netrader
28.06.2002, 22:07 |
Zinsentstehung nach baissier (andere Ansicht):Thread gesperrt |
Zinsentstehung nach baissier (andere Ansicht):
(s. unten, aus dem Systemfehler-Forum)
Mir kommt der ganze Ansatz Baissiers reichlich zwangsneurotisch vor.
Laesst sich Zins nicht einfach aus dem Grundgedanken der Früchteteilung herleiten? Wer einem anderen Land überläßt, erwartet etwas von den Feldfrüchten (zB als Alter, der nicht mehr selbst arbeiten kann). Gleiches gilt bei Nutzungsüberlassung von Booten oder Netzen zum Fischfang,"Ausleihen" von trächtigem Vieh,"Nutzungsüberlassung" von Soldaten im Krieg ("Beute","Sklaven") und - besonders wichtig - Nutzungsüberlassung der eigenen Arbeitskraft.
Gerade der letzte Ansatz erscheint mir vom Standpunkt des Gesellschaftsrechts interessant und wird im Zusammenhang mit dem Zins zu wenig gewürdigt. Man geht bei unternehmerischen Einkommen - wohl seit unvordenklichen Zeiten - davon aus, daß Jahresrenditen von 12-15 Prozent erzielbar sind. Gehen zwei gleichbegabte Gesellschafter (zB OHG aus Techniker und Kaufmann, im alten Rom Reeder und Kaufmann/Finanzier) also ihren Geschäften nach, teilen sie sich den Gewinn zu je 1/2. Gewinnt einer von beiden den Eindruck, der Tüchtigere zu sein, wird er den anderen aus den Geschäften drängen und mit weniger als dem halben Gewinn abspeisen (als"Kommanditist", stiller Gesellschafter) und in letzter Konsequenz mit einem Fixum (Gehalt für Arbeitskraft, Zins für Geldbeteiligungen). Von daher auch der interessante Gedanke des alten §247 BGB, dem Schuldner bei mehr als 7% Zins p.a. ein Sonderkündigungsrecht zu geben. Wer auch mit unternehmerischer Tätigkeit selbst höchstens 12-15% schaffen kann, soll einem bloßen Geldgeber nicht mehr als die Hälfte abgeben müssen, eigentlich doch ganz o.K.
Den Staat"baissiers" kann ich beispielsweise bei der Entstehung des altrömischen Wirtschaftssystems nicht entdecken. Hier waren die Wirtschaftsträger (Großbauern etc.) selbst der Staat und wählten sich jährlich die Funktionsträger neu. Dennoch gab es selbstverständlich Früchteteilung zwischen Substanzinhabern und Nutzern (usufructus u.a.). Das ganze scheint mir wenig aufregend.
Natürlich ist der autoritäre Staat (auch in seinen massendemokratischen Varianten) ein zinstreibender Sonderfaktor, da er sein Geld nicht durch riskante Unternehmungen reinzuholt (Sonderfälle wie Pizarro, Francis Drake u.a. ausgenommen), sondern auf Zwangsmittel (Abgaben, Finanzbeamte) zurückgreifen kann. Und selbstverständlich fördert der Staat auch den privaten Kredit, weil er dem Gläubiger mit Hilfe des Privatrechts Zwangsmittel wie Schuldknechtschaft, Zwangsvollstreckung und Pfandverwertung an die Hand gibt.
Dies alles hat mit dem Grundgedanken der Zinsentstehnung jedoch wenig zu tun. Zinsen rechtfertigen sich zwanglos aus dem Gedanken der Früchteteilung bei gemeinsamen Unternehmungen durch gemeinsamen Einsatz von Produktivmitteln. IMHO kommt läßt sich damit die Entstehung von Zins-/Geldgeschäften in einem zunächst rein landwirtschaftlich orientierten Gemeinwirtschaftssystem, das sich zum überörtlichen Handel hin entwickelt, eher begründen.
Zu allem, was der Staatskredit daraus macht, hat dottore völlig recht.
Gruesse
netrader
Geschrieben von Baissier am 28. Juni 2002 18:24:19 im systemfehler-forum:
Verehrte Corona, lieber Herr Dimi,
bevor wir uns endgültig verzetteln und immer neue Zwei-Personen-Stücke mit wechselnder Besetzung, genannt threads, aufführen, möchte ich die Sache mit dem Zins auf den Punkt bringen, der mein Punkt wäre:
In der Zinseszinsdebatte hatte Dimi immer wieder gefragt, wie oder womit der Gläubiger den Schuldner zwingen kann?
Dies ist für mich die entscheidende Frage. Aber nicht nur bezogen auf den Zinseszins, der bereits Zins voraussetzt, sondern allgemein:
Wie kann der Gläubiger den Schuldner zwingen, sich überhaupt zu verschulden? Und wie kann der Schuldner den Gläubiger zwingen, ihm überhaupt etwas zu leihen?
Der Zinseszins ist nur ein Derivat des Zinses. Von was ist dann der Zins ein Derivat?
Wenn es keinen Zwang zum Zinseszins gibt, kann es auch keinen zum Zins geben.
Zu untersuchen ist also das Phänomen"Zwang". Dass dieses Macht und Herrschaft voraussetzt, kann nicht bestritten werden. Es ist auch historisch einwandfrei belegt.
Jetzt nehmen wir zunächst die Macht & Herrschaft weg. Alle Personen, die diese ausüben, verschwinden in der Versenkung bzw. sind noch gar nicht da.
Was wäre dann Zwang?
Man könnte mit der sattsam bekannten"Notlage" kontern. Die ist in der Tat ein Zwang (Alternative: Untergang), aber dieser Zwang kann der in Not befindliche nur gegenüber sich selbst ausüben oder gegenüber einer minimalen Schar von anderen (Familie usw.). Dabei spielen Herkommen, Verpflichtungsgefühl, Mitleid, usw. eine Rolle. Aber ein dann aus dem Zwang Helfender verlangt keinen Zins.
Von anderen, dem in Notlage befindlichen"entfernten" Personen hat er nichts zu erwarten, vor allem kann er sie nicht zwingen, ihm zu helfen. Das Bieten eines Mehr (Zins) ist kein Zwangsmittel.
Außerdem ist der in Not Befindliche per definitionem jemand, der nicht"kreditwürdig" ist. Die Garantie dafür, dass er sich selbst aus der Notlage befreit (z.B. der Faule wird auf einmal fleißig) ist nicht existent.
Auch wenn man mit dem Konstrukt einer Risikoprämie arbeitet, hilft das nicht wirklich. Denn je tiefer jemand in Not steckt, desto riskanter ist er als Schuldner, desto höher müsste die Risikoprämie sein. Je höher aber die Risikoprämie, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Schuldner diese überhaupt stemmen kann.
Man könnte mit dem"Überschuss" kommen, den ein Gläubiger schon mal"auf Vorrat" angehäuft hat für den Fall, dass ein Schuldner in spe vorbeischaut. Das ist schwer vorstellbar. Denn kommt kein Schuldner, der wiederum in"Not" sein müsste (dann siehe oben), kann der auf Ausleihe wartende Gläubiger sein Leihgut vergessen. Er kann es bestenfalls, da es"Vorarbeit" ist, dann selbst verkonsumieren. Das macht er höchstens ein Mal. Danach stellt er die zusätzliche Arbeit wieder ein.
Jemand zur Abnahme des zusätzlich Produzierten (oder vollstreckbare Ansprüche darauf) zu zwingen, ihn also zum Schuldner zu"machen", ist nicht möglich. Siehe Dimis Worte.
Aus"normalen" und mit den üblichen Lebensrisiken behafteten, macht- und herrschaftslosen Situationen heraus kann sich kein Kredit bzw. keine Schuld entwickelt haben.
Sobald wir Zwangssysteme, also Macht und Herrschaft haben, verändert sich die Situation grundlegend.
Die Macht schafft den Schuldner, nämlich den Abgabenschuldner. Sie zwingt ihn auf die Bühne. Nur die Abgabe kann der erste"Zins" gewesen sein. Dafür spricht alles, angefangen bei den Wortbedeutungen (census usw.)
Die Form in welcher der"Zins" entrichtet werden muss, ist das"Geld". Seine Geltung bezieht sich zunächst auf das, in dem die Abgabe eingetrieben werden kann, wofür auch die überall zu beobachtende Wort-Identität von Zins, Geld und Abgaben spricht. Das Geld, das die Abgabe darstellt, erhält eine allgemeine"Gültigkeit" (ebenfalls von"gelten"), weil die Abgaben immer zu leisten sind. Jedenfalls so lange die Macht den Abgabenzwang ausüben kann.
Wird die Macht gestürzt, ergibt sich zwar zunächst eine Erleichterung, die Abgaben werden gewöhnlich gesenkt: Revolution, Bauernbefreiung, Neustart mit niedrigeren Steuern, usw. - es gibt zahllose Beispiele, bis zurück in die frühesten Quellen, die uns zur Verfügung stehen.
Doch Macht und Herrschaft bleiben. Und es geht wieder los im selben Gleis: Die Abgabenlast steigt und steigt. Es gibt keinen Staat, der die Abgabenlast nicht permanent gesteigert hätte, selbst im aktuellen Demokratie-Zeitalter nicht. Die Vertagung der Abgabenbelastung über Renten- oder Staatsschuldenrückzahlungs-Versprechen ist nur ein Trick, wie jeder sofort durchschaut. Die Staats- und Rentenschulden laufen, da"off the balance sheet" (der Staat hat keine konsolidierte Bilanz) mit exponentieller Funktion in die Höhe.
Nun der entscheidende Punkt: Wie kommt es in dem Zwangssystem von Macht und Herrschaft mit Zins = Abgabe sowie Geld = Abgabengut zu privaten Kreditabläufen?
Die eine Möglichkeit wurde bereits diskutiert: Der Abgabenverpflichtete ist zwar nicht in eigener existentieller Not (siehe oben). Er ist nur der Not, das - stets zu feststehenden Terminen - abzuliefernde Abgabengut nicht zur Verfügung zu haben bzw. er konnte es sich nicht rechtzeitig beschaffen. Da er aber über Güter verfügt (Eigentum an Sachen und Menschen, inkl. der Familienmitglieder) kann er diese Güter als Pfand anbieten.
