dottore
18.11.2002, 12:22 |
Der Mensch als 'Menschenfreund' - Wahrheit oder Irrlehre?Thread gesperrt |
-->Hi,
mir wird vorgeworfen (Galiani, nereus), ein"übles Menschenbild" zu haben.
Nun sind wir hier nicht auf einer sozialtherapeutisch-religiösen Intensivstation, sondern haben zu enträtseln, warum die Welt so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist und heute so läuft wie sie läuft. Dass wir mehr Krieg als Frieden, mehr Unterdrückung und Zwang als Freiheit, mehr Ausbeutung statt Gerechtigkeit, mehr Druck als Muße hatten, kann nicht bestritten werden.
Soweit wir es aus der tradierten Historiographie und aus allen möglichen Funden rekonstruieren können, ist das Ausüben von Gewalt durch Menschen gegen Menschen die einzig verlässliche Konstante der Geschichte überhaupt. Diesen Umstand aus der"Wirtschaft" auszuklammern und dieser sozusagen einen"Freiraum der Friedfertigkeit" einzuräumen, der nur gelegentlich durch Machtexzesse gestört wird, halte ich für falsch, da er uns den Blick auf ökonomische Phänomene und Abläufe verstellt.
Ich darf dazu nochmals auf den hier schon vorgestellten - und allseits gelobten - Franz Oppenheimer Bezug nehmen, und einige seiner Kernsätze wiederholen (Text im von Popeye dankenswerterweise gebotenen Link weiter unten in Gänze nachzulesen).
Oppenheimer unterscheidet zwei Begriffe:
1. Die eigene Arbeit und den äquivalenten Tausch der selben (nach Grenznutzentheorie).
2. Die"unentgoltene Aneignung fremder Arbeit".
Zu Punkt 1 habe ich nur anzumerken, dass diese Äquivalenztauschvorgänge (siehe auch Geschenketheorie) durchaus Statt gefunden haben, speziell das hoheitliche Tauschen, nach der Literatur (siehe Quotes bei HS) allerdings in sehr begrenztem Umfang. Diese Vorgänge reichen nicht hin, um die zumeist schlagartig einsetzende gewaltige Produktions- und Produktivitätssteigerung zu erklären, da das entscheidende Movens fehlt - eben der Zwang.
Aus Punkt 2 wurde (siehe auch Goldvortrag Friedrichroda) - ebenfalls unter Zuhilfenahme der Grenznutzentheorie abgeleitet, dass sich die Preise (die es in Tauschwirtschaften überhaupt nicht als generelle Marktpreise gibt, da nur Handwechsel von Stücken, jeweils unterschiedlich"bewertet", vorkommt und kein Handwechsel von Gattungswaren), dass sich die Preise als Preisrelationen erst einstellen, nachdem mit Hilfe einer Ware (in diesem Fall Waffenmetall) andere Waren abgefordert werden können. Damit ist der Preis der Waffe definiert als das, was ich mit Hilfe der Waffe, also mit Gewalt, abfordern kann.
Dies erklärt auch, warum die ältesten Preise, die als Standardpreise überhaupt nachzuweisen sind, jeweils Metallpreise sind (ausführliche Nachrichten darüber aus ältesten Texten, Amarna, Hattuscha, usw., begleitet von aktuellen archaeometallurgischen Forschungen, worüber bereits berichtet wurde).
Oppenheimer sieht in dieser Unterscheidung (1,2) den"Schlüssel zum Verständnis der Entstehung, des Wesens und der Bestimmung des Staates; und, weil alle Weltgeschichte bis heute nichts anderes als Staatengeschichte war, zum Verständnis der Weltgeschichte."
Oppenheimer geht dann auf die frühen Jäger und Ackerbauern ein. Bei Ersteren fehlen Vermögensunterschiede, bei Letzteren konstatiert er u.a.:
"Der Pflug ist schon immer Kennzeichen einer höheren Wirtschaftsform, die nur im Staate vorkommt, nämlich von unterworfenen Knechten betriebene Großwirtschaft." Der in Freiheit lebende Bauer kennt keinen Staat. (Er betreibt Eigenwirtschaft, zumeist in"einzelnen Gehöften, vielleicht Dörfern").
Der Bauer greift nicht an:"Welchen Zweck sollte ein Raubzug in einem Land haben, das weithin nur von Bauernschaften besetzt ist? Der Bauer kann dem Bauern nichts nehmen, was er nicht selbst schon besitzt." Der Krieg kann dem Bauern"keinen Nutzen bringen" und:"Der primitive Bauer hätte den Staat nie erfunden."
Ganz anders bei Hirten und Jägern. Dort finden wir soziale Differenzierung und die Herausbildung von Machtphänomenen:"Der verarmte Hirt muss sich dem reich gebliebenen verdingen und sinkt dadurch unter ihn, wird von ihm abhängig."
Doch auch dieser Zustand verharrt in ökonomischer Lethargie, zumal sich über Erbgang (Herdenteilung) immer wieder so etwas wie Gleichheit herstellt.
Das Novum ist nun der Auftritt des"politischen Mittels", also der Einsatz von Macht und Zwang. Jetzt gibt es dauerhafte Unterschiede, bei Bewaffnung und in der persönlichen Abhängigkeit, bis hin zur Sklaverei.
Ähnlich der Jäger (auch der Wiking), der Kriege führt und Gefangene macht, was dazu führt, aus einem Menschen einen"Arbeitsmotor" zu machen. Wir sind also mitten im Macht- und Gewalt-, sprich"Staatsphänomen":
"(Der Staat) hat die Form der Herrschaft und den Inhalt der wirtschaftlichen Ausbeutung menschlicher Arbeitskräfte."
Oppenheimer kommt dann zur zentralen Aussage:
"Wo er die Gelegenheit findet und die Macht besitzt, zieht der Mensch das politische Mittel dem ökonomischen vor."
Er verweist auf Maeterlincks"Leben der Bienen", wonach ein Bienenstock,"der einmal die Erfahrung gemacht hat, dass er den Honig statt in mühsamer Tracht, auch aus einem fremden Stock durch Raub gewinnen kann, fortan für das 'ökonomische Mittel' (i.E. letztlich Eigenarbeit) verdorben sein. Aus Arbeitsbienen sind Raubbienen geworden."
Just dies ist mit dem Menschen auch geschehen. Und just dies, der Einsatz von Gewalt und Zwang, hat der menschlichen Geschichte jenen Push gegeben, den wir bis heute, zu bestaunen in immer neuen Macht- und Expansionsexzessen, erleben müssen.
Dies ist nicht ein"Menschenbild" als solches. Sondern die Beschreibung der real abgelaufenen Geschichte, in der - nach der Erstentdeckung der Einsatzmöglichkeit von Waffen, Gewalt und Zwang - sich der Mensch so verhalten hat, wie er uns in sämtlichen Überlieferungen und allen Arten von Quellen entgegen tritt.
Der Einsatz des"politischen Mittels" hat vor allem ein Resultat gezeitigt: Den Versuch der Menschen, die nicht über dieses Mittel verfügten, ihm zu entkommen bzw. auszuweichen. Dies führt genau zu der bekannten Trias Privateigentum, Geld und Zins, wie oft genug beschrieben, und damit zu jener ökonomischen"Dynamik", die, in unterschiedlicher Intensität und in großen Wellenbewegungen, direkt in den gegenwärtigen Zustand der Welt geführt hat.
Gruß!
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nereus
18.11.2002, 15:01
@ dottore
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Re: Der Mensch als 'Menschenfreund' - Wahrheit oder Irrlehre? - dottore |
-->Hallo dottore!
Sie schreiben: Nun sind wir hier nicht auf einer sozialtherapeutisch-religiösen Intensivstation, sondern haben zu enträtseln, warum die Welt so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist und heute so läuft wie sie läuft.
Ich stimme Ihnen hundertprozentig zu.
Soweit wir es aus der tradierten Historiographie und aus allen möglichen Funden rekonstruieren können, ist das Ausüben von Gewalt durch Menschen gegen Menschen die einzig verlässliche Konstante der Geschichte überhaupt.
Das ist nun wiederum eine kühne Behauptung.
Ich stelle hier auf die"einzig verlässliche Konstante" ab.
Die Schlachten und Kriege stehen wegen ihrer Besonderheit in den Chroniken, so wie Hochzeiten, Jubiläen, Geburten und Sterbefälle die Eckpunkte des menschlichen Daseins sind.
Doch sie alleine sind keineswegs"das" Leben. Da ist noch ziemlich viel Platz für andere Dinge die nicht gefeiert, betrauert oder sonstwie gewürdigt werden.
Diesen Umstand aus der"Wirtschaft" auszuklammern und dieser sozusagen einen"Freiraum der Friedfertigkeit" einzuräumen, der nur gelegentlich durch Machtexzesse gestört wird, halte ich für falsch, da er uns den Blick auf ökonomische Phänomene und Abläufe verstellt.
Ich will die Unterdrückung, die Ausbeutung oder den Zwang durch eine Macht keineswegs ausblenden und sie spielen bei wirtschaftlichen Fragen ganz sicher eine wesentliche Rolle.
Nur blenden Sie in Ihrer Argumentation alles andere vollständig aus oder negieren es zur Bedeutungslosigkeit.
Das halte ich nun wiederum für falsch oder besser für zu kurz gegriffen.
Ist etwa die Domestikation von Tieren oder Pflanzen von einer Macht angeordnet worden?
Wurde die Töpferscheibe oder das Rad von einem vorchristlichen Finanzbeamten in die Welt gezwungen?
Sie zitieren Oppenheimer: "Der in Freiheit lebende Bauer kennt keinen Staat. (Er betreibt Eigenwirtschaft, zumeist in"einzelnen Gehöften, vielleicht Dörfern"). Der Bauer greift nicht an:"Welchen Zweck sollte ein Raubzug in einem Land haben, das weithin nur von Bauernschaften besetzt ist? Der Bauer kann dem Bauern nichts nehmen, was er nicht selbst schon besitzt." Der Krieg kann dem Bauern"keinen Nutzen bringen" und:"Der primitive Bauer hätte den Staat nie erfunden."
