R.Deutsch
07.10.2000, 20:21 |
Zur Sache-Schätzchen Thread gesperrt |
Lieber Dottore,
Zunächst noch kurz zur Hamburger Girobank. Es war eine reine Depositenbank, praktisch wie heute e-gold. Die Leute bekamen in Höhe ihrer Silbereinlage Gutschrift und dieses Silber wurde jeweils buchtechnisch von der Bank übertragen, auf Anweisung des Einlegers. Das Silber blieb im Keller der Bank, Kredit wurde nicht gewährt. Es wurde also schlicht Eigentum an Silber übertragen und mit diesem Eigentum bezahlt. Da ist keinerlei Schuld oder Kredit zwischen Bank und Silbereinleger im Spiel, genau wie heute bei e-gold. Wenn der Bäcker (der vielleicht auch ein Konto bei der Bank hatte) seine Kunden anschreiben lies, also Kredit gewährte, so ist das eine völlig getrennte Angelegenheit.
Vielen dank, für Ihre ausführliche Antwort auf meinen langen Beitrag (Gold ist Freiheit). Aber wie Sie zurecht schreiben, reduziert sich unser kleiner Disput auf zwei Fragen:
<Was uns beide entzweit, sind zwei Dinge: 1. Gibts Kreditgeld vor Warengeld (ergo Schuld vor Tausch)? und 2)
Sind auch gegen vollstreckbare Sicherheiten ausgegebene Banknoten Falschgeld? Meine Antwort: 1: Ja. 2: Nein.>
Da ich auch die zweite Frage uneingeschränkt mit nein beantworten würde, bleibt als zentrale Frage:
"Gibt's Kreditgeld vor Warengeld (ergo Schuld vor Tausch)"
Wenn ich es richtig verstehe, geht es Ihnen nicht darum, was füher da war, sondern im Sinne des Debitismus darum, daß es eigentlich nur Kreditgeld gibt, daß Geld nur und ausschließlich durch Verschuldung entsteht. Selbst wenn man mit"Warengeld" (einer"Ware" wie Gold oder Silber) bezahlt, wird dabei immer eine Schuld getilgt. Menschen können immer nur durch eine Schuldbeziehung in wirtschaftlichen Verkehr miteinander treten. So etwas wie einfaches Austauschen von Gegenständen gibt es nicht, und hat es nie gegeben.
Dagegen vetrete ich die These, das es beides (Tauschverkehr und Schuldbeziehung) immer nebeneinander gegeben hat und geben wird, so wie es Schuldrecht und Sachenrecht immer gegeben hat und geben wird. Die Amerikaner haben einen sehr schönen Spruch, der die Sache auf den Punkt bringt. There are two kinds of people - poeple who farm the earth and people who farm people. Die Menschen machen in der Regel immer beides, sie müssen real produzieren (farm the earth) und sie produzieren gesellschaftlich und dazwischen gibt es Übergänge, sie Tauschen Eigentum aus und sie gehen Schuldbeziehungen ein.
Wie begründet nun dottore die Auschließlichkeit der Schuldbeziehung (den Debitismus), daß also Menschen auschließlich durch Schuldbeziehung miteinander in wirtschaftlichen Verkehr treten können und nicht auch durch einfachen Austausch von Eigentum? (Eigentum muß erst belastet werden um zu Geld, zum Tauschmittel, zu Liquidität zu werden).
Hierzu gibt es einen sehr schönen Schlüsselsatz von dottore. Auf meine Frage:
"Der Mann besitzt eine schöne Vase, ich gebe ihm mein Goldstück und er gibt mir die Vase. Wo ist denn da eine
Schuld? Ich tausche Eigentum gegen Eigentum."
antwortet dottore:
"Jedem Tauschgeschäft geht logischerweise (wenn auch zeitlich oft nur sehr kurz davor) ein Vertrag voraus. Der
eine erfüllt ihn durch die Hergabe der Vase, der andere durch die Hergabe des Goldstücks. Auch die Erfüllung
eines Tauschvertrages ist ein schuldrechtlicher Vorgang, selbst wenn er wie ein sachenrechtlicher ausschaut
(Tausche Sache gegen Sache). Hier wird zu kurz gedacht."
