-->Die Nachteile der Hartz-Kommission
13.08.2002 Ulla Lötzer zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission:
Über 800.000 Arbeitslose in NRW, bundesweit mehr als 4 Millionen machen deutlich: Ein Politikwechsel ist längst überfällig. Schröder sagt, er habe sein Versprechen wegen der Krise der Weltwirtschaft nicht einhalten können. Diese Abhängigkeit ist aber das Ergebnis einer Wirtschaftspolitik, die nur auf Standortkonkurrenz und Steigerung der Exporte setzt, statt die Binnenmarktnachfrage zu steigern.
Der internationale Vergleich der Beschäftigungsquoten zeigt: Deutschland lag 1999 mit 60,5% unter dem Durchschnitt der Industrieländer von 66,5%, Dänemark mit 75,8% an der Spitze. Im Unterschied zu Deutschland wurden in Dänemark die öffentliche Daseinsvorsorge und lokale Dienstleistungen ausgebaut und in Forschung und Bildung investiert. Dafür aber fehlt in Deutschland das Geld: Weil erst 16 Jahre lang CDU/FDP, dann vier Jahre Rot-Grün die Steuern der Vermögenden und Konzerne gesenkt haben. Das Versprechen, damit würden Arbeitsplätze geschaffen, ist nicht aufgegangen, im Gegenteil. Die Konzerngewinne wurden erhöht, die Körperschaftsteuer wurde von einer Einnahmequelle zur Subvention. Gleichzeitig bauen alle Konzerne in großem Umfang Stellen ab.
Das Deutsche Institut für Urbanistik errechnete einen kommunalen Investitionsbedarf von rund 475 Mrd. Euro für die alten Bundesländer, 211 Mrd. Euro für die neuen. Investitionsbedarf vor allem in den Bereichen Wasserversorgung, Kanalisation, Kläranlagen, Straßennetz, Krankenhäuser, Schulen und kommunale Verwaltungsgebäude.
Doch für solche Zukunftsinvestitionen fehlt jetzt das Geld.
Neuerdings sagt Schröder: „Wir brauchen eine Unternehmenskultur ohne Raffgier“. Warum hat er dann in vier Jahren keine Regelungen geschaffen, Unternehmen wieder in die soziale Verantwortung einzubinden? Stattdessen hat auch er z.B. bei der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes Mitbestimmungsrechte bei Beschäftigungssicherung, Qualifizierung und in wirtschaftlichen Angelegenheiten verweigert.
Hartz ohne Herz
Mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission soll nun der Umschwung kommen.
Zwar sind aufgrund der öffentlichen Diskussion, insbesondere den Auseinandersetzungen von Gewerkschaften und auch der PDS Vorschläge für neue Arbeitsplätze jetzt aufgenommen worden.
Doch entscheidende Schritte fehlen. Statt Staatsanleihen mit Steueranreizen und Straffreiheit für Steuersünder zu finanzieren, müssen Gesetze zur Besteuerung nach Leistungsfähigkeit her, um Mittel für kommunale Infrastruktur, Bildung, soziale und ökologische Dienstleistungen und Forschung in allen Kommunen bereitzustellen und damit auch für sozial und gewerkschaftlich geschützte Arbeitsplätze.
1980 haben Unternehmen noch 700.000 Ausbildungsplätze angeboten, heute gerade noch 500.000. Statt über eine Umlage der Haushalte für Ausbildungsplätze zu diskutieren, muss endlich die Umlage für Unternehmen her, die Ausbildung verweigern.
Beschäftigte sollen sich bereits beim Arbeitsamt melden, wenn sie erfahren, dass sie arbeitslos werden, noch während des Kündigungsschutzes.
Notwendig wären Maßnahmen, die Beschäftigung in großen Unternehmen erhalten. Die PDS hat dazu einen Antrag in Anknüpfung an ein französisches Gesetz vorgelegt: Unternehmen müssen bei der Meldung von Massenentlassungen an die Arbeitsämter die aktuelle oder zukünftige wirtschaftliche Notlage nachweisen, die sie zu Entlassungen zwingt. Betriebsräte erhalten demgegenüber ein echtes Mitbestimmungsrecht bei Beschäftigungssicherung und Qualifizierung und regional werden runde Tische eingesetzt, die einen Maßnahmeplan für Beschäftigung erarbeiten, z.B. mit Auffanggesellschaften und Qualifizierungsmaßnahmen. Unternehmen ab 500 Beschäftigten müssen sich an den Kosten und der Umsetzung davon beteiligen.
