffen von"Gebrauchswert" und"Tauschwert" gefaßt, die er bereits am Anfang des"Kapital" zu entwickeln beginnt.
Daß man allerdings mit der Arbeitswerttheorie nicht alles erklären kann, wie und was auf dem Markt gehandelt wird, das ist schon klar. Zum Beispiel läßt sich der Wert oder der Preis von Baugrundstücken sicher nicht mit der Arbeitswerttheorie erklären; das hat wohl auch Marx so nie behauptet.
Und sicherlich sind auch Ergebnisse der Wissenschaft (wenn sie nicht patentiert sind) frei und in ihrer Bedeutung für die Menschheit nicht von der Arbeitswerttheorie abhängig - es sei denn, sie werden kapitalistisch verwertet, dann käme die Arbeitswerttheorie, soweit es den Verwertungsprozeß betrifft, schon wieder (so sehe ich es) zu ihrem Recht. - Aber noch eine Bemerkung: Daß eine geniale Entdeckung/Erfindung einen"unermeßlichen Wert" haben kann, ist für mich auch ein Spiel mit dem Begriff"Wert". Der"Wert", von dem Marx spricht, ist nicht"unermeßlich", sondern immer begrenzt (letzten Endes: weil das Arbeitsvermögen einer Volkswirtschaft oder einer Weltwirtschaft begrenzt ist). Der Wert, von dem Marx spricht, ist aber etwas, was unter dem Zwang steht, vergrößert zu werden, koste es, was es wolle (jetzt spiele ich mit dem Begriff"Kosten").
Ich bin also - wie du siehst - nicht von deinen Argumenten überzeugt worden, du wirst dich wohl auch nicht von meinen Argumenten überzeugen lassen.
Trotzdem: Grüße und"Gutes Nächtle"!
ch.
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dottore
14.01.2002, 19:32
@ Wal Buchenberg
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Re: Da irrte Marx... |
> Ich bin sicher, dass die Theorie von Karl Marx einmal so anerkannt sein wird wie die Auffassungen von Kopernikus und Newton - trotz der Irrtümer von allen dreien. Bei jeder umstrittenen Theorie stehen die Irrtümer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, bei jeder anerkannten Theorie die Fortschritte, die sie brachte. Notgedrungen muss man also noch über die Irrtümer von Karl Marx sprechen.
"Die Theorie" gibt's schon mal garnicht. Es gibt verschiedene Theorien, z.B.
- Mehrwertlehre (komplett falsch, da es niemals"Werte", sondern immer nur Preise gibt).
- Arbeitswertlehre (völlig daneben, weil"Arbeit" als solche jeder leisten kann wie er will; der"Wert" der Arbeit wird wird hier subjektiv, vom Arbeitenden aus, gesehen, genauso gut kann ein Arbeiter 10.000 Liegestütz in seiner Schicht machen - so what? Es kommt darauf an, ob ihm jemand GELD dafür gibt, die Nummer zu sehen).
- Zusammenbruchsthese (komplett falsch, weil Zusammenbruch immer Verluste voraussetzt, die die Kapitalistenklasse sub summa aber niemals machen kann - eigene Voraussetzung von M & E).
- Entfremdungsthese (richtig, erlebt jeder jeden Tag)
- Cirkulationsthese (richtig, es"fehlt" immer Geld, um den"Mehrwert" - Profit jetzt - zu realisieren).
- Zinseszinsthese, alias"hat das Geld Lieb im Leibe..." (richtig, was erstaubt, weil es damals noch keine Taschenrechner gab; aber chapeau, darauf musste man auch erst kommen).
