Tobias
26.09.2002, 21:28 |
Kurzbericht: Pers. Diskussion mit Bankern (!) aus Krisenländern Thread gesperrt |
-->Hallo zusammen,
ich habe gestern eine wirklich außergewöhnliche Gelegenheit gehabt, mit Bankern aus der Türkei (zwei), Japan (zwei), Argentinien (einer) viele Stunden intensiv bei Brot und Bier zu diskutieren.
Es war die beste Diskussion, die ich dieses Jahr geführt habe. Hauptthemen waren die Wirtschaftskrisen in den Ländern und die Einschätzungen dazu.
Bevor ich für eine Woche zum Gehirn-Durchpusten an die Ostsee fahre, hier ein Kurzbericht für die Freunde des Forums:
1. Das Schulden-Thema - Staat&Private - ist voll im Bewusstsein der Türken, Japaner, Argentinier. Es gab Einigkeit in der Diskussion, dass die gemachten Schulden niemals mehr bezahlt werden können.
2. Nach dem zweiten Bier wurden die Japaner gesprächiger - ein junger, ein alter Japaner. Sie trauen den japanischen Banken kaum über den Weg. Der junge Japaner macht sich große Sorgen um die Sozialsysteme bzw. darum, dass für die Jungen nix mehr drin ist. Er glaubt an Bankbankrotte!
3. Türkei: Neu-Wahlen am 3.11. - Nervosität in den Märkten. Refi-Kredite sind in Türkischer Lira nur bis 12 Monate zu bekommen. In den Umfragen liegt derzeit die AKB (islamistische Partei) deutlich vorne. Es gilt eine 10%-Hürde bei gleichzeitiger Parteienzersplitterung. Eine islamistische Mehrheit daher derzeit die realistischste Variante. Derzeit mglw. noch zwei weitere Parteien (bzw. Gruppen), die die Hürde schaffen könnten.
4. Es herrscht seit Jahren Deflation (!) in allen drei Ländern - gemessen in US-Dollar. Die massiven Währungsabwertungen in der Türkei und Argentinien kommen"über Nacht"."Next time, I'll have $-cash."
5."What would you do with 100$ cash in your täsch?" Interessant die Antwort des Argentiniers: Entweder in der Tasche behalten, da man in zwei Monaten weitaus mehr Auto, Land, real estate, etc. kaufen kann ODER investieren in"productive Land", also dort wo Sojabohnen angebaut oder Schweine gezüchtet werden. Back to the roots.
6. Der Argentinier tauscht seinen Lohn sofort in US-Dollar und legt ihn sich als Banknoten unter's Kopfkissen.
7. Soweit ich es richtig verstanden habe - Argentinien: USD-deposits wurden in Pesos zwangs-geswitcht, diese wiederum zwangs-geswitcht in government bonds. Diese wiederum haben keinen (!) Marktwert. Die Bürger wurden demnach mit heißer Luft (!) bedient.
8. Einigkeit darüber, dass es die heute"großen" Länder ebenso hart erwischen kann (Germany, US,...).
9. Der Argentinier hatte das meiste Feuer in den Augen.
10. IWF: Groll auf den IWF - als ich die fette Ms. Krüger nachmachte, breites Schmunzeln beim Argentinier und den Türken. Die kennen diese Frau nur zu gut. Der IWF gibt die Regeln vor, dann gibt's Kredite. Das Tanzen der Menschen nach IWF-Pfeife ist denen zuwider.
11. Die argentinische Wirtschaft befindet sich voll im Liquidationsprozess. Angebote en masse: Massig Land für ein paar Dollar. Ich habe das Foto ausgehändigt"100$ will buy this car." (corbis). Der Argentinier wird dem Foto einen besonderen Platz verleihen - er fühlte sich genau dort getroffen, wo Argentinien sich heute befindet: Liquidität ist das höchste"Gut".