Soziale Verantwortung der Unternehmen und Vermögende wird im Hartz-Konzept durch Anreize und Vergünstigungen ersetzt. Mit Arbeitslosen geht man da ganz anders um.
Zwar wurden pauschale Leistungskürzungen noch einmal befristet verhindert, doch eins ist sicher: Der Zwang, Arbeit zu jeder Bedingung anzunehmen, wird verstärkt, durch den Ausbau individueller Sanktionen und der Leiharbeit.
Kürzlich warnte die TUAC, das gewerkschaftliche Beratungsgremium bei der OECD vor der Ausweitung von Zeitarbeit: Die Einkommen bei Zeitarbeit in Deutschland liegen 17% unter dem Durchschnitt. Die Zugänge zu sozialen Sicherungssystemen und beruflicher Fortbildung sind eingeschränkt.
Kündigungsschutz gibt es nicht. Soziale Demokratie im Betrieb wird ausgehöhlt, weil sie der Mitbestimmung nicht unterliegen.
Der Gewerkschaftsvorsitzende von ver.di, Frank Bsirske berichtete bei der Erstvorlage der Hartz-Vorschläge ein Beispiel zur Wirkungsweise von Leiharbeit: Ein fränkischer Betriebe habe 120 Hilfskräfte entlassen und ihnen mitgeteilt, sie könnten sich bei einer Leiharbeitsfirma wieder anstellen und dann auch wieder im Betrieb arbeiten. Natürlich für weniger Geld. Der Tausch von sozial geschützten in ungeschützte Arbeitsverhältnisse wird so forciert.
Viele Konzerne, auch in NRW, bereiten bereits den weiteren Stellenabbau sozial geschützter Arbeitsverhältnisse vor, um sie durch Leiharbeit zu ersetzen.
Das ist nicht nur bitter für die Betroffenen, es wird auch keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Auch ein vorgesehener Tarifvertrag für Leiharbeit ändert nichts daran, dass sie Beschäftigte zweiter Klasse bleiben.
Die „Ich-AG“ mit der Arbeitslose, die sich selbstständig machen, bis zu 25.000 Euro verdienen und nur 10% Steuern dafür zahlen müssen, ist ein zweiter Bestandteil davon. Hier wird die Entwicklung eines informellen Sektors forciert, der weltweit, insbesondere in den Entwicklungsländern, bereits Triumphe feiert. Aus der sozialen Sicherung sind sie ausgeschlossen. Handwerker werden sich in Zukunft 3mal überlegen, ob sie jemand fest anstellen, oder nicht lieber die billigere „Ich-AG“ beschäftigen bzw. beauftragen. Auch das ist ein weiterer Baustein zur Umwandlung sozial geschützter in ungeschützte Beschäftigung.
Alternativ dazu treten wir schon lange für eine Wertschöpfungsabgabe ein, um kleine und mittlere Unternehmen von Lohnnebenkosten zu entlasten und große Betriebe, die kapital- statt arbeitsintensiv arbeiten, entsprechend ihrer Wertschöpfung in die Kosten der sozialen Sicherung einzubeziehen.
Dritter Baustein ist die Ausweitung prekärer Niedriglohnjobs, wenn auch erst mal nur für den Haushalt. Das wird die Armut und Altersarmut insbesondere von Frauen weiter verschärfen. Stattdessen treten wir für Dienstleistungsagenturen mit sozial und tariflich geschützten Arbeitsverhältnissen in diesem Bereich ein.
Erfahrungen mit dem Zwang zur Arbeit - Job-Center Köln
Das Modell des Kölner Job-Centers soll nach Hartz bundesweit eingeführt werden. In diesem MoZart-geförderten Kooperationsprojekt von Arbeits- und städtischem Sozialamt wurden von April 2001 bis Januar 2002"insgesamt knapp 7.300 Hilfebezieher betreut, also fast die Hälfte der rund 15.000 KölnerInnen und Kölner, die Sozialhilfe aufgrund von Arbeitslosigkeit beziehen. Etwa ein Drittel der Betreuten (2340) konnte aus der Hilfe entlassen werden Wiederum fast die Hälfte der abgeschlossenen Fälle mündeten in Arbeit ein, 690 in den ersten Arbeitsmarkt, 360 in den zweiten," so die offizielle Erfolgsbilanz der Gemeinschaftseinrichtung von Arbeits- und Sozialamt.