Damit ist zwar der Debitismus unangreifbar, aber dafür die Realtät irgendwie vergewaltigt. Es hat irgendwie etwas künstliches - ein Sophismus (hoffentlich paßt das Fremdwort hier). Natürlich kann ich sagen, wenn ein Stein herunterfällt, der Stein tilgt seine Fallschuld, oder gar seine Urschuld, aber die Gravitationstheorie erscheint da plausibler. Der Mensch ist Materie, er muß sich ernähren und unterliegt den Naturgesetzen (farm the earth) und er hat gleichzeitig Geist und Gedächtnis, geht abstrakte Schuldbeziehungen mit andern Menschen ein (farm people), beides existiert nebeneinander, etwa so wie Licht Welle und Teilchen zugleich ist. Wir kommen hier natürlich sehr schnell in philosophische Bereiche und den alten, immer wieder diskutierten Gegensatz zwischen Geist und Materie. In der Philosophie mag das Ergebnis unverbindlich sein,hier aber hat das Ergebnis der Überlegung weitreichende Folgen. So wie es Geist nicht ohne Materie gibt, so gibt es echtes Geld nicht ohne einen realen Bezug, und genau diesen Zusammenhang löst der Debitismus auf.
Gruß
R.Deutsch
(Herrjeh, warum kann man sowas nicht kürzer sagen)
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dottore
07.10.2000, 22:16
@ R.Deutsch
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Re: Zur Sache-Schätzchen - Schätzchen ist schon da! |
Lieber R.Deutsch -
>"Gibt's Kreditgeld vor Warengeld (ergo Schuld vor Tausch)"
>Wenn ich es richtig verstehe, geht es Ihnen nicht darum, was früher da war,
Doch, mir geht's immer um das Vorher-Nachher, egal, ob in Geschichte oder Gegenwart. Und bevor ich eine Ware (= produzierte und vermarktbare Sache) in die Welt setzen k a n n, m u s s ich als Produzent das Zeitproblem bewältigen. Dieses kann ich nur durch Vor-Finanzierung. Und da führt halt kein Weg daran vorbei. Sonst bitte ich um konkrete Vorschläge (Beispiele) wie das geschehen soll, bzw. wann und wo das geschehen ist.
Ich will hier nicht Beckmesserei betreiben, aber es kommt immer auf das Vorher-Nachher an. Und wenn die Zeitdifferenz auch noch so klein erscheinen mag.
>sondern im Sinne des Debitismus darum, daß es eigentlich nur Kreditgeld gibt, daß Geld nur und ausschließlich durch Verschuldung entsteht.
Dazu:
a) Natürlich gibt es Warengeld. b) Aber immer erst, n a c h d e m es Kreditgeld gegeben hat. Der Satz von Ihnen vermanscht das (sit venia verbo).
>Selbst wenn man mit"Warengeld" (einer"Ware" wie Gold oder Silber) bezahlt, wird dabei immer eine Schuld getilgt.
NUR, wenn dies nicht eine Zession bzw. Weitergabe ist, sondern ein Verkonsumieren des Warengeldes in dem Sinne, dass ich aus einer Goldmünze eben Konsum mache, z.B. indem ich sie mir - gefasst - als Schmuckstück um den Hals hänge.
>Menschen können immer nur durch eine Schuldbeziehung in wirtschaftlichen Verkehr miteinander treten. So etwas wie einfaches Austauschen von Gegenständen gibt es nicht, und hat es nie gegeben.
"Wirtschaftlicher Verkehr" ist das Wieselwort. Wirtschaften heisst immer Schulden abtragen, sonst nichts. Natürlich hat es Tauschen gegeben (mhd. ="stechen","tauschen" mhd. ="täuschen"!), aber das lief ab in der Kette: Schuld kontrahiert - Geld - Tausch - Tausch - Tausch - usw. - Geld zur Tilgung der Schuld akzeptiert - Schuld durch Konsum aus der Welt geschafft.