12. Governments: We don't need them.
Großen Dank an Baldur für den Defla-Beitrag (!) + Gruß in die Runde,
Tobias
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---- ELLI ----
26.09.2002, 21:38
@ Tobias
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Re: Tobias, deine Beiträge sind absolute Spitze! Muchas gracias! (owT) |
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Bodo
26.09.2002, 21:39
@ Tobias
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War Gold auch ein Thema? (owT) |
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Baldur der Ketzer
26.09.2002, 22:21
@ ---- ELLI ----
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@ Tobias: wenn Du wieder ein Buch schreibst, schreiben wir es zusammen? |
-->Hallo, Tobias,
wenn Du was in der Pipeline hast und noch keinen Verleger, dann hast Du jemanden gefunden ;-)
beste Grüße vom Baldur
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Tobias
26.09.2002, 22:23
@ Bodo
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Re: War Gold auch ein Thema? (owT) |
-->Ja, der Argentinier berichtete davon, dass neben dem US-Dollar auch auf Gold"zurückgegriffen" wird - ob in der Form der"Wertaufbewahrung" ("Investition") oder des"Zahlungsmittels" weiß ich nicht. Der US-Dollar hat jedoch eine weitaus größere Bedeutung (und zwar real cash statt Forderungen ggb. Banken!). Silber spielt keine Rolle.
In Japan hingegen scheint mir die Situation nach der Diskussion so zu sein, dass man froh sein kann, seine laufenden Rechnungen (insbes. Miete) zahlen zu können. Hierfür werden auch Kredite genommen - die Frage nach Investments in whatsoever stellt sich kaum und wenn dann (dummerweise!) Aktien + Bonds. Die bereits beschriebenen Kreditautomaten gibt es in Japan tatsächlich (Back-offices in Tokio), der Zins liegt dort etwa bei 18%.
Türkei: Das BIP liegt pro Nase dort derzeit bei 1900 USD p.a., nach 2300 USD in 2001, womit sich die Frage nach"Investments" ebenfalls erübrigt. Euro und USD haben sich etabliert - selbst auf dem Basar kann mit Euro gezahlt werden. Es geht dort darum, einen Job zu haben - dafür werden auch große Umzüge und ferne Städte in Kauf genommen. Das 'Nomadentum' ist immer noch Teil der türkischen Kultur + es ist nicht schlimm irgendwo anders weit weg zu arbeiten.
Gruß
Tobias
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Tobias
26.09.2002, 23:07
@ Baldur der Ketzer
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Super, mkT |
-->Servus Baldur,
wenn LI nur nicht so weit wäre, wär ich gern schon mal rumgekommen!
Evtl. klappt's ja mal zur Montagsdemo in Leipzig - am 7.10. bin ich nicht da, aber ggf. danach zur nächsten.
Über ein neues Buch habe ich noch nicht nachgedacht - Ideen + Themen habe ich jedoch reichlich... nur die Zeit fehlt mir - arge Rödelei am Job derzeit.
Beste Grüße
Tobias
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Jacques
26.09.2002, 23:23
@ Tobias
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Re: Kurzbericht: Pers. Diskussion mit Bankern (!) aus Krisenländern |
-->>Hallo zusammen,
>ich habe gestern eine wirklich außergewöhnliche Gelegenheit gehabt, mit Bankern aus der Türkei (zwei), Japan (zwei), Argentinien (einer) viele Stunden intensiv bei Brot und Bier zu diskutieren.
>Es war die beste Diskussion, die ich dieses Jahr geführt habe. Hauptthemen waren die Wirtschaftskrisen in den Ländern und die Einschätzungen dazu.
>Bevor ich für eine Woche zum Gehirn-Durchpusten an die Ostsee fahre, hier ein Kurzbericht für die Freunde des Forums:
>
>1. Das Schulden-Thema - Staat&Private - ist voll im Bewusstsein der Türken, Japaner, Argentinier. Es gab Einigkeit in der Diskussion, dass die gemachten Schulden niemals mehr bezahlt werden können.