Damit hat der Gläubiger kein Problem. Denn platzt der Kredit, entschädigt er sich aus dem Pfand, das dann in sein Eigentum übergeht - als Ersatz für das was er verliehen hat. Der Rest ist Verhandlungssache (Höhe oder Umfang des Pfandes, usw.). Der Kredit kann zinsfrei gegeben werden, sofern es sich um ertragbringende Sachen handelt. Dann bedient sich der Pfand-Inhaber aus den Erträgen des Pfandes.
Da das Pfand selbst Risiken hat (Tod, Missernten, Preisverfall der Erträge) könnte dieser mögliche Verlust vorab ausgeschlossen werden, indem ein Zins vereinbart wird, der den"Pfänder-Zins" absichert bzw. auf konstanter Höhe hält.
Höhe, Form, Gestalt, Umfang oder"Kurs" der Abgaben selbst liegen eisern fast. Wie sich die Abgaben, die logischerweise auch außerhalb der Linie Abgabenverpflichteter -> Herrschaft existieren, untereinander mengen- und preismäßig entwickeln, ist nicht vorherzusagen. Der Herrscher wird natürlich versuchen, ein möglichst schwankungsimmunes Abgabengut abzufordern, und findet schließlich das für ihn und seine Zwecke (Machterhalt, Machtmaximierung)"ideale Geld". Dabei bieten sich vergänglichkeits-immune Güter an, was für Edelmetalle ganz besonders gilt. Auch absatzmengen-immune Güter sind zu nennen (Salz, Tabak). Und anderes mehr.
Außerdem muss die Macht das Geld möglichst monopolisieren (es sei denn es ist ohnehin stets äußerst knapp), um gegen unliebsame Überraschungen gefeit zu sein. Je wohlfeiler das Abgabengut aufgrund seiner Mengenvermehrung wird, desto schneller kommt die Macht in Gefahr. Der Tyrannensturz in Athen wird in Verbindung mit den neu entdeckten Silberminen in Laurion gesehen, deren plötzlich einsetzender immenser Output und damit einhergehender Preisverfall des Silbers der Macht den Boden entzog. Interessanterweise ist das Zeitalter des antiken Tyrannensturzes (mehr als 30 sind allein in Griechenland nachzuweisen) just das Zeitalter, in dem die massiven Ausmünzungen starten.
Die Tyrannen hatten eben Pech. Kaum waren sie auf Edelmetall als Abgaben- und (über die Ausgaben) als Machterhaltungsmittel gestoßen, prasselte ein riesiger"Bergsegen" alias"Geldregen" hernieder, der das Metall entwertete. Aus der Sicht der Abgabenschuldner völlig einleuchtend: Wenn heute die Möglichkeit bestünde, das Geld, das für Steuerzahlungen zwangsweise benötigt wird, durch Einrichtung einer privaten Sicherheitsdruckerei zu beschaffen, die nur ihre Kosten ersetzt haben wollte, wäre diese Druckerei in wenigen Tagen erbaut. Dies nur als eins von vielen möglichen Beispielen.
Die zweite Möglichkeit ist diese: Als Schuldner tritt nicht ein Privater auf, wie eben, sondern die Herrschaft selbst. Die Macht zieht also nicht nur die laufenden Abgaben ein, sondern sie zieht Wechsel auf künftige Abgaben.
Einzig die Macht hat die Möglichkeit, aus der Rolle des Gläubigers in jene des Schuldners zu schlüpfen, ohne dabei der Rolle des Gläubigers verlustig zu gehen.
Dies empfiehlt sich vor allem in jenen Fällen, die auch Dimi gern anführt, wo die Abgaben-Höhe eine kritische Grenze erreicht hat. Würde die Schraube weiter angezogen, käme es zu Umsturz, Häuptlingsmord o.ä., was die Mächtigen nur allzu gern vermeiden wollen.
Die Eleganz dieses Mittels, Macht durch Ausgaben weiterhin sichern und sogar erweitern zu können, ohne bei den Einnahmen auf den bekannten Widerstand zu stoßen, der sich bei zu hohen Zwangsabgaben automatisch einstellt, ist in der tradierten Geschichte ebenfalls im Übermaß belegt und bis heute zur Vollendung getrieben.
Die bereits von Knudsen erwähnten Schulden Alexanders gehören genau so hierher wie die ebenfalls schon erwähnten Zwangsanleihen, die es schon in der Anfangszeit Venedigs gegeben hatte. Dimi mögen diese Beispiele nicht behagen, weil sie relativ"spät" sind. Dennoch sind sie äußerst instruktiv, da sie eine gute Grundlage bieten, um den fast beispiellosen Aufstieg dieser Mächte zu erklären. Sobald der Staat die ersten Kredittitel schafft, sind sie nämlich handelbar, d.h. die Forderungen können zediert werden und haben also einen Kurs.
Und jetzt kommt etwas ganz Entscheidendes:
Selbst wenn die Anleihen der Macht, deren Existenz ganz außer Frage steht, zunächst zum Nullzins ausgegeben worden wären, erhalten sie schlagartig einen Zins, sobald sich der Kurs verändert. Denn jede Kursveränderung bedeutet eine Renditeveränderung. Der Kurs der venezianischen Anleihen notiert 1350 bei pari (100) und fiel dann in Schüben, bis sie um 1500 unter 5 Prozent notierten.
Der Kurs verfiel nun nicht mal eben so. Sondern er fiel, weil die Zahlungen Venedigs auf die Anleihen immer spärlicher bzw. immer später erfolgten. Dies wiederum, weil die zur Bedienung der Anleihen erforderlichen Abgaben als Einnahmen nicht ausreichten und die Abgaben aus den bekannten Gründen (Machterhalt vs. Umsturzgefahr) nicht höher geschraubt werden konnten.
Damit wäre die Zinserklärung komplett.
Wir beginnen mit der Zwangsabgabe zum Zweck des Machterhalts. Die Zwangsabgabe reicht nicht aus, da scharfe Konkurrenz der regionalen Machthaber untereinander, allenthalben Expansionsgelüste, Macht von außen und von innen in dauernder Gefahr, von außen durch Krieg, von innen durch Umsturz. Die Machthaber müssen auf künftige Zwangsabgaben ziehen. Dadurch gehen die Erträge späterer Zwangsabgaben indirekt (oft sogar unter Verpfändung von Gütern der Machtinhaber - Land, Bergwerke bis hin zu Kronjuwelen) auf Gläubiger über, ohne dass die Macht ihre Gläubigerrolle verliert.
Der Unterschied: Der private Gläubiger der Macht kann in diese nicht vollstrecken (Pfandeinbehalt als Quasi-Vollstreckung ausgenommen). Die Macht kann aber in die Privaten vollstrecken, indem sie die Zwangsabgaben mit Gewalt eintreibt.
Der Kurs der Titel der Gläubiger, wobei die Titel nur schlicht spätere Zahlungen bzw. Leistungen verbriefen, fällt, sobald diese Zahlungen verzögert werden, was über kurz oder lang automatisch eintritt, da die Zahlungen wiederum nur mit Hilfe von Einnahmen aus Abgaben erfolgen können. Der Fall der Titel ist immer ein Anstieg der Rendite, also des jeweils aktuellen Zinssatzes.
Selbst bei einem"Nullprozenter" (also keinerlei Zinssatz vorab vereinbart, weder verlangt noch geboten) beginnt der Zinssatz von Null aus über Null zu steigen. Er hängt ausschließlich von dem Verlauf der Auszahlungen ab. Je länger diese hinausgezögert werden, was parallel zu den nur mit Hilfe von Abgaben möglichen Tilgungen der Forderungen der Fall sein muss, desto höher steigt automatisch der Zinssatz.
Somit erklärt sich der Zins zum einen aus der jeweils aktuell zu leistenden Zwangsabgabe selbst (vom abgabenverpflichteten"Zinser" zu leisten) und zum zweiten aus der verzögerten Zwangsabgabe, die zur Rückzahlung von an die Macht vorgeschossenen Zwangsabgabenmittel an die"Untertanen" vorgesehen ist, die aber nicht zum jeweils aktuellen Zahlungszeitpunkt erfolgt.
Das logische Scharnier zwischen beiden, nämlich die Saldierung (Forderungen der Untertanen gegen die Macht vs. Forderungen der Macht gegen die Untertanen) konnte die Macht unschwer zerstören. Sie akzeptierte einfach die eigenen Titel nicht als Form der Abgabe, was schließlich in solchen Konstruktionen wie"staatlichen" Notenbanken enden musste. Die haben den Zweck, dem Staats-Gläubiger den Weg zu öffnen, sich dort das Abgabenmittel ("bares" oder"täglich fälliges Geld") zu beschaffen. Dies der Einfachheit halber gleich noch mit einer Notenbanksteuer belegt, dem sog. Zentralbank-"Zinssatz".
Die Vorstellung, alle Bürger würden ihre Steuern in Form des Einreichens von Staatspapieren entrichten, wäre der Horror für jeden Finanzminister. Selbst wenn alle seine Anleihen pari stünden, sind sie zu diesem Kurs nicht beim Finanzamt abzugeben. Der Steuerbürger muss den Umweg über den Markt gehen, wo er sich das gesetzliche Zahlungsmittel beschaffen muss, womit schließlich wieder die Staatsinkassostelle Notenbank im Hintergrund lauert, die ihre"Zinsertäge" (Klartext: ZB-Geld-Steuern) an die Macht, ihren Eigentümer, abzuführen hat.
Dass dies alles in noch größere Schieflage bringt, muss nicht mehr diskutiert werden.
Nehmen wir noch das Beispiel eines frühen Söldners, alias Soldaten (nicht Stammeskrieger). Alle Mächte der Antike haben damit gearbeitet, wie allgemein bekannt. Der Mann muss besoldet werden. Die Macht setzt ihn ein, um sich zu halten. Durch diesen Einsatz wird er auch zum Gläubiger gegenüber der Macht, die ihm den Sold schuldet. Er ist freilich nur indirekter Gläubiger, denn die Macht zahlt an den Truppenführer und nicht an den einzelnen. Diese Kriegs- bzw. Machterhalt- bzw. Machterweiterungsszenerie ist stehende Kulisse seit es zu"Großreichen" gekommen ist, die sich niemals als Stammes-Expansionen hätten konstruieren lassen.