"Heute reden wir erst über Arbeit und dann über Geld," fasst der Kölner Arbeitsamtsdirektor die Arbeitsweise zusammen. Sein Pressesprecher wird deutlicher:"Staatlich subventionierte Bettelei ist nicht erwünscht," und redet von Sozialhilfe als dem 'süßen Gift der Subvention'
Ergebnis dieser Philosophie ist, dass 1200 der 7.300 dort Betreuten weder Arbeit noch Sozialhilfe bekommen haben, was erst eine Anfrage der PDS im Rat der Stadt an den Tag brachte.
In der Statistik heißt das 'Aktivierung von Selbsthilfepotentialen', oder in 550 Fällen 'fehlende Mitwirkung', was bedeutet, dass Termine versäumt oder Unterlagen nicht beigebracht wurden. Was aus den Menschen geworden ist, interessiert Stadt und Arbeitsamt wenig, denn sie belasten weder Statistik noch Sozialhilfeetat."Haben sie eine Stelle gefunden oder driften sie ab in Kriminalität, Prostitution oder Schwarzarbeit?" fragte eine besorgte Kölner Sozialarbeiterin in der Frankfurter Rundschau vom 7. August.
Es wird Druck auf die Arbeitslosen ausgeübt, irgendeine Arbeit anzunehmen, aber nicht darauf geachtet, ob die Stelle Existenz sichernd ist und eine längerfristige Perspektive bietet, kritisiert dort FR der Verein 'Frauen gegen Erwerbslosigkeit'.
Kölner Arbeitslose demonstrierten am 25. März vor dem Job-Center, schließlich waren dort in einzelnen Fällen Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld oder der Sozialhilfe verhängt worden, weil Arbeitslose Arbeitsangebote von Zeitarbeitsfirmen mit Stundenlöhnen von 5 bis 6 € 50 ablehnten.
Das Job-Center Köln macht deutlich, wie auch ohne pauschale Leistungskürzungen effektiv über individuelle Sanktionen Druck zur Arbeit um jeden Preis effektiv organisiert werden kann. Zwar werden dort ebenfalls Verbesserungen im Fallmanagement und der Betreuung der Arbeitssuchenden realisiert, wie sie auch die Hartz-Kommission vorschlägt, im Kern der Sache geht es jedoch darum, Arbeitssuchende durch Aufkündigung jeglicher sozialstaatlicher Existenzsicherung in neue Niedriglohnbereiche zu zwingen.
CDU und FDP als Treiber
Ihnen gehen die Maßnahmen noch nicht weit genug.
Mit großem Getöse hat die CDU ihr Programm 'Aufschwung für Arbeit' als Alternative zu Schröders Politik angekündigt. Mit dem Ausbau von Leiharbeit ohne jeden Schutz, Förderung der Scheinselbstständigkeit, Wiederherstellung der prekären Beschäftigung und massiven Fördermaßnahmen für einen Niedriglohnsektor, Abbau von Mitbestimmungsrechten und Kündigungsschutz verschärfen Stoiber und Späth noch die unsoziale Politik.
Die CDU ist der SPD einen Schritt voraus auf dem Weg zu Arbeit um jeden Preis. Sie vernichten erst recht sozial geschützte Arbeitsplätze durch Ungeschützte. Insbesondere die Tarifautonomie ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie wollen sie weitgehend aushöhlen und zerstören damit soziale Demokratie. Stoiber, und Späth unterstützt von Westerwelle und Brüderle knüpfen nahtlos an die Politik an, für die Kohl 1998 abgewählt worden ist.
Deren Umsetzung ruiniert auch die Binnennachfrage erst recht und wird mehr Arbeitslosigkeit schaffen.
Kaum mehr als ein leeres Wahlversprechen der CDU ist hingegen ihre einzige richtige Forderung nach mehr öffentlichen Investitionen. Nur: mit ihren Steuersenkungsplänen für Unternehmen ist diese Forderung unrealisierbar.
Eine Alternative für sozial geschützte Arbeitsplatze
Existenzsichernde und zukunftsfähige Arbeitsplätze sind Mindestvoraussetzung für soziale Gerechtigkeit und soziale Demokratie.
