manolo
19.09.2002, 12:44 |
Moderner Etatismus - Lösungsansatz für das drohende Debakel? Thread gesperrt |
-->ich lasse mal mit Fleiss weg, wer diese Gedanken verfasst hat.
Reiche ich nach. Versprochen.
Für einen modernen Etatismus
Das Modell Bayern ist die Alternative zu Globalisierung und Turboliberalismus
Von xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Nein, ich wünsche mir keine weiß glühende Revolutionierung der Gesellschaft, keinen Ruck, der das Netz des rheinischen Kapitalismus zerreißt und keine Axthiebe gegen Gewaltenverschränkung und Verbändestaat. Für mich war die rheinische Republik die höchste Form deutscher Staatlichkeit, seit Tacitus die Germanen in das helle Licht der Weltgeschichte rückte, und der von den meisten Wirtschaftsführern beklagte konservative Instinkt des Gesamtvolkes bestätigt nur, dass man wirklich aus der Geschichte lernen kann.
Was an den Erneuerern, Modernisierern, Globalisierern und Turboliberalen so nervt, ist die Geste: ach, wie wunderbar, in einer solchen Epoche zu leben. Von einem bayerischen Ministerpräsidenten erwarte ich eine andere, in tausend Jahren bayerischer Geschichte gereifte Haltung - nicht Auflösung des Staates im Wirbel der Globalisierung, sondern das Wetterfestmachen, das die Balkenerneuern, eben das"es muss alles sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist" aus Lampedusas Leoparden. Graf Montgelas hat das unter nicht weniger schwierigen Umständen nach der Französischen Revolution in Bayern vorgeführt, Stein, Hardenberg und Humboldt in Preußen.
Stoiber könnte gelingen, woran Schröder gescheitert ist und was Westerwelle nicht interessiert: einen modernen, festen Etatismus zu schaffen, eine konservative Schutz- und Trutzburg, die funktioniert, weil sie ideologisch nicht überfrachtet und dennoch ausfinanziert ist. Das heißt, dass Prioritäten unabhängig von Parteiprogrammen gesetzt werden müssen: Bildung, innere Sicherheit, nationale Identität, soziale Balance und außenpolitische Handlungsfähigkeit. Bayern hat dieses Programm in den letzten Jahren vorgeführt. Ich erwarte daher von einem bayerischen Ministerpräsidenten, dass er als Bundeskanzler diese Erfahrungen nutzt und dass - wie auch immer föderal balanciert - künftig mehr Geld für Schulen, Hochschulen, Kultur und Polizei auf allen Ebenen zur Verfügung steht, dass wir eine offene Gesellschaft bleiben, in der das Fremde als Fremdes akzeptiert und nicht als multikultureller Teil der eigenen Identität missverstanden wird. Ich erwarte von einem Nachfahren des großen Montgelas, dass die Politik Herrin über die Wirtschaft bleibt und der Staat, die Gesellschaft, nicht aber der Markt über das gesellschaftlich richtige wie sinnvolle soziale Minimum entscheidet.
Reformen des Arbeitsmarktes sind bestimmt notwendig, doch Ausmaß und Zumutbarkeit solcher Reformen müssen sich am gesamtgesellschaftlichen Interesse orientieren, nicht an den Interessen einer kleinen, internationalen Managerklasse. Montgelas zentralisierte Bayern zu Lasten der ständischen Einrichtungen, die globalisierte Wirtschaft ist heute weit mächtiger als Adel und Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ein Schuss Merkantilismus wäre so schlecht nicht, wie Bayern und Frankreich, die Erben dieser Tradition, beweisen. Stoiber, so muss man hoffen, hat aus der tausendjährigen Geschichte Bayerns gelernt, dass die polemische Unterscheidung zwischen Struktur- und Wertkonservativen eine Chimäre ist, da Werte nur innerhalb verlässlicher Strukturen gelebt werden können, deren Zerstörung die davon betroffenen Werte nicht unberührt lässt. Es gibt eben sehr wohl einen Zusammenhang zwischen Ladenschlusszeiten und dem Erhalt der Familie, auch wenn"Konservative" wie Berlusconi und Thatcher, die die revolutionäre Dynamik des globalen Kapitalismus von ganzem Herzen bejahen, dies zu leugnen versuchen.
