Tempranillo
09.12.2002, 15:32 |
D-Land nach dem Zusammenbruch. Wie nach dem 30jährigen Krieg Thread gesperrt |
-->Die Geschichte wiederholt sich nicht, sagt der Mainstream. Dieser Aussage möchte ich meinen Standpunkt entgegenhalten: Die Geschichte wiederholt sich sehr wohl, aber nicht als platte (Foto-)Kopie sondern als Thema mit Variationen. Über die Jahrtausende hinweg werden immer wieder die selben Themen angesprochen: Machterwerb, Machterhalt, Expansion, Kontraktion, Eroberung, Verlust, Knechtschaft, Selbstbestimmung, Wohlstand, Verarmung, Aufstieg und Untergang etc.
Erst die Beschäftigung mit der Historie, so Sebastian Haffner, setzt uns - sofern wir nicht über eine genial intuitive Begabung verfügen - in den Stand, bei der Beurteilung der Gegenwart die andere Möglichkeit, den Schatten der Ereignisse, das Relief der Realität zu erkennen.
Deshalb habe ich bei dem Versuch, Maastricht, den Euro und die EU zu erklären, so oft auf Bismarck zurückgegriffen, weil mir klar geworden ist, dass alles ganz anders sein kann als in den offiziellen Mitteilungen verkündet.
So hervorragend sich die Zeit des Eisernen Kanzlers eignet, die Gegenwart zu erklären, für das, was uns möglicherweise bevorsteht, muss man noch tiefer in die Kiste greifen. Man muss, wenn es dumm läuft, zurückgreifen bis in die Zeit des 30jährigen Krieges. Damals war Deutschland - geographisch verstanden - Schlachtfeld und Sebstbedienungsladen ausländischer Interessen, ähnlich wie auch heute. Selbstbedienungsladen sind wir sowieso, bleibt die Frage, wann Deutschland wieder zum Schlachtfeld wird? Die Diskussion um AWACS-Flugzeuge, Fuchs-Panzer, Patriot-Raketen und Bundeswehreinsätze lässt mich das Schlimmste befürchten.
Unser Untergang ist programmiert, das lasse ich mir so schnell nicht ausreden; ähnlich wie im 30jährigen Krieg. Wie es nach der Katastrophe aussehen wird, davon gibt ein Gedicht von Andreas Gryphius (1616-1664), vor allem in den ersten beiden Strophen, einen trostlosen Vorgeschmack.
Da mir schon mal vorgehalten wurde, ich wüde allzuoft von der Gossensprache Gebrauch machen (völlig zu Recht, nereus!),
bitte ich um Nachsicht, wenn ich erneut was Lyrisches reinstelle.
Vanitas, vanitatis et omnia vanitas
Ich seh´ wohin ich seh´ nur Eitelkeit auff Erden
Was dieser heute bawt reißt jener morgen ein
Wo jtz die Städte stehn so herrlich hoch und fein
Da wird in kurtzem gehn ein Hirt mit seinen Herden:
Was jtzt so prächtig blüht wird bald zertretten werden:
Der jtzt so pocht und trotzt läst vbrig Asch vnd Bein
Nichts ist daß auff der Welt könt vnvergänglich seyn
Jtzt scheint des Glückes Sonn bald donnerts mit beschwerden.
Der Thaten Herrlichkeit muß wie ein Traum vergehn:
Solt denn die Wasserblaß der leichte Mensch bestehn
Ach! was ist alles diß was wir vor köstlich achten!
Alß schlechte Nichtigkeit? als hew staub asch vnd wind?
Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfind?
Noch wil was ewig ist kein einig Mensch betrachten!
|
Baldur der Ketzer
09.12.2002, 16:09
@ Tempranillo
|
Zusammenbruch oder Befreiung - Wie nach 1945 |
-->Hallo, Tempranillo,
in der veröfentlichten Meinung und natürlich nach Guido Knorpel und den seinen wurde Deutschaldn 1945 von den Alliierten befreit.
Diejenigen, die dabei auf deutscher Seite zu Tode kamen, ob Soldaten oder Zivilisten, wurden dabei gleich dazu vom Leben befreit.
Vom Schicksal der im Einflußbereich Stalins befindlichen Opfer gar nicht zu reden. Aber auch die anderen waren keine Beichtväter.