Der Soldat kann seinen Anspruch auf Sold selbstverständlich abtreten, z.B. an einen Truppenführer, der ihn sofort bezahlt und sich seinerseits bei seinem Auftraggeber schadlos hält. Der Sold wird zwar nicht in voller Höhe bezahlt, aber er wird früher bezahlt. Die Differenz ist wiederum der Zins, bzw. bezogen auf die Auszahlung jetzt (Truppenführer an Soldaten) verglichen mit der Auszahlung später (Macht an Truppenführer) der Zinssatz, jeweils wiederum bezogen auf die Zeit. Eingeschlossen das bekannte"Risiko", das kein Wirtschafts-, sondern ein Machtrisiko ist.
Wir sehen also einen wunderschönen Kreislauf, der dort endet, wo er begonnen hat: bei der Macht und dem Zwang, den sie ausüben kann, um Abgaben zu kassieren.
Der Zins wurde geboren als Bastard aus der fatalen Ehe von Macht und Zwang. Heute ist er zum Monster geworden, das uns alle über kurz oder lang verschlingen wird. Der Monster-Spross Zinseszins kommt eigentlich nur noch on top.
Schönen Dank fürs Lesen und beste Grüße!
Baissier
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Wal Buchenberg
29.06.2002, 12:16
@ netrader
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Re: produktiver Kredit und unproduktiver Kredit |
Hallo netrader,
deine Zinstheorie passt meiner Meinung nach gut mit der einen Hälfte der Wirklichkeit zusammen: Dem Kredit, der für produktive Zwecke aufgenommen wird. Wo Reichtum geschaffen wird, hängt es - wie du gut beschreibst - ganz von dem Verhältnis Zinsrate/Profitrate ab, ob der Zins"ausbeuterisch" ist oder nicht. Anders ist es allerdings, wenn der Kredit unproduktiv verwendet wird, als"Konsumentenkredit" oder als Staatskredit. Die meisten Ausgaben des Staates sind unproduktiv. Solcher Kredit (und seine Zinsen) zehren von vorhandenem Reichtum.
Ich denke, das ist der richtige Punkt bei dottore wie bei den Freiwirtschaftlern. Ihre Zinstheorie passt (irgendwie) auf die"andere Hälfte der Wirklichkeit": Zins als"Ausbeutung", Zins als Zehren am Reichtum.
Gruß Wal
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netrader
29.06.2002, 18:07
@ Wal Buchenberg
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Zinsentstehung, Re: produktiver Kredit und unproduktiver Kredit |
Hallo Wal,
vielen Dank für das Statement.
Bei der Frage der Zins"entstehung" geht es m.E. eher akademisch darum, welcher ökonomische Umstand die Vorstellung eines gerechten Zinses ausgelöst hat, nicht so sehr darum, welche Kredit- und Zinsformen schließlich entstehen und wie die heutige Wirklichkeit aussieht. Und hierzu ist meine Meinung in der Tat, dass die Vorstellung einer gemeinsamen Unternehmung mehrerer wirtschaftshistorisch älter ist als die Gewährung von Krediten (vor allem für Handelsgeschäfte). Letzteres setzt nämlich eine gewisse Überregionalität und Gegensätzlichkeit von Wertvorstellungen voraus. Die Vorstellung eines gemeinsamen Jagd- oder Fischereizuges oder auch kriegerischen Beutezuges (Raub der Sabinerinnen im alten Rom) einer gewachsenen Gruppe (Stamm/Volk), bei dem mehrere entsprechend ihrer Finanzkraft, Intelligenz, Kampfkraft und Ressourcen (z.B. Waffen, Pferde, Gold) unterschiedlich zum Erfolg beitragen und sich anschließend je nach Verdienst unterschiedlich den Ertrag teilen, ist m.E in der Stammesgeschichte früher anzusiedeln als die Vorstellung von Gelddarlehen. Dann ist aber auch der Gedanke, dass jemand, der sich nur mit Geld (Gold/Waffen) an den Geschäften anderer beteiligt und diese Leib und Leben riskieren lässt, relativ weniger (nur ein Fixum für Geldüberlassung) erhalten muss als die Risikoträger, der wirtschaftshistorisch ältere Gedanke. Akzeptiert man dies, ist der Ursprung der Vorstellung, dass auch Geldüberlassung eine Leistung ist, die einen gerechten Lohn (der niedriger sein muss als der Unternehmerlohn) verdient, gefunden.
In diesem Falle fällt es leicht, den üblichen (=althergebrachten) Zins zu fordern, wenn jemand (Schuldner) an einen anderen (Gläubiger) herantritt und im Rahmen einer rein finanziellen Beziehung gegen Sicherheiten um befristete Geldüberlassung nachsucht.
Die anderen Vorstellungen (baissier/dottore), dass sich Geldinhaber und Geldnachfrager vor Urzeiten irgendwie begegnen und ein rätselhafter Zwangsmechanismus für Zinsen sorgt, entspricht m.E. nicht der wirtschaftshistorischen Entwicklung kapitalistischer Abläufe.
Hinsichtlich der Bewertung von unproduktiven Konsumentenkrediten, Staatskrediten u.a. dürfte es zwischen uns keine Differenzen geben. Insoweit verfolge ich dottores Schriften vom ersten Buch an und stimme in nahezu allem zu. Nur, wer über"Zinsentstehung" nachdenkt, sollte es akademisch genau über den Ursprung tun. Wie oben gesagt, nur um diese akademische Frage ging es mir. Meine Vorstellungen helfen mir im übrigen zu begründen, warum Zinsen im Wirtschaftsleben unausrottbar sind und religiöse oder faschistische Zinsverbote nichts bringen.
Gruesse
netrader
>Hallo netrader,
>deine Zinstheorie passt meiner Meinung nach gut mit der einen Hälfte der Wirklichkeit zusammen: Dem Kredit, der für produktive Zwecke aufgenommen wird. Wo Reichtum geschaffen wird, hängt es - wie du gut beschreibst - ganz von dem Verhältnis Zinsrate/Profitrate ab, ob der Zins"ausbeuterisch" ist oder nicht. Anders ist es allerdings, wenn der Kredit unproduktiv verwendet wird, als"Konsumentenkredit" oder als Staatskredit. Die meisten Ausgaben des Staates sind unproduktiv. Solcher Kredit (und seine Zinsen) zehren von vorhandenem Reichtum.
>Ich denke, das ist der richtige Punkt bei dottore wie bei den Freiwirtschaftlern. Ihre Zinstheorie passt (irgendwie) auf die"andere Hälfte der Wirklichkeit": Zins als"Ausbeutung", Zins als Zehren am Reichtum.
>Gruß Wal
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netrader
29.06.2002, 20:52
@ netrader
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Baissier betr. Zinsentstehung |
Lieber und sehr verehrter Baissier,
vielen Dank für Ihre ausführliche Kritik"drüben".
Die vorgeworfene"Zwangsneurose" sollte Sie selbstverständlich nur in Antwortlaune bringen und wird hiermit zurückgenommen.
In der Sache habe ich mit dem Machtgedanken Probleme. Wenn man über etwas wie einen allgemeinen wirtschaftshistorischen Zinsgedanken und dessen Ursprung nachdenkt, verbindet sich damit für mich die Vorstellung einer nahezu gleichmäßigen nicht überhöhten finanziellen Belastung, so wie man für die Annahme von Gewohnheitsrecht eine gleichförmige Übung fordert.
Insoweit kann es durchaus zinsvorstellungsprägende Bedeutung haben, wenn eine nach heutigen Vorstellungen"niedrigbesteuernde" Macht des Mittelalters den Zehnten (Teil der Ernte) fordert.
Macht im Sinne baissiers ist eine von unten kaum kontrollierte, autoritäre Macht, die ihren Machtunterworfenen bis zur Rebellionsgrenze alles abverlangen kann. Macht in diesem Sinne hat es selbstverständlich immer gegeben. Mir fällt es jedoch schwer zu glauben, dass eine solche Macht die für das Zinsverständnis erforderliche Belastungsgleichheit über längere Zeiträume aufrechterhalten kann. Gerade frühkapitalistische Machtstrukturen waren m.E. immer auch willkürlich; d.h. sie forderten unterschiedliche Leistungen (Sachleistungen, Geldleistungen) in wechselnder Höhe, Gestellung von Personen (Kriegern, Sklaven), sogar Menschenopfer, und häufige Sonderopfer. Ich gehe davon aus, dass in vielen Fällen auch die für den Zins typische Opfergrenze überschritten wurde.
M.E. können Abgabenleistungen, wenn sie eine bestimmte Opfergrenze überschreiten, nicht mehr als Zins qualifiziert werden. Zins hat für mich etwas mit der Möglichkeit zu tun, den Zins zusätzlich zur Tilgung verdienen zu können, um beides zurückzahlen zu können. Um nochmals und sehr überspitzt mit dem alten §247 BGB zu sprechen:"Zins" ist eine Belastung bis 7 %. Was darüber hinausgeht, ist Zwangsabgabe oder Tribut, wogegen man ein natürliches Recht zur Kündigung oder Minderung haben sollte. Der deutsche Steuergesetzgeber sieht das wohl ähnlich, gewährt er die Eigenheimförderung (7b etc) doch erst, nachdem die Baugeldzinsen deutlich gestiegen waren.
Vielleicht sollte man schlicht einen einfachen frühkapitalistischen Fall bilden, um der Sache näher zu kommen:
Ein frührömischer Kaufmann aus der Nobilität beschäftigt tüchtige Seeleute, die große Reichtümer nach Rom schaffen. Für eine sichere und lukrative Unternehmung muss ein neues Schiff her, dass dem Kaufmann im Alter von 60 zu teuer ist. Er sucht unter den Senatorenkollegen Geldgeber und findet mehrere, die sich mit einer relativ geringen Rendite zufriedengeben, ihr Geld aber in jedem Falle zurückhaben wollen. Was soll man als Maßstab für die Zinsberechnung nehmen, wenn man solche Geschäfte noch nicht oft gemacht hat (und keinen Griechen oder Phönizier fragen kann) und ausreichende Sicherheiten vorliegen?