Ganz anders bei Hirten und Jägern. Dort finden wir soziale Differenzierung und die Herausbildung von Machtphänomenen:"Der verarmte Hirt muss sich dem reich gebliebenen verdingen und sinkt dadurch unter ihn, wird von ihm abhängig." Doch auch dieser Zustand verharrt in ökonomischer Lethargie, zumal sich über Erbgang (Herdenteilung) immer wieder so etwas wie Gleichheit herstellt.
Ich kann dieser Logik nicht ganz folgen.
Sind Bauern ausschließlich brave Bürger und Hirten bzw. Jäger nur kriegslüsterne Kreaturen?
Sie haben doch selbst einst von Mißernten und unterschiedlichen Fähigkeiten der Feldbewirtschaftung geschrieben die in kurzer historischer Spanne sehr wohl für die Herausbildung von Differenzen und Abhängigkeiten stehen können. Warum sollte(n) da ein Bauer oder gar mehrere nicht auch in Versuchung kommen?
Das sich Menschen überhaupt organisieren kann zunächst nur aus dem Bevölkerungswachstum abgeleitet werden. Alles andere, auch das Machtphänomen, kommt danach.
Welche Macht soll denn der Hirte Josef am Jordan über den Bauern Hassan am Tigris ausüben?
Es müssen Menschen her und zwar so viele das es einfach notwendig wird sich zu organisieren.
Diese Menschenmassen sorgen auch für die Differenzierung und schließlich für das Machtphänomen. Aber neben dem Machtphänomen entwickelt sich parallel auch das Geschick und der Einfallsreichtum der Menschen und das eben nicht nur wegen einer zähnefletschenden Macht im Hintergrund.
Nur so wird meiner Ansicht nach ein Schuh daraus.
Dabei ist es völlig schnuppe welcher Beschäftigung nachgegangen wurde und wird.
Ganz viele Bauern auf engstem Raum werden der gleichen psychologischen Dynamik unterliegen wie ganz viele Hirten, Goldgräber oder Softwareprogrammierer.
Und der Staat ist nur die höchste Form der Organisiertheit.
Das es dabei nicht immer freiwillig zugegangen ist, läßt sich ganz sicher nicht leugnen. ;-)
Das Novum ist nun der Auftritt des"politischen Mittels", also der Einsatz von Macht und Zwang. Jetzt gibt es dauerhafte Unterschiede, bei Bewaffnung und in der persönlichen Abhängigkeit, bis hin zur Sklaverei.... Wir sind also mitten im Macht- und Gewalt-, sprich"Staatsphänomen"
Hier gehe ich wieder konform mit Ihnen.
Und wie gesagt, die erzwungene Dynamik einer Wirtschaft per Schuldendruck wurde nie ernsthaft bestritten.
mfG
nereus
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dottore
18.11.2002, 16:04
@ nereus
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Re: Der Mensch als 'Menschenfreund' - Wahrheit oder Irrlehre? - dottore |
-->Hi nereus,
> Soweit wir es aus der tradierten Historiographie und aus allen möglichen Funden rekonstruieren können, ist das Ausüben von Gewalt durch Menschen gegen Menschen die einzig verlässliche Konstante der Geschichte überhaupt.
>Das ist nun wiederum eine kühne Behauptung.
>Ich stelle hier auf die"einzig verlässliche Konstante" ab.
>Die Schlachten und Kriege stehen wegen ihrer Besonderheit in den Chroniken, so wie Hochzeiten, Jubiläen, Geburten und Sterbefälle die Eckpunkte des menschlichen Daseins sind.
>Doch sie alleine sind keineswegs"das" Leben. Da ist noch ziemlich viel Platz für andere Dinge die nicht gefeiert, betrauert oder sonstwie gewürdigt werden.
Platz ist da für die anderen Dinge. Schließlich waren nicht alle Menschen gleichzeitig im Krieg. Aber der Krieg bzw. die Gewaltausübung ohne Gegenwehr haben das Leben aller Menschen ununterbrochen beeinflusst. Ich vermag keine längere gewaltfreie Periode zu entdecken. Selbst die"schönste Zeit", die laut Durand das Menschengeschlecht je hatte, also Teile des 2. Jh. post war durch den Raubkrieg Trajans in Dakien überhaupt erst möglich geworden.
Die sog."Friedensperioden" dauerten so lange, bis die Beute verzehrt war - dann gings wieder los. Die Sieger sannen auf neue Beute, die Verlierer ohnehin ununterbrochen auf Rache:"Immer daran denken, nie darüber sprechen" - Clemenceau zur Causa Elsass-Lothringen.
Allein die Überbleibsel des britischen Kolonialismus: Indien/Pakistan = Kriegsherd, Irak (unmögliche Grenzen), Israel/Palestina, Rhodesien (Simbabwe), jetzt kommt sogar Gibraltar wieder hoch.
Immer sind alte Rechnungen offen - selbstverständlich auch in Deutschland, wie wir demnächst greller sehen werden.
Und der Friedenshort Schweiz: Wie gut haben sie daran verdient, dass überall Konflikte waren, seit Nikolaus v.d. Flüe?
Ein Wirtschaften ohne einen vorangegangenen Gewaltzustand: Wo und wie soll es das gegeben haben (außer in den bekannten Stories, vom"frewilligen" Tausch usw.)?
> Diesen Umstand aus der"Wirtschaft" auszuklammern und dieser sozusagen einen"Freiraum der Friedfertigkeit" einzuräumen, der nur gelegentlich durch Machtexzesse gestört wird, halte ich für falsch, da er uns den Blick auf ökonomische Phänomene und Abläufe verstellt.
>Ich will die Unterdrückung, die Ausbeutung oder den Zwang durch eine Macht keineswegs ausblenden und sie spielen bei wirtschaftlichen Fragen ganz sicher eine wesentliche Rolle.
>Nur blenden Sie in Ihrer Argumentation alles andere vollständig aus oder negieren es zur Bedeutungslosigkeit.
Nein, nein. Es geht um den Anstoß.
>Das halte ich nun wiederum für falsch oder besser für zu kurz gegriffen.
>Ist etwa die Domestikation von Tieren oder Pflanzen von einer Macht angeordnet worden?
Nein. Zu Hirten, siehe Oppenheimer, bei Pflanzen (Ackerbau) ditto. Es ist aber ein Unterschied, was mit Tieren und Pflanzen gemacht wird bzw. werden muss - in Vorgewalt-Systemen und Nach-Gewaltsystemen.
>Wurde die Töpferscheibe oder das Rad von einem vorchristlichen Finanzbeamten in die Welt gezwungen?
Gutes Beispiel, aber zu meinen Gunsten: Die Großkeramik wurde durch Abgabenerhebung erzwungen. Keine Familie und kein Stamm baut 4 Meter hohe Riesen-Krüge und lässt sich in Mengen nebeneinander in die Erde ein, wo sie versiegelt werden - der Vorrat, über den nur die Macht-Clique verfügt.
>Sie zitieren Oppenheimer: "Der in Freiheit lebende Bauer kennt keinen Staat. (Er betreibt Eigenwirtschaft, zumeist in"einzelnen Gehöften, vielleicht Dörfern"). Der Bauer greift nicht an:"Welchen Zweck sollte ein Raubzug in einem Land haben, das weithin nur von Bauernschaften besetzt ist? Der Bauer kann dem Bauern nichts nehmen, was er nicht selbst schon besitzt." Der Krieg kann dem Bauern"keinen Nutzen bringen" und:"Der primitive Bauer hätte den Staat nie erfunden."
>Ganz anders bei Hirten und Jägern. Dort finden wir soziale Differenzierung und die Herausbildung von Machtphänomenen:"Der verarmte Hirt muss sich dem reich gebliebenen verdingen und sinkt dadurch unter ihn, wird von ihm abhängig." Doch auch dieser Zustand verharrt in ökonomischer Lethargie, zumal sich über Erbgang (Herdenteilung) immer wieder so etwas wie Gleichheit herstellt.
>Ich kann dieser Logik nicht ganz folgen.
>Sind Bauern ausschließlich brave Bürger und Hirten bzw. Jäger nur kriegslüsterne Kreaturen?
Bauern sind brav und Hirten und Jäger entdecken halt die Ausübung von Zwang und Gewalt, um sich ihr eigenes Leben zu erleichtern. Das hat mit"ausschließlich" nichts zu tun. Das Ganze läuft auch nicht straight, aber einmal angestoßen läuft es. Bei Oppenheimer gibt es 6 Entwicklungsstadien, wenn ich's noch richtig weiß.
>Sie haben doch selbst einst von Mißernten und unterschiedlichen Fähigkeiten der Feldbewirtschaftung geschrieben die in kurzer historischer Spanne sehr wohl für die Herausbildung von Differenzen und Abhängigkeiten stehen können. Warum sollte(n) da ein Bauer oder gar mehrere nicht auch in Versuchung kommen?
Kann er. Aber was gewinnt er dadurch? Er bleibt Bauer, siehe Oppenheimer. Wie lange hat es gebraucht, um so etwas wie Bauernrevolutionen oder Bauernkriege zu entfachen!
>Das sich Menschen überhaupt organisieren kann zunächst nur aus dem Bevölkerungswachstum abgeleitet werden. Alles andere, auch das Machtphänomen, kommt danach.
Das Bevölkerungswachstum ist sehr wichtig. Ich hatte schon gesagt:
6 Millionen statt 6 Milliarden Menschen auf der Erde - und der ewige Weltfrieden wäre da - allerdings auch ohne Handel, Wandel, Eigentum, Geld und Zins.
>Welche Macht soll denn der Hirte Josef am Jordan über den Bauern Hassan am Tigris ausüben?
Er muss bloß am Tigris erscheinen, der Übergang von der bäuerlichen zur tributären Produktionsweise ist gerade dort bestens untersucht (vgl. die Arbeit von Bernbeck und der Berliner Schule).
>Es müssen Menschen her und zwar so viele das es einfach notwendig wird sich zu organisieren.
>Diese Menschenmassen sorgen auch für die Differenzierung und schließlich für das Machtphänomen. Aber neben dem Machtphänomen entwickelt sich parallel auch das Geschick und der Einfallsreichtum der Menschen und das eben nicht nur wegen einer zähnefletschenden Macht im Hintergrund.
Also ehrlich: Mir fällt zwar eine Menge ein, aber am meisten dann, wenn ich unter Druck bin. Je mehr Druck, desto besser, allerdings ist es eine Kurve mit zunehmenden und dann abnehmenden Zuwächsen. Kurz vor der Verhaftung fällt mir vermutlich am meisten ein, danach - in Hand- und Fussschellen - vermutlich nichts mehr.
