Großer Rückschlag für Gold
Trotz Dollar-Schwäche / Die Markttechnik wird als Grund genannt
gap. FRANKFURT, 11. Juni. Der Dollar-Preis für Gold ist im Zuge seiner im Dezember entstandenen Hausse in eine ausgedehntere Korrekturphase eingetreten. Es ist der erste größere Rückschlag seit Februar. In der vergangenen Woche waren die Notierungen noch an die Marke von 330 Dollar je Feinunze herangeraten. Beim Nachmittags-Fixing in London wurde ein Preis von 316,800 Dollar ermittelt.
Händler halten es für bemerkenswert, daß entgegen gängiger Mutmaßungen nicht ein Erstarken des Dollar besonders gegenüber dem Euro und dem Yen Auslöser dieser Korrektur war. Die Hausse des Goldes stellte sich nämlich über weite Strecken hinweg als Kehrseite der Baisse des Dollar dar. Vielmehr scheinen es technische Gründe gewesen zu sein, die die Goldnotierungen und mit ihnen auch die zuletzt steil emporgeschossenen Preise für Silber kippen ließen. Refco zum Beispiel sieht einen Zusammenhang mit der plötzlich aufgetretenen Schwäche der Goldminenaktien, gemessen am XAU-Index der Philadelphia Stock Exchange. Diese Aktien laufen dem Goldpreis häufig voraus. Ferner verweisen Experten schon seit langem auf die extrem hohen spekulativen Kaufpositionen im Termingeschäft mit Gold. Sie stellen eine technische Belastung dar, denn im Augenblick ihrer Errichtung bilden sie potenzielles Angebot. Kaum ein Spekulant will nämlich über den Erwerb von Terminkontrakten physisches Angebot beziehen, sondern er setzt nur auf einen Differenzgewinn zwischen Kauf und Verkauf. Bei extrem hohen Kaufengagements genügt oft ein nichtiger Anlaß, um eine kaskadenartig verlaufende Liquidationswelle in Gang zu bringen.
Die Frage, wo der Preisverfall zum Stillstand kommt, ist umstritten. Refco hält einen Rückgang auf etwa 309 Dollar für möglich, Standard Bank sieht Stützung zwischen 313 und 315 Dollar. Barclays Capital vermutet, daß sich die Notierungen nun erst einmal zwischen 314 und 320 Dollar einpendeln. UBS Warburg erwartet einen Test der Marke von 315,50 Dollar, merkt aber an, in diesem dünn gewordenen Markt könnten Bewegungen exzessiv ausfallen. Ob sich die Korrektur fortsetze, hänge wesentlich von der Entwicklung des Euro, der Wall Street, der geopolitischen Lagen und den Indizes für Goldminenaktien ab. Mit Blick auf die derzeitige Enge des Marktes ist anzumerken, daß die Vereinigung der Londoner Goldhändler (LMBA) derzeit in San Francisco tagt und daß sich daher einflußreiche Händler vorübergehend vom Tagesgeschäft verabschiedet haben.
Auf der Tagung der LBMA hat ein Vertreter der niederländischen Zentralbank mitgeteilt, diese Institution habe begonnen, das Ausleihen von Gold aus ihren Reserven zu verringern. Gegenwärtig stünden im Rahmen solcher Operationen noch rund 140 Tonnen aus. Die Zentralbank habe 2001 aus solchen Geschäften einen Durchschnittszins von etwa 1 Prozent erzielt. Mit Mitteln, die sie aus dem Verkauf von Goldreserven erlöst habe, seien jedoch wesentlich höhere Renditen erwirtschaftet worden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.06.2002, Nr. 133 / Seite 25
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