Soll man sich hier an irgendeinem Abgabendienst für den gerade amtierenden Konsul orientieren? M.E. wird man den Zins, wenn man keine Präzedenzfälle hat, an dem Gewinn vorangegangener Unternehmungen messen und vielleicht 10-25% davon, umgerechnet auf die Kreditsumme als Zins, vereinbaren. Inwieweit die gerade aktuelle Zwangsabgaben- und Fronlasten der allgemeinen Bevölkerung hier hilfreich sein sollen, kann ich nicht nachvollziehen.
Juristisch gesprochen scheint mir die Frage der Zinsentstehung eine Frage des privaten und nicht des öffentlichen (hoheitlichen) Rechts zu sein. Wäre es anders, müßte es doch seit frühkapitalistischen Zeiten eine ganze Anzahl von zwingenden Zinsgesetzen geben, die die privatrechtlichen Zinsen festsetzen, insbesondere in Anlehnung an Abgaben an den Staat (die Macht).
Folgende Passage aus einem Lehrbuch für römisches Privatrecht möchte ich unkommentiert wiedergeben:
..bei der actio venditi (Klage aus Verkauf) wie überhaupt bei allen bonae fidei iudicia: Aus der bona fides folgerte man eine Verzinsungspflicht des sich verspätenden Schuldners. Die Höhe richtete sich nach dem Geldmarkt: im 1. und 2.Jh.n.Chr. waren 4%, im frühen 3.Jh. 6% üblich (Komm. sic: bis 2001 4%, ab 2002 5%+Basiszins). In Notzeiten aber versagte der Markt, so dass schon in der Republik Höchstzinsgesetze ein immer niedrigeres Maximum festsetzten, das schließlich, wohl zur Zeit Caesars, ein Hundertstel monatlich, also 12% im Jahr, ereichte....
Ein autoritäres Zinsdiktat ist m.E. etwas anderes.
Gruesse nach drüben
netrader.
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dottore
30.06.2002, 22:17
@ netrader
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Re: Teil I |
Lieber netrader,
wenn Sie schon mit der Gleichung"baissier/dottore" arbeiten, dann darf ich mich der Einfachheit halber hier an Sie wenden. Verkürzung der Produktionsumwege...
>In der Sache habe ich mit dem Machtgedanken Probleme.
Nachvollziehbar. Ging mir ganz genau so. Die Frage, warum es überhaupt einen Zins gibt, ist mit privatökonomischen Vorstellungen m.E. einfach nicht zu lösen. Auch die gewiss intelligente Lösung von Heinsohn/Steiger, dass mit dem Zins der Verlust der Eigentumsprämie bezahlt wird, haut nicht hin. Denn sie setzt voraus, was zu beweisen war: Dass es auf Zins drängende Kredite gibt.
Der Kredit würde dann in Form eines aufs Eigentum gezogenen Titels mit Namen"Geld" gewährt; damit würde erst "money in waiting" geschaffen, was aber unendlich lange warten muss, falls niemand kommt, der sich das"Geld" abholt. Der Eigentümer kann dann sozusagen das von ihm"geschaffene" Geld jeden Tag aufs Neue bewundern, es sei denn er findet jemand, der ihm diesen"Titel" abnimmt. Aber warum sollte der? Der Titel lautet nur auf"so und so viel Eigentum", was ihn zwar sicher macht, aber dann doch nur eine"Sicherheit" bleibt, eben ein klassisches Pfand.
Der Versuch aus dem illiquiden Pfand uno actu ein liquides zu machen, haut irgendwie nicht hin. Warum sollte ich für das Durchgriffsrecht auf etwas Illiquides etwas bezahlen? Es hilft mir nicht, wenn ich Liquides brauche. Liquides ist immer konkret termin-liquides. Eine Liquidität vor dem Termin, an dem ich sie brauche (Bezahl-, und das heißt eben Abgabenzwang) ist absolut belanglos.
Das Eigentum (Pfand) ist natürlich von größter Bedeutung für das Wirtschaften, aber es hat im Kontext mit"Geld" zwei Achillesfersen: Die Illiquidität und die Versicherung der Besicherung.
Die Illiquidität ist zumindest eine Funktion der Distanz, konkret: der Macht-Distanz: Geld, dessen ihm zugrunde liegendes Eigentum weit weg ist, bringt umso weniger, je länger die Übernahme des Eigentums dauert. Dies gilt übrigens auch für die vermeintlich liquideste aller Eigentumsformen, nämlich das Edelmetall-Eigentum. Wie wir wissen, hatten selbst eindeutig über ihr Gewicht und ihren Feingehalt um rechenbaren Gold- und Silbermünzen in der allen hohen Zeiten dieser vermeintlichen"Warengeld"-Währung bereits von Stadt zu Stadt einen"Wechselkurs", der vom Metall-Pari abwich.
Eine attische Tetradrachme wurde trotz identischem Metallwert bereits in Korinth nur gegen Disagio genommen, was zur auf den ersten Blick als lächerlich erscheint. Tatsächlich liegt dem Phänomen der unterschiedlichen Liquidität selbst einer physisch absolut identischen Sache das eine zugrunde: Nur die attische Drachme wurde in Athen als Abgabenmittel akzeptiert, nur die korinthische in Korinth.
Die"money changer" (griech. = trapeza = Bank, wo der Umtausch lief, daher u.a. auch Trapezunt, heute Trabzon) wären bei einem"privaten" Wirtschaftssystem völlig überflüssig gewesen. Zunächst hätten die Transporteure des Metalls die Wegekosten (nicht Zeitkosten!) plus Transportrisiko bezahlen, also selber tragen müssen, was sie bei Depot-Scheinen noch hätten senken können.
Zur zweiten Ferse: Eigentum, ob immobil oder mobil, bedarf des Schutzes, wobei dieser Schutz aufwendiger sein muss als das, was potentielle"Räuber" (bei Mobilien) oder Besetzer (Immobilien) aufzuwenden in der Lage waren. Eigentum existiert zwar"als solches", aber eben nicht umsonst.
Und, schwupps: Schon sind wir wieder bei der Abgabe, bzw. dem Zwang, das Eigentum auch mit Hilfe von Zwang zu sichern und damit wieder beim Zins.
Der Zins (das"Mehr") ist und bleibt nur der Zins, wenn er / es vollstreckbar, also erzwingbar ist. Der Gläubiger selbst und allein kann nicht in den Schuldner vollstrecken. Er bedarf dazu der Macht. Existiert keine solche, würde er nur auf gut"Glück" leihen, was kein Mensch tut. Auch ins Heinsohn / Steiger'sche Eigentum muss vollstreckt werden können. Wer nur auf gut Glück leiht, könnte das Leihgut gleich verschenken, solche Solidarität in frühen"freiwilligen" Sozialverbänden (Stamm, Familie) ist vorstellbar, notfalls auch noch"Ächtung", wenn jemand das Gut nicht zu pari zurück gibt.
Der Zins gilt durch die gesamte Geschichte als Fremdling und als böse.
Ich erinnere an Canto XlV von Ezra Pound, den LeGoff in seinem"Wucherzins und Höllenqual", dem exzellenten Buch, das die mittelalterliche Anti-Zins-Debatte wiedergibt, zum Schluss zitierte:
"Bei Usura kommt Wolle nicht zum Markt
Schaf wirft nichts ab bei Usura
Usura ist die Räude, Usura
macht stumpf die Nadel in der Näherin Hand
legt still der Spinnerin Rocken...
CONTRA NATURAM..."
"Usura" ist nicht etwa Wucher wie wir aus antiken Quellen wissen, sondern ganz einfach der Zins selbst, z.B. als Alltagquelle ein auf Holztäfelchen erhaltener Schuldschein aus dem römischen Militärlager von Vindonissa:
"Ibi sortem et usuras probas recte dari stipulatus est..."
Der Legionär, der den Schuldschein unterschrieb, benötigte als rundum gut versorgter römischer"Staatsbeamter" bestimmt nicht den Weg zu einem Wucherer, zumal die Gegenpartei ein anderer Legionär war.
Überhaupt führt die Debatte, ob es noch Zins oder schon Wucher, ist Nichts, wenn wir konzis argumentieren wollen. Beim Wucher wird unterstellt, es sei ein etwas"unverschämter","ungerechter" oder"überhöhter" Zins, was nicht nur die Grenzen zwischen beiden"Zinsen" undefinierbar macht bzw. zum Ausweichen auf den"natürlichen" Zins führt, der freilich genau so undefinierbar bleibt.
Warum sollte ein langjähriger Zinssatz von 2 bis 3 % in der aktuellen Schweiz, die nicht als abgeschlossene Bergwirtschaft nur mit und in sich selbst beschäftigt ist, sondern vollständig in die Weltwirtschaft integriert,"natürlicher" sein als die doppelt so hohen Zinssätze etwa in Schweden oder Großbritannien usw.?
Das Böse am Zins weckt seit jeher die größten Emotionen, wie Herr XSurvivor immer wieder mit grandiosen Ausbrüchen bezeugt. Die Freigeld-Bewegung hat es im Grunde nicht auf die Konstrukte "Warenverrotung" abgesehen oder "stabiles Preisniveau", sondern zielt auf den Zins. Für den Kaufmann, dem die Waren"verroten", wird es doch nur kritisch, weil die Waren nicht rechtzeitig verkauft werden, und er, der einen Haufen Lieferanten-Rechnungen auf dem Tisch hat, in Existenzprobleme kommt.
Der Kaufmann steht nicht unter Verrottungsdruck, sondern unter Zinsdruck.
Die"natürliche" Wirtschaftsordnung (NWO) will eben das"contra naturam", also den Zins aushebeln.
Dazu gleich nochmals Ezra Pound:
"Bei Usura, der Sünde wider die Natur
bleibt dir dein Brot fad...
bleibt dir dein Brot trocken Papier,
kein Weizen vom Bergacker, kein kernig Mehl...
Steinmetz gelangt nicht zum Stein
Weber nicht zu seinem Zeugbaum...
Usura setzt an den Meißel Rost."
Die klassischen"Verrottungsphänomene" also: Brot, Weizen, Mehl (bekanntlich Gesells Standard-Beispiel!), Webstuhl, Meißel, sogar Stein!