> Um die gröbsten Missverständnisse vorneweg anzusprechen: Wer etwa meint, dass er mit der Feststellung, Marx habe sich da oder dort geirrt, schon mit der ganzen Marx’schen Theorie fertig sei, der hat ebenso wenig Ahnung von Wissenschaft wie die Marxisten, die vielleicht meinten, dass Marx sich nie geirrt habe. Beide Auffassungen gehen von der lächerlichen Annahme aus, dass eine wissenschaftliche Theorie zu allen Zeiten und unter allen Umständen 100prozentig korrekt sein könne und korrekt sein müsse. > Der eine sucht bei Marx hier Fehler, der andere da. Die folgende Liste zählt die wichtigsten Irrtümer von Marx und Engels auf, die ich gefunden habe:
>Marx, 1848:
>“Revolutionäre Erhebung der französischen Arbeiterklasse, Weltkrieg - das ist die Inhaltsanzeige des Jahres 1849.” (MEW 6, S. 150).
Die Arbeiter hatten sich erhoben. Falsch war die daran sich schließende"Kriegstheorie".
>Marx, März 1850: “Die Revolution... steht im Gegenteil nahe bevor.” (MEW 7, S. 245)
Mark hatte den Zustrom des"neuen" Geldes offfenbat nicht bemerkt, Kalifornien usw. Zusätzliches Geld entspannt, siehe auch Goldmechanismus.
>Marx, Juni 1850: “...gerade jetzt, wo... der Ausbruch einer neuen Revolution nicht mehr lange ausbleiben kann.” (MEW 7, S. 312)
Reine Trotzhaltung. Ich habe Recht, also muss es jetzt...
Leider wird hier das Manifest (Februar 1848) unterschlagen, das eine perfekte Beschreibung der kapitalistischen Errungenschaften liefert.
>[b]Aber Marx noch im Jahr 1850:
>“Bei dieser allgemeinen Prosperität, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig entwickeln... kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein.” (MEW 7, S. 440)
>Marx, 1853:
>“die jetzigen Verhältnisse,... die nach meiner Ansicht bald zu einem Erdbeben führen müssen.” (MEW 28, S. 223.)
>Engels, 1856:
>“Es gibt diesmal ein dies irae (=Zeit der Empörung)...
Dies irae ist der Tag des <b<Zorns[/b] und zwar der des Zornes Gottes. Mit"Empörung" hat das nix zu tun.
>... wie nie vorher, die ganze europäische Industrie kaputt, alle Märkte überfüllt... alle besitzenden Klassen hereingeritten, kompletter Bankrott der Bourgeoisie.... Auch ich glaube, dass sich alles dies Anno 1857 erfüllen wird...” (MEW 29, S. 78)
Für 1857 lag er bombenrichtig! Damals gab's die erste"Weltwirtschaftskrise" - hier schon oft genug vorgestellt.
>Marx, 1857:
>“Die Revolution marschiert heran, wie durch die Entwicklung der (französischen Bank) Credit mobilier und durch die Finanzen Bonapartes im allgemeinen bewiesen wird.” (MEW 29, S. 153)
Frankreich war seit 1857 morsch und fiel endgültig gegen die Preußen 1870/71.
>Marx, 1857:
>“1848 sagten wir: jetzt kommt unsere Zeit, und sie kam in einem eingeschränkten Sinn, diesmal aber kommt sie vollständig, jetzt geht es um den Kopf.” (MEW 29, S. 212).
>Marx, Dezember 1857:
>“Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammenfassung meiner ökonomischen Studien, damit ich wenigstens die Grundrisse im Klaren habe vor der Sintflut.” (MEW 29, S. 225)
Die 1857er Krise war um Haaresbreite das Ende des"Kapitalismus". Schon damals wurde er gestretcht: Hamburg (Vollpleite) wurde nur durch Güterzüge voller Silber aus Ã-sterreich gerettet.
>Marx, 1857:
>“Da Lupus (= Wilhelm Wolff, der den Vorhersagen von Marx nicht traute, ihm aber bei seinem Tod 1864 sein Vermögen vermachte, so dass Marx Zeit und Geld hatte, das KAPITAL zu schreiben.) beständig Buch über unsere Krisenvorhersagen führte, so erzähle ihm, dass der ‚Economist‘ von letztem Sonnabend erklärt, die Endmonate von 1853, durch ganz 1854, Herbst 1855 und während der plötzlichen Veränderung von 1856 sei Europa immer nur um Haaresbreite dem drohenden Krach entkommen.” (MEW 29, S. 225)
War absolut richtig!