Doch gerade wenn wir den amerikanischen Weg nicht gehen wollen, ist der deutsche keine Alternative. Amerika-kritisches Gemurmel ohne Konsequenzen ist keine Politik, von Stoiber erhoffe ich mir deshalb eine besser finanzierte Bundeswehr, um Amerika auf Augenhöhe zu begegnen, und die Wiederbelebung des deutsch-französischen Kerneuropas als Gegenmacht zum amerikanischen Unilateralismus. Die moderne Tradition bayerischer Staatlichkeit hat in Frankreich ihren Ursprung, beide Länder müssen in einer globalen Welt einen eigenständigen europäischen Weg suchen, der nur ein gemeinsamer sein kann, wenn sie die zukünftige Welt mitbestimmen wollen. Stoiber könnte jene Mischung aus nationalem Stolz und europäischer Verantwortung finden, für die Schröder keinen Sinn und Fischer nicht die persönliche Geschichte hat.
Wenn uns die Flutkatastrophe eines gelehrt hat, dann ist es die Notwendigkeit des starken Staates, der im Not- und Schadensfall den Einzelnen schützt und der Gesellschaft die Mittel zur Verfügung stellt, die individuelle Ohnmacht in gemeinschaftliche Macht zu verwandeln. Der wohlverdiente historische Abgang des Sozialismus hat das Pendel stark in Richtung Individuum, Markt und Selbstverwirklichung ausschlagen und Konservative scharenweise zu Turboliberalen werden lassen, die das wirtschaftlich starke Individuum anbeten. Der Erfolg bayerischer Staatlichkeit in den vergangenen Jahren war der Triumph einer merkantilistischen Unterform des rheinischen Kapitalismus. Von einem bayerischen Bundeskanzler erhoffe ich mir eine Fortsetzung, nicht eine Änderung dieser Politik. Ob die Flut Schröder geholfen hat, wird der Wahltag zeigen. Sie hat aber jetzt schon den Spaßliberalismus des"Bereichert und amüsiert euch!" beerdigt. Stoiber ist frei, auch in Berlin an Montgelas anzuknüpfen.
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Baldur der Ketzer
19.09.2002, 13:00
@ manolo
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Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an |
-->>ich lasse mal mit Fleiss weg, wer diese Gedanken verfasst hat.
>Reiche ich nach. Versprochen.
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Saint-Just
19.09.2002, 13:02
@ manolo
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EXAKT! (owT) |
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Theo Stuss
19.09.2002, 13:06
@ manolo
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Re: Gerade von Stoiber erwarte ich in dieser Hinsicht nichts. |
-->Hallo Manolo,
Die rheinische Republik war schon mit dem Abtritt Adenauers Vergangenheit. Warum der Jakobiner Montgelas hier ein Vorbild sein soll, frage ich mich auch.
Gruß,
Theo
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Diogenes
19.09.2002, 13:12
@ manolo
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Re: Moderner Etatismus - Lösungsansatz für das drohende Debakel? |
-->Hi manolo,
Der Staat ist nicht die Lösung, zuviel Staat ist ein Teil des Problems. Was wir brauchen ist ein funktionstüchtiges und trnsparentes Finanzsystem plus einen Staat, der sich auf seine Kernaufgaben (Polizei, Justiz, Verteidigung plus Grundsicherung bei Renten und Krankheit) konzentriert. Der Staat ist heillos überfrachtet, er soll für alle alles besorgen. Das kan nie gutgehen.
Der Etatismus ist ein Widerspruch in sich:
Den Leuten wird nicht zugetraut ihre eigenen Interessen am Markt wahrzunehmen. Aber die gleichen Leute, sobald sie in der Amtsstube sitzen, sollen in der Lage sein, die Interessen anderer zu vertreten.
Für den Markt sind sie zu doof, aber vor dem Tintenfaß streift sie die Erleuchtung? Unwahrscheinlich.