Der Trick, mit Hilfe eines"Spezial-Geldes" den Zinssatz zu unterlaufen, kann nicht aufgehen, nachdem der Zinssatz nun unbestreitbar in der Welt ist. Weshalb dieser Trick umso heftiger verteidigt wird. Nirgends geht es empfindsamer zu als bei den Freiwirten. Selbst unbedarft Fragende werden als"zum Verständnis außer Stande" befindlich abgekanzelt. Oder belächelt. Oldy ist - das muss bei aller Sympathie, die man seinem Engagement entgegen bringen muss, gesagt sein - geradezu der Prototyp des"Wissenden", der sich über die Unwissenheit aller anderen amüsiert. Ein klassisches Verhaltensmuster für jene, die zwar in die richtige Richtung denken, aber eben nicht konsequent genug.
Den Zins zu verurteilen bzw. ihn irgendwie"natürlicher" zu gestalten, sich dabei aber gleichzeitig am Zins vorbeizumogeln ist ein Unding. Entweder wir haben ihn, egal wie hoch er sein mag, oder wir haben ihn nicht. Ein bisschen schwanger, und das für immer, geht halt nicht.
Als sich Karl Marx dem Zinsphänomen näherte, hat er das in diese perfekte Metapher verpackt:
"Das Geld hat Lieb im Leib..."
Freigeld mag als ein Tauschschein-System durchaus funktionieren, dann aber als System von"token". Solche"Produktions-Marken" gab es lange vor dem Zins, sie dienten (familien- oder Kleinstamm-gebunden, da die"Markierungen" eindeutige Unterschiede aufweisen) der Kontrolle, vermutlich der Vorräte, die dann nicht dauernd neu vermessen oder gewogen werden mussten.
Bitte vergleichen wir dazu die luziden Studien von Denise Schmandt-Besserat sub rubrum"Before Writing"; Schrift ist mehr als nur ein Token: Sie ist von der Schrift, die Schulden bzw. Zahlungen und dann eben Abgaben und Abgabenzwänge dokumentiert nicht zu trennen. Dieses ist seit den Publikationen der"Berliner Schule" der Alt-Orientalisten um Hans-J. Nissen hineichend beweisen ("Frühe Schrift und Techniken der Wirtschaftsverwaltung im alten Vorderen Orient", u.m.)
Die Schrift wurde nicht"erfunden", um Heldensagen oder Gedichte aufzuschreiben, die bekanntlich mündlich tradiert wurden, siehe Homer).
Das"missing link" zwischen Token und Metall (dem Macht- und Gewaltmittel schlechthin) ist auch gefunden: Es sind die zur Erstellung der Token benutzten Feuerstellen, die nicht mehr Herdstellen blieben, sondern Produktionsstätten wurden. Der Schmied ist eine der interessantesten Figuren der Geschichte. Er schillert wie kein anderes Geschöpf, da er sowohl das"Gute" (Pflugschar), als auch das"Böse" (Schwert) zu fertigen versteht.
Ohne Schwert o.ä. als klassischer Gewaltwaffe und sowohl im Angriff als auch (!) zur Verteidigung verwendbar (Panzerhemden aus Steinplättchen gibt es nicht, Steinbeile sehr wohl) ist Machtausübung, noch dazu sich dann gegenseitig hoch schaukelnde (Kriege usw.) nicht als sich über große Flächen verbreiternd vorstellbar. Mit Stein-Waffen lassen sich keine Feldzüge organisieren, mit Streitwagen, die ohne Metall niemals funktionieren würden, aber sehr wohl. Nicht von ungefähr war das assyrische Reich das erste Großreich überhaupt.
Der jahrhundertlange Kampf um Macht und damit die Möglichkeit, Zwangsherrschaft zu errichten und Abgaben einzufordern, was zur Surplus-Erstellung führen muss, ist an dem Phänomen Angriff per Metall und Verteidigung per Stein (Stadtmauer, Befestigungsanlage, Burg!) ebenfalls schön zu studieren.
Für mich sind alle diese Abläufe unmittelbar einleuchtend und sie münden immer wieder in den Zins als Zwangsabgabe.
Endlich haben wir dann den Gläubiger, der den Schuldner herbei zwingen kann. Daraus, eben aus dem"Ur-Zins" (Abgabe), kann sich erst der"private" Zins entwickeln, wie bereits beschrieben: Der Gläubiger hat zwei Möglichkeiten zur Vollstreckung, die ihm die Gläubigerrolle auch endlich"schmackhaft" machen: Einmal in den Schuldner (Person), zu zweiten in das Pfand (Personen, Sachen).
Doch die Vollstreckung setzt Macht voraus, also ein Zwangszins-System.
Die berühmten Zinsverbote (Moses, Mohammed usw.) sind damit auch erklärt. Die Leute waren dazumal nicht dumm. Sie hatten durchaus erkennen können, dass der Zins ein gewaltiger Motor zum Antreiben zusätzlicher Produktion war, also sozusagen den Druck schafft, der zu"Wirtschaftswachstum" und mehr Prosperität führt - wenn auch die Früchte daraus sich immer einseitiger verteilen, was wir bis heute bestaunen dürfen und was ebenfalls ein immer häufiger gebrauchtes"poltitisches" Argument wird,"Schuldenerlass" oder"Globalisierunsgegener" nur als Beispiele.
Die Macht will ihr Zins-Monopol behalten. Denn der Zins (als Abgabe,"census") ist das Machtzementierung-Mittel schlechthin. Sobald Konkurrenten auftreten, die ebenfalls (!) Zins (als ein durchaus nicht zum Weiterleben benötigtes"Gut") fordern und sogar mit Hilfe der etablierten Macht eintreiben können (Vollstreckung), läuft die etablierte Macht Gefahr, ihr"Gewaltmonopol" zu verlieren.
Auch dieses ist Standard der Geschichte: Der Autokrat wird immer von einer Oligarchie abgelöst bzw. das Patriziat (Macht auf kleine Gruppen verteilt) von Plebejern, Grundherren von Leibeigenen (Lollarden, usw.), Ausbeuter von Ausgebeuteten, usw., usw. in vielfachen Varianten.
Aus der Gläubiger-Fraktion kommt der neue Ober-Herrscher (dann Abgaben-Monopolist), wobei die Gläubiger-Fraktion sich auch als Macht-Oligopol etablieren kann, siehe immer wieder das antike Athen und Venedig. Dass Oligopole durchaus stabil sein können, hat Wilhelm Krelle in seiner"Preisheorie" bewiesen.
Das Zins-Verbot,"erzwungen" und strafbewehrt (auch wenn die Strafe erst post mortem kommen sollte), entpuppt sich als Machtabsicherungs-Mittel. Zu folgern, dass sich da jemand der durch Überschuldung aus dem Rennen gehenden Schuldner erbarmt hätte, geht am Kern der Sache komplett vorbei. Dem Gläubiger kann das Schicksal des Schuldners letztlich egal sein, denn er hat auch beim Platzen des zinsfreien Kredits immer das Pfand.
Sobald er aber Zins fordern und vollstrecken kann, so, wie die Herrschaft Abgaben fordern und vollstrecken kann, akkumuliert er"Reichtum" und die Lage der Herrschaft wird ungemütlich.
Die Chance, sich selbst an die Spitze zu setzen, wurde oft genug genutzt: Caesar und Augustus wurden nicht etwa Macht-Monopolisten, weil sie so"tüchtig" waren, brillante Heerführer gab's damals eh genug, ein Pompejus stand einem Caesar nicht nach und ein Mark Anton oder Lepidus nicht einem Oktavian, sondern sie kamen an die Spitze, weil sie über entsprechende Macht-Mittel verfügten.
Caesar aus seinen gallischen Schätzen, Oktavian als Neffe eines Bankiers nicht nur über derartige Mittel, sondern vor allem über die Schätze Ägyptens, das angeblich an ihn persönlich verschenkt worden war (Schätze & Mittel = jeweils die bereits standardisierten Zwangsabgabenmittel, also das, in dem"Steuern" bezahlt werden musste).
Auf die Chance zur Alleinmacht kann auch verzichtet werden, was sich empfiehlt, wenn sich eine Schicht von potentiellen Macht-Ergreifern herausgebildet hat, bei der in etwa gleiche Macht-Verteilung herrscht. Der römische Senat versteigerte sogar die"Imperator"-Stelle. Die Oligarchen im Deutschen Reich des 16. Jh. ("Kurfürsten") bedienten sich beim Habsburger Karl V., der, jung und unerfahren, tatsächlich auf die Nummer hereinfiel und nach langen, vergeblichen"Regierungs"-Jahren resignierte und sich ins Kloster zurück zog. Der anschließende Habsburger Staatsbankrott, der auch den"Außen"-Konkurrenten Frankreich aus gleichen Gründen ereilte, war die unausweichliche Folge.
Karl hätte als Kurfürst ein ungleich bequemeres Leben genießen können. Die Vorstellung, irgendwelche"Kapitalisten" hätten sich einen Kaiser"gekauft" (Ogger) ist völlig daneben. Die Verluste der oberdeutschen Bankiers, die dieser Kauf ihnen einbrachte, waren gigantisch. Auch Karl hat nicht den Thron gekauft, indem er die Kurfürsten bestochen hat. Sondern die Macht-Clique hat ihn verkauft und den armen Kerl anschließend verschaukelt.
Zum diesem Spiel gibt es viele Varianten. Geschichte muss nur richtig gelesen werden. Dann ist alles klar.
Um noch einmal zum Freigeld-Vorschlag zu kommen: Man spürt dort den heißen Wunsch, das Zins-Problem irgendwie herauszumendeln. Der Zins, unter dessen Druck der Kaufmann steht, der Vorschlag, das böse Tier einer"Bank" einzusperren, die das Freigeld immer zum Nominal zurückgibt, also selbst die"Gebühr" zu zahlen - es sei denn, die schleust das Geld sofort weiter. Aber das böse Tier ist längst durch die Hintertür entwischt.
Am Ende will man das Tier mit der"Umlaufgebühr" erlegen. Die wird selbst auf die Jagd geschickt und hetzt dem bösen Tier hinterher, ohne es je erreichen zu können.
Ezra Pound nennt den Zins so treffend
"Neschek, die Natter
Krebsfraß an allen Dingen, Fafnir der Wurm,
Hydra, die überall eindringt..."
Und zitiert:
"Schade, dass die Dichter stets Symbol und Metapher benutzen und kein Mensch aus ihnen schlau wurde, da sie in Gleichnissen sprachen."
