marocki4
06.01.2003, 11:32 |
Dr.Niquet über das"Elend des Robert Prechter" Thread gesperrt |
-->aus dem Doersam-Brief vom 29.12.2002. Da bisher hier nicht besprochen (vielleicht auch weil außer mir auch andere Urlaub hatten...) zur Info:
(oder gab es doch schon Meinungen zum Thema?)
Das Elend des Robert Prechter
Von Dr. Bernd Niquet
Ausgerechnet am Heiligen Abend brachte der Nachrichtendienst
"Bloomberg" einen langen Bericht ueber den Elliottwellen-Theoretiker
Robert Prechter und dessen Prognose fuer die naechsten Jahre: Dow Jones
unter 1000 Punkte, Immobiliencrash sowie weltweit wackelnde
Staatsschulden. Ein neuer Heiland scheint geboren, der allerdings
schon 53 Jahre alt ist, doch Wunder gibt es immer wieder - insbesondere
wenn es sich wie Weihnachten um transzendente Geschichten handelt.
Was mich an solchen Prognosen stets am meisten beeindruckt,
ist die Selbstgewissheit derer, die sie abgeben. Wie kann jemand heute
schon wissen, was nicht nur morgen, sondern bereits uebermorgen
passieren wird? Will man sich also mit Prechter und seinen Prognosen
beschaeftigen, dann hat das nichts mehr mit Wirtschaft zu tun, sondern
nur noch mit Philosophie und Psychologie. Denn wie kommt jemand
zu solchen Prognosen, das ist die Frage. Und vor allem: Wie kommt er
dazu, sie dann auch noch selbst zu glauben?
Ich persoenlich denke, dass es durchaus moeglich ist, beim Roulette
zehn bis zwanzig Mal hintereinander zu gewinnen, ohne auch nur
einmal zu verlieren. Es ist daher denkbar, dass zwanzig Mal hintereinander
rot kommt, und es ist ebenso moeglich, dass man zwanzig Mal hintereinander
dieses Ereignis richtig prophezeit. Doch was sagt uns das ueber die Welt?
Nichts! Es sagt uns nur, dass wir zwanzig Mal den Zufall richtig prognostiziert,
also zwanzig Mal Glueck gehabt haben.
Nun wird die Wirtschaft jedoch keinesfalls vom Zufall bestimmt,
sondern vielmehr von den Handlung der Menschen. Aendert dies nun
etwas an der Situation? Ja, aber es macht die Sache keinesfalls leichter,
sondern vielmehr schwerer. Denn waehrend die Roulettekugel kein eigenes
Bewusstsein hat und damit zu jeder Sekunde den selben Gesetzmaessigkeiten
unterliegt, koennen die Menschen ihr Verhalten an jedem Tag veraendern.
Sie werden neue Erkenntnisse gewinnen und neues Wissen
aufbauen, welches wiederum ursaechlich fuer ihre zukuenftigen
Handlungen sein wird.
Wuerde Prechter bei seinen Prognosen also auf etwas anderes
als aufs Glueck setzen, dann haette das zur Konsequenz, dass er
daran glauben muesste, dass unser zukuenftiges Schicksal nicht
nur bereits heute festgelegt ist, sondern dass es darueber hinaus
sogar heute bereits wissbar ist. Dass wir heute bereits wissen
koennen, was wir morgen erst wissen. Prechter glaubt also, mit
seiner Elliottwellen-Theorie sowie seinem sonstigen Instrumentarium
ein Werkzeug zu besitzen, Gesetzmaessigkeiten im geschichtlichen
Ablauf entdecken zu koennen. So etwas nennt man"Geschichtsgesetze"
und die"Methode des Historizismus", die jedoch, wie gesehen, schon
einer rudimentaeren logischen Pruefung nicht standhaelt.
Das fuehrt nun sofort zur Psychologie und damit zur Fragestellung,
wie man dazu kommt, dass man das, was eigentlich unwissbar ist,
doch zu wissen glaubt. Bleiben wir, weil immer noch Weihnachtszeit ist,
einmal sehr vorsichtig und wohlwollend, dann koennen wir sagen,
dass Prechter einen starken psychologischen"Bias" aufweist,
was man nicht zuletzt auch daran erkennt, dass er in der Vergangenheit
nur richtig gelegen hat, wenn es abwaerts ging, nicht jedoch,
als es aufwaerts ging.
