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Im Goldrausch
Kai Michel 08.01.2003
Aus der Umweltkatastrophe in Baia Mare hat Rumänien wenig gelernt: Wieder
bedroht ein Goldbergbau Natur und historisches Erbe
Rumänien ist auf dem Weg nach Europa. 2007 wird das Land Mitglied der
Europäischen Union, so entschied es der EU-Gipfel in Kopenhagen. Es kann ein
langer Weg werden: Gerade hat eine Studie (PDF) des Open Society Institute
ergeben, dass Rumänien unter den EU-Aufnahme-Kandidaten der Staat sei, der
am meisten von Korruption heimgesucht werde. In Rumänien selbst sorgen
derzeit die Pläne der kanadischen Bergwerksgesellschaft Gabriel Resources
Ltd.fĂĽr Furore: Die Kleinstadt Rosia Montana soll einem Goldbergbau weichen,
der 2.000 Menschen zur Umsiedlung zwingt, die Umwelt massiv bedroht und mit
der römischen Bergbausiedlung Alburnus Maior eine archäologische Kostbarkeit
ersten Ranges vernichten wird.
Bilder: Rosiamontana.org
Erst zwei Jahre ist es her, dass in Baia Mare der Damm des Goldbergwerks
“Aurul"
brach und sich 100.000 Kubikmeter Zyanid-Schlamm in Theiss und Donau
ergossen, wo sie 1.200 Tonnen toten Fisch fabrizierten. Kaum 100 Kilometer
von Baia Mare entfernt soll nun ein neuer Goldtagebau errichtet werden. Um
in Rosia Montana 300 Tonnen Gold und 1.600 Tonnen Silber aus der Erde zu
holen, sind in den nächsten 15 Jahren 200 Millionen Tonnen Gestein
aufzubereiten - auch hier mit Zyanid. Das benachbarte Coma- Tal wird in eine
gigantische Abfallbehandlungsanlage verwandelt, einen giftigen Stausee von
600 Hektar Fläche.
Als im Jahr 2000 bekannt wurde, dass in den Westkaparten die bedeutendsten
Goldvorkommen Europas lagern, schossen die Börsenkurse von Gabriel Resources
in die Höhe. Die Kanadier besitzen achtzig Prozent der dortigen Rosia
Montana Gold Corporation, das rumänische Staatsunternehmen Minvest die
restlichen zwanzig. Die Umsiedlung von 2.000 Menschen schien niemandem ein
Hindernis zu sein. Auch die Weltbank sagte einen Kredit ĂĽber 100 Millionen
Dollar zu.
Doch bald formierte sich Widerstand UmweltschĂĽtzer fĂĽrchten ein zweites
Baia Mare. Auch 83 Professoren der rumänischen Wirtschaftakademie legten
Protest ein. Und Greenpeace hat darauf hingewiesen, dass die offene
Lagerung von Giftschlamm eine klassische Unfallquelle des Erzbergbaus
darstellt. Doch nicht einmal als die Weltbank ihre Kreditzusage wegen
ökologischer Bedenken zurückzog, schreckte das Gabriel Resources ab. Man
greift auf privatwirtschaftliche Gelder zurĂĽck und unterwirft sich einem
höheren Renditedruck. Auch dass eine ganze Anzahl der Bewohner von Rosia
Montana nicht willens ist, ihre Heimat zu verlassen, stört die Kanadier
nicht.
Auch aus einer anderen Ecke wird Kritik an dem Vorhaben laut. Denn der
Tagebau zerstört nicht nur den Ort Rosia Montana mitsamt seinen fünf
Kirchen, sondern auch das antike Bergwerk Alburnus Maior. Schon die Römer
bauten hier Gold ab. Ein kilometerlanges, noch begehbares Stollensystem
ĂĽberdauerte fast zweitausend Jahre. Zahlreiche Funde von antikem
Bergbaugerät, Inschriftenaltären, ja sogar beschriebenen Wachstafeln geben
einzigartige Einblicke in die antike Sozialgeschichte. Bei den derzeit in
aller Eile voranschreitenden Notgrabungen fanden Archäologen neben Tempeln
und Badeanlagen ein Mausoleum, wie es in Rumänien kein zweites gibt.