Auch Macht, Herrschaft und Zwang sind seit jeher mit ebensolchen Metaphern belegt. Das Bild vom"weisen", vom"gütigen" Herrscher, das Bild vom"Wohlfahrtsstaat" (was für ein Wortungeheuer bei gleichzeitiger contradictio in adjecto!).
Der Gutstaat, geführt von Gutmenschen, alias Beamten, der gutstaatlich weise"Rahmenbedingungen" setzt, sich scheinbar mit der Rolle eines Oberschiedsrichters begnügt (Ordo-Liberalismus).
Das amerikanische Märchen vom"Aufstieg" des"Tüchtigen" (wohin soll er bloß steigen?). Jenes"Leistung muss sich wieder lohnen" (sie kann sich auf Dauer niemals lohnen, weil Macht in Form von Inflation und/oder macht-überschuldungsbedingter Krise oder Gegen-Macht in Form letztlich von Umsturz das mühsam Erworbene wieder zuschanden machen - es sei denn die Karriere des Leistenden führt ephemer in Richtung Berlusconi, also zum Herrscher über den Macht-Apparat, der ach so bereitwillig zur Verfügung steht).
Selbst so kluge Köpfe wie Karl Marx ("Das Kapital") oder Bertrand Russell ("Power - A New Social Analysis") sind nicht zum Kern vorgestoßen. Wie könnte ein"Mehr"-Wert ohne Zins (dem wirklichen Schurken) realisierbar sein? Was steckt wirklich hinter jenem Passus Russells:
"There is, however, a great difference between power desired as a means and power desired as an end in itself"?
Als"means" (Mittel) zu was? Am"end" (Ende) steht was?
Die Macht glorifiziert sich immer wieder selbst, wozu sie ebenfalls die Macht hat (vom antiken Barden, Staatsgeschichtsschreibungs-Lakaien wie Livius, Mythen-Glorifizinskis, die einen Karl den"Großen" als"idealen Überherrscher" produzieren müssen wie Alkuin, über die Zensur des 19. Jh. und des real existierenden Sozialismus bis hin zu den modernen"Medien"). Die Macht erringt der"Held", so etwas wie"Tapferkeit" und"Treue" sind heldische Tugenden.
Ist die Macht schon nicht mit Macht zu brechen, ist ihr wenigstens doch auszuweichen. Dazu die Namen Lao-Tse, Jesus, Franz von Assisi, Gandhi u.v.a.m. Wer Macht, Abgaben und Zins unterläuft, wird verfolgt (die Verhöre der frühen"Christen" durch die römische Macht sind dafür beispielhaft) oder von der Macht verachtet.
Das Ganze hat inzwischen die höchste Stufe der Perversion erreicht: Wer nicht konsumiert und dies bis zum Ende seiner finanziellen Möglichkeiten, einschließlich der Verschuldungsspielräume, wird scheel angeschaut. Dem Porsche sieht man seine Passivseite doch nicht an!
Es gibt in der Geschichte des Welt-Schrifttums überhaupt niemanden, der den Zins freiwillig bejubelt hätte.
Der erste, der den Zins als "Institution" überhaupt verteidigt hat, war Jeremy Bentham in seinem"Defence of Usury" (1787). Dies gegen Adam Smith, der strikt für einen Maximalzins gewesen war ("legal restraint of pecuniary bargains"). Auf diesen"Restraint" wird gern geritten, als ob er der Hengst der Weisen sei - sind nur"Grenzen" gezogen, kann doch nichts passieren. Halbkastriert geht leider auch nicht. Entweder Zins oder kein Zins.
So bleibt es wie es immer war: Der vollstreckbare und vollstreckteZins ist ein Machtphänomen. Ohne Macht kein Zwang, kein Zins und basta.
Der private,"machtfreie" Gläubiger (in spe) kann nicht gezwungen werden, etwas"Verzinsbares" zu produzieren. Wie denn? Warum produziert es also?
Der private,"machtfreie" Schuldner kann nicht gezwungen werden, sich zu verschulden. Er steht zwar unter Druck, aber dieser Druck ist nicht gegen andere (!) vollstreckbar, deren Leistung (Vor-Leistung sogar!) wiederum nicht erzwungen werden kann.
Wir können also nur, und müssen deshalb beim Zwang ansetzen, der nur durch Macht bzw. mit Gewalt ausgeübt werden kann. Woraus unmittelbar einsichtig folgt, dass wir dem Phänomen Macht und Gewalt die zeitliche Priorität zugestehen müssen.
Dass sich Macht nur dann"ergibt", wenn bereits Zins-Kontrakte laufen, sozusagen die Macht als Nothelfer oder Sankt Florian ("Hilfe, es brennt, der zahlt den Zins nicht!") ist nicht vorstellbar und historisch ohnehin nirgends zu entdecken.
Wir finden nirgends eine macht- und gewaltfreie "Friedens-Republik", die irgendwann mit Güterleihe plus Zins startet, und deren dort wirtschaftlich Tätigen dann, wenn ein Zins nicht entrichtet,"bezahlt", bzw. gegeben wird, nach einem Fremden ruft, der - mit einer Gewaltmasse an seiner Seite (Bewaffnete usw.) - in die Republik einrückt, den säumigen Schuldner stellt und ihn zur Zinsung zwingt.
Der Mächtige müsste sozusagen selber warten, bis er gerufen wird. Und"wovon" lebt er in der Zwischenzeit?
(Folgt Teil II)
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dottore
30.06.2002, 22:20
@ netrader
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Re: Teil II |
>Wenn man über etwas wie einen allgemeinen wirtschaftshistorischen Zinsgedanken und dessen Ursprung nachdenkt, verbindet sich damit für mich die Vorstellung einer nahezu gleichmäßigen nicht überhöhten finanziellen Belastung, so wie man für die Annahme von Gewohnheitsrecht eine gleichförmige Übung fordert.
Staatsrecht ist nicht Gewohnheitsrecht. Staatsrecht wird von der Macht nicht kodifiziert, wozu auch? Die"Verfassungen" sind allesamt später, eben weil sie die Gegenbewegung zur Macht sind. Magna Charta, Tübinger Vertrag, USA, usw.
Das Gewohnheitsrecht ("Landrecht","gemeines Recht","Sachsenspiegel","Schwabenspiegel", usw.) enthalten nichts über das Verhältnis der Un-Mächtigen zu den Mächtigen, aus naheliegendem Grund. Deshalb werden alle Kodifizierungen (Hamurabbi, 12-Tafel-Gesetze, Moses)"von oben erlassen". Es gibt keinen einzigen Rechtskodex, der von den Bürgern untereinander"ausgehandelt" wurde.
>Insoweit kann es durchaus zinsvorstellungsprägende Bedeutung haben, wenn eine nach heutigen Vorstellungen"niedrigbesteuernde" Macht des Mittelalters den Zehnten (Teil der Ernte) fordert.
Mit jeder Steuer ist der Zins in der Welt! Gemeinschaft A: Keine Steuern, keine Macht. Gemeinschaft B: Macht und Zwangsabgaben. Greift A an oder B?
>Macht im Sinne baissiers ist eine von unten kaum kontrollierte, autoritäre Macht, die ihren Machtunterworfenen bis zur Rebellionsgrenze alles abverlangen kann. Macht in diesem Sinne hat es selbstverständlich immer gegeben.
Macht bleibt auch in der"Demokratie" Macht. In ihr gibt sie den vollendeten Maskenball. Der Zwang, überall"endlich" demokratisch zu werden (siehe USA --> Palästina), lenkt nur ab vom eigentlichen Problem. Was sind die US-Handelsbilanz-Defizite anderes als Tribute? Was heißt denn wohl"Dollar-Imperialismus" wirklich? Der Dollar ist ein Schuldschein wie jedes andere Geld auch. Nur können die USA ihre Schuldscheine dem Rest der Welt aufpressen.
Amerika ist doch nicht ein Schuldner unter vielen, sondern einer, der die anderen in den Schuldner-Status zwingen kann. Warum starren alle auf die Wirtschafts-"Lage" in den USA? Wir spüren nur zu gut, dass eine Nachlassen der Verschuldungs-"Kraft" der Amerikaner den hoch verschuldeten Rest der Welt in ausweglose Lage manövrieren würde.
Der Hass, der den Amerikaner entgegen schlägt (Beispiele in sämtlichen Foren zuhauf!) hat doch einen Grund. Es ist der Hass des unentrinnbar Abhängigen. Der findet nur den Ur-Grund nicht (das Zwangssystem tarnt sich perfekt) und drischt dann wild auf alles Mögliche ein - bis hin zum Simpel Bush ("don't make no mistake") oder gleich noch"finsteren Gestalten", die im Off lauern und die Strippen ziehen.
>Mir fällt es jedoch schwer zu glauben, dass eine solche Macht die für das Zinsverständnis erforderliche Belastungsgleichheit über längere Zeiträume aufrechterhalten kann.
Sehr richtig. Das kann sie in der Tat nicht. Die Macht wird dann gestürzt und durch eine andere ersetzt, die von einem niedrigen"Niveau" aus neu startet, um allerdings rasch das alte wieder zu erreichen. Mit der modernen"Demokratie" ist diesmal freilich Schluss. Ein heimtückischeres System als eines, in dem sich Macht und Herrschaft über Bilanzverfälschungen (Staatsschulden, Rentenschwindel) über die maximal mögliche Zeitspanne retten kann, ist nicht mehr zu erfinden.
Demokratie = Worldcom mal (Abgabenmonopol + Geldmonopol + Infallibilität) hoch Zinseszins.
>Gerade frühkapitalistische Machtstrukturen waren m.E. immer auch willkürlich; d.h. sie forderten unterschiedliche Leistungen (Sachleistungen, Geldleistungen) in wechselnder Höhe, Gestellung von Personen (Kriegern, Sklaven), sogar Menschenopfer, und häufige Sonderopfer. Ich gehe davon aus, dass in vielen Fällen auch die für den Zins typische Opfergrenze überschritten wurde.
Selbstverständlich. Dann kam der Umsturz. Nur gegen wen (Person, Personengruppe!) will der Demokrat den Umsturz inszenieren? Gegen sich selbst? Die Demokratie hat Gläubiger und Schuldner in ein und derselben Person vereint. Endlich. Mehr war nun wirklich nicht drin.