>Dagegen vetrete ich die These, das es beides (Tauschverkehr und Schuldbeziehung) immer nebeneinander gegeben hat und geben wird, so wie es Schuldrecht und Sachenrecht immer gegeben hat und geben wird.
Nein! Natürlich war die Sache immer v o r der Schuld. Denn gäbe es keine Sache, gäbe es keine Sicherheit, gegen die eine Schuld entstehen könnte. Die Sache ist die Sicherheit, auf der die Schuld erst entstehen kann (daher Heinsohn/Steigers Geniestreich von Eigentum als materia prima!).
>Die Amerikaner haben einen sehr schönen Spruch, der die Sache auf den Punkt bringt. There are two kinds of people - poeple who farm the earth and people who farm people. Die Menschen machen in der Regel immer beides, sie müssen real produzieren (farm the earth) und sie produzieren gesellschaftlich und dazwischen gibt es Übergänge, sie Tauschen Eigentum aus und sie gehen Schuldbeziehungen ein.
Die Übergänge gibts nicht uno actu dazwischen, sondern erst, nachdem produziert wurde.
>Wie begründet nun dottore die Auschließlichkeit der Schuldbeziehung (den Debitismus), daß also Menschen auschließlich durch Schuldbeziehung miteinander in wirtschaftlichen Verkehr treten können und nicht auch durch einfachen Austausch von Eigentum? (Eigentum muß erst belastet werden um zu Geld, zum Tauschmittel, zu Liquidität zu werden).
Da Tauschen produzierte Tauschgegenstände voraussetzt (wir wollen jetzt nicht vom Tausch"Schluck Wasser gegen Atemzug Luft" sprechen), m u s s das Produzierte dem Zeitablauf unterliegen.
>Hierzu gibt es einen sehr schönen Schlüsselsatz von dottore. Auf meine Frage:
>"Der Mann besitzt eine schöne Vase, ich gebe ihm mein Goldstück und er gibt mir die Vase. Wo ist denn da eine > Schuld? Ich tausche Eigentum gegen Eigentum."
>antwortet dottore:
>"Jedem Tauschgeschäft geht logischerweise (wenn auch zeitlich oft nur sehr kurz davor) ein Vertrag voraus. Der > eine erfüllt ihn durch die Hergabe der Vase, der andere durch die Hergabe des Goldstücks. Auch die Erfüllung > eines Tauschvertrages ist ein schuldrechtlicher Vorgang, selbst wenn er wie ein sachenrechtlicher ausschaut > (Tausche Sache gegen Sache). Hier wird zu kurz gedacht."
>Damit ist zwar der Debitismus unangreifbar, aber dafür die Realtät irgendwie vergewaltigt. Es hat irgendwie etwas künstliches - ein Sophismus (hoffentlich paßt das Fremdwort hier).
Künstlich? Das beschreibt es nicht richtig. Es geht um ökonomischen Mimimalismus, das will ich nicht bestreiten. Aber die Ã-konomie besteht eben aus solchen"Grenzbetrachtungen". Es kommt immer auf die Feinheiten an - leider.
>Natürlich kann ich sagen, wenn ein Stein herunterfällt, der Stein tilgt seine Fallschuld, oder gar seine Urschuld, aber die Gravitationstheorie erscheint da plausibler.
Es liegt nicht in der Natur des Steines runterzufallen...
>Der Mensch ist Materie, er muß sich ernähren und unterliegt den Naturgesetzen (farm the earth)
... aber es liegt in der Natur des Menschen, zu verhungern, wenn er nicht permanent seine Urschuld tilgt.
>und er hat gleichzeitig Geist und Gedächtnis, geht abstrakte Schuldbeziehungen mit andern Menschen ein (farm people), beides existiert nebeneinander, etwa so wie Licht Welle und Teilchen zugleich ist.
Der Mensch unterliegt dem Problem, seine Urschuld ständig tilgen zu müssen, da er sonst stirbt. Dass der Mensch mehr ist als eine Urschuldtilgungsmaschine ist nicht die Frage. Mehr kann er sein, weniger darf er nicht sein. Sonst Tod!
>Wir kommen hier natürlich sehr schnell in philosophische Bereiche und den alten, immer wieder diskutierten Gegensatz zwischen Geist und Materie.