>Marx, 1862:
>“Wir gehen offenbar einer Revolution entgegen - woran ich seit 1850 nie gezweifelt habe.” (MEW 30, S. 641)
>Marx, 1969
1869
>"Es gibt in der Tat keine deutsche Einheit. Sie könnte nur erreicht werden durch eine deutsche Revolution, die die preußische Dynastie hinwegfegt....." (MEW 32, S. 608) (Die deutsche Einigung wurde zwei Jahre später erreicht nicht gegen die preußische Dynastie, sondern durch die preußische Dynastie. wb)
Siehe 1918, Preußen futsch, Zentralstaat konnte starten. Revolution sowieso.
> Marx, 17. 02. 1870:
>"Unter uns gesagt... ich erwarte für die soziale Bewegung mehr von Deutschland als von Frankreich." (MEW 32, S. 651) Aber:"Am Morgen des 18. März 1871 wurde Paris geweckt durch den Donnerruf: 'Es lebe die Kommune!' Was ist diese Kommune?... Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse.... dies war die erste Revolution, in der die Arbeiterklasse offen anerkannt wurde als die einzige Klasse, die noch einer gesellschaftlichen Initiative fähig war." (Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, S. 335 u. 342 u. 344)
Das war nicht der große Irrtum. sondern, dass die Revolution im relativ unter entwickeltsten Land der Industrieklasse ausbrach: Russland.
>Marx, 1874:
>“Die allgemeinen europäischen Zustände sind derart, dass sie mehr und mehr zu einem allgemeinen europäischen Krieg drängen.” (MEW 33, S. 635)
>(Karl Marx starb am 14. März 1883, es dauerte bis 1914, bevor ein europäischer Krieg ausbrach.)
>Engels, 1884:
>“Die russische Konstitution (=bürgerliche Revolution) wird nun so oder so doch wohl im Lauf dieses Jahres kommen, und dann kann’s losgehen.” (MEW 36, S. 88)
Konstitutuon = ganz was anderes, nämlich eine russische Verfassung.
>Engels, 1886
>"... wenn es auch für eine ruhige und festbegründete Herrschaft der Bourgeoisie in Deutschland zu spät ist...." (MEW 21, S. 454)
>Engels, 1889:
>“Der Verfall der englischen Industrie aber ist nach meiner Ansicht zusammenfallend mit dem Kladderadatsch der kapitalistischen Produktion überhaupt.” (MEW 37, S. 325)
Engels hatte schon Kasse gemacht; sein Argument ist das eines Aktionärs, der zu früh verkauft hat.
>Engels, 1891: > “Aber wenn diese Ackerbaukrise die Industriekrise in England ausbrechen lässt, die wir seit 25 Jahren erwarten... dann!.... und wenn die Ereignisse diese Richtung nehmen, wird unsere Partei schon um das Jahr 1998 zur Macht kommen können.” (MEW 22, S. 243).
1898.
>Engels, 1892:
>“Natürlich wird die nächste Revolution, die sich in Deutschland mit einer Beharrlichkeit und Stetigkeit ohnegleichen vorbereitet, zu ihrer Zeit kommen, sagen wir 1898-1904.” (MEW 38, S. 545).
Anstieg der SPD übersehen, war 1914 stärkste Partei in D.
>Welche Schlussfolgerungen sind aus dieser Irrtümerliste zu ziehen? > Man könnte sich mit der einfachen Feststellung begnügen, dass kein Mensch in die Zukunft sehen könne, und Karl Marx und Friedrich Engels halt auch nur Menschen gewesen seien. Ich denke, das würde die Sache nicht ganz treffen. > Von marxistischer Seite könnte man noch einwenden, dass nur die politischen Fehleinschätzungen aus den Jahren 1848 bis 1850 in öffentlichen Schriften geäußert wurden. Alles andere waren Bemerkungen an enge Freunde und Genossen, an die man nicht den gleichen wissenschaftlichen Maßstab wie zum Beispiel an die Bände des"Kapital" stellen kann. Richtig ist daran, dass diese Bemerkungen nicht selber Teil einer wissenschaftlichen Theorie waren, aber es waren immerhin politische Schlussfolgerungen aus dieser Theorie, und zwar von Leuten, denen niemand unterstellen kann, sie hätten diese Theorie missverstanden und falsch angewandt.
