Ein Kommentar aus der WELT von heute:
Neuer Glanz für rote Fahnen
Debatte: Niemand fragt, wofür die Globalisierungsgegner eigentlich kämpfen
Von Michael Miersch
Samstag Nachmittag am Münchener Isartorplatz: Umstellt von Polizeiketten, Wasserwerfern und Räumfahrzeugen, leuchten rote Fahnen in der Wintersonne."Stoppt den Nato-Völkermord!" skandieren die Demonstranten. Fassungslose Einkaufsbummler empören sich über das überdimensionierte Aufgebot der Staatsmacht und die Unterdrückung der Demonstrationsfreiheit. Mögliche Randale wurde im Keim erstickt. Oberbürgermeister (SPD) und Ministerpräsident (CSU) haben auf der Straße gesiegt. Doch nach den Gesetzen der Mediendemokratie haben sie kläglich verloren. Die Botschaft der Bilder lautet: Wer gegen Krieg und Armut auf der Welt ist, darf in München seine Meinung nicht mehr frei äußern.
Die Fernsehnachrichten am Abend lassen kaum Zweifel daran aufkommen, wer die Guten und wer die Bösen sind. Gewissenhafte Bürger erheben in New York (frei) und München (unterdrückt) ihre Stimme gegen Krieg, Armut und Umweltzerstörung. Dem unbedarften Zuschauer bleibt der Eindruck, dass in den von Demonstranten belagerten Konferenzen wohl Armut, Umweltzerstörung und Krieg ausgeheckt werden.
Warum wird es den Globalisierungsgegnern von vielen Berichterstattern so einfach gemacht? Warum fragt fast kein Reporter WOFÜR sie eigentlich kämpfen? Warum fällt kaum einem auf, dass ihre Rezepte aus der Mottenkiste des Sozialismus stammen? Warum filmt niemand ihre Schilder, die den Kampf gegen die USA und Israel fordern? Ein aufgeklärtes Publikum würde sich mit Grausen abwenden.
Man muss nur einmal lesen, welche Organisationen für die Münchner Proteste verantwortlich zeichnen. Hinter den jungen Romantikern im Neo-Hippie-Outfit, stecken alte DKP-Kader, die jetzt in der PDS und"antifaschistischen" Initiativen aktiv sind, eskortiert vom christlich-pazifistischen Milieu der alten Friedensbewegung. Plötzlich stehen sie im Glanz der Medien, als die sympathische menschliche Alternative zum ungerechten Kapitalismus. Von soviel Aufmerksamkeit hätten diese Leute nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht mal mehr zu träumen gewagt.
Blickt man auf die globalen Fakten, sehen die Demonstranten jedoch ziemlich alt aus. Nur leider fragt fast niemand nach den Fakten. Nach einer aktuellen Studie der Weltbank geht es den 24 Staaten, die sich in den letzen zwanzig Jahren dem Freihandel geöffnet haben (darunter China, Indien, Vietnam, Uganda und Mexiko) heute wesentlich besser als jenen, die sich im Sinne der Globalisierungsgegner abschotteten und vor"Ausbeutung" schützten.
Die Ã-ffnung der Märkte hat die Lebensbedingungen von drei Milliarden Menschen in 24 Ländern verbessert. In den globalisierten Entwicklungsländern verbessern sich die Sozial- und Umweltbedingungen, sinkt die Kindersterblichkeit und steigt die Lebenserwartung. Allein zwischen 1980 und 1990 sank die Zahl der ganz Armen auf der Welt von 34 auf 17 Prozent. In einem einzigen Jahrzehnt konnten 573 Millionen Menschen die Armutsgrenze überwinden. Es entstanden weltweit über 800 Millionen neue Jobs. In den globalisierten Entwicklungs- und Schwellenländern bildeten sich erstmals breite Mittelschichten. Um gute Geschäfte zu machen braucht der Kapitalismus freie und konsumkräftige Bürger, und keineswegs Krieg, Armut und Grenzen.
Es gibt 20 Staaten, insbesondere in Afrika, die tatsächlich in den vergangenen Jahren immer ärmer geworden sind. Doch nicht, weil böse Konzerne sie ausbeuten (die meisten"Multis" machen einen großen Bogen um solche Länder). Die Armut dieser Länder hat hausgemachte Ursachen: Diktatoren und Kleptokraten, Bürgerkriege, religiöser und ideologischer Fanatismus. In einem Satz: Der Unterschied zwischen Globalisieren und Abschotten ist der Unterschied zwischen Nord- und Südkorea.
All diese seit Jahren vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), der Welternährungsorganisation FAO und der Weltbank dokumentierten Fakten, werden von den Demonstranten in München und New York ignoriert oder ideologisch verdreht.
Völlig wirklichkeitsfremd empfehlen sie sozialistische Rezepte, die in einem Drittel der Erde schon einmal zu Hunger, Krieg, schlimmster Umweltzerstörung und Massenmord geführt haben."Für Frieden und globale Gerechtigkeit" steht auf ihren Transparenten. Wer könnte dagegen sein? Aber die Abschaffung des Freihandels und das Zurückweichen der westlichen Demokratien sind sichere Wege zu mehr Krieg und globalem Hunger.
Es wäre so einfach, den Demonstranten mal ein Mikrofon unter die Nase zu halten und zu fragen: Was empfehlen sie uns, um die Übel der Welt zu beseitigen? Solche kritischen Fragen würden sehr schnell die Luft aus dieser medial gehätschelten Bewegung nehmen. Doch wenn man ihnen, wie in München, das Aufmarschieren verbietet, wird ihre David-gegen-Goliath-Pose perfekt bedient.
Erklärte Freiheitsfeinde erhalten den Heiligenschein einer unterdrückten Minderheit, deren Argumente scheinbar so stark sind, dass man sie nicht ertragen kann. Etwas besseres als das von SPD und CSU in München gemeinsam getragene Verbot konnte den Globalisierungsgegnern gar nicht passieren.
<center>
<HR>
</center> |