Einige Schwerpunkte unseres Beschäftigungsprogramms für 1,3 Mio. Arbeitsplätze bis 2006 sind:
- Ein kommunales Infrastrukturprogramm (ca. 100.000) und öffentliche Investitionen für den sozial-ökologischen Umbau bei Energie, Verkehr und für eine ökologische Agrarwende (ca. 140.000);
- eine Bildungsoffensive für Kinderbetreuung, Schule, Hochschulen und Weiterbildung (ca. 200.000) und öffentlich geförderte Beschäftigung insbesondere im Bereich sozialer und kultureller Dienstleistungen (ca. 100.000 Stellen);
- Überstundenabbau (ca. 300.000)
Zur Finanzierung werden 8 Mrd. Euro benötigt, die vor allem durch gerechte Besteuerung von Vermögen und ertragsstarken Unternehmen aufgebracht werden sollen.
Unternehmen müssen wieder in die soziale Verantwortung eingebunden werden:
- Betriebsräte sollen Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten, Beschäftigungssicherung und Qualifizierung erhalten.
- Umlagefinanzierung zur Sicherung betrieblicher Ausbildungsplätze
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-->Zunächst erst einmal recht herzlichen Dank für den langen und qualifizierten Sachvortrag. Einige glauben ja, man könnte mit inhaltsleeren Antworten und parteipolitischer Polemik das Thema Arbeitslosigkeit erfolgreich bearbeiten, dem ich sicher nicht so.
Ich habe auf PHOENIX eine Diskussion mit den Professoren Dieter Roth http://www.forschungsgruppewahlen.de/Wir_Ueber_Uns/Vorstand/Roth/
und Professor Peter Lösche http://zim.uni-goettingen.de/instit...61384bf0a1a58eb13a2127c8c42b16cf
verfolgt. Einhellig treten beide für weitere Konsens- und Expertenveranstaltungen a la Hartz ein, um auch Themen wie die Sozialreformen, Reform gegen Bürokratie... ein, denn nur wenn alle gesellschaftlichen Gruppen in Entscheidungen mit vorbereiten und jeder dem anderen ein Stück weit entgegen kommt, können wir unseren Sozialstaat in die Zukunft retten und die Lobbypolitik zurückdrängen. Wie verhärtet manche politischen Ansichten sind, zeigt allein schon die Frage der außenpolitischen Isolation. Während nach Einschätzung fast 80% der deutschen Bevölkerung (Forschungsgruppe Wahlen nach der Wahl!) das deutsch-amerikanische Verhältnis weiterhin gut sein soll, versuchen elitärrechte Kreise hier und auch aus den Lager Rumsfeld/Cheney mit allen Mitteln, militärische Angriffsoptionen als neue Doktrin durchzudrücken. Wer in dieser und in anderen Sachfragen keinen Widerstand duldet, wird totalitär! Deshalb möchte ich hier als Ergänzung ein Plädoyer für die Hartzvorschläge halten.
Wenn auch Einigkeit in der Frage besteht, dass ein Politikwechsel nötig wird, ist die Einigkeit, ob dies nur mit einer anderen Regierung passieren kann schon nicht mehr gegeben. Die Mehrheit der Wähler hat sich dafür ausgesprochen, dass die rot/grün die schwierige Arbeit fortsetzt. Gerade in den neuen Bundesländern haben die mitte-links Kräfte mit 2/3 aller Wählerstimmen verdeutlicht, dass die Frage der Schaffung von Arbeitsplätzen und die soziale Gerechtigkeit mit verfassungsgebender Mehrheit nur der SPD/Grünen/PDS zugetraut wird. In den alten Bundesländern wurde nur dort eine schwarz/gelbe Mehrheit erzielt, wo die Quote der Arbeitslosigkeit niedrig ist. Kann man daraus ableiten, dass dem rechten Lager mehr Kompetenz in dieser Frage zugetraut wird? Die Umfragen lassen das vermuten, aber einige Analytiker wagen auch die These, dass es immer dort zu größeren linken Mehrheiten kommt, wo neben Wirtschafts- auch Sozialkompetenz benötigt wird, deshalb kann die CDU oder die FDP dort wo wirtschaftliche Probleme mit großen sozialen Problemen gekoppelt sind zur Zeit und mit ihrem Programm keine Wahlen gewinnen. Natürlich gilt das auch für die PDS, die immer mehr erkennen muss, das es neben der SPD und den Grünen schwer fällt, sich programmatisch in diesen Fragen so zu positionieren, dass sie für größere Wählerschichten attraktiv ist.