Die Theorie, siehe oben, ist in ihren beiden Kernaussagen (Arbeitswert/Mehrwert/Ausbeutung und Zusammenbruch wg. sinkender Profitrate komplett falsch. Siehe dazu R.Deutsch & Galiani.
>Ich denke, für alle diese Irrtümer von K. Marx und F. Engels gilt, was Engels 1892, fast 50 Jahre nach dem Erscheinen seines Buches"Lage der arbeitenden Klasse in England", zur amerikanischen Neuauflage schrieb:"Ich habe mir nicht einfallen lassen, aus dem Text die vielen Prophezeiungen zu streichen, namentlich nicht die einer nahe bevorstehenden sozialen Revolution in England.... Das wunderbare ist nicht, dass so viele dieser Prophezeiungen fehlgingen, sondern dass so viele eingetroffen sind...." (MEW 22, S. 270).
>So muss man meiner Meinung nach auch über Irrtümer von Marx und Engels sagen: Das Bemerkenswerte ist nicht, dass so viele ihrer Prognosen fehlgingen, sondern dass so viele eingetroffen sind.
>Wal Buchenberg, 08.10.2000
Wal,
etwas mehr Theorie wäre zu begrüßen. Erklär' doch mal der Runde hier, wieso es zum Zusammenbruch des Kapitalismus kommen soll (Mehrwert wird zum Kapital geschlagen, ergo sinkende Profitrate ergo Kollaps - wie geht das? Ich habe noch nie eine Pleite gesehen, die im Handeslregister wegen"zu geringer Gewinne" eingetragen wurde).
Gruß
d.
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dottore
14.01.2002, 19:50
@ chiquito
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Re: Was ich an der Abeitswertlehre nichts auszusetzen habe: |
>> Das Gebiet der"Wertlehre" - so verworren es seit zwei oder drei Generationen auch geworden sein mag - hat doch einige ewig gültige Grundsätze hervorgebracht: Der"Wert" wird durch zwei voneinander unabhängige Komponenten bestimmt: nämlich einmal durch die"Nützlichkeit" einer Sache (das hat mit unseren Bedürfnissen bzw. Motiven zu tun);
Nein, die Nützlichkeit wird von dem definiert, der den"Wert" herstellt. Es gibt keinerlei"nützliche" Sachen oder Waren, da sich ihre"Nützlichkeit" nicht sub summa einer Wirtschaft feststellen lässt.
>häufig wird uns aber von interessierter Seite durch Propaganda ein"Nutzen" der Dinge suggeriert, der in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist.
Das ist richtig. Aber es gilt - leider - für alle"Dinge", die"Warencharakter" haben. Es kann niemals etwas"Nützliches" geben, dessen"Nutzen" für alle gilt, wobei wir nicht über Luft und Wasser diskutieren müssen.
>Das macht dann den Unterschied zu einem bloß"fiktiven" Wert aus! Die zweite Komponente, die den Wert bestimmt und die vom"Nutzen" der Sache völlig unabhängig ist, ist deren"Seltenheit" bzw. die Schwierigkeit, die es macht, der"nützlichen" Sache habhaft zu werden. (Hier spielt das Moment der Arbeitsleistung manchmal mit; keineswegs aber immer!)
>>Das berühmte Wertparadoxon zeigt das sehr deutlich auf: Wasser und Luft sind zwar unerhört nützlich, aber weil es sich nicht um"seltene" Dinge handelt, haben sie keinen eigentlichen Wert; hingegen wäre, wie Ferdinando Galiani sagt, ein Säckchen Sand von einem ganz bestimmten japanischen Strand etwas außerordentlich schwer zu Bekommendes,"Seltenes", aber, wenn das für niemanden von Nutzen ist, wäre es ebenfalls nichts Wert. (Es sei denn, irgend ein Quacksalber würde mit großer Medienunterstützung dafür Propaganda machen, daß gerade dieser Sand große Heilwirkung habe.)
