SPIEGEL ONLINE - 05. März 2002, 16:39
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,185607,00.html
US-Unternehmen
Die schönsten Kredite der Welt
Manche US-Manager beherrschen die hohe Kunst, sich an der eigenen Firma richtig gesundzustoßen. Sie leihen sich Geld und zahlen es nur teilweise oder gar nicht zurück. Wie man das macht, hat schon US-Präsident George W. Bush gezeigt.
New York - Es klingt wie eine unglaubliche Geschichte. Der neue Chef kauft Aktien der eigenen Firma für rund fünf Millionen Dollar. Das Geld dafür bekommt er von seiner Firma geliehen, zinsfrei. Ziel der Aktion: Der neue Chef sollte einen Anreiz haben, den Wert der Aktie zu steigern.
Leider klappt das aber nicht, der Kurs der Aktie geht in die Knie. Weil es dem Unternehmen nicht mehr gut geht, verordnet der Chef seinem Unternehmen einen radikalen Sparkurs und streicht rund 5000 Stellen. Den eigenen Kredit aber zahlt er nicht etwa zurück, wie"Business Week" berichtet. Die fünf Millionen Dollar erlässt ihm seine Firma in seinen ersten drei Jahren als Chef - Ziel nicht erreicht, die fürstliche Belohnung genehmigt man sich trotzdem.
Die Rede ist nicht von Enron oder irgendeinem Start-up, die Rede ist von Compaq und seinem derzeitigen Chef Michael Capellas. Und diese Geschichte ist noch nicht einmal außergewöhnlich. Nach den Erkenntnissen der Unternehmensberatung William M. Mercer gewährt jedes vierte Großunternehmen seinen Führungskräften Kredite.
Kreditlinie bei 7,5 Millionen Dollar
Oft sind die Konditionen besser als bei jeder Bank der Welt. Manche Manager kaufen damit Aktien des Unternehmens, manche kaufen sich aber auch Häuser oder riesige Anwesen. Für Risiken und Nebenwirkungen müssen in der Regel Aktionäre und Mitarbeiter bluten.
Natürlich gilt das auch für die Großexplosion des Energieriesen Enron. Dessen Chef Kenneth Lay soll seine persönliche Kreditlinie noch kurz vor der Milliardenpleite auf 7,5 Millionen Dollar angehoben haben, heißt es in einem Papier des Enron-Untersuchungsausschusses im Repräsentantenhaus. Häuser und Villen kaufte sich der Bankrotteur in guten Zeiten wie andere Leute Krawatten. Insgesamt besaß die Familie Lay zum Zeitpunkt der Enron-Pleite 15 Immobilien im Gesamtwert von rund 25 Millionen Dollar.
Die Kreditlinie hat Lay allein zum persönlichen Vorteil genutzt, so die Vermutung des Untersuchungsausschusses. Er habe immer dann Kredit bei der eigenen Firma aufgenommen, wenn ihm die Konditionen anderer Kreditgeber nicht gefielen. Besonders interessiert die Prüfer aber die Rückzahlung der Kredite. Hierfür soll Lay Enron-Aktien benutzt haben, und der Zeitpunkt der Verkäufe lässt laut SEC-Ermittlern den Verdacht aufkommen, dass er dabei Insiderwissen nutzte. Ein Anwalt, der für Lax arbeitet, soll laut CNN sogar gesagt haben, dass Lay massiv Aktien verkaufte, nachdem ihn eine Mitarbeiterin auf Unregelmäßigkeiten in der Bilanzierung hingewiesen hatte.
Chef und Schuldner zugleich
Den Spitzenplatz in der Liste der Absahner auf Pump nimmt wohl WorldCom-Chef Bernie Ebbers ein. Er kaufte sich - unterstützt von Bürgschaften der eigenen Firma für rund 60 Millionen Dollar eine der größten Ranches von Kanada. Weil die Banken bei dem sinkenden WorldCom-Kurs nervös wurden, ließ Ebbers kurzerhand sein Unternehmen einspringen und ist nun Chef und Schuldner zugleich. Insgesamt soll Ebbers laut"Financial Times" mittlerweile mit rund 375 Millionen Dollar bei der eigenen Firma in der Kreide stehen. Dafür verlange die Firma von Ebbers, der gleichzeitig Chef und Präsident von WorldCom ist, Zinsen von rund 2,15 Prozent - weit weniger als jede Bank.
Diese Art von Selbstbedienung ist nicht nur aus moralischer Sicht fraglich. Nach Ansicht von Experten verleitet sie die Manager zu Insider-Verkäufen. Nach den bisherigen Regeln müssen sie die Verkäufe von Firmen-Aktien nur einmal im Jahr melden, der Zeitpunkt der Verkäufe bleibt jedoch im Dunkeln. Dieses Schlupfloch nutzte auch Tyco-Chef Dennis Kozlowski. Nach Angaben gegenüber der amerikanischen Börsenaufsicht SEC hat er im Jahr 2001 Aktien im Wert von 70 Millionen Dollar an die Firma zurückverkauft, um teilweise Kredite bei Tyco abzustottern. Seine Schulden gegenüber dem eigenen Unternehmen belaufen sich auf 88 Millionen Dollar."Die Unternehmen schützen ihre Manager vor den Risiken des Aktienbesitzes und zahlen das aus den Taschen der anderen Aktionäre," sagte beispielsweise Judith Fischer, Direktorin des Beratungsunternehmens Executive Compensation Advisory Services der"New York Times". Tyco ist dafür ein gutes Beispiel: Als die Aktienverkäufe des Chefs gemeinsam mit anderen beunruhigenden Nachrichten öffentlich wurden, brach der Tyco-Kurs um 20 Prozent ein.
Vom Bankrotteur zum Multimillionär
Den besten Schnitt aber machte der heutige US-Präsident George W. Bush. Seine erfolglose und schuldenbeladene Ã-lfirma Spectrum 7 stand eigentlich vor dem Bankrott, als die texanische Harken Energy einsprang. Der Deal, den Bush laut"Washington Post" allein seiner Geburt als Präsidentensohn zu verdanken hatte, begründete seinen späteren Reichtum. Von Harken bekam er für seine wertlose Firma ein dickes Aktienpaket und konnte sich dort außerdem zu günstigen Konditionen Geld leihen, um noch mehr Aktien zu kaufen. Ob er das geliehene Geld zurückzahlte, wurde nicht bekannt. In Berichten an die SEC wies Harken nur aus, dass sich Bush 180.375 Dollar geliehen hatte und das Unternehmen Kredite an ungenannte Mitarbeiter in Höhe von 341.000 Dollar abschrieb.
Zum richtigen Zeitpunkt, nämlich im Juni 1990 und zwei Monate vor einer massiven Gewinnwarnung von Harken, verkaufte Bush seine Aktien für vier Dollar die Aktie und nahm damit 848.560 Dollar ein. Nach der Gewinnwarnung im August rutschte der Harken-Kurs auf 2,37 Dollar, am Ende des Jahres 1990 notierten die Papiere bei einem Dollar. Bush hatte da längst eine bessere Geldanlage gefunden und 600.000 Dollar in die Texas Rangers investiert. Als die Baseball-Mannschaft 1998 an texanische Geschäftsleute verkauft wurde, war Bushs Anteil knapp 15 Millionen Dollar wert.
Zusammengestellt von Carsten Matthäus
--------------------------------------------------------------------------------
© SPIEGEL ONLINE 2002
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet AG
--------------------------------------------------------------------------------
<center>
<HR>
</center> |