-->Am Arbeitsgericht, 22.11.2002.
Betriebsbedingte Kündigung.
Vor Gericht erschienen sind der gelernte Zimmermann, Herr A., mit Rechtsanwalt als Kläger und der Inhaber eines Betriebs für Zimmerei, Bautischlerei und Innenausbau mit Rechtsanwalt als Beklagter. Der Kleinkapitalist beschäftigte 5 Mitarbeiter plus Ehefrau in Teilzeit, damit fällt sein Betrieb unter das Kündigungsschutzgesetz.
Gekündigt hatte er dem Zimmermann im Jahr 2001 wegen eines Geschäftseinbruchs und nach einigen Wochen angemeldeter Kurzarbeit. Bei einer betriebsbedingten Kündigung müssen soziale Gesichtspunkte mitberücksichtigt werden.
Zunächst wundert sich die Richterin, wie ein Betrieb mit so geringem Jahresumsatz fünf Mitarbeiter mit 2500 Euro Monatslohn beschäftigen könne; eigentlich müsse das Unternehmen doch längst pleite sein. Der Kleinkapitalist schweigt dazu. Schließlich gibt es ja auch Schwarzarbeit und über Schwarzarbeit spricht man nicht.
Der Zimmermann A. klagt dagegen, dass bei seiner Kündigung die üblichen Kriterien einer betriebsbedingten Kündigung verletzt worden sind. Diese Kriterien hätten auf den Kollegen B. eher zugetroffen als ihn.
Die Richterin geht das im Einzelnen durch: Der Zimmermann ist 51 Jahre alt, sein Kollege B. 30 Jahre. Die Ehefrau des Zimmermanns ist nicht berufstätig, die Ehefrau des Kollegen B. ist berufstätig. Bleibt als letztes Kriterium noch die Betriebszugehörigkeit: Der Zimmermann war seit 1994 in dem Kleinbetrieb beschäftigt, sein Kollege ganze drei Monate länger.
Die Richterin kommt zu dem Schluss, in zwei der drei Kriterien sei eine Kündigung für den jüngeren Kollegen eher zumutbar gewesen, wobei drei Monate Betriebszugehörigkeit nicht ins Gewicht fallen können.
Der Firmenchef behauptet noch, dass die beiden keine vergleichbaren Arbeiter seien, weil der Kollege B. Tischler gelernt habe, der Kollege A. nur Zimmermann. Die Richterin weist ihn darauf hin, dass er beide Arbeiter gleichermaßen in allen Tätigkeiten eingesetzt habe und beide gleich bezahlt habe. Wenn trotzdem ein Qualifikationsunterschied da wäre, wäre eine Einarbeitungszeit für den älteren Arbeiter möglich gewesen.
Die Kündigung ist erfolgt, aber nicht nach den Kriterien, die das Gesetz vorschreibt. Schließlich sagt der Kleinkapitalist offen, worauf es ihm ankam: Der Zimmerer A. könne ja nicht mehr so auf den Dachstuhl klettern wie der jüngere Kollege. Tatsächlich sieht der Gekündigte alt und abgearbeitet aus - viel älter, als seine 51 Lebensjahre vermuten lassen. Man könnte ihn auch für 60 oder älter halten, aber muss ein Lohnarbeiter nicht bis 65 arbeitsfähig bleiben?
Das Profitinteresse steht hier im offenen Widerspruch zum Gesetzestext. Man weiß allerdings, was in diesem Widerstreit siegt.
Die Richterin macht ihren Rundumschlag: Falls die Kündigung für unwirksam erklärt wird, müsse der Firmenchef für ein Jahr den Lohn nachzahlen. Der Mann kriegt sofort einen dicken Hals und ruft: Dann geht er noch heute hin und macht seinen Laden dicht, dann steht nicht nur der eine auf der Straße, sondern die andern vier auch!
Auch der Zimmermann wird von der Richterin bearbeitet: Sie gehe davon aus, dass ihm rund 10.000 Euro an Lohnnachzahlung zustehen, allerdings würde der Großteil davon ans Arbeitsamt und die Sozialversicherung gehen. Unterm Strich blieben ihm dann vielleicht 3000 Euro.
Sie schlägt daher als Vergleich eine Abfindung von 5000 Euro für den Verlust des Arbeitsplatzes vor. Dem Vergleich stimmen beide Parteien zu.
Scheinbar hat das Recht gesiegt. Aber der Kleinkapitalist wollte den alten und verbrauchten Arbeiter trotz entgegenstehender Rechtsvorschrift kündigen. Seine Kündigung bekam schließlich ihren richterlichen Segen und der Kleinkapitalist hat sich für 5000 Euro von der profitmindernden Rechtsvorschrift freigekauft. (22.11.2002)
Schlawinerstreit.