>>
>>>Der Grund ist doch offensichtlich, dass man sie nicht (wie Papiergeld) aus"thin air", aus hohler Luft schaffen kann, sondern - und hier scheint mir Marx nach wie vor überzeugend zu sein - weil man wirkliche Arbeit in ihre Produktion stecken muß.
Papiergeld wird nicht"out of thin air" geschaffen (noch nicht!), sondern es wird nur gegen bereits existente Titel ausgegeben. Übrigens: Nach dieser Theorie wären der Wert der Gogos just deren Herstell- (Arbeits-)kosten.
Außerdem: Was ist"wirkliche" Arbeit?
>> Das ist eben ein Trugschluß! Das Genie, das für ein unlösbar erscheinendes Problem der Menschheit eine Lösung"aus dem Ärmel schüttelt", hat für die Menschheit vielleicht einen unermeßlichen Wert, ohne daß da viel Arbeit im Spiel ist. (Wobei ich Dir zugebe: Für wirkliche Leistungen ist Arbeit meistens eine unabdingbare Voraussetzung. Arbeit allein aber reicht nicht aus! Sie ist eine - meist - notwendige, aber keine ausreichende Bedingung des Wertes)
Nochmals: Es gibt keine Werte, sondern immer nur Preise (Wert = subjektiv, d.h. einer ist beteiligt), Preis = objektiv, da wenigstens ein Anbieter udn ein Nachfrager.
>>
>>Ich hoffe, daß sich Deine weiteren Überlegungen und Fragen damit einigermaßen beantworten lassen.
>>Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
>>G.
>Lieber Galiani,
>erst mal: Ich hatte ja schon den Entschluß gefaßt, gar nichts mehr auf deinen Beitrag zu antworten, weil es ja vielleicht doch nichts bringt, einfach nur Positionen auszutauschen.
>Jetzt hast du deine Antwort auf meinen Beitrag noch einmal zitiert; das bringt mich dazu, doch noch einmal was zu entgegnen.
>Du schreibst:
>"Wenn die Arbeitswerttheorie stimmen würde, müßten die"arbeitsintensivsten" Produkte den höchsten Wert haben. Wie Du an tausend Beispielen im realen Leben aber selbst nachprüfen kannst, ist es nachgerade umgekehrt. Die Produkte, deren Herstellung am meisten Schweiß und Arbeit verursachen, sind nicht selten gerade solche Produkte, die am Markt nicht viel erlösen, also"einen relativ geringen Wert haben": Brot zum Beispiel; oder normale Lederschuhe (nicht vom Designer); Stahl u.s.w."
>Meine Antwort:
>Dieses Problem, dass"kapitalintensive" Produkte einen höheren Preis haben, diskutiert (und löst meiner Ansicht nach!) Karl Marx im zweiten Abschnitt des Dritten Bandes des Kapitals auf der Grundlage der Arbeitswerttheorie; und zwar indem er zeigt, dass der Preis eines Produktes notwendigerweise vom Wert abweicht, je nachdem wie die Zusammensetzung des Kapitals in der betreffenden Branche (bzw. im entsprechenden Unternehmen) ist.
Ganz großer Zirkelschluss! Da Kapital nur"geronnene Arbeit" sein kann, was auch sonst für einen Marxisten?, müssten in den"kapitalintensiven" Branchen die Kapitalisten zunächst kräftig ausgebdeutet haben - und nun? Woher sollten sie sonst ihr"Kapital" (marxistisch definiert) haben?