Der Ansatz, allein über die Binnennachfrage das strukturelle Problem der Arbeitslosigkeit zu beseitigen ist sicher nicht verkehrt, aber allein wird er nicht tragen und es darf auch nicht ein Problem durch Schaffung eines anderen Problems beseitigt werden, denn das wirtschaften auf dem Rücken unserer Kinder und Zukunft ist sicher kein tauglicher Ansatz. Der gerade Weg in die Schuldenfalle ist nicht unser Weg, wir müssen umkehren und die heutigen Probleme auch mit heutigen geldlichen Ressourcen lösen.
Der genannte internationale Vergleich der Beschäftigungsquoten wird hier etwas verkürzt wiedergegeben. Unabhängige Forschungsgesellschaften beschäftigen sich in der Tat mit der Frage, ob Sozialstaaten in eine Globalisierungsfalle geraten, wenn sie Ihre Sozialstandards nicht auch wettbewerbsfähig gestalten. Ein guter Link ist z.B. die Max-Planck-Gesellschaft http://www.mpg.de/reden/2000/sozial/sozialstaaten.html. Dort wird auch sehr schön in skandinavische, kontinentale und angelsächsische Funktionstypen von Sozialstaaten unterschieden, denn diese sind Ausdruck einer gewollten Staatsquote und staatlichen Beschäftigungssicherung. Es wird auch festgestellt, dass die Probleme nicht nur mit der Globalisierung, sondern auch aus der demografischen Wohlstandsfalle entstehen. Immer mehr junge Familien entscheiden sich gegen Kinder und für Doppelerwerb. So überaltert die Gesellschaft und schafft zusätzliche Probleme in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Leider gelingt es zunehmend Frauen immer weniger, sich mit Kindern in die bezahlte Arbeitswelt zu integrieren. Hier müssen Lösungen her, denn nur eine Gesellschaft mit Kindern ist eine soziale und zukunftsfähige Gemeinschaft. Ein einfacher Durchschnitt von Beschäftigungsquoten bringt keine Erkenntnis und Lösungshinweise.
In der Tat ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Steuern (nicht die Abgaben!) für Konzerne und Vermögende deutlich auf dem Rückzug sind, während die durchschnittliche Steuerbelastung seit Mitte der 70er Jahre nur leicht zum BIP fällt. Dafür hat sich aber die Quote der Sozialabgaben in den letzten 35 Jahren fast verdoppelt. Es ist wohl mehr Sozial- als Steuerpolitik erforderlich. Im Gesamteffekt steigt die Zahl der Erwerbstätigen zwar noch, aber die Unterbeschäftigung hat chronische 4 Millionen erreicht, die wir nicht mehr therapieren. Hier ausschließlich den Konzernen eine Politik des Arbeitsplatzabbaus vorzuwerfen verkürzt die Debatte, auch wenn dort der Globalisierungsfaktor sicher stärker wirkt.
Die hier angesprochene Studie (Deutsches Institut für Urbanistik) kann hier abgerufen werden: http://www.difu.de/index.shtml?/presse/020604.shtml. Leider sind die zunächst sehr beeindruckenden Zahlen für ein Jahrzehnt gerechnet, so dass tatsächlich nur rund 67 Mrd. für Ost und West p.a. benötigt werden. Aber sicher können freiwerdende Investitionsspielräume hier Arbeitsplätze gerade im Baubereich schaffen, der schwer am Boden liegt. Nur muss es dann an anderen Ecken eingespart werden. Die Summe der Bezüge arbeitsloser Bauarbeiter wird das noch nicht allein finanziell decken.
Es ist auch nicht immer schlüssig, wenn besonders sozialengagierte Organisationen immer mehr Rechte für Arbeitnehmer fordern und daraus höhere Sicherheit in wirtschaftlichen Angelegenheiten ableiten, aber der Umkehrschluss der Arbeitgeber ist auch zu primitiv gedacht. Nur die Sozialpartnerschaft und nicht der Klassenkampf hilft in schwierigen Zeiten, das beweist zum Beispiel die IG BCE für mich in besonderer Weise. Gewerkschaftler, die immer noch im Arbeitgeber den Ausbeuter und Klassenfeind und nicht den Sozialpartner sehen, der nicht flächendeckend in gleicher Weise, sondern nur nach seinen individuellen Möglichkeiten gefordert werden sollte, werden mit ihrem Sozialengagement scheitern. Nur ein prosperierendes Unternehmen schafft Arbeit, liefert andersherum aber noch keine Garantie für eine Sozialpartnerschaft, die nur über Arbeitsnehmerrechte gesichert werden können, die nicht in den wirtschaftlichen Ruin münden. Leider haben das auch viele Unternehmer bis heute nicht begriffen und lehnen jedes Gespräch mit Betriebsräten, Gewerkschaftler etc. ab. Dort wo der demokratische Dialog zwischen Arbeit und Kapital gestört ist, wird auf Dauer aber auch nicht erfolgreich gewirtschaftet werden können.
