Vom Aktien-Millionär zum Sozialfall
- Enron-Pleite stürzt ehemalige Mitarbeiter in finanziellen Ruin - Rentner
Prestwood nach Abwertung der Aktie"so pleite wie nie" Von Francis Temman
Conroe, 14. Februar (AFP) - Als Charles Prestwood im Oktober 2000 den Energie-Konzern Enron verließ und nach 33 Jahren harter Arbeit in Rente ging, war er ein reicher Mann. Über eine Million Dollar hatte er zusammengespart und in Aktien seines alten Arbeitgebers investiert. Heute kann sich Prestwood kaum eine Mahlzeit leisten. Der 63-Jährige gehört zu den Tausenden ehemaliger Enron-Angestellten, deren Rentenpolster sich durch die Pleite des siebtgrößten US-Unternehmens in Nichts auflöste."Ich war in meinem Leben noch nicht so pleite", sagt Prestwood. Er fühlt sich betrogen und getäuscht, fordert die Bestrafung der Verantwortlichen:"Wir wurden finanziell getötet", sagt er verbittert.
Dabei sah die Zukunft so rosig aus. Nach seiner Pensionierung habe er nicht lange überlegt und sein Geld in Enron-Aktien gesteckt."Ich habe keinen Fehler gemacht", sagt er fast störrisch."Noch im Januar letzten Jahres hieß es in den Analysen, die Aktie würde auf 122, 126 Dollar und bis Ende 2002 sogar auf 145 Dollar steigen. Alle sagten, die Aktie sei ein guter Kauf."
Tatsächlich wurde der Energie-Konzern noch im Jahr 2000 als Börsen-Wunderkind gehandelt. Das Unternehmen wies Umsätze von 101 Milliarden Dollar (113 Milliarden Euro/221 Milliarden Mark) und satte Gewinne aus. Die Probleme begannen, als herauskam, dass Enron finanzielle Verluste nicht in den Büchern vermerkt hatte. Wegen der Bilanztricksereien, Fehlinvestitionen und dubiosen Transaktionen brach der Konzern schließlich zusammen. Inzwischen beschäftigt die größte Pleite der US-Geschichte verschiedene Untersuchungsausschüsse des US-Kongresses.
Charles Prestwood schaut enttäuscht aus dem Fenster seiner Küche in der texanischen Kleinstadt Conroe, 30 Kilometer nördlich von Houston. Er hat sich nicht getraut nachzufragen, wie viel seine Wertpapiere heute noch wert sind."Ich schäme mich, da anzurufen", sagt er. Wenn er es täte, würde er herausfinden, dass er für seine mehr als 16.000 Enron-Anteile nur noch 6.400 Dollar bekommen würde - im August standen sie noch bei 1,44 Millionen Dollar. Prestwood, der geschieden ist und zwei Kinder hat, lebt heute von 1.294 Dollar Sozialhilfe und einer Grundrente von 555 Dollar, die ihm Enron jeden Monat zahlen muss. Abzüglich der 729 Dollar Miete und der üblichen Rechnungen bleibt da nicht viel zum Leben.
Prestwood war nie ein hohes Tier bei Enron, keiner der Harvard-Absolventen mit den sechsstelligen Gehältern, die den Konzern zum erfolgreichsten Unternehmen der USA machten."Ich war für die Rohrleitungen zuständig", erzählt er."Ich musste aufpassen, dass der Druck stimmte und die Kompressoren richtig anliefen." Auch als sein ehemaliger Arbeitgeber Houston Natural Gas 1985 mit InterNorth zum Enron-Konzern fusionierte, wurde Prestwood übernommen:"Ich hatte Glück, dass ich nicht entlassen wurde."
"Ich habe das Geld nie aus dem Fenster geworfen", sagt Prestwood. Er sei immer stolz gewesen, bei Enron zu arbeiten und zeitweise sogar mit einem"Enron-gehört-auch-mir"-Aufkleber auf dem Auto herumgefahren. Heute ärgert er sich über die ehemaligen Enron-Manager, die sich bei den Befragungen im US-Kongress angeblich an nichts erinnern können."Wir wurden betrogen. Ich habe der Firma mein Leben lang gedient. Es tut weh zu sehen, dass mein ganzes Arbeitsleben umsonst war und ein großartiges Unternehmen zerstört ist. Wir haben Enron doch mit aufgebaut."
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