foreveryoung
08.04.2002, 20:28 |
Gelesen in der Rheinischen Post...zur Diskussion Thread gesperrt |
Warum sollen Juden die Wange hinhalten?
Früher hat Rafael Seligmann sich dagegen gewehrt, dass Juden nur, weilsie Opfer waren, anders beurteilt werden als Nicht-Juden. Heute wehrt er sich dagegen,dass Juden gewaltlos und moralischer sein sollen als andere Menschen.
Von RAFAEL SELIGMANN
Mein Traum vom Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, Juden, Moslems und Christen im Lande der Bibel, ist vorläufig geplatzt. Meine Hoffnung, aber auch der gesunde Menschenverstand haben mich getrogen. Vor zehn Monaten, nach der Wahl Ariel Scharons zum israelischen Premier, war ich von den Gesetzen der Logik, der Geschichte und nicht zuletzt der Biologie ausgegangen. Das hatte mir und meinen Lesern Mut gemacht. Die Prämissen stimmen nach wie vor. Scharon, sein palästinensischer Konterpart Arafat und Zions Außenminister Peres sind Mitte Siebzig und älter. Frieden, nicht Krieg, ist ihre letzte Chance, als Helden ihrer Völker in die Geschichte einzugehen. Zweifelsohne würde es dem nationalistischen Scharon - wie einst de Gaulle - leichter fallen, sein Volk von der Notwendigkeit eines Kompromiss-Friedens zu überzeugen. Der israelische Premier startete vielversprechend und bereitete seine Landsleute auf"schmerzhafte Zugeständnisse" vor. Sie bedeuteten einen palästinensischen Staat in den von Israel besetzten arabischen Gebieten. Entscheidend bleibt jedoch die Vernunft. Jeder rational Denkende weiß, dass Frieden die Voraussetzung für den Aufbau und die Entwicklung jedes Staates ist. Zumal für Palästina, das seine Infrastruktur erst schaffen muss, und für Israel, das weitgehend vom Tourismus und Außenhandel abhängig ist. Mir erging es jedoch wie den Hörern von"Radio Eriwan". Ich habe lediglich"im Prinzip" Recht behalten. In der Wirklichkeit des Nahen Ostens dagegen hat der Wahnsinn obsiegt - wieder einmal. Jassir Arafat hat die Terroristen gewähren lassen. Einen Staat von Israels Gnaden empfand er als würdelos. Lieber wollte er Palästina in Ehren erkämpfen. Den Preis mochten andere zahlen. Märtyrer. Zuletzt mochte Arafat"eine Million Märtyrer nach Jerusalem ziehen" lassen. Auf der anderen Seite meint Scharon nun, die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Probleme zwischen Israelis und Palästinensern allein mit Gewalt lösen zu können. So wird die Eskalation immer weiter angeheizt."Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt", heißt es im Talmud. Wenn ich die Bilder vom tausendfachen Tod in Israel und Palästina sehe, packt mich Verzweiflung. Ich denke, ich weiß: Wer einen Menschen ermordet, versündigt sich an der ganzen Welt, an der Schöpfung, an der Menschheit. Doch mich erschreckt nicht nur Mord und Totschlag im vermeintlichen Heiligen Land. Daran kann ich wenig ändern. Ich bin Deutscher, lebe und schreibe hier. Doch das wollen viele in diesem Land und in vielen Staaten des christlichen Abendlandes nicht wahr haben."Müssen Sie so hart reagieren?", werde ich gefragt. Und infamer noch:"Sollten die Juden nicht in Auschwitz gelernt haben, dass Gewalt keine Lösung ist?" Auschwitz war kein Ort der Gewalt, sondern des systematischen Mordes. Die wenigen Juden, die diese Vernichtungsstätte überlebten, haben gewiss nicht gelernt, die andere Wange hinzuhalten, also prinzipiell auf Gewalt zu verzichten, sondern sich bei Bedrohung zu wehren. Wenn heute der portugiesische Literatur-Nobelpreisträger Jose Saramago nach einem Besuch des belagerten Ramallah erklärt, die palästinensische