Ich weiß auch nicht so recht, wozu der Mensch den immer wieder bejubelten"Einfallsreichtum" braucht. Die Menschen haben in archaischen Gesellschaften doch bestens gelebt.
>Nur so wird meiner Ansicht nach ein Schuh daraus.
>Dabei ist es völlig schnuppe welcher Beschäftigung nachgegangen wurde und wird.
>Ganz viele Bauern auf engstem Raum werden der gleichen psychologischen Dynamik unterliegen wie ganz viele Hirten, Goldgräber oder Softwareprogrammierer.
>Und der Staat ist nur die höchste Form der Organisiertheit.
>Das es dabei nicht immer freiwillig zugegangen ist, läßt sich ganz sicher nicht leugnen. ;-)
Wer hat denn"organisiert"? Das ist doch die Frage: die Menschen sich via"Contract social" oder die Macht? Oppenheimer lehnt sämtliche dieser"Selbstorgansierungstheorien" übrigens ab. Und ich finde, sie sind einfach lächerlich, zumal von den üblichen Verdächtigen (Machtlakaien wie Platon, Aristoteles, Bodinus, Grotius, Locke, Hobbes usw.) entwickelt.
Laute, die auf der Payroll der Macht stehen, sind nicht sauber!
> Das Novum ist nun der Auftritt des"politischen Mittels", also der Einsatz von Macht und Zwang. Jetzt gibt es dauerhafte Unterschiede, bei Bewaffnung und in der persönlichen Abhängigkeit, bis hin zur Sklaverei.... Wir sind also mitten im Macht- und Gewalt-, sprich"Staatsphänomen"
>Hier gehe ich wieder konform mit Ihnen.
>Und wie gesagt, die erzwungene Dynamik einer Wirtschaft per Schuldendruck wurde nie ernsthaft bestritten.
Na, so weit sind wir nicht auseinander. Jedenfalls besten Dank und
Gruß!
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Popeye
18.11.2002, 16:42
@ dottore
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With money we will get men, said Caesar, and with men we will get money |
-->hier der Versuch einer ökonomischen Erklärung:
Rent-Seeking Behavior …
besonders:
Kelley Ross's"Rent-Seeking, Public Choice, and The Prisoner's Dilemma"
mehr hier:
<ul> ~ http://www.magnolia.net/~leonf/politics/rentseek.html</ul>
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dottore
18.11.2002, 17:39
@ Popeye
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Re: Prisoner's Dilemma mit Machtvariante |
-->Hi Popeye,
das zeigt sehr schön, worum es wirklich geht.
Prisoner 1 = Macht, Prisoner 2 = Mensch.
Die Macht betrügt natürlich. Aber das wäre es nicht allein.
Sondern sie hat die Möglichkeit, das Spiel immer weiter fortzusetzen, Prisoner 2 muss mitspielen und ist immer als zweiter am Zug.
Ausweg: Prisoner 2 verlässt das Spiel (Auswanderung, Republikflucht). Leider gibt's nirgends auf der Welt mehr"machtfreie" Gebiete (also solche ohne Souveränität, im Gegenteil, die Souveränitäten (= Machtkartell) haben sich vervielfacht).
Varianten: Prisoner 1 täuscht Prisoner 2, indem er nicht verrät. Prisoner 1 lässt Prisoner 2 als ersten ziehen (weiß natürlich, was der tut, der Spitzel ist bestes und bewährtestes Macht-Kulturgut). Prisoner 1 lässt sich mit Prisoner 2 auf die"Hayek-Lösung" ein: Liberalismus, Freihandel,"Reformen", stabile Währung, Maastricht, usw., damit der auch schön bei Laune bleibt und gelegentliche Anfälle von"Aufbruchstimmung" hat (Bilder vom Parteitag der französischen Rechten gesehen?).
Kurzum: Prisoner 1 muss vorgeben, jemand zu sein wie Prisoner 2 (siehe Kapitalmarkt, wo der Staat ebenso auftritt wie ein Unternehmen). In Wahrheit aber ist er der Gefängnisdirektor.
Deshalb gibt's ja auch so was Schönes, wie"Gewaltenteilung":
Die Macht muss sich duplizieren, triplizieren, damit der arme Prisoner 2 ganz verwirrt ist, ans"Gute" im Menschen glaubt, sogar an so etwas, wie"gerechte Herrscher" oder"Unabhängigkeit der Justiz" (auweia!) und immer wieder aufs Neue rasiert wird.
Sehr schön also, und vielen Dank.
Gruß!
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nereus
18.11.2002, 21:10
@ dottore
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Re:.. Wahrheit oder Irrlehre? - dottore |
-->Hallo dottore!
Die Töpferscheibe bedeutet noch nicht unmittelbar die Großkeramik.
Sie wurde vor ca. 6000 Jahren erfunden (in Ur?) und man vermutet das sie aus der sich langsam drehenden Tournette entwickelt wurde.
Dieser Punkt kann Ihnen daher nicht ohne weiteres zuerkannt werden. [img][/img]
Sicherlich baut keine Familie die von Ihnen erwähnten Riesenkrüge.
Doch um einen Riesenkrug anzufertigen müssen als Vorstufe erst einmal kleinere Krüge erstellt werden. So wie der Wolkenkratzer eben in einfachen Gebäuden seine Ursprünge haben dürfte.
Wenn ich es mal etwas salopp formulieren darf:
Wenn alle Höhlen voll sind (mit Menschen), dann müssen sich die"Draußengebliebenen" etwas einfallen lassen um nicht bei jedem Gewitterregen klitsche-nass zu werden.
Natürlich kann man auch mit der Keule losziehen und sich einen Höhlenplatz erzwingen.
Das ist eine Möglichkeit.
Die andere wäre sich eine einfache Unterkunft zu bauen. Die Anleitung dazu könnte man sich ja von den Vögeln abgeschaut haben.
Sie schreiben: Bauern sind brav und Hirten und Jäger entdecken halt die Ausübung von Zwang und Gewalt, um sich ihr eigenes Leben zu erleichtern.
Der Bauer wird wohl Bauer geworden sein weil er entweder nicht wusste wie man erfolgreich auf die Jagd geht oder die natürliche Umgebung ließ es zu Pflanzen zu nutzen, zu züchten usw..
Im Gebirge wiederum macht es eher Sinn Wild zu jagen und Schafe oder Ziegen auf den Wiesen zu hüten. Es könnte auch einfach mit Neigungen und Geschicklichkeiten zu tun haben.
Wer von denen die"bravere" Personengruppe war/ist, möchte ich lieber nicht entscheiden.
6 Millionen statt 6 Milliarden Menschen auf der Erde - und der ewige Weltfrieden wäre da - allerdings auch ohne Handel, Wandel, Eigentum, Geld und Zins.
Sie sagen es!
Wenig Menschen, kein Zins, kein Geld, kein Eigentum, kein Handel und natürlich auch keine Macht.
Also ist die primäre Voraussetzung dafür die Bevölkerungszunahme.
Erst wenn der Boden und die Ressourcen knapp werden, fängt es an zu kneifen.
Mir fällt zwar eine Menge ein, aber am meisten dann, wenn ich unter Druck bin. Je mehr Druck, desto besser, allerdings ist es eine Kurve mit zunehmenden und dann abnehmenden Zuwächsen. Kurz vor der Verhaftung fällt mir vermutlich am meisten ein, danach - in Hand- und Fussschellen - vermutlich nichts mehr.
Nun, es gibt verschiedene Arten von Druck.
Der Druck durch das Finanzamt ist zweifellos ein wichtiger Punkt.
Wären die offenen Münder Ihrer kleinen 3 Quälgeister auch ein Druckargument?
Vielleicht erpresst Sie auch Ihre Frau?
"Entweder kommst Du heute Abend mit ordentlich Essen nach Hause oder Du schläfst in der Nebenhöhle.. und zwar alleine.. bis der Mond wieder kugelrund ist."
Sie schauen daraufhin ziemlich ergrimmt in die schmale Sichel am morgendlichen Firnament.
Ich weiß auch nicht so recht, wozu der Mensch den immer wieder bejubelten"Einfallsreichtum" braucht. Die Menschen haben in archaischen Gesellschaften doch bestens gelebt.
Ach wissen Sie, nachdem ich zwei Dutzend Mal versucht habe mit dem Weidenkorb das Wasser vom Bach zu holen und ich am Zielort außer nassen Händen und einer zunehmend schlechter werdenden Laune nichts mehr hatte, habe ich zunächst den Korb mit großen Blättern ausgelegt.. was nicht sehr viel brachte.. und dann habe ich den Korb innen mit Lehm ausgekleidet. Das Wasser war zwar noch da, aber ziemlich dreckig.
Doch nach dem heißen Tag war der Lehm getrocknet und mein neuer Lehmkorb hatte sich vorzüglich bewährt. Ich muß jetzt nur noch zweimal am Tag zum Bach.
Die restliche Zeit liege ich in der Sonne.. und denke darüber nach ob mir noch was einfällt mein Tagwerk zu erleichtern.
Ich bin nämlich von Natur aus faul. ;-)
mfG
nereus
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Galiani
18.11.2002, 23:42
@ nereus
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Ich schließe mich den Ausführungen von nereus vollinhaltlich an. Ich hab' |
-->momentan keine Zeit, sehr viel Eigenes dazu beizutragen. Deshalb nur ganz kurz im wesentlichen eine Wiederholung meiner bereits vorgebrachten Argumente, die den Beitrag von nereus vielleicht noch ergänzen können:
Hallo allerseits!
Also hier meine Bemerkungen:
1) Dottore's Theorie läuft, so wie er sie vorträgt, auf ein Menschenbild hinaus, das die eigene Leistung des Menschen verachtet und denjenigen belohnt, der auf Kosten der Gesellschaft schmarotzt. Es hat überhaupt nichts mit "Moralin" zu tun, wenn ich dieses Menschenbild, von dem dottore da ausgeht, als verheerend, als grauenhaft, als zynisch und widerwärtig bezeichne. Das kann nicht der Mensch sein, aus dem sich unsere heutige Welt entwickelt hat. Dagegen sprechen auch die hier weiter angeführten Argumente:
2) Dottore's Theorie ist eine Wiederholung der Denunziation des Kapitalismus durch Marx. Wobei sich gezeigt hat, daß das marxistische Kontrastprogramm nicht lebensfähig ist; alle nach dem marxistischen Kontrast-Konzept aufgebauten Gesellschaften sind entweder zusammengebrochen oder knapp am Verhungern. Deshalb darf (auch außerhalb dottor'scher"sozialtherapeutisch-religiöser Intensivstationen") als erwiesen gelten, daß die Grundannahmen über die kapitalistische Gesellschaft von denen Marx und dottore, jeder mit etwas unterschiedlicher Zielrichtung, ausgehen, fehlerhaft, unvollständig und inkorrekt sind.