Sehe ich nicht. Geist ohne Materie ist nicht vorstellbar, daher ist es auch kein Gegensatz, sondern eine Folge.
>In der Philosophie mag das Ergebnis unverbindlich sein,hier aber hat das Ergebnis der Überlegung weitreichende Folgen. So wie es Geist nicht ohne Materie gibt, so gibt es echtes Geld nicht ohne einen realen Bezug, und genau diesen Zusammenhang löst der Debitismus auf.
Löst er nicht auf, indem er erklärt, dass echtes Geld just dann einen realen Bezug hat, wenn das Geld (durch die ihm zu Grund liegenden"ungefälschten" Sicherheiten) zur realen Produktion z w i n g t.
>Gruß
>R.Deutsch
Gruß
d.
>(Herrjeh, warum kann man sowas nicht kürzer sagen)
Herjeh und antworten.
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Uwe
07.10.2000, 23:13
@ dottore
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Re: Zur Sache-Schätzchen - Schätzchen ist schon da! |
dottore:[i]... aber es liegt in der Natur des Menschen, zu verhungern, wenn er nicht permanent seine Urschuld tilgt.
Der Mensch unterliegt dem Problem, seine Urschuld ständig tilgen zu müssen, da er sonst stirbt. Dass der Mensch mehr ist als eine Urschuldtilgungsmaschine ist nicht die Frage. Mehr kann er sein, weniger darf er nicht sein. Sonst Tod!
[i]
Aus diesen Sätzen ergibt sich bei mir eine Grundfragestellung für mein Verständnis:
Nicht die menschleiche Natur ist es, die einen Menschen verhungern läßt (wenn er nicht gerade wider seiner Natur lebt), sondern die Ordnung, in der der Mensch lebt, entscheidet, wie er seiner"Biologie" gerecht werden kann (darf).
Könnte ein anders Wort für die"Urschuld", im Sinne von dottore vielleicht"Sachzwang" sein, wenngleich ich es ebenso unschön finde?
Erst das gegenseitig Aufeinander-angewiesen-sein (Schutz), hat es bei den Menschen ermöglicht, formen von"Zwang" oder auch"Schuld" zu schaffen, die nicht nur auf der besseren (im guten Sinn gemeint) Fähigkeit des Gegenübers beruhen.
Auf diesem Fundament kann man schließlich m.E. auch die Notwendigkeit des Wirtschaften aufbauen. Das im Anschluß daran ich mich in's"Lager des Debitismus" begeben muß, ist eine nicht abzuwendende Folge, da nur die Schuld"Abhängigkeiten" aufrecht erhält.
Mit nächtlichem Gruß
Uwe
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Das Orakel
07.10.2000, 23:40
@ Uwe
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Urschuldtheorie |
>[i]dottore:[i]... aber es liegt in der Natur des Menschen, zu verhungern, wenn er nicht permanent seine Urschuld tilgt. > Der Mensch unterliegt dem Problem, seine Urschuld ständig tilgen zu müssen, da er sonst stirbt. Dass der Mensch mehr ist als eine Urschuldtilgungsmaschine ist nicht die Frage. Mehr kann er sein, weniger darf er nicht sein. Sonst Tod!
xxxxx Ich habe mich wohlweislich aus der ganzen Diskussion bisher herausgehalten.Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich mich kurz outen und mich,
was diesen Thread angeht, klar auf die Seite von Herrn Deutsch stellen,der
in philosophischer Hinsicht eher meiner Weltanschauung entspricht.
Dottore,der sich schonmal als bibelfester Katholik präsentiert hat,hat das Prinzip der Urschuld mit der Muttermilch eingesogen.Deshalb verwundert seine
Urschuldtheorie in wirtschaftswissenschaftlichen Angelegenheiten auch nicht weiter.
Fangen wir also bei der Muttermilch an.Die Urschuldtheorie im christlichen Sinne entbehrt nämlich jeder ´göttlichen Logik`.
Vorausgesetzt Gott ist allwissend und allgegenwärtig,hätte er nur etwas inszeniert,über dessen Ausgang er schon informiert war.Ergo: es gibt keine Urschuld.