Doch auch hierfuer hat Prechter eine plausible Erklaerung. Denn als
der grosse Bullenmarkt nach dem Crash von 1987 erst richtig Fahrt
aufnahm, zeigte sein persoenlicher Chart, so erzaehlte er Bloomberg,
gerade das Ende einer fuenften (Aufwaerts-) Welle, so dass klar war,
dass seine gute Zeit erst einmal ihr Ende finden wuerde.
Das bedeutet: Prechter wusste zu dieser Zeit nicht nur, dass es
mit ihm abwaerts ging, sondern auch, dass er ueberhaupt nichts
dagegen tun konnte. Erstaunlich so etwas. Ich muss jedenfalls bei
Prechter immer an Friedrich Nietzsche und seinen Zarathustra hoch
oben auf dem Berg denken, wobei Nietzsche natuerlich sowohl genialer
als auch sicherlich psychologisch noch extremer gelagert war.
Vielleicht hat das aber auch alles nur etwas damit zu tun, dass,
wie ich heute in der Zeitung lese, sich ploetzlich ueberall die Kirchen
wieder fuellen, weil die Menschen in Zeiten grosser Verunsicherung
stets etwas brauchen, an das sie glauben koennen.
|
TESLA
06.01.2003, 11:38
@ marocki4
|
Re: Dr.Niquet über das"Elend des Robert Prechter" |
-->... Deine Info ist über ein Woche alt und zumindest im geschlossen Board schon ausdiskuttiert worden.
Stell doch die aktuelle von Sonntag ein.
H. Niquet kommentiert seine Zahnpflege und sonstige wichtige Ereignisse.
Frechheit, daß der Typ überall seine Meinung kund tut...
|
marocki4
06.01.2003, 11:54
@ TESLA
|
danke für den hinweis - hier die aktuelle ausgabe...wen es wirklich interessiert |
-->>... Deine Info ist über ein Woche alt (sagte ich ja) und zumindest im geschlossen Board schon ausdiskuttiert worden.
>Stell doch die aktuelle von Sonntag ein.
>H. Niquet kommentiert seine Zahnpflege und sonstige wichtige Ereignisse.
>Frechheit, daß der Typ überall seine Meinung kund tut...
was die"geschlossenen" diskutierten entzieht sich meinen zugriffsmöglichkeiten...
aber wen es wirklich interessiert, hier die zahnputzausgabe:
Vollkasko ohne Selbstbeteiligung
Von Dr. Bernd Niquet
Manchmal kommt es schon wirklich witzig. Da habe ich gerade
zum Jahreswechsel meine Zaehne aus meiner Krankenversicherung
herausgenommen, weil mir die 1000 Euro im Jahr dafuer zu viel
sind, und ploetzlich kommt zeitgleich aus dem Kreise der
Ruerup-Kommission der Vorschlag, so etwas ab dem Jahr 2005
fuer alle Versicherten zu machen. Natuerlich ist die Politik unisono
dagegen, denn ein Politiker, der eine Zahnbehandlung zum
Nulltarif verspricht, hat ungleich hoehere Wahlchancen als einer,
der hier eine Selbstbeteiligung oder gar die Selbstverantwortung
einfordert.
Interessant ist, was andere Laender hier fuer Erfahrungen gemacht
haben. In der Schweiz beispielsweise gehoert die Zahnbehandlung
schon seit einiger Zeit nicht mehr zur medizinischen
Grundversorgung. Die Folge davon ist, dass, glaubt man den
Statistiken, jetzt 87 Prozent der Schweizer sich zwei Mal taeglich
die Zaehne putzen, Karies bei Kindern um 90 Prozent zurueck
gegangen ist und bei den Rekruten der Schweizer Armee im
Durchschnitt nur noch vier beschaedigte Zaehne anstelle von
20 zum Anfang der siebziger Jahre vorkommen.