Dennoch heißt es heute, seid dankbar, daß man Euch das Joch der Diktatur genommen hat.
Ohne es zu bewerten, läßt sich dieses auch auf die Zukunft projizieren: sollte es zu einem globalen Kriegsereignis mit Einbeziehung Mitteleuropas kommen, wird dabei neben grenzenlosen Elend auch wieder die dann bestehende Macht aufgehoben, samt Bürokratie und Gesetzeswerk.
Ohne Strom und fließend Wasser, ohne www und Telefon, ohne Sprit und alles andere, bei Faustrecht und Kriegszustand wird eine Richtlinie zur maximal zulässigen Krümmung von Bananen keinen großen Wert mehr haben, und wer sch erdreisten würde, auf einem Markt die Handelsklassenauszeichnung nach DIN anzumahnen, würde wahrscheinlich schnell in -1,80m Oberkante Kellertiefe landen.
Samt EStG, VermStG, KörpStG, ErbStG, AO, UStG, BewG, etc....pp.
Nichts ist so schlecht, daß es nicht noch irgendeinen positiven Aspekt hat - oder wie soll ich den Guido Knorpel sonst verstehen?
Beste Grüße vom Baldur
P.S.: schau mal auf Stephan Berndt´s Seite
|
adlerauge
09.12.2002, 16:49
@ Tempranillo
|
Re: D-Land nach dem Zusammenbruch. Wie nach dem 30jährigen Krieg |
-->Deutschland gibts mit oder ohne Zusammenbruch bald eh nicht mehr als Staatsgebilde.
Weiß eh jeder nur will keiner wahrhaben.
Gruß
adlerauge
|
apoll
09.12.2002, 19:44
@ adlerauge
|
Re: D-Land nach dem Zusammenbruch. Wie nach dem 30jährigen Krieg |
-->>Deutschland gibts mit oder ohne Zusammenbruch bald eh nicht mehr als Staatsgebilde.
>Weiß eh jeder nur will keiner wahrhaben.
>Gruß
>adlerauge
...damit wird"man" sich nicht zufrieden geben.Was"man" im Bombenhagel bis 45
nicht geschafft hat, wird eben jetzt nachgeholt:die Ausrottung des deutschen
Menschen.Weiß kaun jemand und will auch keiner wissen. Ob die Deutschen bald
in Reservaten leben werden?
|
Tempranillo
09.12.2002, 23:15
@ Baldur der Ketzer
|
Re: Bängstigend, wenn in der Vergangenheit die Zukunft zu liegen scheint |
-->>Ohne es zu bewerten, läßt sich dieses auch auf die Zukunft projizieren: sollte es zu einem globalen Kriegsereignis mit Einbeziehung Mitteleuropas kommen, wird dabei neben grenzenlosen Elend auch wieder die dann bestehende Macht aufgehoben, samt Bürokratie und Gesetzeswerk.
Hi Baldur,
das Zentrale ist für mich das"grenzenlose Elend". Auf irgendsowas könnte es hinauslaufen. Da wir doch tagein, tagaus mit Vergangenheit zugereihert werden, wobei sich die deutsche Geschichte seltsamerweise auf 12 Jahre beschränkt, habe ich, in meiner Neigung dagegenzuhalten, mal woanders gegraben. Die unangenehmste Parallele, die ich gefunden habe, ist jene zum 30jährigen Krieg.
Du hast doch ein Faible für Lyrik, deshalb stelle ich nochmal ein Sonett des Barockdichters Andreas Gryphius herein. Ich bin von der Bildkraft, in der Gryphius das grenzenlose Elend beschreibt, ganz begeistert.
Bei Zeilen wie"Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret" oder Wendungen wie"Schatz abgezwungen", wenn auch der der Seele, möchte man Gryphius für einen Propheten halten, der die wichtigsten Probleme des wiedervereinigten Deutschlands benannt hat.
Tränen des Vaterlandes
anno 1636)
Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun,
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret
Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret,
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfraun sind geschändt, und wo wir hin nur schaun,
Ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchfähret
Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzu frisches Blut
Dreimal sind's schon sechs Jahr, als unsrer Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fortgedrungen
Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot:
Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.
|