Der Slogan Hartz ohne Herz ist polemisch, denn er berücksichtigt nicht dass auch sehr viele gewerkschaftliche Vorstellungen in die Vorschläge aufgenommen wurden. Natürlich geht das nicht, ohne auch die Vorschläge der Arbeitgeber im sinnvollen Maße zu berücksichtigen. Wer grundsätzlich gegen Partnerschaft, Verständigung und Dialog ist, mag für seine einseitigen Vorstellungen wettern, aber besser werden diese dadurch auch nicht, sie bleiben einseitig!
Es muss auch mit der Vorstellung aufgeräumt werden, das immer und überall Arbeitsplätze mit Gewerkschaften geschützt werden können und ohne Gewerkschaften verloren gehen. Die Retourkutsche, dass die Gewerkschafter Arbeitsplätze vernichtet und nicht für Arbeitslose da sein, ist genauso abwegig. Das sind Vorstellungen aus einer Kampfeswelt und sollen nur die jeweiligen Vertreter der Organisationen mobilisieren. Zur Lösung tragen beide Argumente nicht bei. Das zur Lösung des Problems Geld her muss, was bisher nicht da zu sein scheint, ist klar. Hier auch an die vielen verschwundenen Milliarden auf ausländischen Konten zu denken ist auch legitim und über die Anreize wie das Geld zurückkommt, sollte man schon reden. Wer sonst in Strafsachen für Amnestie eintritt, darf sich auch in dieser Frage einmal etwas bewegen und seine Haltung unter dem Aspekt überprüfen, ob Arbeitsplatzschaffung im Inland nicht auch hier etwas gesellschaftlich sinnvolles in Gang setzt.
Die Zahl der Ausbildungsplätze über eine Ausbildungsabgabe zu verändern ist sicher utopisch und geht an Angebot und Nachfrage vorbei. Wenn heute nur noch 500.000 junge Menschen ein Ausbildungsplatz suchen und 1980 waren es 200.000 mehr, weil die Geburtenrate immer mehr abgenommen hat, sagen diese Zahlen nichts aus. http://www.spdfraktion.de/indikatoren/ausbildungsbilanz.gif Hier kann man sehr gut erkennen, dass zwischen 1997 und 2001 die Situation auf dem Ausbildungsmarkt immer besser geworden ist und bereits in vielen Berufen eine Unterversorgung mit Nachwuchs eintritt. Natürlich gibt es gewaltige regionale Unterschiede und gerade im Osten fehlt immer noch ausreichend Angebot.
Unbestritten ist es ein vernünftiger Vorschlag, dass sich Beschäftigte bereits beim Arbeitsamt melden, wenn sie erfahren, dass sie arbeitslos werden. So wird viel Zeit gewonnen, um vielleicht sogar ohne Arbeitslosigkeit in die nächste Beschäftigung zu kommen.
Die Vorstellung, dass Massenentlassungen aus anderen, als wirtschaftlich notwendigen Gründen erfolgen, zeigt, wie weit die PDS noch von einer marktwirtschaftlichen Vorstellung entfernt ist. Gern würde ich Verhältnisse vermeiden, die unter anderem zum wirtschaftlichen Zusammenbruch der ostdeutschen Bundesländer oder einzelner insolventer Unternehmen geführt haben, denn es waren klar immer zu spät und halbherzig ergriffene Maßnahmen, die dann nicht nur einige unwirtschaftliche Teile eines Unternehmens, sondern alle Arbeitsplätze dieser Organisation zerstört haben. Beschäftigungsförderung geht nicht mit dirigistischen Eingriffen, sondern nur in Förderung rentabler Unternehmensstrukturen. Da muss auch Platz für sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau sein, wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens das bedingen. Wenn sich hier Unternehmer, Betriebsräte und evtl. auch noch Gewerkschaften unterhalten, sollte nicht noch der Staat oder das Arbeitsamt mit Auflagen kommen, die nicht wirtschaftlich, sondern nur kurzfristig sozialmotiviert sind. Mittelfristig zerstört man mehr, als man erhalten möchte.