Stadt erinnere ihn an ein Konzentrationslager, dann verhöhnt er die Opfer von Auschwitz. Haben die Juden während des Zweiten Weltkrieges gegen Deutschland gekämpft? Haben sie Deutsche ermordet? Bringen heute die Israelis systematisch Palästinenser um? Israel und Palästina befinden sich im Krieg. Das verdanken sie unfähigen Politikern und religiösen Fanatikern, die sie gewählt haben. Israels Armee jagt Terroristen, die seine Zivilisten ermordet haben. Aber diesen Krieg mit dem Völkermord der Nazis an Juden und Sintis und Romas zu vergleichen, zeugt von maliziöser Bosheit oder Ignoranz. Ich habe immer den"Judenbonus" abgelehnt, die den Hebräern zugebilligte Narrenfreiheit aus schlechtem Gewissen und Opportunismus. Aber ebenso vehement verwahre ich mich gegen den Juden-Malus. Die Türkei hat ein Jahrzehnt mit militärischer Härte und mit Grausamkeit gegen die kurdische Nationalbewegung und die Untergrundarmee PKK gekämpft. Schließlich entführten türkische Agenten PKK-Chef Abdullah Ã-calan aus Afrika und setzten ihn in der Türkei fest. Dies wird in aller Welt hingenommen. Ebenso wie der amerikanische Feldzug gegen die al Qaida Osama bin Ladens und das ihn schützende Taliban-Regime. Durch Terrorangriffe sind in den letzten Monaten fast vierhundert israelische Zivilisten ermordet worden. Das ist umgerechnet auf die Bevölkerung mehr als sechs mal so viel wie beim Anschlag auf das Word Trade Center am 11. September umkamen. Man stelle sich den weltweiten Aufschrei vor, wenn Israel auf gleiche Weise gegen Palästinenserpräsident Arafat oder den Hamas-Ideologen Scheich Yassin vorginge, der unverhüllt die Ermordung von Juden predigt. Mich schmerzt der Tod eines jeden Menschen, einerlei ob Jud`, ob Christ oder Muselmann. Ich bedaure den Tod von mehr als tausend Palästinensern. Viele von ihnen waren unschuldige Zivilisten. Doch unter den Opfern waren auch Terroristen, die sich des Risikos ihrer Taten bewusst waren. Das Morden im Lande der unzähligen Heiligen und Propheten muss aufhören. Dafür aber müssen in erster Linie die beteiligten Völker sorgen. Israelis und Palästinenser werden lernen müssen, dass Gewalt und Mord nicht weiter führen. Sie werden die tiefe Weisheit des Juden Jesus erkennen, der begriff:"Wer das Schwert ergreift, der wird durch das Schwert sterben." Das christliche Europa aber tut gut daran, sich nicht als das Gewissen von Juden und Moslems zu gebärden. Es hat dazu kein Recht. Obgleich es sich auf den Gott der Gewaltlosigkeit berief, hat es sich an der Menschheit versündigt wie keine andere Glaubensgemeinschaft. Heute berufen sich europäische Intellektuelle auf Humanität und Menschenrechte. So nannte der deutsche Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass"die Besitznahme palästinensischen Bodens und seine israelische Besiedlung eine kriminelle Handlung." Der Schriftsteller bezog sich dabei nicht auf die besetzten Gebiete Palästinas, sondern auf den Staat Israel. Mit seiner Aussage aber spricht Grass dem jüdischen Staat indirekt sein Existenzrecht ab. Warum gerade Israel? Warum prangern Grass, Saramago und Kollegen nicht alle Staaten der Welt an? Denn irgendwann hat fast jedes Land fremdes Gebiet okkupiert. Politik ist die Kunst des Möglichen, des möglichen Friedens - nicht die Projektion der eigenen Neurosen auf vertraute und doch fremde Länder und Völker. Eingangs erwähnte ich meine zerstobenen Friedensträume. Das gilt nur für den Moment. Denn ich will, werde und darf nie aufgeben. Wir alle müssen den Frieden wollen und dazu beitragen, ihn zu verwirklichen.