Im übrigen ist der Aufsatz keine Analyse, sondern ein Pamphlet.
Gruß
Diogenes
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Saint-Just
19.09.2002, 13:47
@ Baldur der Ketzer
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Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an |
-->Wenn ich so recht überlege - durchaus möglich. Dennoch halte ich einige merkantilistische Ideen für überdenkenswert.
Gruss!
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Ecki1
19.09.2002, 16:36
@ Saint-Just
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Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an |
-->Wenn ich so recht überlege - durchaus möglich. Dennoch halte ich einige merkantilistische Ideen für überdenkenswert.
... weil von diesen Ideen die Amigos der Politiker risikolos auf Kosten der Steuerzahler profitieren? Genau dieser Merkantilismus hat sich doch totgelaufen,
glaubt Ecki1
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Saint-Just
19.09.2002, 16:56
@ Ecki1
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Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an |
-->>Wenn ich so recht überlege - durchaus möglich. Dennoch halte ich einige merkantilistische Ideen für überdenkenswert.
>... weil von diesen Ideen die Amigos der Politiker risikolos auf Kosten der Steuerzahler profitieren? Genau dieser Merkantilismus hat sich doch totgelaufen,
>glaubt Ecki1
Hallo Ecki,
schön von Dir zu hören. Scherzhaft könnte man jetzt antworten: Na und - also Amigo werden. ;-)
Was ich aber ernsthaft meine:
Staatliche Aktivität ist nicht grundsätzlich zu verdammen. Gegenwärtig vernachlässigt der Staat seine vornehmsten Aufgaben (z.B. Schaffen und Erhalten von Infrastruktur), mischt sich jedoch in vieles ein, was ihn nichts angeht.
Gruss!
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manolo
19.09.2002, 18:12
@ Saint-Just
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Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an-Artikel ist von |
-->Alexander Gauland (hört sich tatsächlich an wie Schönhuber)und der wiederum ist Herausgeber der"Märkischen Allgemeinen Zeitung".
Tatsächliche Unabhängigkeit von den USA zu erreichen, wäre natürlich ein durchaus erstrebenswertes,allerdings gleichermassen utopisches Ziel, weil kein Trottel auf der Welt uns solche utopischen Mittel bereitstellen würde.
Ansonsten dürfte wohl niemand (ausser den Politikern selbst) natürlich dagegen sein, diesen überdimensional aufgeblähten Staatsapp. zurechtzustutzen.
Wenn ich schon die selbstbedienerische hohe Anzahl herumsitzender Abgeordneter im überdimensionierten Parlament sehe (auch wenn die Zahl jetzt reduziert werden soll). Dann die irrsinnige Zahl an überflüssigen Länderregierungen (wobei man den Förderalismus ja durchaus weiter gutheissen könnte).
Stadtstaat Bremen beispielsweise.
Warum nicht auch Waldbröhl.
Aber man könnte sich jetzt dranhalten.
Überall zuviel Staat, Behörden und damit Bürokratismus, was aber jehegt und gepflegt und immer weiter ausgebaut wird.
Aber würden die wirklich abgeschafft, müsste VW oder ein Windkrafthersteller(oder wer auch immer) 2.000.0000 - 3.000.000 neue 2.500 - €-Jobs bereitstellen.
Wir werden weiter zum Narren gehalten. Auch am Montag.
m.
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Ecki1
20.09.2002, 16:10
@ Saint-Just
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Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an |
-->Salü Saint Just!
schön von Dir zu hören. Scherzhaft könnte man jetzt antworten: Na und - also Amigo werden. ;-)
Sind wir doch schon alle, indem wir die gefallenen Aktien- und Obligationen-Lieblinge an der Börse aufsammeln und von den staatlichen Rettungsaktionen mitprofitieren.
Was ich aber ernsthaft meine:
Staatliche Aktivität ist nicht grundsätzlich zu verdammen. Gegenwärtig vernachlässigt der Staat seine vornehmsten Aufgaben (z.B. Schaffen und Erhalten von Infrastruktur), mischt sich jedoch in vieles ein, was ihn nichts angeht.