Insbesondere die Befunde Axelrod's (Die Evolution der Kooperation, München 1987) und seiner vielen Nachfolger, die die Sache fertiggedacht, formalisiert und zu einer anthropologischen Lehre ausgebaut haben, widersprechen derartigen zynischen und widerwärtigen Annahmen von der Natur des Menschen.
3) Die von dottore vorgetragene Theorie läuft auf die Behauptung hinaus, daß ein allgemeines unabänderliches Geschichts-Gesetz bestehe, das das Schicksal aller Völker und Kulturen beherrsche. Das ist aus der Perspektive der modernen wissenschaftlichen Anthropologie und der Geschichtswissenschaften eine unhaltbare, ja eine lächerliche Annahme. Außerdem: Diese Theorie könnte nicht befriedigend erklären, weshalb einige Gesellschaften, die zwar ebenfalls"Macht", Abgaben und Herrschergewalt kennen, trotz alledem aber (ganz theoriewidrig) dennoch eben kein Geld haben (bzw. es nicht"erfunden" haben, wenn doch alle Abgaben immer von der Macht"in standardisierter Form" erhoben werden, was die - alleinige - Entstehungsursache des"Geldes" sei).
4) Dem Sozialisten Oppenheimer kann man immerhin zugute halten, daß er die Katastrophe des Zusammenbruches der in Marxens Sinne errichteten Staatengebilde nicht miterlebt hat. Die gescheitelnden großen Geister, denen Kommunismus und Bolschewismus (nicht nur) in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts maßlos imponiert haben, sind Legion: von Oppenheimer und Keynes über Schumpeter bis hin zu Samuelson. Alle Welt war begeistert von den Ideen des Kommunismus; außer ein paar ehrlichen Sozialisten, die die Realität etwa in der Sowjetunion von Anfang an richtig beurteilten: Die Sowjetunion sei die Hölle, zitiert etwa der Mugracker Lincoln Steffens die von dort zurückkehrende militante Anarcho-Kommunistin Emma Goldmann im Jahr 1922. Hinterher ist es natürlich - für uns Heutige - leicht, gescheiter zu sein. Aber es ist, worauf ich laufend und mit großer Leidenschaftlichkeit versuche, unseren verehrten dottore aufmerksam zu machen, auch eine Pflicht!
Gruß
G.
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Galiani
18.11.2002, 23:51
@ dottore
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@dottore: Alles - mit Verlaub - unhaltbar, dottore! Erläuterung am Wochenende! (owT) |
-->
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Pudelbirne
19.11.2002, 02:20
@ nereus
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Einfallsreichtum nur fuer den Eigengebrauch |
-->>Doch nach dem heißen Tag war der Lehm getrocknet und mein neuer Lehmkorb hatte sich vorzüglich bewährt. Ich muß jetzt nur noch zweimal am Tag zum Bach.
>Die restliche Zeit liege ich in der Sonne.. und denke darüber nach ob mir noch was einfällt mein Tagwerk zu erleichtern.
>Ich bin nämlich von Natur aus faul. ;-)
>mfG
>nereus
Hallo,
dass Faulheit ein guter Antrieb ist, neue Ideen zu entwickeln ist richtig. Aber um faul zu sein, muss man erst mal einen Zustand der (nicht freiwilligen) Arbeit kennen. Wenn Du den ganzen Tag eh nicht viel zu tun hast, dann kannst Du auch am Bach in der Sonne liegen...
Ausserdem wuedest Du aus der persoenlichen zwanglosen Faulheit nie auf die Idee kommen, das ganze Dorf zu mobilisieren um endlich einen Palast/Tempel, eine Fabrik, Manufaktur, oder sonst etwas zu errichten. Warum denn? Es geht Dir doch gut? Die Sonne ist so warm.. Morgen koennen wir dareuber ja auch noch mal nachdenken... ach, da wollte ich ja Angeln gehen...
(Natuerlich gibt es auch Ausnahmen von Menschen, aber die sind m.E. in der Minderheit.)
Die Korrelation zwischen kulturellem / wirtschaftlichem Schaffen in grossem Umfang und der Existenz einer Macht (Maya, Inka, Aegypten, Sumer, Griechenland,etc...) ist doch nicht zu uebersehen. (Auch Aborigines, Indianer, Suniten schaffen und haben Kultur, aber in einem ganz anderem Mass. Bitte das nicht werten im Sinne"Indianische Kunst ist weniger wertvoll/kreativ". Sie hat nur einfach nicht so viele Spuren hinterlassen.)
Oder auch: In welchem Verhaeltnis steht denn das (kuenstlerische/wirtschafltiche) Schaffen zur der persoenlichen Not/Druck/Existenzlage? Waren die meisten Schaffenden faule, gut situierte, ohne Not lebende Muessiggaenger?
Gruss von des
Pudels Birne
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Peter4
19.11.2002, 23:08
@ dottore
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@dottore: Frage zum Staat |
-->> (Der Staat) hat die Form der Herrschaft und den Inhalt der wirtschaftlichen > Ausbeutung menschlicher Arbeitskräfte.
Mal weg vom Menschenbild, eine Frage zur Staatstheorie:
Oppenheimer hat ja zweifellos recht für eine Feudalgesellschaft. Aber kann diese Aussage hinhauen für einen modernen bürgerlichen Staat, für die Schweiz, für die BRD? Mal ganz platt: Streiten CDU und SPD im Wahlkampf darum, wer die Deutschen ausbeuten darf?
Natürlich nicht. Die Mitglieder der Regierung bereichern sich nicht an ihrem Amt - jedenfalls im Prinzip nicht. Auch wenns immer wieder vorkommt, prinzipiell ist das verboten und wird bestraft. Auch das - so eine Bestrafung - kommt immer wieder vor.
Ausbeutung und Herrschaft: Beides gibt es nach wie vor, aber im modernen Staat sind es zwei getrennte Sachen.
Ich biete mal eine Gegentheorie an:
Daß die Herrschaft immer zum Zwecke der Ausbeutung stattfindet, kann nicht sein, aber umgekehrt gilt: Ausbeutung geht nicht ohne Gewalt, institutionalisierte Ausbeutung also nicht ohne institutionlisierte Gewalt, d.h. Herrschaft. Und mehr noch: Es gibt auch überhaupt keinen anderen Grund für Herrschaft, als eine Ausbeutung aufrecht zu erhalten. Wofür sollte man sonst Gewalt anwenden? Das Beispiel mit den Bauern, die von selbst nie auf den Staat kommen, trifft ja sehr gut.
Ein echtes Rätsel. Der Staat beutet die Leute nicht aus, aber der einzige Grund für den Staat ist die Ausbeutung. Wer beutet also aus?
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dottore
20.11.2002, 14:47
@ Peter4
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Re: @dottore: Frage zum Staat |
-->>> (Der Staat) hat die Form der Herrschaft und den Inhalt der wirtschaftlichen
>> Ausbeutung menschlicher Arbeitskräfte.
>Mal weg vom Menschenbild, eine Frage zur Staatstheorie:
>Oppenheimer hat ja zweifellos recht für eine Feudalgesellschaft.
Feudal von feudum = vom Obereigentümer an einen Untereigentümer"verliehenes" Eigentum, das zunächst nach dessen Tod an den Obereiegntümer zurückfällt ("Lehen" = Leihe).
Heute (GG): Art. 14 (1):"Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt."
Warum muss etwas"gewährleistet" werden (franz.:"garantis", engl."guaranteed")? Also schwingt sich der Staat, als eine dem GG prae-existente (amorphe) Macht zu etwas auf, das"eigentlich" über Eigentum/Eigentümer steht, sonst müsste er nicht in seiner konkreten Form zu einer Garantieleistung bzw. -funktion gezwungen werden.
Das ist nichts weiter als eine besonders geschickt verkleidete Form des Feudalismus, in der sich lt."lex feodorum" (13. Jh., Lombardei) der Feudalherr verpflichtet, seinen"Vasallen" (Abhängigen) und dessen Habseligkeiten zu"schützen".
>Aber kann diese Aussage hinhauen für einen modernen bürgerlichen Staat, für die Schweiz, für die BRD? Mal ganz platt: Streiten CDU und SPD im Wahlkampf darum, wer die Deutschen ausbeuten darf?
Nicht im Wahlkampf. Aber sobald sie regieren, beuten sie aus, d.h. sie zwingen den Bürger zu Abgaben, die er freiwillig nicht leisten würde.
>Natürlich nicht. Die Mitglieder der Regierung bereichern sich nicht an ihrem Amt - jedenfalls im Prinzip nicht.
Selbstverständlich bereichert sich die politische Klasse. Das muss doch hier nicht weiter ausgeführt werden.
Das Mittel, sich zu bereichern, besteht allerdings darin, so"umzuverteilen" - zeitgleich und zeitversetzt (Steuern, Schulden) - dass man an die Krippe kommt. Durch die Wähler, die mit ihren eigenen Geld bestochen werden.
>Auch wenns immer wieder vorkommt, prinzipiell ist das verboten und wird bestraft. Auch das - so eine Bestrafung - kommt immer wieder vor.
Seit wann wird ein Minister a.D. dafür bestraft, dass er eine Pension bezieht, für die ein Arbeiter ca. 500 Jahre lang Rentenbeiträge bezahlen müsste?
>Ausbeutung und Herrschaft: Beides gibt es nach wie vor, aber im modernen Staat sind es zwei getrennte Sachen.
Der Schein trügt. Man muss wirklich ganz genau hinschauen.