Wer auf der einen Seite keine Investitionsanreize will und auf der anderen Seite keine verstärkten Motivationen zur Arbeitsaufnahme ergreift, wird das Problem der Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen. Sicher sind viele selbst bemüht, wieder eine Beschäftigung zu finden. Es gibt unzweifelhaft aber auch unsoziale Mitglieder in der Gesellschaft, die nicht ernstlich an der Aufnahme einer Beschäftigung interessier sind. Auch hier muss eine Lösung wie im Hartzpapier vorgeschlagen her. Es wird ja sogar zugegeben, dass es pauschale Kürzungen der Leistungen nicht geben wird. Der Zwang oder die Motivation, wieder eine angemessene Beschäftigung aufzunehmen muss sich aber verstärken, denn je nach Individuum wird das eine oder andere fruchten. Wer alle Bildungsangebote ablehnt und auch immer wieder Angebote auf dem bisherigen Beschäftigungsstandard nicht erreicht, muss eine Stufe tiefer einsteigen, um adäquat beschäftigt zu sein. Ein flexibler Arbeitsmarkt bedingt auch, dass Beschäftigungsspitzen mit bis zu 10% Leiharbeit ausgeglichen werden. Warum sollen nicht gerade diejenigen, die zur Zeit keinen festen Arbeitsplatz haben, diese ausfüllen. Wer sich dabei gut bewährt, wird sicher bei der nächsten Gelegenheit zum Festangestellten. Auch dazu gibt es viele Statistiken.
Die TUAC hat mit ihren Feststellungen Recht, nur hilft diese Erkenntnis den Arbeitssuchenden? Jeder der ernsthaft einen Arbeitsplatz sucht, muss die gegebenen Bedingungen akzeptieren und hat nur einen geringen persönlichen Verhandlungsspielraum. Aber wenn hier Vergleiche mit sehr teuren Haustarifen z.B. im Automobilbau angestellt werden, kann man auch feststellen, dass beim Zulieferer sowieso schon deutlich weniger als 17% verdient wird. Wer es schafft, eine Festanstellung direkt bei VW oder Hartz zu bekommen, ist dann sicher auch gut qualifiziert. Wer dann lieber in Zeitarbeit bei VW, als in den noch schlechter bezahlten Zulieferbetrieb geht, ist wirtschaftlich auch nicht schlechter gestellt.
Wer festangestellte Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen im größeren Umfang entlässt und gleichzeitig wieder im ähnlichen Umfang Leiharbeit einführt, muss mit staatlichen Sanktionen rechnen, wenn dies ohne Mitbestimmung einer Arbeitnehmerorganisation geschehen ist, denn es gibt immer auch die bösen Gegenbeispiele für ansonsten sinnvolle Arbeitsmarktlösungen. Erst sollten wir aber Erfahrungen sammeln, bevor wir mit extrem Einzelbeispielen wieder die ganze Lösung zerreden. Jedes Gesetz lebt und kann der betrieblichen Praxis angepasst werden, wenn die Beschäftigungserfolge aus genannten Gründen klein bleiben.
Da die Ich-AG auf 25.000 € begrenzt ist und der Mut zur Selbständigkeit in der Mehrzahl der Beschäftigten fehlt (bei rund 40 Millionen Erwerbstätigen gibt es nur rund 3 Millionen Unernehmer), wird hier mehr ein Tor aufgemacht, um die illegale Schwarzarbeit einzudämmen. Wer richtig ins Geschäft kommen will, muss entweder Festeinstellungen vornehmen, die bisher illegale Beschäftigung als Ich-AG legalisieren und Schwankungen in der Beschäftigung mit abfedern oder selbst Hand anlegen. Klug ist die Erkenntnis, das der Selbständige nicht die gleichen Schutzrechte wie der Arbeitnehmer besitzt, aber jeder kann nun mit wenig Steuern einen alternativen Start probieren. Was davon gelingt und welche Beschäftigungseffekte das hat, würde ich lieber erst abwarten. Da keiner gezwungen wird, ist der höhere Schutz durch vermeintliche Gewerkschaften... wohl in diesen Einzelfällen auch nicht angestrebt. Den Zwangsschutz für Selbstständige will die Gewerkschaft wohl nicht einführen, wenn ich das richtig interpretieren und diese Beschäftigungsgattung ganz abschaffen, ist sicher sehr kontraproduktiv für den Arbeitsmarkt. Manchmal ist weniger im Endeffekt eben doch mehr!