Ich kann das alles aus eigenem Erleben nur bestaetigen: Seitdem
ich mich entschieden habe, den Versicherungsschutz fuer die
Zaehne aufzugeben, investiere ich viel mehr in die Pflege als
vorher, putze mir jetzt jeweils zwei Mal taeglich die Zaehne,
wo ich mir doch vorher das zweite Mal oft genug geschenkt habe.
Und das ist sicherlich ein Punkt, der in den ganzen Diskussionen
um die Krankenversicherung viel zu wenig - bis ueberhaupt nicht -
beruecksichtigt wird: Selbstbeteiligung fuehrt zur Vorbeugung!
Natuerlich ist es ungerecht, wenn chronisch Kranke oder
Schwerstkranke zukuenftig durch die Selbstbeteiligung mehr
bezahlen muessen als Gesunde. Doch dieses Problem laesst sich
durch separate Transfers loesen.
Unser gegenwaertiges Gesundheitssystem ist hingegen wie eine
Vollkaskoversicherung fuer Autos ohne Selbstbeteiligung.
Man ueberlege sich nur einmal, was auf unseren Strassen los sein
wuerde, wenn so etwas moeglich waere. Das wuerde sicherlich eher
an eine Auto-Scooter-Bahn erinnern als an die gegenwaertige
Zurueckhaltung, bei der die Autofahrer jedoch nur deswegen nicht
stets volles Risiko eingehen, weil sie das fuer richtig erachten,
sondern ausschliesslich deshalb, weil jeder Unfall, und zwar auch
derjenige, an dem man nicht Schuld ist, Kosten verursacht, die
direkt auf die eigene Tasche gehen.
Unser Gesundheitssystem ist jedoch noch schlimmer als ein
Vollkaskosystem ohne Selbstbeteiligung, es ist sogar ein
Vollkaskosystem ohne Selbstbeteiligung, in dem der Versicherte
nicht einmal erfaehrt, welche Kosten hierbei anfallen. Und so gehen
dann alle mit jedem kleinen Wehwehchen zum Arzt, manche
vielleicht sogar nur, weil sie gerade ein bisschen Unterhaltung
benoetigen, und die Kosten sehen nur die Privatpatienten, die die
Rechnungen stets direkt zugestellt bekommen - und denen folglich
jegliches Mitleid fuer das gegenwaertige Gejammere der Aerzte fehlt.
Doch egal, wie die Diskussion jetzt ausgeht, auch hier wird der
Markt eine Loesung erzwingen: Die Aerzte und Apotheker werden
weniger verdienen, die Patienten dafuer mehr bezahlen und
weniger Leistungen erhalten. Entlastet wird dadurch der Staat
mit seinen Zuschuessen. Die Zeit des vermeintlich kostenlos
vom Himmel fallenden Manna neigt sich dem Ende zu.
Paradise is over. Es wird angefangen, den grossen Wechsel zu tilgen.
Und das ist auch gut so.
********
In der"Welt am Sonntag" vom 5. Januar 2003 wird auf der
Titelseite des Finanzteils ein Artikel von Bernd Niquet ueber
die selbst verursachten Leiden der Erbengeneration erscheinen.
Beachten Sie dazu auch Bernd Niquets neuen Roman
"Das Orwell-Haus - Aus dem Innenleben der Erbengeneration",
Allitera Verlag, Muenchen 2002, 122 Seiten, 11 Euro,
ISBN 3-935877-67-6. Jetzt wieder beinahe ueberall problemlos lieferbar.
|
Ecki1
06.01.2003, 11:55
@ TESLA
|
Re: Das Elend des Dr.Niquet |
-->Niquet leugnet somit das Grundprinzip der Elliott-Wellentheorie, nämlich die aufgrund des Herdentriebs überall vorhandenen Rückkopplungsschleifen in den gesellschaftlichen und marktwirtschaftlichen Vorgängen. Der von Prechter vorgeschlagene Determinismus ist ausserdem lediglich ein schwacher und insbesondere kein individuell anwendbarer!
Es ist jedem einzelnen Marktteilnehmer überlassen, ob er sich aufgrund einer EW-Prognose positionieren will oder nicht.
Gruss!Ecki
|
Bart
06.01.2003, 13:35
@ TESLA
|
wo ist bei dem artikel dein problem? |
-->hier hats noch niemand diskutiert.
|