>M.E. können Abgabenleistungen, wenn sie eine bestimmte Opfergrenze überschreiten, nicht mehr als Zins qualifiziert werden. Zins hat für mich etwas mit der Möglichkeit zu tun, den Zins zusätzlich zur Tilgung verdienen zu können, um beides zurückzahlen zu können.
Die heutigen, ununterbrochen gestiegenen Staatsquoten sind bekannt. Nicht der Zins muss verdient werden, sondern die Abgabe. Sie ist die"Tilgung".
Der Macht ist in der Form der"Demokratie" allerdings ein entscheidender Fehler unterlaufen:
Sie erhebt die Zwangsabgaben nicht mehr in festgesetztem Betrag (oder Leistung) pro Kopf (die berühmte Poll Tax Maggie Thatchers). Sondern"umsatz-" und"ertragsabhängig". Damit die Umsätze, Erträge, Einkommen, Gewinne usw."stimmen", Klartext: steigen, müssen sie stimuliert werden (Subventionen aller Art). Ohne Stimulation, also nur mit Hilfe der wunderschönen"Marktkräfte", geht weltweit längst nichts mehr.
Die Stimulation verschlingt immer größere Summen. Die wiederum müssen durch immer längere Vertagungen des Inkassos erkauft werden (Steuersenkungen gehören ebenso hierher wie"Ankurbelungen" über noch mehr Staatsschulden). Selbst die "Notenbank" wird immer intensiver eingesetzt ("Zinssenkungen", Klartext: Verzicht auf Monopolprämie, alias Banknotensteuer, alias Abführung des"ZB-Gewinns" an die Macht), um nur ja nicht den worst case eintraten zu lassen.
Es ist ein aussichtsloses Unterfangen, siehe Japan, wo wir gerade das Stimmen der Instrumente vor Beginn der Opera Tragica erleben. Vom Paukenschlag-Finale modo furioso sind wir noch entfernt.
>Um nochmals und sehr überspitzt mit dem alten §247 BGB zu sprechen:"Zins" ist eine Belastung bis 7 %. Was darüber hinausgeht, ist Zwangsabgabe oder Tribut, wogegen man ein natürliches Recht zur Kündigung oder Minderung haben sollte. Der deutsche Steuergesetzgeber sieht das wohl ähnlich, gewährt er die Eigenheimförderung (7b etc) doch erst, nachdem die Baugeldzinsen deutlich gestiegen waren.
Der Hinweis war interessant. Doch alle Zins-"Plafonds" scheitern, wenn sie nicht vorher schon aufgegeben wurden. Was ist die Idee von"Erlassjahren" anderes als eine Zins-Plafondierung?
Ich empfehle sehr, sich vom"Zins" als in Prozent von irgendetwas ex ante vereinbartem"Zinssatz" gedanklich zu lösen und ausschließlich auf das Mehr zu schauen. Kann es geleistet werden oder nicht? Permanente Vertagungen des Mehrleistungs-Zeitpunkts helfen am Ende überhaupt nicht.
Würde sich die Macht, die auf künftige Erträge aus ihrem Machtmonopol via Zwangszahlungen gezogen hat, heute entschulden, um die Zwangsabgabe"Geld" wieder netto zu kassieren, müsste sie sämtliche Wechsel, die sie auf ihre Zukunft als Eintreiber von Zwangsabgaben gezogen hat (Staatsschulden, Rentenverpflichtungen), begleichen, also eine Generalsteuer in Höhe der Schulden und der kapitalisierten Rentenansprüche erheben.
Der Staatsbankrott ist weltweit unausweichlich. Wer das nicht nachvollzieht, beleidigt die Finanzmathematik. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Bankrott als blanke Zahlungseinstellung auftritt, als Hyperinflation, Währungsreform, Goldaufwertung gar oder anders. Ich denke an ein ad Kalendas Graecas gezogenes Aufschuldungsgewürge. Der Staatsbankrott ist Machtbankrott und immer die bis dahin aufgeklumpte, bis zum letzten Punkt verschobene und dann wirklich allerletzte Zwangsabgabe.
>Vielleicht sollte man schlicht einen einfachen frühkapitalistischen Fall bilden, um der Sache näher zu kommen:
>Ein frührömischer Kaufmann aus der Nobilität beschäftigt tüchtige Seeleute, die große Reichtümer nach Rom schaffen. Für eine sichere und lukrative Unternehmung muss ein neues Schiff her, dass dem Kaufmann im Alter von 60 zu teuer ist. Er sucht unter den Senatorenkollegen Geldgeber und findet mehrere, die sich mit einer relativ geringen Rendite zufriedengeben, ihr Geld aber in jedem Falle zurückhaben wollen. Was soll man als Maßstab für die Zinsberechnung nehmen, wenn man solche Geschäfte noch nicht oft gemacht hat (und keinen Griechen oder Phönizier fragen kann) und ausreichende Sicherheiten vorliegen?
Das Beispiel ist schön formuliert. Nur: Woher kommt die"Nobilität"? Der Adel ist immer Zwingherr oder er ist nichts.
Das"Noble" ist nur der Schein, das wahre Wesen ist der Zwang, den er ausübt. Tatsächlich gab es durchaus auch mal Noble, die finanziell abgestiegen waren und den Schein noch wahrten. In den polnischen Reichstag des 18. Jh. ritten Noble ein, die sich nicht mal Metall mehr leisten konnten. Sie trugen zu ihrer Identifizierung ein - Holzschwert.
Ansonsten ist das Beispiel die klassische Beteiligung an Risiko und Beute, die es seit jeher gibt. Wir reden hier nicht über Beteiligungen, sondern über Kredit und Zins.
Die Sicherheit (Pfand), siehe bitte oben. Sie erscheint beim zinsbewehrten Schuldenmachen, für das der in realer Notlage Befindliche niemals in Frage kommt. Zinsbewehrte Schulden kann nur machen, wer solvent ist (verpfändet wird Eigentum), aber zum Abgabentermin dummerweise illiquide - illiquide im Abgabengut!
>Soll man sich hier an irgendeinem Abgabendienst für den gerade amtierenden Konsul orientieren? M.E. wird man den Zins, wenn man keine Präzedenzfälle hat, an dem Gewinn vorangegangener Unternehmungen messen und vielleicht 10-25% davon, umgerechnet auf die Kreditsumme als Zins, vereinbaren. Inwieweit die gerade aktuelle Zwangsabgaben- und Fronlasten der allgemeinen Bevölkerung hier hilfreich sein sollen, kann ich nicht nachvollziehen.
Der"Gewinn" vorangegangener"Unternehmungen" ist zunächst das Vermeiden des - nur allzu und jedermann bekannten - Verlustes aus vorangegangenen Nicht-Leistungen an die Abgabenmacht. Sehr schön im Sachsenspiegel (54, 2):
Wer den Zins (hier unstreitig Zwangsabgabe"nicht am rechten Tage (TERMIN!) gibt, soll ihn an folgenden zwiefach geben und so alle Tage". Der"Tag" war nicht der nächste Kalendertag, sondern Abgabentermin.
Dies ist übrigens genau das"riba"-Phänomen bei Mohammed, die"Verdoppelung der Verdoppelung". Korrekt gelesen, schreibt der Koran nicht ein"Zinsverbot" vor, sondern er verbietet die Erhöhung der Abgabenlast (Abgaben-"Zins"), nachdem der Abgabentermin ohne Zahlung verstrichen ist. Die Abgabenlast würde sich bei Aufzinsung erhöhen, sobald jemand die das Abgabengut zur Verfügung stellt: Im Koran (und auch sonst gemeinhin) die"Juden", siehe Sure 4, 158 ff. (Rückert-Übersetzung):
"Ob solcher Frevel derer, die sich Juden nennen...
Und weil sie Zinsen nehmen, was doch ihnen untersagt ward,
Und das Vermögen anderer verzehren sündlich;
Bereitet aber haben wir
Den Leugnern unter ihnen scharfe Pein."
Der sogenannte"Jude" ist nicht jemand, der für die finanzielle Erstausstattung eines Geschäfts sorgt. Dafür findet sich kein einziges Beispiel in der frühen Geschichte. Also kann er auch nicht Zinsen bezogen auf das Geschäftliche selbst nehmen.
Er tritt immer erst bei fehlender Liquidität auf den Plan. Er ist dann logischerweise der"Wucherer", denn vor der Aufnahme eines Geschäfts gibt es keinen Liquiditätsdruck, sonst würde man es vertagen oder gar nicht erst starten. Erst wenn der Termin kommt, gibt's Druck.
Ist es ein privatgeschäftlicher Termin, kann der Schuldner ihn platzen lassen. Wozu den"Juden" holen? Denn der Gläubiger hat schließlich das Pfand, dessen Eigentum dann eben wechselt (unbesicherten Geschäftskredit gibt es in früher Zeit definitiv nicht).
Beim Zwangsabgaben-Termin schaut's völlig anders aus. Der Gläubiger (die Macht) hat kein Pfand! Sie muss es"im Nachhinein" beschaffen, indem sie sich den Abgabenschuldner greift. Not amusing...
Die Macht rückt an, flankiert auf der einen Seite von Inkasso-Spezialisten, auf der anderen von Mordbrennern. Die Inkasso-Experten schauen. Siehe da: Tatsächlich nichts zu holen. Die Macht lässt die Spezialisten der anderen Seite von der Leine. Das kennt man doch!
Und genau das will der Zins-Verpflichtete à tout prix vermeiden. Ist es also soweit (TERMIN rückt näher), aber ist nichts da (Abgabengut, alias"Geld"), erscheint der"Jude" und bietet seine Dienste an.
Der"Jude" nimmt kein Pfand! Er kreditiert unbesichert.
Beweis: Bei Paul Jacob Marperger (1656-1730), dem ersten Deutschen, der sich ausführlich mit diesem Phänomen beschäftigt hat, ist im Traktat über"Leih-, Hülffs- und Assistenzhäuser" ein Frontispiz vorgebunden mit dem Text:
"Jud, pack' dich aus dem Land
Hier leihet man auf Pfand!"
Von daher ist es nun keine Schwierigkeit mehr, zu erklären, warum die"Juden" zwar in ihrem direkten sozialen Umfeld so verhasst waren und die bekannten Pogrome schon im frühen Mittelalter durchleiden mussten, aber zugleich ausdrücklich unter dem Schutz des Kaisers standen!