>2. Nach dem zweiten Bier wurden die Japaner gesprächiger - ein junger, ein alter Japaner. Sie trauen den japanischen Banken kaum über den Weg. Der junge Japaner macht sich große Sorgen um die Sozialsysteme bzw. darum, dass für die Jungen nix mehr drin ist. Er glaubt an Bankbankrotte!
>3. Türkei: Neu-Wahlen am 3.11. - Nervosität in den Märkten. Refi-Kredite sind in Türkischer Lira nur bis 12 Monate zu bekommen. In den Umfragen liegt derzeit die AKB (islamistische Partei) deutlich vorne. Es gilt eine 10%-Hürde bei gleichzeitiger Parteienzersplitterung. Eine islamistische Mehrheit daher derzeit die realistischste Variante. Derzeit mglw. noch zwei weitere Parteien (bzw. Gruppen), die die Hürde schaffen könnten.
>4. Es herrscht seit Jahren Deflation (!) in allen drei Ländern - gemessen in US-Dollar. Die massiven Währungsabwertungen in der Türkei und Argentinien kommen"über Nacht"."Next time, I'll have $-cash."
>5."What would you do with 100$ cash in your täsch?" Interessant die Antwort des Argentiniers: Entweder in der Tasche behalten, da man in zwei Monaten weitaus mehr Auto, Land, real estate, etc. kaufen kann ODER investieren in"productive Land", also dort wo Sojabohnen angebaut oder Schweine gezüchtet werden. Back to the roots.
>6. Der Argentinier tauscht seinen Lohn sofort in US-Dollar und legt ihn sich als Banknoten unter's Kopfkissen.
>7. Soweit ich es richtig verstanden habe - Argentinien: USD-deposits wurden in Pesos zwangs-geswitcht, diese wiederum zwangs-geswitcht in government bonds. Diese wiederum haben keinen (!) Marktwert. Die Bürger wurden demnach mit heißer Luft (!) bedient.
>8. Einigkeit darüber, dass es die heute"großen" Länder ebenso hart erwischen kann (Germany, US,...).
>9. Der Argentinier hatte das meiste Feuer in den Augen.
>10. IWF: Groll auf den IWF - als ich die fette Ms. Krüger nachmachte, breites Schmunzeln beim Argentinier und den Türken. Die kennen diese Frau nur zu gut. Der IWF gibt die Regeln vor, dann gibt's Kredite. Das Tanzen der Menschen nach IWF-Pfeife ist denen zuwider.
>11. Die argentinische Wirtschaft befindet sich voll im Liquidationsprozess. Angebote en masse: Massig Land für ein paar Dollar. Ich habe das Foto ausgehändigt"100$ will buy this car." (corbis). Der Argentinier wird dem Foto einen besonderen Platz verleihen - er fühlte sich genau dort getroffen, wo Argentinien sich heute befindet: Liquidität ist das höchste"Gut".
>12. Governments: We don't need them.
>
>Großen Dank an Baldur für den Defla-Beitrag (!) + Gruß in die Runde,
>Tobias
An dieser Stelle gerne auch ein Beitrag aus dem Gespräch
der rechten Hand eines Direktoriumsmitglied der Schweizerischen Nationalbank.
Diese rechte Hand ist u.a. zuständig für Devisenanlagen der SNB.
Es werden Null also 0.000 Cash Anlagen in YEN gehalten.
Die weitere Entwicklung wird in verschiedenen Modellen simuliert. Immer UNTER Ausklammerung von JAPAN - wörtlich: Japan ist ein nicht mehr kalkulierbares Risiko.
Im weiteren brannte das Haus im Fall"Ebner" lichterloh. Klar war, dass
die BZ Bank um JEDEN Preis vor dem Konkurs bewahrt werden musste.
Die Folgeschäden hätte immenses Ausmass genommen und insbesondere sehr viele Gewerbe und Industriebetriebe (Beteiligungen in Visonen etc.) mit in den Abgrund gerissen.
Gruss
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