Vor Gericht erschienen Herr R., Inhaber einer Security-Firma mit Rechtsanwalt als Beklagter und Herr M. als ehemaliger Angestellter von Herrn R. mit Rechtsanwalt als Kläger. Herr M. war von R. für den Sicherheitsdienst in Kaufhäusern eingestellt worden. Nach Differenzen, die sich auf die Bezahlung von Überstunden, die Anrechnung von Fahrtzeiten als Arbeitszeit und die Vergütung der Benzinkosten bezogen, hatte Herr M. schließlich gekündigt. Beide hatten verschiedene finanzielle Ansprüche gegeneinander. Welche davon berechtigt waren, das sollte vor Gericht geklärt werden.
Erster Streitpunkt: Fahrtzeiten und Fahrtkosten. Im Arbeitsvertrag stand: „Fahrtkosten werden nicht erstattet.“ Auf diesen Standpunkt stellte sich der Firmenchef. Als dieser Sachverhalt dem neu eingestellten M. nach einigen Tagen klar wurde, hatte er gekündigt. Es gab daraufhin ein klärendes Gespräch mit dem Chef, über dessen Inhalt jedoch unterschiedliche Aussagen vorliegen.
Jedenfalls wurde das Arbeitsverhältnis nach diesem Gespräch fortgesetzt, die Tankkosten wurden erstattet und es wurden in einem Monat auch einmal Fahrtkosten als Arbeitszeit bezahlt. Die Richterin ging davon aus, dass in diesem Gespräch eine vom Arbeitsvertrag abweichende, aber rechtlich gültige Vereinbarung getroffen worden war, und die Beweislast, dass dem nicht so sei, trage daher der Firmeninhaber.
Zweiter Streitpunkt: Überstunden. Der Firmenchef sagt: Es habe gar keine Überstunden gegeben, und das sei auch so im Arbeitsvertrag festgehalten: Er bezahle keine Überstunden.
Sein ehemaliger Mitarbeiter kann aber glaubhaft machen, dass ständig Überstunden angefallen sind. So habe er mehrmals in der Woche in einem Media-Markt von morgens 8 Uhr bis Abends 22 Uhr gearbeitet. Diese Arbeitszeiten wurden auch abgestempelt.
Die Richterin fragt verwundert: Als abhängig Beschäftigter dürfen Sie doch nur höchstens 10 Stunden am Tag und 48 Stunden in der Woche arbeiten? Ja, gibt der Sicherheitsmann verschmitzt zurück: Er sei ja seit 1999 selbständig und habe eine eigene Firma. Genau genommen sei er sowohl lohnabhängig und nebenher selbstständig. Er rechne aber alles mit dem Finanzamt korrekt ab.
Und wie das denn in dem Media-Markt gehe, wenn er morgens um 8 Uhr einstempelt und erst 14 Stunden später ausstempelt, das sei doch nicht erlaubt? Ja, dafür habe er ja zwei Stempelkarten. Er stempelt nach 8 Stunden die eine Karte als Lohnarbeiter aus und stempelt dann die zweite Karte als Selbständiger ein. Das sei alles ganz legal.
Und warum wolle er denn von ihm, dem Firmenchef R. diese Überstunden bezahlt haben, fragt ihn sein früherer Chef? Die Überstunden habe er doch gar nicht für ihn gemacht, sondern für sein Subunternehmen!
Das musste Herr M. zugeben. Alle Kaufhäuser, die der Firmenchef R. mit Sicherheitsleuten belieferte, hätten gleich mit dem Subunternehmer von Herrn R. Anschlussverträge geschlossen. So habe er 8 Stunden für Herrn R. und die Überstunden für den Subunternehmer von R. gearbeitet. Der habe ihn die Überstunden bezahlt und das Geld dann Herrn R. in Rechnung gestellt.
Der Richterin ist das noch nicht vorgekommen und sie äußert Zweifel, ob das alles im gesetzlichen Rahmen sei. Schließlich nimmt sie doch ihren Taschenrechner und rechnet hin und herüber und kommt schließlich auf 365 Euro, die Herr R. seinem ehemaligen Mitarbeiter unter Aufrechnung aller berechtigter Forderungen noch schulde. Sie schlägt eine Vergleichssumme von 350.- Euro vor und hat damit Erfolg. Der Vergleich wird von beiden angenommen. (22.11.2002)
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