>Zum zweiten: du schreibst:
>"Der"Wert" wird durch zwei voneinander unabhängige Komponenten bestimmt: nämlich einmal durch die"Nützlichkeit" einer Sache (das hat mit unseren Bedürfnissen bzw. Motiven zu tun); häufig wird uns aber von interessierter Seite durch Propaganda ein"Nutzen" der Dinge suggeriert, der in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Das macht dann den Unterschied zu einem bloß"fiktiven" Wert aus! Die zweite Komponente, die den Wert bestimmt und die vom"Nutzen" der Sache völlig unabhängig ist, ist deren"Seltenheit" bzw. die Schwierigkeit, die es macht, der"nützlichen" Sache habhaft zu werden. (Hier spielt das Moment der Arbeitsleistung manchmal mit; keineswegs aber immer!)
>Das berühmte Wertparadoxon zeigt das sehr deutlich auf: Wasser und Luft sind zwar unerhört nützlich, aber weil es sich nicht um"seltene" Dinge handelt, haben sie keinen eigentlichen Wert; hingegen wäre, wie Ferdinando Galiani sagt, ein Säckchen Sand von einem ganz bestimmten japanischen Strand etwas außerordentlich schwer zu Bekommendes,"Seltenes", aber, wenn das für niemanden von Nutzen ist, wäre es ebenfalls nichts Wert. (Es sei denn, irgend ein Quacksalber würde mit großer Medienunterstützung dafür Propaganda machen, daß gerade dieser Sand große Heilwirkung habe.)"
>Meine Antwort:
>Dieses Problem von"Nutzen" und"Schwierigkeit... der"nützlichen" Sache habhaft zu werden" hat Marx meiner Einschätzung nach viel genauer in den Begriffen von"Gebrauchswert" und"Tauschwert" gefaßt, die er bereits am Anfang des"Kapital" zu entwickeln beginnt.
[b]Alle"Werte"-Diskussionen sind ex cathedra, von oben herab (ICH weiß, was"Wert" hat, DU, der Depp, aber nicht - Verhältnis 1: 1 Million), elitär und obrigkeitsstaatlich. Darüber sollten wir inzwischen hinweg sein.
>Daß man allerdings mit der Arbeitswerttheorie nicht alles erklären kann, wie und was auf dem Markt gehandelt wird, das ist schon klar. Zum Beispiel läßt sich der Wert oder der Preis von Baugrundstücken sicher nicht mit der Arbeitswerttheorie erklären; das hat wohl auch Marx so nie behauptet.
"Wert oder Preis" - da ist schon das Ende der Fahnenstange. Das"oder" kann niemals sein!
>Und sicherlich sind auch Ergebnisse der Wissenschaft (wenn sie nicht patentiert sind) frei und in ihrer Bedeutung für die Menschheit nicht von der Arbeitswerttheorie abhängig - es sei denn, sie werden kapitalistisch verwertet, dann käme die Arbeitswerttheorie, soweit es den Verwertungsprozeß betrifft, schon wieder (so sehe ich es) zu ihrem Recht. - Aber noch eine Bemerkung: Daß eine geniale Entdeckung/Erfindung einen"unermeßlichen Wert" haben kann, ist für mich auch ein Spiel mit dem Begriff"Wert". Der"Wert", von dem Marx spricht, ist nicht"unermeßlich", sondern immer begrenzt (letzten Endes: weil das Arbeitsvermögen einer Volkswirtschaft oder einer Weltwirtschaft begrenzt ist). Der Wert, von dem Marx spricht, ist aber etwas, was unter dem Zwang steht, vergrößert zu werden, koste es, was es wolle (jetzt spiele ich mit dem Begriff"Kosten").
Wiese steht dieser"Wert" unter dem Zwang"vergrößert" zu werden? Ich muss etwas nur für"wertvoller" halten und schon ist der Wert gestiegen (für mich, leider NUR für mich). Wer hat mich denn dazu gezwungen?
>
>Ich bin also - wie du siehst - nicht von deinen Argumenten überzeugt worden, du wirst dich wohl auch nicht von meinen Argumenten überzeugen lassen.
Hier geht's nicht um Argumente, sondern um Definitionen."Wert" wird mals als"Wert" (subjektiv) genannt, dann wieder ("oder") mit dem"Preis gleich gesetzt.
Definier erst mal"Wert" und dann"Preis" und dann, was"oder" heißt - und wir kommen weiter.
Gruß
d.
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