Bei der unteilbaren Infrastruktur gebe ich Dir unumschränkt Recht. Hier ist ein Monopol unvermeidlich. Sie ist rein politischer Natur und ihre Finanzierung muss durch den Volkssouverän in Wahlen und zukünftig verstärkt auch in Abstimmungen legitimiert sein. Die unteilbare Infrastruktur besteht zumindest aus der Landesverteidigung, dem Schutz und der ständigen Revision der Rechtsordnung und Gesetzgebung und der Wahrnehmung aussenpolitischer Interessen.
Die teilbare Infrastruktur kann einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb unterstellt werden, um Kundenzufriedenheit, Bedarfsorientierung, Kostenbewusstsein und Effizienz sicherzustellen, was häufig besser funktioniert als bei der Verwaltung durch Beamte auf Lebenszeit.
Gruss: Ecki
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Saint-Just
21.09.2002, 15:58
@ Ecki1
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Infrastruktur als Staatsaufgabe?! |
-->Hallo Ecki,
>schön von Dir zu hören. Scherzhaft könnte man jetzt antworten: Na und - also Amigo werden. ;-)
>Sind wir doch schon alle, indem wir die gefallenen Aktien- und Obligationen-Lieblinge an der Börse aufsammeln und von den staatlichen Rettungsaktionen mitprofitieren.
Stichwort gefallene Lieblinge. Was meinst Du? Wird es Insolvenzen im Dax geben?
>Was ich aber ernsthaft meine:
>Staatliche Aktivität ist nicht grundsätzlich zu verdammen. Gegenwärtig vernachlässigt der Staat seine vornehmsten Aufgaben (z.B. Schaffen und Erhalten von Infrastruktur), mischt sich jedoch in vieles ein, was ihn nichts angeht.
>
>Bei der unteilbaren Infrastruktur gebe ich Dir unumschränkt Recht. Hier ist ein Monopol unvermeidlich. Sie ist rein politischer Natur und ihre Finanzierung muss durch den Volkssouverän in Wahlen und zukünftig verstärkt auch in Abstimmungen legitimiert sein. Die unteilbare Infrastruktur besteht zumindest aus der Landesverteidigung, dem Schutz und der ständigen Revision der Rechtsordnung und Gesetzgebung und der Wahrnehmung aussenpolitischer Interessen.
>Die teilbare Infrastruktur kann einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb unterstellt werden, um Kundenzufriedenheit, Bedarfsorientierung, Kostenbewusstsein und Effizienz sicherzustellen, was häufig besser funktioniert als bei der Verwaltung durch Beamte auf Lebenszeit.
Ich denke man sollte bei der Infrastruktur insbesondere auch in bestehende und zu schaffende unterteilen. Teilbare bestehende Infrastruktur kann auch m.E. in einem ausgewogenen Masse (Ausmass diskussionswürdig) privatisiert werden. Das Schaffen von neuer Infrastruktur halte ich aber primär für Staatsaufgabe. Wie würden unser sozioökonomisches System und unsere Lebensumstände aussehen, wenn nicht der Staat z.B. Kanäle, Bahn, Fluginfrastruktur, Strassen, Telefonie sowie diverse Bildungseinrichtungen geschaffen hätte (private Ansätze waren rudimentär)? Ist die Infrastruktur ausgebaut, kann der Staat sie gegebenenfalls privatisieren (z.B. überteuert an die Börse bringen ;-)) und neue Projekte finanzieren. Bestimmte Projekte sind einfach zu gross bzw. risikoreich, als dass Unternehmen(-sallianzen) sie realisieren würden. Heute scheint dies z.B. für das Transportsystem Transrapid (oder Magnetschwebebahn generell) zu gelten.
Lass mich eines noch anfügen: Liberale bzw. libertäre Standpunkte (welche wohl auch hier im Forum dominieren) sind mir zwar symphatisch, leider vermisse ich dabei jedoch regelmässig (auch ausserhalb elektronischer Kommunikation) die entwicklungsökonomische Perspektive.
Gruss!
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