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silvereagle
08.04.2002, 21:07
@ foreveryoung
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Re: der Frieden in Israel... |
... wird solange eine Illusion bleiben, als sich die dort lebenden Menschen ständig in irgendwelche"Lager" schubladieren lassen, was für die demnach"Schubladierten" noch jedesmal in der Geschichte verheerende Folgen hatte. Wir sitzen dieses Mal in der ersten Reihe, um mitanzusehen, wie Menschen aus Fleisch und Blut - auf beiden sogenannten"Seiten" - ihr Leben lassen müssen, weil sie sich allesamt"schubladieren" lassen. Schubladieren ist natürlich nichts anderes als kollektivieren, um des Silberadlers liebstes Unwort zu verwenden... ;-)
Mit welchem Recht wird ein Baby, welches im Gazastreifen geboren wird, in die"palästinensische Schublade" gesteckt? Warum soll es - unschuldig, unwissend - eine solche Punze erhalten?
Na klar: Weil nur dadurch die jeweiligen Machthaber ihre starke Position erhalten können. Dazu brauchen sie Menschen, die
a) verunsichert sind,
b) daran glauben, einem (wie auch immer gearteten)"Kollektiv" anzugehören.
Die große Hoffnung aus Sicht des Freiheitsfreundes besteht darin, dass immer mehr Menschen erkennen, dass sie IMMER NUR verlieren können, wenn sie sich als Einzelne entrechten lassen und Wenige als"Führer" küren, um sich von diesen"lenken zu lassen".
Gerade in Anbetracht der gegenwärtigen Geschehnisse erspäht der Silberadler immer mehr Menschen, die dies - im Grunde - ebenso sehen, und dieses Wissen an andere weitergeben. Mehr ist auch gar nicht nötig. Es ist der erste Schritt zur Selbstorganisation freier Individuen.
Das ewige"Wir alle", ob von Seligmann oder anderen Gutmeinenden, hat bald ausgedient. Es kann - in der Gemeinschaft von Individuen - immer nur missbraucht werden. Mein Wohl ist nicht Dein Wohl.
Märtyrer und Politiker gibt's schon genug. Ihre Geschichte ist keine Erfolgsstory. Die kommende Selbstorganisation freier, souveräner Menschen kann eine werden, wenn bloss nur diejenigen mitmachen, die sie sich zutrauen.
Gruß, silvereagle
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nereus
08.04.2002, 22:50
@ foreveryoung
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Re: Gelesen in der Rheinischen Post - immer wieder die gleiche Sülze |
Früher hat Rafael Seligmann sich dagegen gewehrt, dass Juden nur, weil sie Opfer waren, anders beurteilt werden als Nicht-Juden.
Leider kenne ich Herrn Seligmann nicht und weiß daher auch nicht wann er sich gewehrt hat und zu welchem Anlaß. Interessant wäre es aber allemal dies zu erfahren.
Vor unangepassten Zeitgenossen hatte ich schon immer Respekt.
Heute wehrt er sich dagegen, dass Juden gewaltlos und moralischer sein sollen als andere Menschen.
Nein, Juden müssen nicht moralischer und gewaltloser sein als andere Menschen.
Aber sie können, bitteschön, endlich ihren pausenlos in den Himmel streckenden moralischen Zeigefinger in der Hosentasche versenken.
Dazu gibt es nun wahrlich keinen Anlaß mehr.
Wie gesagt.. immer wieder die gleiche Sülze.
Zuerst wird mögliche Kritik an der israelischen Politik nicht in Abrede gestellt. Man ist ja nicht unangreifbar und somit dürfen auch mal anderslautende Töne erschallen.
Wenn dann aber doch mal kritisiert wird, egal ob nun von der Politik oder aus der schreibenden Zunft, werden sofort wieder alle Keulen aus der Versenkung geholt die passend und bedarfsgerecht im Regal liegen.
Diesen Singsang lese ich seit Wochen in allen größeren und kleineren Blättern.
Nicht ein Wort des Mitleides oder der Verständigung in Richtung der Palästinenser.
Weder von Herrn Spiegel noch von Herrn Friedmann.
So wenig wie die meisten Israelis Kampfhunde des Herrn Scharon sind und lieber in Ruhe und Frieden leben wollen, genauso wenig sind die meisten Palästinenser Terroristen.
Doch man fegt da viel lieber wieder im Geschichtskeller und wirbelt ein wenig Staub auf.
Man liest vom Land der Mörder und es raunt auch wieder das unaussprechliche Auschwitz durch die Lande.