>Ich biete mal eine Gegentheorie an:
>Daß die Herrschaft immer zum Zwecke der Ausbeutung stattfindet, kann nicht sein,
Ausschließlich! Es hat noch nie Herrschaft ohne Abgaben existiert. Und Abgaben heißt: >b>Andere[/b] für sich arbeiten lassen. Den"weisen Staatenlenker", den man vom Feld holt, wo er den Pflug selber zieht, damit er dann - ohne Einkünfte! -"regieren" darf, gibt's nur im Märchen.
>aber umgekehrt gilt: Ausbeutung geht nicht ohne Gewalt, institutionalisierte Ausbeutung also nicht ohne institutionlisierte Gewalt, d.h. Herrschaft. Und mehr noch: Es gibt auch überhaupt keinen anderen Grund für Herrschaft, als eine Ausbeutung aufrecht zu erhalten. Wofür sollte man sonst Gewalt anwenden? Das Beispiel mit den Bauern, die von selbst nie auf den Staat kommen, trifft ja sehr gut.
Ja. Der Bauer trifft's - er will nicht über andere herrschen, er wüßte auch nicht, wie er das anstellen sollte.
>Ein echtes Rätsel. Der Staat beutet die Leute nicht aus, aber der einzige Grund für den Staat ist die Ausbeutung. Wer beutet also aus?
"Der Staat" ist - personalisiert - die herrschende (heute: politische) Klasse. Oder glaubt jemand im Ernst, Herr Schröder würde als Anwalt in einer KanzleiUnterschlupf finden oder Herr Eichel als Finanzvorstand in einem privatwirtschaftlichen Großkonzern?
Auch die Zeiten eines Lahnsteins sind vorbei...
Gruß!
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nereus
20.11.2002, 17:12
@ dottore
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Re: @dottore: Frage zum Staat - dottore |
-->Hallo dottore!
Sie schreiben an Peter4 u.a.: Feudal von feudum = vom Obereigentümer an einen Untereigentümer"verliehenes" Eigentum, das zunächst nach dessen Tod an den Obereigentümer zurückfällt ("Lehen" = Leihe). Heute (GG): Art. 14 (1):"Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt." Warum muss etwas"gewährleistet" werden (franz.:"garantis", engl."guaranteed")? Also schwingt sich der Staat, als eine dem GG prae-existente (amorphe) Macht zu etwas auf, das"eigentlich" über Eigentum/Eigentümer steht, sonst müsste er nicht in seiner konkreten Form zu einer Garantieleistung bzw. -funktion gezwungen werden. Das ist nichts weiter als eine besonders geschickt verkleidete Form des Feudalismus, in der sich lt."lex feodorum" (13. Jh., Lombardei) der Feudalherrverpflichtet, seinen"Vasallen" (Abhängigen) und dessen Habseligkeiten zu"schützen".
Ich habe Sie früher mal so verstanden.
Der Staat muß auf eine"Nachtwächterfunktion" zurück gestutzt werden und sollte sich weitestgehend aus wirtschaftlichen Prozessen heraus halten. So weit so gut.
Dann forderten Sie noch vom Staat die Einhaltung bzw. Sicherung der Rechtsgeschäfte.
Er sollte darüber wachen das die Vertragsinhalte notfalls zwangsweise durchgesetzt werden können.
Das implementiert aber doch ein rechtliches Aufschwingen über die Vertragspartner.
Wie, zum Kuckuck, soll denn Recht gesprochen und auch durchgesetzt werden?
Sie setzen kräftigen Männern ein zahnloses altes Weib vor die Nase und verlangen von dem alten Mütterchen:"Nun entscheide Du mal und wache über den Vertragsinhalt.. und zwar so, daß es für beide Parteien verbindlich ist!"
Soll die Alte etwa mit ihrer Krücke drohen?
Könnte man sich bei den Abgaben und der Diskussion darüber mal auf ein vernünftiges Augenmaß einigen?
In den Trauerchor der zu hohen Steuern stimme ich nicht ein, daß passiert ja ausreichend und das ist sicher auch berechtigt.
Doch das generelle"Infragestellen" der Abgaben an sich ist doch wieder ein anderes Ding.
Aus welchem Topf sollen denn die Polizei und die Justiz bezahlt werden?
In einer privaten Versicherung finanziere ich doch auch die Glaspaläste und viel zu hohen Gehälter der Vorstände mit.
Das weiß ich und muß es wohl oder übel hinnehmen. Selbst eine Direktversicherung hat zumindest ein Call-Center mit Callgirls ;-) die monatlich ihren Lohn überwiesen haben wollen.
mfG
nereus
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Peter4
20.11.2002, 17:33
@ dottore
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@dottore: Der moderne Staat ist kein Feudalstaat |
-->> Warum muss etwas"gewährleistet" werden (franz.:"garantis", > engl."guaranteed")? Also schwingt sich der Staat, als eine dem GG prae- > existente (amorphe) Macht zu etwas auf, das"eigentlich" über > Eigentum/Eigentümer steht,
Richtig, und das nicht nur beim Eigentum. Auch wenn jemand daherkommt, und garantiert mir"Leben und körperliche Unversehrheit", heißt das, daß sich der Herr Garant zum Herrn über mein Leben aufschwingt. Soweit d'accord, den zweiten Teil des Satzes verstehe ich nicht ganz...
> sonst müsste er nicht in seiner konkreten Form zu einer Garantieleistung > bzw. -funktion gezwungen werden.
... denn das nimmt den ersten Teil wieder zurück. Der Staat wird zu nicht gezwungen, sondern er gewährt aus eigener Machtvollkommenheit.
> Das ist nichts weiter als eine besonders geschickt verkleidete Form des > Feudalismus, in der sich lt."lex feodorum" (13. Jh., Lombardei) der > Feudalherr verpflichtet, seinen"Vasallen" (Abhängigen) und dessen > Habseligkeiten zu"schützen".
Die Analogie ist ganz lustig, denn sie trifft nach einer Seite hin und übertreibt diese Seite, andererseits ist sie aber auch ganz falsch. Sie trifft insofern, als ein staatliches Gewaltmonopol der oberste Herr über das Leben, der oberste Herr über das Maul aufmachen (Meinungsfreiheit) und eben auch der oberste Herr übers Eigentum ist, also quasi der Obereigentümer im Gegensatz zu uns Untereigentümern.
Die Analogie trifft aber ganz und gar nicht, weil sie folgende Unterschiede unterschlägt:
- Der moderne Staat weist im Gegensatz zum Lehnsherrn kein Unter-Eigentum zu und er entzieht es auch nicht. (Die paar Ausnahmen bestätigen die Regel.) Dieser Staat bindet die Leute nicht durch die Vergabe zB von einem Stück Land, einem Anteil an einer Fabrik an sich, er macht sie nicht dadurch von sich abhängig, daß er derjenige wäre, der jederzeit wieder das Eigentum entziehen könnte. Er kann das natürlich - dafür ist er der Gewaltmonopolist. Aber das ist gerade nicht das Prinzip seiner Herrschaft.
Sondern dieser Staat garantiert tatsächlich die Gültigkeit des Prinzips Eigentum. Der Lehnherr garantiert ja gar kein Eigentum. Sein Knecht kann sein Lehen nicht an einen anderen Lehnsherrn weiterverkaufen. Okay, vielleicht konnte er ein Unterlehen vergeben, aber eine richtige freie Verfügung hatte er mit Sicherheit nicht. Wahrscheinlich konnte man noch nicht mal die Annahme verweigern, ohne sich Ärger einzuhandeln.
Die freie Verfügung garantiert aber der moderne Staat. Dem ist es total egal, was ich mit meinem Eigentum mache. Ich kann es vermehren, verkaufen, zerstören. Klar, der Staat hat nach wie vor die Oberaufsicht. Er nimmt sich das Recht, sich für seine Bedürfnisse was abzuzwacken. Wenn er den Notstand erklärt, schreckt er auch vor Requirierung nicht zurück. Aber trotzdem gibt es die Garantie des Eigentums, und nicht die Vergabe eines Lehens.
Umgekehrt stellt sich der moderne Staat auch nicht als einer auf, der seinen Untertanen das gibt, was sie brauchen, um ihr Leben zu fristen, um ihre Lebensmittel herzustellen, und der dann DAFÜR Loyalität einfordert. Ich kann nicht zum Staat gehen und ihn bitten: Gib mir Land, dann bin ich dein Knecht und folge dir nach. Sein Knecht bin ich nämlich sowieso, ohne daß ich irgendwas von ihm dafür bekommen habe.
Das sind erstmal die Unterschiede zwischen den Verhältnissen Herr-Knecht und Staat-Bürger. Da fehlt immer noch der wichtigste Unterschied zwischen dem Feudalismus und dem modernen bürgerlichen Staat.
Im modernen bürgerlichen Staat gibt es nämlich noch ein Verhältnis Bürger-Bürger. Dein Bauernbeispiel ist so prima und man kann sich den Staat dort locker wegdenken, weil so ein isolierter Bauer eigentlich gar kein Eigentümer ist. Man kann natürlich sagen, der Hof und seine Kühe usw. sind sein Eigentum, aber man kann es eigentlich, richtig genaugenommen, auch wieder NICHT sagen, weil du nämlich auch völlig recht hast mit deinen Aussagen darüber, daß dieser Bauer auch gar keinen Grund hat, Krieg zu führen und anderen Bauern was wegzunehmen. Andere Leute von der Benutzung einer Sache auszuschließen, ist die wesentliche Bestimmung des Eigentums. Eigentum ist kein Verhältnis zwischen mir und einer Sache, sondern zwischen mir und allen anderen. Und das trifft auf deinen Bauern und seine Kuh halt nicht zu.
Anders der moderne Staat: Da gibt es z. B. Bauern, die haben 5000 ha (womöglich war ihr Vorfahr vor 500 Jahren mal Lehnsherr), und Bauern, die haben kein Stück Boden. Dann gibts ein Pachtverhältnis. Der Verpächter kassiert, der Pächter arbeitet. Das ist ein Ausbeutungsverhältnis. Alle beide werden sie noch vom Staat ausgebeutet, meinetwegen, weil dir das ja immer als das wichtigste an der Sache erscheint. Der Verpächter muß von seiner Beute noch was abgeben an einen anderen Beutemacher, das Finanzamt. Der Pächter hat sich gleich mit zwei Ausbeutern rumzuschlagen.