Die Wertschöpfungsabgabe ist in der Tat ein Instrument, was die einseitige Verteuerung der Lohnkosten aufhebt, aber da wir schon die Mehrwertsteuer und den Vorsteuerabzug haben, können wir uns diese Abgabe auch ersparen und generell dazu übergehen, die direkten Steuern zu Lasten der Ã-ko- und Mehrwertsteuer zu senken.
Unbestritten gibt es auch einen Bedarf an Arbeitskräften, die nicht vollerwerbstätig sind. Es gibt auch genügend Rentner, Studenten, Hausfrauen/-männer mit Kindern usw., die sich gern im Rahmen von nur ein paar Hundert Euro am Arbeitsmarkt bewegen wollen. Diese sind wirtschaftlich immer noch besser dran, wenn sie diese Vorstellung verwirklichen können, als wenn dieser Niedriglohnsektor staatlich/gewerkschaftlich komplett dicht gemacht wird. Wie das mit Dienstleistungsagenturen besser gehen sollte, würde ich mir gern nochmals erklären lassen.
Wenn die Erfahrungen im Job-Center Köln die waren, dass rund 50% der Betroffenen mit erwerbsfähigen Status in so ein Programm genommen werden können, ist das schon gewaltig, denn das Recht auf Arbeit ist ein Grundrecht. Wenn rund 30% der Betreuten Hilfebezieher heute einer geregelten Beschäftigung nachgehen und mehr Geld als Arbeitslosen- oder Sozialhilfe haben, halte ich das für einen grandiosen Erfolg. Denn es war von vorn herein klar, dass nicht alle Hilfebedürftigen arbeiten können, es war aber ebenso klar, dass nicht alle Hilfesuchenden bedürftig sind. Wenn man hier weiter mit Sozialarbeit ansetzt, geht das in Ordnung, aber wer nicht ernsthaft eine Beschäftigung anstrebt und sich in der sozialen Sicherung auch so wohl fühlt, muss lernen, dass dies nicht ohne eigene Anstrengungen im persönlich möglichen Rahmen möglich ist. Immerhin scheint es ja in dem Kölner Versuch auch die Erkenntnis gegeben zu haben, das rund 15% der Teilnehmer eigentlich nur die soziale Hängematte gesucht haben, wobei die Hälfte davon sogar jegliche Mitwirkung an Maßnahmen ablehnte. Welcher Teil davon auf Schwarzarbeit, Kriminalität, Prostitution etc. fällt, können wir nur schwer beantworten, aber es gibt Randgruppen, die nur sehr schwer in die gesellschaftlichen Normen einzugliedern sind. Fallen lassen würde dich diese Personen dennoch nicht so einfach, es gibt genügend Möglichkeiten für gesellschaftliche Dienste entlohnt zu werden, aber es muss auch der Wille dazu bestehen, sonst wird daraus eine Zwangssozialisierung, die evtl. gar nicht gewollt ist.
Das man als Arbeitnehmervertreter immer daran arbeiten muss, dass die Stundenlöhne eine Existenz sichern, ist verständlich, sie dürfen aber auch andere Existenzen nicht vernichten. Auch mir erscheinen 5€ in der Stunde heute nicht mehr angebracht, aber wenn diese fast frei von Steuern- und Sozialabgaben für sinnvolle Arbeit erzielt werden können, ist das immer noch besser, als ohne Arbeit im Monat mit weniger als 500€ zu fristen.
Das man wie von der weiteren Opposition vorgeschlagen gleich alle Arbeitnehmerrechte wieder in Frage stellt und vieles von dem zurückdrehen möchte, was die rot/grüne Regierung gerade erst eingeführt hat, halte ich auch für zu weitgehend. Nun sollten wir erst einmal die Konsenslösung verwirklichen und aus den Erfahrungen lernen.
Die Vorschläge der PDS für ein kommunales Infrastrukturprogramm, einer Bildungsoffensive mit Kinderbetreuung... halte ich für eine sinnvolle Ergänzungsmaßnahme. Diese findet sich aber mit Finanzierungsvorbehalt in fast allen Parteiprogrammen mit unterschiedlichem Gewicht und Deutlichkeit wieder. Die Besteuerung von großen Vermögen halte ich auch für sozial geboten und eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen kennen wir heute schon. Über Spitzensteuersätze muss man dann konkret verhandeln. Leider kommen die nur sehr selten zum Zuge, weil die steuerrechtliche Kompetenz der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater diese Steuerspitzen in der Mehrzahl der Fälle wieder aushöhlen.
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