Wäre es nicht endlich mal an der Zeit eine Hunderschaft Historiker, Kriminologen, Wissenschaftler, Archäologen, Kremierungsfachleute u.a. an die Stelle des Schreckens zu schicken um nun auch wissenschaftlich einwandfrei zu klären was da genau vor über 55 Jahren geschah?
Ist doch alles geklärt, quiekt es da aus der Ecke.
So, das sehe ich etwas anders.
Ich sehe z.B. immer noch die Tafel mit den über 4 Millionen Toten vor meinem geistigen Auge. Das war im Sommer 1984 Herr Seligmann, ich war ganz persönlich vor Ort und es war gerade die Zeit der Olympischen Spiele in Los Angeles.
Jetzt aber lese ich von nur noch 1,1 Millionen Opfern im Heyne Stichwort Büchlein Holocaust aus dem Jahr 1997.
Das ist immer noch eine ganze Menge, aber es sind immerhin 3 Millionen Tote weniger.
Wie geht denn so etwas? Wie, liebe Historiker, ist eine solch enorme Korrektur möglich?
Im Buch von Jean Claude Pressac, einem Franzosen der sich mit dem monströsen technischen Tathergang beschäftigt hat, spricht man gar nur von 0,82 Millionen und dann, in der deutschen Ausgabe, sogar nur noch von 0,68 Millionen Toten.
Damit das klar ist. Das sind noch immer 680.000 Opfer zuviel.
Aber die Schwankungen sind mehr als erheblich und das stimmt dann doch etwas nachdenklich, oder?
Und damit hier niemand die Leugnungspeitsche anfängt zu schwingen.
Ich leugne überhaupt keine Verbrechen und schon garnicht die Verbrechen des Naziregimes.
Aber ich habe ein paar Fragen zu einigen, ganz offensichtlich bis heute ungeklärten Dingen und würde diese gerne mal beantwortet wissen. Und ich denke das müsste auch ohne Staatsanwalt und Polizei gehen.
Warum man überhaupt den Staatsschutz auf den Plan ruft ist doch recht merkwürdig.
Seit wann muß denn die Wahrheit gesetzlich geschützt werden?
Wegen des Opferschutzes?
Wir würden doch wohl den Opfern wirklich eine letzte Ehre erweisen wenn wir uns im Nachhinein um eine ehrliche Aufarbeitung der damaligen Verbrechen bemühen würden.
Das Jonglieren mit Millionen wird den wirklichen Toten, egal ob nun ermordet oder verhungert, wahrlich nicht gerecht.
Oder nimmt man es in gewissen Kreisen mit der Wahrheit nicht so genau?
Warum werden z.B. aus ca. 250.000 toten Dresdnern und Flüchtlingen, gemäß offizieller Dokumente, nur noch 45.000 getötete Zivilisten?
Sind deutsche Opfer unwichtiger als jüdische Opfer?
Ich dachte vor Gott, dem Schöpfer, sind alle Menschen gleich.
Darf man solche Fragen stellen Herr Seligmann?
Das das Verbrechen von Katyn nicht auf das deutsche Konto geht dürfte inzwischen bekannt sein. Ist auch bekannt das deutsche Soldaten für das nicht begangene Massaker in Rußland hingerichtet wurden?
Wir alle müssen den Frieden wollen und dazu beitragen, ihn zu verwirklichen.
Ja, das müssen wir wirklich und wir fangen am besten gleich damit an und lassen alle finsteren Drohgebärden da wo sie hingehören, nämlich in der Mottenkiste.
mfG
nereus
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Euklid
08.04.2002, 23:12
@ nereus
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Re: Gelesen in der Rheinischen Post - immer wieder die gleiche Sülze |
Ja nereus auch ich bin für den Ausgleich.
Aber mit Typen wie Spiegel oder dem aalglatten Friedmann die sich aufführen wie ein losgelassener Kampfhund kann nur das genaue Gegenteil herauskommen.
Es gibt da erheblich bessere Leute die dazu fähig wären.
Wolfssohn ist zum Beispiel ein auf ehrlichen Ausgleich bedachter Mann.
Stoiber war ja auf Amerika-Visite und hat bestimmt schon die nächste Rate unterzeichnen müssen in Amerika denn ohne daß wird er vielleicht nicht zur Vereidigung zugelassen werden.
Bei Schröder war das genauso.
Gruß EUKLID
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