Aber bevor der Staat hier als Ausbeuter in eigener Sache auftritt, ist er zunächst mal der Garant dieses Ausbeutungsverhältnisses zwischen diesen zwei Bauern. Indem er nämlich dem Prinzip Eigentum Geltung verschafft. Der landlose Bauer kriegt nur sein Stück Boden, wenn er die Pacht bezahlt. Hat er die Pacht bezahlt, garantiert aber auch der Staat ihm, daß der Verpächter ihm den Boden überläßt. Insofern sind sie beide Eigentümer, denen auch beiden am Staat liegt, als einer Gewalt, die ihre eigentumsmäßigen Rechte schützt.
Und diese Gewalt braucht es eben für beide. Der landlose Bauer würde sich von dem Großgrundbesitzer ohne eine Gewalt das Land nehmen, was er braucht, um zu leben. Und der Großgrundbesitzer würde sich bei seiner Machtposition an keine vereinbarte Pacht gebunden fühlen und aus dem Pächter rausholen, was rauszuholen geht, wenn der Staat ihn nicht zur Kontrakterfüllung zwingen würde.
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dottore
20.11.2002, 18:14
@ nereus
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Re: @dottore: Frage zum Staat - dottore |
-->Hi nereus,
>Ich habe Sie früher mal so verstanden.
>Der Staat muß auf eine"Nachtwächterfunktion" zurück gestutzt werden und sollte sich weitestgehend aus wirtschaftlichen Prozessen heraus halten. So weit so gut.
Nachdem es den Macht- und Gewaltstaat nun mal gibt (ich habe ihn weder herbeigefleht, noch erfunden), können wir - heute! - bestenfalls mit dieser"Lösung" leben. Allerdings dürfen wir nicht übersehen, dass der"demokratische" staat automatisch zum Umverteilungsstaat wird - und schon geht's dahin.
Wenn schon"Staat" - dann wäre eine bessere als die"demokratische" Lösung eine ohne Umverteilung, was letztlich auf eine einmal existierende Zentralinstanz hinausläuft, die danach in ihrem Handlungsspielraum nicht mehr geändert werden kann. In dieser Richtung argumentieren z. Zt. die aktuellen amerikanischen Demokratie-Kritiker, in D. schon Kühnelt-Leddin (Forderung nach einer Nachtwächter-Monarchie).
>Dann forderten Sie noch vom Staat die Einhaltung bzw. Sicherung der Rechtsgeschäfte.
Diese Geschäfte bedingen so etwas wie eine"Staatsmacht". Andernfalls finden sie nicht Statt.
>Er sollte darüber wachen das die Vertragsinhalte notfalls zwangsweise durchgesetzt werden können.
Was heißt"sollte"? Entweder er ist dazu zu gebrauchen oder nicht.
>Das implementiert aber doch ein rechtliches Aufschwingen über die Vertragspartner.
Ja, klar.
>Wie, zum Kuckuck, soll denn Recht gesprochen und auch durchgesetzt werden?
Mit Macht. Das Recht ist eine Folge der Macht. Sie setzt es.
>Sie setzen kräftigen Männern ein zahnloses altes Weib vor die Nase und verlangen von dem alten Mütterchen:"Nun entscheide Du mal und wache über den Vertragsinhalt.. und zwar so, daß es für beide Parteien verbindlich ist!"
>Soll die Alte etwa mit ihrer Krücke drohen?
>Könnte man sich bei den Abgaben und der Diskussion darüber mal auf ein vernünftiges Augenmaß einigen?
Es geht nicht ums Augenmaß, das sind moralische, nicht ökonomische"maß"stäbe. Es geht ausschließlich um eine kalte Analyse dessen, was ist und warum es so ist wie es ist.
Wir haben uns angewöhnt, in die Ã-konomie eine"soziale" Variante einzupflanzen. Das geht aber mit tödlicher Sicherheit schief (alle Sozialstaaten gehen über kurz oder lang unter), worauf schon Hayek hingewiesen hat - der brillanteste Kritiker des Unfugs"sozial".
>In den Trauerchor der zu hohen Steuern stimme ich nicht ein, daß passiert ja ausreichend und das ist sicher auch berechtigt.
>Doch das generelle"Infragestellen" der Abgaben an sich ist doch wieder ein anderes Ding.
Es wird nichts in Frage gestellt, weil es schließlich so ist wie es ist. Die Macht hat die Abgaben geschaffen (das"Geld") und damit die Wirtschaft, in der wir heute leben, ob's uns passt oder nicht.
>Aus welchem Topf sollen denn die Polizei und die Justiz bezahlt werden?
Darüber kann man lange diskutieren - siehe Minimalstaats-Theorien. Dass sie bezahlt werden müssen, nachdem wir nun in einem Machtstaat leben und wirtschaften, steht außer Frage.
>In einer privaten Versicherung finanziere ich doch auch die Glaspaläste und viel zu hohen Gehälter der Vorstände mit.
>Das weiß ich und muß es wohl oder übel hinnehmen. Selbst eine Direktversicherung hat zumindest ein Call-Center mit Callgirls ;-) die monatlich ihren Lohn überwiesen haben wollen.
Alles klar. Nochmals: Es geht mir nicht um"Forderungen" (sind immer moralingetränkt), sondern um eine Erklärung dessen was ist und warum es so geworden ist.
Sehr herzlichen Gruß!
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dottore
20.11.2002, 18:29
@ Peter4
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Re: @dottore: Der moderne Staat ist kein Feudalstaat - doch, nur eleganter! |
-->Deine Ausführungen sind sehr interessant, übersehen allerdings einen wesentlichen Punkt:
Im Feudalismus hatte der mit Eigentum"Belehnte" keinerlei weiteren, laufenden (!) Verpflichtungen gegenüber dem Staat (Ober-Eigentümer, alias Kaiser, Papst usw.).
Im modernen Staat dagegen führt die Zulassung von privatem Eigentum automatisch zu einer laufenden periodischen Abgabenverpflichtung.
Eigentum UND Abgabenfreiheit gibt es nicht!
(Die Verpflichtung zum Wehrdienst bzw. der Besteuerung zugunsten von Armee usw. war in beiden Fällen de facto gleich.)
Die laufende Abgabe, die der Eigentümer heute an den Staat zu leisten hat, gab es im Feudalismus nicht.
Insofern unterscheiden sich beide"Modelle" nur in der Tarnung, aber nicht im Kern.
Dies nur kurz, da im Stress.
Dankend und Gruß!
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André
20.11.2002, 18:40
@ Peter4
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Re: Der moderne Staat ist auch ein Freibeuter! |
-->>Anders der moderne Staat: Da gibt es z. B. Bauern, die haben 5000 ha (womöglich war ihr Vorfahr vor 500 Jahren mal Lehnsherr), und Bauern, die haben kein Stück Boden. Dann gibts ein Pachtverhältnis. Der Verpächter kassiert, der Pächter arbeitet. Das ist ein Ausbeutungsverhältnis. Alle beide werden sie noch vom Staat ausgebeutet, meinetwegen, weil dir das ja immer als das wichtigste an der Sache erscheint. Der Verpächter muß von seiner Beute noch was abgeben an einen anderen Beutemacher, das Finanzamt. Der Pächter hat sich gleich mit zwei Ausbeutern rumzuschlagen.
Zur Sache mal zu dem"Ausbeutungsverhältnis", das hier klassenkämpferisch anscheinend vorliegt.
Der Pachtzins beläuft sich auf DM 250,00 pro 1 ha, das sind 10.000 qm pro Jahr
für gute (!) Böden hier in Hessen!
Umgerechtnet € 127,82 pro ha oder € 0,0127822 pro qm pro Jahr.
Davon hat der"Ausbeuter" dann noch Grundsteuer zu bezahlen neben der ESt.
Primärer Ausbeuter ist immer und stets der Staat=Interessengemeinschaft der Herrschenden und ihres Machtapparates, denn der Staat kassiert immer.
MfG
A.
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Peter4
20.11.2002, 19:32
@ André
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Re: Der moderne Staat ist auch ein Freibeuter! |
-->> Zur Sache mal zu dem"Ausbeutungsverhältnis", das hier > klassenkämpferisch anscheinend vorliegt. > Der Pachtzins beläuft sich auf DM 250,00 pro 1 ha, das sind 10.000 qm pro Jahr > für gute (!) Böden hier in Hessen!
Der durchschnittliche Pachtzins in Westdeutschland lag 1999 bei 430 DM.
Ich kenn mich da nicht aus: Wieviel Hektar braucht denn so ein Bauer heutzutage, um über die Runden zu kommen?
Aber für die diskutierte Frage spielt es keine Rolle. Wenn einer mehr Land hat, als er selber bebauen kann, und es an Leute verpachtet, die weniger haben, als sie bebauen müssen, dann ist er halt ein Ausbeuter. Meinetwegen ein milder Ausbeuter. Wenn sich das ganze Pacht eintreiben nicht mehr lohnt, soll er es halt lassen und das Land den Pächtern schenken.
Und was der arme Kerl an Einkommenssteuer zahlen muß, holt er sich übrigens sowieso von seinen Pächtern wieder. Insofern werden nur die Pächter vom Staat ausgebeutet, und nie die Verpächter.
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Peter4
20.11.2002, 19:42
@ dottore
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Re: @dottore: Der moderne Staat ist kein Feudalstaat |
-->> Die laufende Abgabe, die der Eigentümer heute an den Staat zu leisten hat, > gab es im Feudalismus nicht. > Insofern unterscheiden sich beide"Modelle" nur in der Tarnung, aber nicht im > Kern. > Dies nur kurz, da im Stress.
Das"insofern" ist hier ziemlich gemogelt, eine Begründung, die ein"insofern" üblicherweise einleitet, kann ich da nicht entdecken. Wieso soll ein weiterer Unterschied zwischen Feudalstaat und modernem Staat denn belegen, daß sie sich nur oberflächlich unterscheiden???
Hoffe auf ausführlichere Erwiderung zu meinen Argumenten dazu, warum sie sich nicht oberflächlich, sondern wesentlich unterscheiden, wenn der Streß vorbei ist. Gruß zurück.
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André
20.11.2002, 19:56
@ Peter4
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Re: Der moderne Staat ist auch ein Freibeuter! - Und wie! |
-->>> Zur Sache mal zu dem"Ausbeutungsverhältnis", das hier
>> klassenkämpferisch anscheinend vorliegt.
>> Der Pachtzins beläuft sich auf DM 250,00 pro 1 ha, das sind 10.000 qm pro Jahr
>> für gute (!) Böden hier in Hessen!