Dem Ober-Machtinhaber waren die Juden"als" Juden (Rasse, Herkommen usw.) nun wirklich egal. Ihre"Funktion" aber keineswegs! Sie waren nichts anderes als sein finanzielles und damit machtpolitisches Backing. Ohne die von ihnen gebotene"Zwischenfinanzierung" der Abgaben hätte sich die Macht erheblich weniger schlank durch die Jahrhunderte schleichen können.
Der"Jude" kommt nicht nur indirekt vor, sondern auch direkt (Gregor von Tours, Fränkische Geschichte VII, 23):
"In dem Jahr kam ein Jude..., um Schuldverschreibungen geltend zu machen, welche (ein Vikar und ein Graf) über die öffentlichen Abgaben (!) ausgestellt hatten."
Wir sprechen hier vom finstersten 6. / 7. Jh., wo es in Nordgallien nicht den Schimmer von"privaten" Krediten gegeben hatte. Was damals als"Kredit, Zins, Schuld" usw. existierte, war ausschließlich innerhalb des ununterbrochenen Machtkampfs zu sehen.
Die"Juden" bewährten sich als Unterstützer der jeweiligen Machtkämpfer, indem sie deren Zwangsabgaben vorfinanzierten. Dies ist ebenfalls eindeutig historischer Standard, der im 17. / 18. Jh. eine Blüte im staatlichen Münzwesen fand (Friedrichs II."Jude" Itzig) sowie im sog."Hofjuden" (vgl. die großen Arbeiten von Schnee!) und dann im 19. Jh. auf breiter Front von den Rothschilds usw. besetzt wurde.
Selbst noch Bismarck, der nun wirklich um die Bedeutung der"Kasse" für den Machterhalt wusste (siehe Welfenschatz, seinen"Reptilienfonds" - aha, wieder die Natter!) bediente sich des Juden Bleichröder, der fast täglich in seinem Büro erschien, wo die Herren weder übers Wetter noch über die"allgemeine wirtschaftliche Lage" plauderten. Sondern über die Basis der Macht. Und das sind nun mal die Zwangsabgaben in ihrer Form der"Staatsfinanzen".
Die"Juden" hatten ihre Marktnische gesucht und gefunden. Das war nicht die Finanzierung riskanter Privatgeschäfte. Wo sie sich"privat" engagierten, sehen wir Staatsmonopole oder Unternehmungen mit Quasi-Staatsgarantie: Eisenbahnen, Bergwerke, Stahl (Gewaltmetall schlechthin), sehr schön auch an den Rothschild-Investitionen in Neu-Kaledonien. Dort gingen die großen Nickelgruben auf - und wer brauchte Nickel? Der Staat als Münzherr, ab den 1860 Jahren massiv!
Die Marktnische, nämlich als ultimativer Finanzier der Macht, nicht etwa irgendwelcher"breit angelegten" zivilen Geschäfte (Ausnahmen gab's natürlich, siehe den illiquiden Hamburger Kaufmann John Parish, den Ende 18. Jh. ein Jude rettete) aufzutreten, ließ dann die Ideen vom"Finanzjudentum" und"jüdischen Weltverschwörung" zur Ideologie geraten, deren Ablauf und Folgen bestens bekannt sind.
>Juristisch gesprochen scheint mir die Frage der Zinsentstehung eine Frage des privaten und nicht des öffentlichen (hoheitlichen) Rechts zu sein. Wäre es anders, müßte es doch seit frühkapitalistischen Zeiten eine ganze Anzahl von zwingenden Zinsgesetzen geben, die die privatrechtlichen Zinsen festsetzen, insbesondere in Anlehnung an Abgaben an den Staat (die Macht).
Was auch immer"frühkapitalistisch" gewesen sei: Ich vermag dem nicht zu folgen. Hätte es privatwirtschaftliche Zinsen vor dem Erscheinen der Abgabenmacht gegeben, wäre es doch das Leichteste und auch Sinnvollste gewesen, die Zinserträge zu besteuern!. Die Zahlung von privatrechtlichen Zinsen war unter keinen Umständen zu verheimlichen, in Form des Zinses (als angebliches"Privatgeld") ging das zu besteuernde"Gut" ganz offen auf dem Tisch.
Jeder zu Abgaben Verpflichtete hätte schon aus"Rachegelüsten" heraus (wer liebt schon seinen Gläubiger!) die Zinszahlung öffentlich gemacht. Außerdem hätte die Macht konkrete Privatzins-Zahlungs-Termine festlegen können, z.B. jeweils am Quartalsende. Nichts leichter als das. Zum Privattermin erscheint sie und kassiert.
Auch wäre es ein Leichtes gewesen, diese Zahlungen zu erzwingen: Die Macht hätte nur erklären müssen, dass Schulden nicht zurück gezahlt werden müssen, wenn sie nicht unter den Augen der Macht zurück gezahlt werden. Warum also nicht zum Naheliegenden greifen, warum den Umweg über Naturalabgaben usw. nehmen? Man denke an die Wechselstempelsteuer: Nur der gestempelte Wechsel war vollstreckbar. Von der sog."Zinsabschlagsteuer", inzwischen eine Form des verdeckten Staatsbankrotts, wollen wir ganz einfach schweigen.
Man denke an die Tatsache, dass jede private Schuld nicht nur als Dokument zwischen Gläubiger und Schuldner existierte, sondern immer auch in ein bei der Macht hinterlegtes"Schuldbuch" eingetragen werden musste. Ich besitze solche Schuldbücher aus dem 15. / 16. Jh. und komme beim Vergleich mit Abgabenbüchern der gleichen Periode zu dem Schluss, dass private Schulden nur einen Bruchteil der Abgabenschulden ausmachten.
Was meint Ciceros Intimfeind Catilina, wenn er"novae tabulae" fordert? Die "tabulae" waren nicht die Schuldscheine bzw. -verschreibungen. Denn die hießen "syngraphae" (ebenfalls ausführlich bei Cicero etc.). Es waren die"Grundbücher" der Gesamtschulden. Einklagbar erst, nachdem sie dort eingetragen waren.
Die private Schuld war außerdem nicht"kursant", d.h. zedierbar. Die öffentliche Schuld sehr wohl: Sie ging an die Staatsgläubiger über. Nichts geht bis heute am Kapitalmarkt liquider als"öffentliche" Anleihen. Noch.
>Folgende Passage aus einem Lehrbuch für römisches Privatrecht möchte ich unkommentiert wiedergeben:
>..bei der actio venditi (Klage aus Verkauf) wie überhaupt bei allen bonae fidei iudicia: Aus der bona fides folgerte man eine Verzinsungspflicht des sich verspätenden Schuldners. Die Höhe richtete sich nach dem Geldmarkt: im 1. und 2.Jh.n.Chr. waren 4%, im frühen 3.Jh. 6% üblich (Komm. sic: bis 2001 4%, ab 2002 5%+Basiszins). In Notzeiten aber versagte der Markt, so dass schon in der Republik Höchstzinsgesetze ein immer niedrigeres Maximum festsetzten, das schließlich, wohl zur Zeit Caesars, ein Hundertstel monatlich, also 12% im Jahr, ereichte....
>Ein autoritäres Zinsdiktat ist m.E. etwas anderes.
Besten Dank. Es bestärkt mich in meiner Meinung:
Das Phänomen Verkauf entsteht überhaupt erst, nachdem es ein Zwangsabgabenmittel gibt, das der Abgabenschuldner einfach nicht hat oder haben kann.
Sobald ich zur Abgabe von 10 Ochsen gezwungen werde, aber bisher vom Schlachten meiner Schafe lebte, muss ich mich mit den Schafen auf einen Tauschplatz / Markt begeben (der dadurch erst entsteht), um mir die 10 Ochsen zu beschaffen. Noch klarer bei Metall: Habe ich kein Silber und wird es als Abgabe eingefordert, muss ich es erwerben.
Der Übergang von den Naturalsteuern zur Metallabgabe an die Macht hat die Bauern überhaupt erst zum Markt getrieben. Was waren denn die gerühmten"Märkte" auf denen angeblich Metall als"Tauschmittel" zur"Erleichterung" des ohnehin Simpelsten, nämlich Tauschen,"erfunden" wurde, vorher?
Was haben denn die"Marktaufseher" geprüft? Die Ware oder das Metall?
Märkte [/i]können[/i] daher überhaupt erst entstanden sein, nachdem es Abgabenzwang gegeben hat. Ich darf zum wiederholten Mal an die Perser erinnern: Perfektes Abgabensystem, aber weder Märkte noch Schulden. Die kamen eben später...
Mit freundlichem Gruß und einen besonderen Dank an lenzhannover!
Von einem in vielerlei Gestalt
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Popeye
30.06.2002, 22:26
@ dottore
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Re: Teil I - Ein ganz herzliches WILLKOMMEN! Es fehlte was! |
>Lieber
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JÜKÜ
30.06.2002, 22:41
@ Popeye
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Re: Teil I - Ein ganz herzliches WILLKOMMEN! / Und ein Dauer-Ehren-Abo... |
Ich hoffe, dass noch viele Teile folgen.
Ein Neuanfang wäre schön.
Verehrter dottore, Ihr Abo läuft lt. Rosi bis zum 14.07..
In den nächsten Tagen hätte ich Ihnen eine Mail geschickt (unabhängig von einem Posting hier; schade, jetzt sieht es blöd aus), aber ich tue es jetzt und hier:
Sie haben ab sofort ein Dauer-Ehren-Abo, so lange es ein Abo gibt - und auch das ist selbstverständlich unabhängig von weiteren Postings.
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Baldur der Ketzer
30.06.2002, 23:20
@ dottore
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Re: ich freue mich, daß Du wieder da bist (wurde auch Zeit!) ;-) Du fehltest (owT) |
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Cosa
01.07.2002, 08:49
@ dottore
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Re: ooops, *freu* |
Moin dottore!
Jetzt freu ich mich gewaltig, dass Du die Abzweigung hierher wieder genommen hast.
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Hatte ich doch zuletzt keine Möglichkeit mich für das bisher Gelernte zu bedanken - ging alles so plötzlich.
herzliche Grüsse
Cosa
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LenzHannover
01.07.2002, 13:48
@ dottore
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Re: auch große Freude (owT) |
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