Verpackungskünstler
Dt. Bundesumweltminister Trittin überbringt gute
Nachrichten von der Enquête-Kommission"Nachhaltige
Energiepolitik": Bis zum Jahr 2020 könne Deutschland seinen
Ausstoß an Klimagasen um 40 Prozent verringern, bis 2050
sogar um 80 Prozent. Dann würde die Hälfte des deutschen
Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Einen
wesentlichen Anteil daran hätte die Windkraft. Und in dieser am
schnellsten wachsenden Energiebranche sei Deutschland schon
heute führend. Einen neuen Schub werde sie mit der
Ausweisung großer Windparks in der Nord- und der Ostsee
erhalten. Die würden sogar für die Natur ein Segen sein, meint
Trittin, weil sich die Fische zwischen den Masten vor den
Fangflotten in Sicherheit bringen könnten.
Am liebsten aber wirbt der Bundesumweltminister für seine
Energiepolitik mit dem Arbeitsplatzargument. 130 000 Stellen
seien allein in der Windindustrie durch die Förderung
regenerativer Energien schon geschaffen worden. Damit hat
sich Trittin als Ersatzarbeitsminister empfohlen, nicht aber als
Umweltminister. Denn die Windmaschinen, welche die Reste
der deutschen Kulturlandschaft zunehmend in Industriegebiete
verwandeln, sind Raubbau an der Natur, und zur
Energiesicherheit tragen sie so gut wie nichts bei. Rund 12 000
Windkraftanlagen haben Deutschlands Landschaftsbild in den
vergangenen zehn Jahren nachhaltig entstellt, ohne daß dadurch
auch nur ein einziges konventionelles Kraftwerk überflüssig
geworden wäre.
Weniger gern spricht Trittin von den Kosten seiner
Energiewende. Wirtschaftsminister Müller nannte im
vergangenen November den schwindelerregenden Betrag von
250 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020. Schon heute
finanzieren die Stromkunden allein die Windkraft mit rund 1,1
Milliarden Euro jährlich. Für diesen Betrag wären auch
anderswo mühelos 130 000 Arbeitsplätze zu"schaffen". Besser
noch wäre es, dieses Geld so zu investieren, daß Energie
gespart werden könnte. Dann würde es der Umwelt zugute
kommen und nicht einigen wenigen Großanlegern, die sich mit
Hilfe des Staates die Taschen füllen. Fünf Mark für den Liter
Benzin - diese einstige Forderung der Grünen war ein Klacks
gegen das, was jetzt Regierungspolitik ist. Die Grünen haben
aus ihrem damaligen Debakel gelernt. Sie sind jetzt auch
Verpackungskünstler.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.07.2002, Nr. 151 / Seite 1
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