>Der durchschnittliche Pachtzins in Westdeutschland lag 1999 bei 430 DM.
>Ich kenn mich da nicht aus: Wieviel Hektar braucht denn so ein Bauer heutzutage, um über die Runden zu kommen?
>Aber für die diskutierte Frage spielt es keine Rolle. Wenn einer mehr Land hat, als er selber bebauen kann, und es an Leute verpachtet, die weniger haben, als sie bebauen müssen, dann ist er halt ein Ausbeuter. Meinetwegen ein milder Ausbeuter. Wenn sich das ganze Pacht eintreiben nicht mehr lohnt, soll er es halt lassen und das Land den Pächtern schenken.
>Und was der arme Kerl an Einkommenssteuer zahlen muß, holt er sich übrigens sowieso von seinen Pächtern wieder. Insofern werden nur die Pächter vom Staat ausgebeutet, und nie die Verpächter.
Hi,
Ich weis, für die theoretischen Überlegungen spielt das alles keine Rolle.
Real aber schon. Man darf nämlich wissen, dass der größte Verpächter der Staat ist und dieser die Preisführerschaft inne hat, also in aller Regel die höchsten Pachtzinsen verlangt. So ist es wenigstens hier.
(Beim Verkauf allerdings nicht unbedingt, da geht es gelegentlich unter Markt an einen"verdienten Genossen".)
Und wie wird das dann bezeichnet?
Das ist doch schlichtweg DOPPELTE AUSBEUTUNG durch den Staat.
MfG
A.
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nereus
20.11.2002, 22:30
@ dottore
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Re: @dottore: Frage zum Staat - nochmal dottore |
-->Hallo dottore!
Sie schreiben als Antwort auf meine Nachtwächterstaatsthese die ich eigentlich von Ihnen geklaut hatte: .. Wenn schon"Staat" - dann wäre eine bessere als die"demokratische" Lösung eine ohne Umverteilung, was letztlich auf eine einmal existierende Zentralinstanz hinausläuft, die danach in ihrem Handlungsspielraum nicht mehr geändert werden kann...
Das klingt etwas kryptisch.
Sie nennen das jetzt Zentralinstanz - na ja, immer noch besser als Zentralkomitee oder läuft es gar darauf hinaus?
Wie muß man sich die Zentralinstanz (ZI) vorstellen?
Ihre ZI muß zwar Macht haben, darf jedoch über keinen Handlungsspielraum verfügen.
Da die Demokratie in ihrer berechtigten oder auch unberechtigten Fürsorge - ich will das jetzt nicht bewerten - immer umverteilen wird, kann die Demokratie dann nicht die erstrebenswerte Staatsform sein.
Wie wäre es denn mit einer Diktatur?
Ich halte mich da jetzt ganz streng an Ihre Worte: .. Es geht ausschließlich um eine kalte Analyse dessen, was ist und warum es so ist wie es ist.
Einverstanden!
Eine Diktatur verfügt über eine enorme Machtfülle. Durch einen funktionierenden Unterdrückungsapparat können die Gesetze, auch das Vertragsrecht, schnell und unbürokratisch durchgesetzt werden. Da geht viel effizienter zu als in einer Demokratie oder bezweifeln Sie das?
Wir dürfen den Propagandaapparat jetzt nicht mit dem Justizapparat verwechseln.
Aufgrund der drakonischen Verhältnisse wird automatisch auch der Handlungsspielraum eingeengt.
Denn die Diktatur muß sich nicht so sehr an den Wünschen der Bürger orientieren, z.B. aufgrund des eingeschränkten Wahlrechtes (siehe Irak und 100% Sieg von Saddam).
Auch wird der Wunschkatalog der Bürger selbst,"seitenstärkemäßig" eher einem Lokalanzeiger ähneln als dem Quelle-Katalog.
In einer Diktatur wünscht man sich sicher ähnlich viel wie in einer Demokratie, jedoch trägt man die Wünsche deutlich seltener dem Führungsapparat vor.
Ich kann Ihnen das aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich habe nämlich in einer, wenn auch milderen Form, gelebt.
Was jetzt noch fehlt zum Erfolg ist das Privateigentum. Denn ohne läuft der Laden nicht.
Also suchen wir jetzt mal eine diktatorische Staatsform mit der Möglichkeit Eigentum zu erwerben, zu verpfänden usw..
Es böten sich z.B. die islamischen Republiken an. Dort existiert zweifellos eine Privatwirtschaft.
Doch irgendwie behagt mir das nicht sonderlich. Das ist allerdings nur ein unbestimmtes Gefühl und könnte an langandauernder demokratischer Propaganda liegen. Vielleicht ist ein Gottesstaat doch so schlecht nicht?
Dann wäre noch das Emirat oder die absolute Monarchie wie z.B. Kuwait oder Katar.
Dort existieren so gut wie keine Parteien und sie sind wirtschaftlich gut beieinander. Doch geht es hier nur um Bevölkerungsgrößen ähnlich denen von Düsseldorf oder Hamburg.
Zwergstaaten haben sowieso bessere Karten. Unser Baldur kann das sicher bestätigen.
Außerdem zehren diese Länder von anderen glücklichen Umständen die man nicht ohne weiteres übertragen kann. Das Ã-l hat sich dummerweise nun mal verstärkt in der Golfregion gebildet.
Als letztes hätte ich noch eine parlamentarische Häuptlingsaristokratie zu bieten. [img][/img]
Samoa-West im Pazifik wäre so etwas. Die haben zwar Parteien aber die klingen recht unverdächtig.
Da wären die Human Rights Protection, die Samoa National Development und die Unabhängigen.
Aber Spaß beiseite, wie soll eine solche Staatsform oder meinetwegen Zentralinstanz praktisch aussehen? Gibt es dann noch nur noch Zwergstaaten?
Wie es nicht gehen soll wurde ja nun hier ausgiebig diskutiert.
Vielleicht wenden wir uns mal der Variante zu die erstrebenswert scheint?
Ich könnte mir darüber auch eine leidenschaftliche Diskussion vorstellen.
mfG
nereus
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nereus
21.11.2002, 10:02
@ nereus
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Re: @dottore: Frage zum Staat - nochmal dottore.. kleine Ergänzung |
-->Nochmals Hallo!
Meister, Sie sind immer wieder für eine Überraschung gut.
Mit meinem gestrigen Beitrag lag ich offensichtlich"bauchmäßig" gar nicht so falsch.
Ich habe später noch etwas"gegoogelt" und"gefireballt", wurde dabei den Eindruck nicht los, daß die Suchmaschinen inzwischen orwellschen Ansprüchen genügen und bin natürlich auch auf den von Ihnen erwähnten Demokratiekritiker gestoßen. Irgendwann hatte ich diesen Namen mal gehört, aber das war es dann schon.
Mein lieber Schwan! Ihr unangepaßter Geist hat was.
Das man zunächst einmal die Denkbarrieren aus dem Hause Langowski beiseite räumen muß, ist für mich weniger dramatisch.
Letztlich vertritt auch dieser Mann fundamentalistische Ansichten die einerseits im dramatischen Gegensatz zu Erik von K.-L. stehen und andererseits dem doch wieder gefährlich nahe kommen.
Jetzt kann ich auch Ihre"richtig guten Revolutionäre - Lenin oder Trotzki" besser einordnen.
An Ihnen kann man sich wirklich reiben. Galiani wird schon heimlich die Messer wetzen. ;-)
Doch nur diese Art Streitgespräch führt auch wirklich weiter.
Daher denke ich mal ein paar Sätze laut.
Ich werde die Vermutung einfach nicht los das hinter dem gesamten Weltgeschehen starke religiöse Kräfte stehen.
Der gleiche fundamentale Glaubensansatz taucht immer wieder in neuen Schattierung auf, kommt mal kitze-kater-grau (Religionen) und dann wieder grell bunt (Kommunismus, Faschismus) daher.
Die Toleranzgesellschaft steht diesem diametral vis-a-vis.
Als würden sich zwei unversöhnliche Pole gegenüberstehen und die gesamte Menschheit wird in der Suppe dazwischen geköchelt.
Dieses Spannungsfeld wird künstlich erzeugt, da bin ich inzwischen ganz sicher.
Nichts geschieht einfach so.
Interessanterweise bedarf es offenbar nur marginaler Anstöße um das gesamte System in Schwingungen zu versetzen.
Ich möchte das jetzt nicht weiter vertiefen, doch wo man auch hinschaut in allen Themenbereichen wird man mehr oder weniger fündig. Das ist faszinierend und furchterregend zugleich.
Nur eines soll es offenbar nicht geben, Entspannung und Harmonie, bezogen auf unsere Weltkugel.
Ich habe nur noch nicht den tieferen Sinn dieser Ãœbung verstanden.
Vielleicht werde ich eines Tages doch noch fündig.. vielleicht auch nicht.
Ihre Antwort, falls es eine gibt, kann ich schon mal prognostizieren.
"Ach geh, da ist nichts.. was soll denn da schon sein?.. die Welt ist wie sie ist und basta! [img][/img]
mfG
nereus
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dottore
21.11.2002, 10:25
@ Peter4
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Re: @dottore: Der moderne Staat ist kein Feudalstaat |
-->
>> Das ist nichts weiter als eine besonders geschickt verkleidete Form des
>> Feudalismus, in der sich lt."lex feodorum" (13. Jh., Lombardei) der
>> Feudalherr verpflichtet, seinen"Vasallen" (Abhängigen) und dessen
>> Habseligkeiten zu"schützen".
>Die Analogie ist ganz lustig, denn sie trifft nach einer Seite hin und übertreibt diese Seite, andererseits ist sie aber auch ganz falsch. Sie trifft insofern, als ein staatliches Gewaltmonopol der oberste Herr über das Leben, der oberste Herr über das Maul aufmachen (Meinungsfreiheit) und eben auch der oberste Herr übers Eigentum ist, also quasi der Obereigentümer im Gegensatz zu uns Untereigentümern.
Hi, Peter4,
der Staat ist der Obereigentümer, das ist die überhaupt die Grundlage für ihn, Steuern erheben zu können. Die Steuern werden nicht kontrahiert, sondern per Gesetz auferlegt. Wie sollte denn das Abgabenmonopol Deiner Meinung nach sonst begründet werden?
