Deutschland hält nach den USA die größten Edelmetallreserven - und gebraucht sie nicht
Verkauft das viele Gold!
Von HERBERT EHRENBERG
Herbert Ehrenberg war von 1972 bis 1990 SPD-Bundestagsabgeordneter und von 1976 bis 1982 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Nach den vorläufigen Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird das Jahr 2001 mit 0,6 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis des realen Wachstums seit der deutschen Einheit aufweisen - unterboten nur noch durch die Wachstumsrate von 1993 mit minus 1,1 Prozent. Dieses magere Ergebnis ist vor allem auf ein Minus bei den Bruttoanlageinvestitionen von real 4,1 Prozent zurückzuführen. Das Wachstum wäre noch schlechter ohne die positive Entwicklung des Außenhandels.
Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) schätzt auch für das Jahr 2002 die Aussichten nur auf 0,6 Prozent Wachstum, und Bundesfinanzminister Hans Eichel hat seine früheren Angaben auf 0,75 Prozent reduziert. Nach dem Finanzplan des Bundes von 2001 bis 2005 sollen die Investitionen von 29,6 auf 26,1 Milliarden Euro sinken.
Trotz dieser schwachen Konjunkturaussichten hält die Regierung weiterhin an ihrer prozyklischen Finanzplanung fest. Die ausdrückliche Forderung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes nach antizyklischer Finanzpolitik wird dabei schlicht missachtet.
Eine schwierige Situation, erschwert noch durch die zur Verhinderung des blauen Briefs aus Brüssel eingegangene Verpflichtung, bis 2004 „eine nahezu ausgeglichene Haushaltsposition“ zu erreichen. Vor allem die dringlich erforderliche Aufstockung der öffentlichen Investitionen wäre damit nicht zu erreichen. Diese werden mit 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2002 nun einen historischen Tiefstand erreichen.
Bundesfinanzminister Hans Eichel will bei alldem auch weiterhin an seinem Konsolidierungskurs festhalten. Der Verkauf von Bundesbeteiligungen soll dabei den Ausgleich herbeiführen. Dieser Vorschlag ist besser als viele andere. Doch es kommt jetzt darauf an, die richtigen und ausreichenden Reserven zu finden. Dabei bieten sich die nie genutzten Reserven der Bundesbank an.
Die Bundesbank hatte in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1997 einen Goldbestand von 13 688 Millionen DM. In der Bilanz zum 31. Dezember 2000 wurden sogar Goldforderungen von 32 676 Millionen Euro ausgewiesen. Diese mehr als Vervierfachung des Wertes ergibt sich, weil die Bundesbank bis zur Eingliederung in das „Europäische System der Zentralbanken“ immer noch nach dem Einstandspreis bei ihrer Gründung bilanzierte (statt 144 DM pro Unze Feingold jetzt 293,01 Euro).
Die Bundesbank hält nach den Vereinigten Staaten die mit Abstand größten Goldreserven in der Welt, gefolgt von Frankreich, Italien und der Schweiz. Großbritannien beispielsweise verfügt nur über Goldreserven von einem guten Hundertstel der deutschen. Dort wurden am 27. November 2001 wieder zwanzig Tonnen Gold verkauft. Nicht zu vergessen: Das reale Wachstum Großbritanniens lag im vergangenen Jahr bei stolzen 2,2 Prozent.
Warum könnte nicht ein wesentlicher Teil der bei uns vermissten Anschubfinanzierung für öffentliche Investitionen auf ähnliche Weise erfolgen? Natürlich können die 34 309 Millionen Euro (Stand Ende November 2001) an Goldreserven nicht auf einem Schlag am Markt angeboten werden. Die gegenwärtige Goldproduktion liegt bei 2 500 Tonnen, die Nachfrage bei 3 800. In die Differenz hinein können noch viele Zentralbanken ihre für die Stabilität der Währung uninteressant gewordenen Goldvorräte absetzen.
Der schon 1962 von Oswald von Nell-Breuning verspottete „Goldwahn der Menschheit“ scheint bis heute nicht auszurotten zu sein. Nell-Breunings Frage: „Was es denn für einen Sinn habe, das Gold mit vielen Mühen und Kosten aus dem Sand Südafrikas herauszuwühlen, um es alsbald mit neuen großen Kosten unter dem Granit von Manhattan oder dem Eisenbeton von Fort Knox wieder zu vergraben?“, blieb bisher von jedem Finanzminister unbeantwortet.
Mit dem Verkauf seiner Goldreserven könnte Deutschland ein Beispiel für modernen Umgang mit vorsintflutlichen Reserven geben. 30 Milliarden Euro, in drei Jahresraten verkauft, würden die bundesdeutsche Infrastruktur kräftig voranbringen und der Bauwirtschaft, der Mess- und Regeltechnik und manch anderer Branche Aufträge und Beschäftigung bringen.
Der Bund müsste die Erlöse in einem Infrastrukturfonds einbringen, um dann selber zu investieren und den Gemeinden nach Art. 104a des Grundgesetzes Finanzhilfen für bedeutsame Investitionen zu geben. Mittelfristig wäre dies auch ein Schritt zur Haushaltskonsolidierung; 100 000 Arbeitslose weniger verbessern die Lage der öffentlichen Kassen um mehr als zwei Milliarden Euro.
HANDELSBLATT, Dienstag, 05. März 2002, 06:01 Uhr
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