Dieses römische Eldorado ist Rosia Montanas eigentliches Kapital.
Eingebettet in eine eindrucksvolle Landschaft, in die sich 2.000 Jahre
Bergbaugeschichte eingeschrieben haben, stellt es eine touristische
Attraktion ersten Ranges dar und bietet die einzige Entwicklungschance der
Region, die nachhaltig Menschen, Umwelt und historisches Erbe schont. Denn
was wird von der Gegend ĂĽbrig sein, wenn 15 Jahre Bergbau keinen Stein auf
dem anderen lieĂźen und alle Geschichte vernichteten?
Es sind vor allem die internationalen Proteste, die in Rumänien Wirkung
zeigen. Dass die Denkmalschutz-Weltorganisation ICOMOS auf ihrer 13.
Generalversammlung in Madrid Anfang Dezember erklärte: ICOMOS strongly urges
all interested parties in this project as well as UNESCO and the
international community involved in Romania to do all they can to prevent
the destruction of this important archaeological site, blieb zwar noch weit
gehend unbemerkt. FĂĽr groĂźe Aufregung sorgte jedoch eine Petition von mehr
als 600 Archäologen und Historikern aus der ganzen Welt. Die rumänischen
Behörden beschlossen, ihre Entscheidung über den Goldbergbau noch einmal zu
ĂĽberdenken. Nach Aussage von Greenpeace will man erst die Ergebnisse eines
neuen Umwelt-Gutachtens abwarten.
Warum aber? Ein Gutachten der Universität Wien stellte bereits fest, dass
der Zyanid-
Bergbau gegen EU-Recht verstößt, auf das man sich in Rumänien schon jetzt
einstellen muss. Auch sind Zwangsumsiedlungen unrechtens. Möchten die
rumänischen Behörden also nur auf Zeit spielen und abwarten, bis die
internationale Aufmerksamkeit nachlässt? Einer der Petitions-Initiatoren,
der Professor für Alte Geschichte an der Universität Cluj und Leiter des
dortigen Museums Ioan Piso, sieht sich derzeit mit der Anschuldigung
konfrontiert, er stünde in ausländischen, und zwar ungarischen Diensten. Das
habe der rumänische Staatssicherheitsdienst herausgefunden, berichteten
mehrere Zeitungen.
In einem offenen Brief an den Chef des Rumänischen Geheimdienst (SRI) Radu
Timofte äußerte Ioan Piso seinen Verdacht, hier fände ein
Einschüchterungsmanöver statt: “In my opinion, there are people who want to
associate SRI's name with that of Gold Corporation just to scare us because
I believe that a secret service such as ours is actually focusing its
activity on protecting Romania's fundamental interests and that the
unprofessional way in which it approached the matter in mass-media is not
typical of the SRI." Wenn also nicht der SRI dahinter steckt: Wer dann?
Andrerseits kursieren in Rumänien Gerüchte, zwischen dem rumänischen
Geheimdienst
und der Rosia Montana Gold Corporation existierten enge Verbindungen. So
soll der Chef von Gabriel Resources, Frank Timis, eine
Geheimdienst-Konferenz gesponsert haben. Sei es nicht merkwĂĽrdig, schreibt
Piso, dass Rumänien nur zwanzig Prozent der Gewinne in Rosia Montana bekäme?
Und der Rest dieser strategischen Goldreserve Rumäniens an einen
ausländischen Staat ginge? Müsste da nicht der rumänische
Staatssicherheitsdienst einschreiten? Von Korruption war in dem Brief keine
Rede.
Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum zeigt bis zum 5. August 2003 die
Ausstellung: Das Gold der Karpaten. Bergbau in Rosia Montana
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