Ich wiederhole also: Privates Eigentum OHNE Abgaben ist nicht definierbar. Ob die Abgabe (in einer ersten Stufe) überhapt dazu dient, das private Eigentum als"sicher" (gegen Wegnahme usw.) zu machen oder ob dann (später Stufen) die ganze Umverteilungs-Ideologie noch aufgepropft wird ("sozial") spielt keine Rolle.
Eigentum ist niemals"konsensfähig", da es immer Nicht-Besitzer gibt, die danach streben, eine Sache (Grund und Boden) selbst in Besitz zu nehmen. Der Besitz kann sich nur als Eigentum etablieren, wenn er mit Machtmitteln dem Besitzer erhalten bleibt, auch wenn der nicht mehr die direkte Verfügung über seinen Besitz hat, diesen also z.B. verlässt oder auf Zeit an einen anderen Besitzer abtritt.
>Die Analogie trifft aber ganz und gar nicht, weil sie folgende Unterschiede unterschlägt:
>- Der moderne Staat weist im Gegensatz zum Lehnsherrn kein Unter-Eigentum zu und er entzieht es auch nicht. (Die paar Ausnahmen bestätigen die Regel.)
Alles Land ist einmal von"oben" zugeteilt worden (man denke an die Adelsgüter, an die Landaufteilungen in der Neuen Welt der Spanier) bzw."oben" hat eine vorhandene Verteilung von Land bestätigt (z.B."freie Bauern").
>Dieser Staat bindet die Leute nicht durch die Vergabe zB von einem Stück Land, einem Anteil an einer Fabrik an sich, er macht sie nicht dadurch von sich abhängig, daß er derjenige wäre, der jederzeit wieder das Eigentum entziehen könnte. Er kann das natürlich - dafür ist er der Gewaltmonopolist. Aber das ist gerade nicht das Prinzip seiner Herrschaft.
Herrschaft ist OHNE Abgaben nicht definierbar.
>Sondern dieser Staat garantiert tatsächlich die Gültigkeit des Prinzips Eigentum.
Das Eigentum ist kein Prinzip, sondern ein jeweils konkreter Tatbestand, wie er in Urbaren und Grundbüchern erscheint.
>Der Lehnherr garantiert ja gar kein Eigentum. Sein Knecht kann sein Lehen nicht an einen anderen Lehnsherrn weiterverkaufen.
Der Lehnsherr ist die oberste Macht, der Lehensnehmer ist nicht der Knecht, der ist grundhörig, sondern der Adelige. Der Adelige muss keine laufenden Abgaben bezahlen (er ist"frei", i.e. abgabenfrei), sondern nur für spezielle Zwecke der Macht zur Verfügung stehen (Kriegsdienst; es gibt auch die Variante der Kriegsteuer, etwa der"Türkensteuer", die aus konkretem Anlass erhoben wurde, eine lange und traurige Geschichte).
Es gibt auch die französische Variante, wie bekannt. Der König versuchte immer wieder, von seinen ehemaligen Lehensnehmern, die ihr Lehen schließlich in Permanenz hielten, Steuern zu nehmen (die bekannte"taille"). Dies führt zu den unendlichen Kriegen und Aufständen der"Barone" gegen die Obermacht. Und als es dann kritisch wurde (1789) lehnten die"Generalstände" eine zusätzliche Steuer ab und die Revolution rollte.
>Okay, vielleicht konnte er ein Unterlehen vergeben, aber eine richtige freie Verfügung hatte er mit Sicherheit nicht. Wahrscheinlich konnte man noch nicht mal die Annahme verweigern, ohne sich Ärger einzuhandeln.
Unterlehen gab es nicht. Das Land, das zum Lehen genommen wurde, konnte nur verpachtet werden. Damit wurde das Problem auf die Pächter geschoben.
>Die freie Verfügung garantiert aber der moderne Staat.
Das ist schon deshalb falsch, weil es bei jedem Grundstückskauf ein Vorkaufsrecht der Gemeinde gibt, in dessen Beritt (Land ist Herrschaft) das grundstück liegt. Dieses Vorkaufsrecht ist das Relikt des seit jeher existierenden Obereigentums des Staates. Es ist ganz genau wie beim Lehen auch: wurde es vom Herrscher zurück gefordert (nach Erbfall), dann konnten die Erben, die das Lehen behalten wollten, dieses Rückfallrecht dem Herrscher abkaufen (jede Menge Belege in der Geschichte).
Das Vorkaufsrecht der Gemeinde müsste, im Falle, sie übt es aus, eigens abgekauft werden, um an das Grundstück letztlich doch zu kommen. Klassischer Feudalismus in"moderner" Verkleidung.
>Dem ist es total egal, was ich mit meinem Eigentum mache.
Nein. Steht auch in Art. 14 GG ("Sozialverpflichtung", Enteignungsrecht usw.).
>Ich kann es vermehren, verkaufen, zerstören.
Grund und Boden lässt sich nicht aus dem Grundbuch löschen. Wie denn? Die Flurkarten werden alle, die heute leben, überleben.
>Klar, der Staat hat nach wie vor die Oberaufsicht. Er nimmt sich das Recht, sich für seine Bedürfnisse was abzuzwacken. Wenn er den Notstand erklärt, schreckt er auch vor Requirierung nicht zurück. Aber trotzdem gibt es die Garantie des Eigentums, und nicht die Vergabe eines Lehens.
Das Eigentum wäre nur dann garantiert, wenn es ein Recht wäre, das vor jeder Verfassung existiert. Dann müsste es nicht in der Verfassung erwähnt werden, da es ein über der Verfassung stehendes Recht wäre.
>Umgekehrt stellt sich der moderne Staat auch nicht als einer auf, der seinen Untertanen das gibt, was sie brauchen, um ihr Leben zu fristen, um ihre Lebensmittel herzustellen, und der dann DAFÜR Loyalität einfordert.
Doch. Der Staat hat sich verpflichtet, das Lebensnotwendige zur Verfügung zu stellen (Sozialhilfe usw.). Wo sich der Staat dazu nicht verpflichtet, besteht das Problem der"Landlosen", von Menschen also, die weder aus Eigentum heraus produzieren und sich erhalten können noch einen Anspruch auf Land zu Pachtzwecken haben. Diesen Sprengsatz können wir in Mittel- und Südamerika wie im Bilderbuch studieren.
>Ich kann nicht zum Staat gehen und ihn bitten: Gib mir Land, dann bin ich dein Knecht und folge dir nach. Sein Knecht bin ich nämlich sowieso, ohne daß ich irgendwas von ihm dafür bekommen habe.
>Das sind erstmal die Unterschiede zwischen den Verhältnissen Herr-Knecht und Staat-Bürger. Da fehlt immer noch der wichtigste Unterschied zwischen dem Feudalismus und dem modernen bürgerlichen Staat.
>Im modernen bürgerlichen Staat gibt es nämlich noch ein Verhältnis Bürger-Bürger. Dein Bauernbeispiel ist so prima und man kann sich den Staat dort locker wegdenken, weil so ein isolierter Bauer eigentlich gar kein Eigentümer ist. Man kann natürlich sagen, der Hof und seine Kühe usw. sind sein Eigentum, aber man kann es eigentlich, richtig genaugenommen, auch wieder NICHT sagen, weil du nämlich auch völlig recht hast mit deinen Aussagen darüber, daß dieser Bauer auch gar keinen Grund hat, Krieg zu führen und anderen Bauern was wegzunehmen. Andere Leute von der Benutzung einer Sache auszuschließen, ist die wesentliche Bestimmung des Eigentums.
Wie anders geht das als mit Hilfe von Machtmitteln?
>Eigentum ist kein Verhältnis zwischen mir und einer Sache, sondern zwischen mir und allen anderen. Und das trifft auf deinen Bauern und seine Kuh halt nicht zu.
>Anders der moderne Staat: Da gibt es z. B. Bauern, die haben 5000 ha (womöglich war ihr Vorfahr vor 500 Jahren mal Lehnsherr), und Bauern, die haben kein Stück Boden. Dann gibts ein Pachtverhältnis. Der Verpächter kassiert, der Pächter arbeitet. Das ist ein Ausbeutungsverhältnis. Alle beide werden sie noch vom Staat ausgebeutet, meinetwegen, weil dir das ja immer als das wichtigste an der Sache erscheint. Der Verpächter muß von seiner Beute noch was abgeben an einen anderen Beutemacher, das Finanzamt. Der Pächter hat sich gleich mit zwei Ausbeutern rumzuschlagen.
Richtig. Siehe nochmals Frankreich mit der"taille": Teils trugen sie die Adeligen selbst, teils konnten sie diese auf die Pächter überwälzen. Nur als ein Beispiel.
>Aber bevor der Staat hier als Ausbeuter in eigener Sache auftritt, ist er zunächst mal der Garant dieses Ausbeutungsverhältnisses zwischen diesen zwei Bauern. Indem er nämlich dem Prinzip Eigentum Geltung verschafft.
Nochmals: Der Staat verschafft keinem"Prinzip" geltung, sondern er verschafft einzelnen Eigentümern das Recht, über ihr Eigentum verfügen zu können - bis zur der erwähnten Grenze (Vorkauf, früher"Heimfall", usw.).
>Der landlose Bauer kriegt nur sein Stück Boden, wenn er die Pacht bezahlt. Hat er die Pacht bezahlt, garantiert aber auch der Staat ihm, daß der Verpächter ihm den Boden überläßt. Insofern sind sie beide Eigentümer, denen auch beiden am Staat liegt, als einer Gewalt, die ihre eigentumsmäßigen Rechte schützt.
Der Pächter ist nicht Eigentümer, sondern Besitzer.
>Und diese Gewalt braucht es eben für beide. Der landlose Bauer würde sich von dem Großgrundbesitzer ohne eine Gewalt das Land nehmen, was er braucht, um zu leben. Und der Großgrundbesitzer würde sich bei seiner Machtposition an keine vereinbarte Pacht gebunden fühlen und aus dem Pächter rausholen, was rauszuholen geht, wenn der Staat ihn nicht zur Kontrakterfüllung zwingen würde.
Damit der Staat irgendeinen Zwang ausüben kann, benötigt er Abgaben. Schon drehen wir uns wieder im Kreis: Eigentum (auch Kontrakterfüllungs-Erzwingung) OHNE Abgaben nicht definierbar.
gruß!
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