O.
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Das Orakel
07.10.2000, 23:57
@ Das Orakel
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Zusammenleben der Ur-Menschen |
Ich glaube sehr wohl,daß die ersten Menschen ohne Urschuld und ohne Tauschhandel
in Sippen gelebt haben und mühsam um das Überleben kämpften.Vielleicht blieb
der Schwache anfangs auch ohne Schutz und wurde nicht von der Sippe angemessen mit durchgefüttert,weil die Umstände der Not nur das Überleben der Stärksten sicherte.
Mit der Zeit,zunehmender Bevölkerung und Zivilisierung wurden Dinge getauscht.
Anzunehmen dieses hätte zu keiner Zeit stattgefunden,halte ich für eine
Mega-Illusion.
Was sich aus diesen frühgeschichtlichen Gegebenheiten entwickelt hat,sehen wir
heute.Wir tauschen noch immer: z.B. Geld gegen Aktien....
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dottore
08.10.2000, 12:22
@ Das Orakel
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Re: Urschuldtheorie - ist ganz einfach und ohne sie gehts leider nicht |
>>[i]dottore:[i]... aber es liegt in der Natur des Menschen, zu verhungern, wenn er nicht permanent seine Urschuld tilgt.
>> Der Mensch unterliegt dem Problem, seine Urschuld ständig tilgen zu müssen, da er sonst stirbt. Dass der Mensch mehr ist als eine Urschuldtilgungsmaschine ist nicht die Frage. Mehr kann er sein, weniger darf er nicht sein. Sonst Tod!
>xxxxx Ich habe mich wohlweislich aus der ganzen Diskussion bisher herausgehalten.Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich mich kurz outen und mich,
>was diesen Thread angeht, klar auf die Seite von Herrn Deutsch stellen,der
>in philosophischer Hinsicht eher meiner Weltanschauung entspricht.
>Dottore,der sich schonmal als bibelfester Katholik präsentiert hat,hat das Prinzip der Urschuld mit der Muttermilch eingesogen.Deshalb verwundert seine
>Urschuldtheorie in wirtschaftswissenschaftlichen Angelegenheiten auch nicht weiter.
>Fangen wir also bei der Muttermilch an.Die Urschuldtheorie im christlichen Sinne entbehrt nämlich jeder ´göttlichen Logik`.
>Vorausgesetzt Gott ist allwissend und allgegenwärtig,hätte er nur etwas inszeniert,über dessen Ausgang er schon informiert war.Ergo: es gibt keine Urschuld. >
>O.
Bei der Urschuld gehts nicht um Relgion oder Metaökonomik, sondern um einen von jedem täglich zu beobachtenden Sachverhalt:
Aufgrund der Tatsache, dass der Mensch lebt, ergibt sich für ihn (oder die Angehörigen, die für ihn sorgen), eine Verpflichtung, sich selbst zu erhalten oder eben unterzugehen.
Diese Verpflichtung (= Schuld) liegt in unserer Natur und hat dabei nichts mit Naturgesetzen zu tun. Der Hungrige wird hungriger und der Dürstende durstiger - was auch nicht der Gravitation unterliegende Astronauten bestätigen können.
Aus diesem Sachverhalt ergibt sich der Zwang, diese Schuld (sich selbst gegenüber) abzutragen. Das ist alles. Gelingt es dem Menschen nicht, diese Schuld selbst (oder innerhalb seiner Familie, Stammesverband o.ä.) abzutragen, muss er an andere herantreten, und sie bitten, ihm dabei zu helfen. Der sich daraus ergebende Vertrag (es sei denn der andere gibt es kostenlos her) ist die Kontraktschuld, die der Schuldner jetzt nicht mehr gegenüber sich selbst, sondern gegenüber dem anderen abzutragen (zu tilgen und zu verzinsen) hat.
Wir werden niemals zum Kern dessen vorstoßen, was"Wirtschaften" heißt, wenn wir nicht den Erstantrieb des Wirtschaftens begreifen. Es geht dabei um das, was in der herkömmlichen Ã-konomie so salopp"Bedürfnisse" genannt wird.
Bedürfnissen aber kann ich nachgeben oder ich kann es auch sein lassen: wer braucht schon ein schnelles Auto? An der Selbsterhaltung aber führt kein Weg vorbei.
Außerdem setzen Bedürfnisse etwas voraus, worauf sich die Bedürfnisse konkret richten. Dieses wiederum kann nur etwas Produziertes sein. Und zur Produktion komme ich nur, wenn ich die bekannten Probleme des Produzierens (Zeitüberbrückung) bewältige. Es gibt eben kein"Bedürfnis als solches" - es zielt immer auf etwas ganz Bestimmtes (dieses Essen, diese Kleidung, diese Form des Wohnens).
Das Wort"Urschuld" ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber es (oder ein anderes, das den gleichen Sachverhalt ausdrückt) ist ganz unmöglich ohne das Phänomen, das es ausdrückt, rational zu argumentieren.
Ich bitte also um Nachsicht.
d.
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Uwe
08.10.2000, 13:34
@ dottore
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Re: Urschuldtheorie - ist ganz einfach und ohne sie gehts leider nicht |
dottore:[i]...Aufgrund der Tatsache, dass der Mensch lebt, ergibt sich für ihn (oder die Angehörigen, die für ihn sorgen), eine Verpflichtung, sich selbst zu erhalten oder eben unterzugehen.
...
Diese Verpflichtung (= Schuld) liegt in unserer Natur und hat dabei nichts mit Naturgesetzen zu tun.
...
Aus diesem Sachverhalt ergibt sich der Zwang, diese Schuld (sich selbst gegenüber) abzutragen. Das ist alles. Gelingt es dem Menschen nicht, diese Schuld selbst (oder innerhalb seiner Familie, Stammesverband o.ä.) abzutragen, muss er an andere herantreten, und sie bitten, ihm dabei zu helfen.
[/i]
Der resultutierende Sachverhalt ist m.E. richtig beschrieben, jedoch eröffnet sich die Frage, ob es die"Natur" ist, die die Notwendigkeit, auf die Gemeinschaft angewiesen zu sein, zur Schuld deklariert hat.
Eine moralische Verpflichtung haben wir aus dieser natürlichen Gegebenheit werden lassen, um der und mit derer Hilfe wir ein (notwendiges, wenn auch nicht das beste) Ordnungsprinzip auf- und ausgebaut haben.
Unserer"Intelligenz" ist dieser Umstand jedenfalls zu verdanken, oder gibt es im Reich der Lebewesen vergleichbare Sachverhalte, wo der Dienst an der Allgemeinheit mit Zinseszins zurückbezahlt werden muß und nicht einzig und allein deswegen geleistet wird, um selbst zu (über-)leben?
Um nicht mißverstanden zu werden: Ich persönlich würde eine Gemeinschaftsordnung den Vorrang geben, in dem der Dienst an der Allgemeinheit einen höheren bzw. den einzigen anzustrebenen Stellenwert der Achtung hat und nicht buchhalterisch nach der Verrechnungseinheit gefragt wird.
Dies ist jedoch eine idealistische Vorstellung, die solange nicht Platz greifen kann, solange aus der Verpflichtung von anderen, eigener Nutzen gezogen werden kann.
Insofern scheint das System in der Natur des Zusammenlebens von Menschen zu stecken, doch ist es natürlich? Ein Aussteigen aus diesem System, mag dem Einzelnen mehr oder weniger gelingen, jedoch bereits der Weg einer Gruppe, die derartiges versuchen würde, würde über kurz oder lang vom Auseinanderbrechen dieser kleinen Gemeinschaft gekennzeichnet sein, woraus sich die bekannten Strukturen dann wieder entwickeln würden.
Mein Fazit: Die"Urschuld" ist notwendig, um die verschiedenen Ordnungsformen, in denen die Menschen bisher sich organisiert haben, aufrecht zu erhalten. Jedes mir bekannte, praktizierte System benötigt sie. Dies bedeutet aber für mich ein Antwort auf die Frage zu suchen: Gibt es eine (funktionierende) Gesellschaftsform, in der der Gedanke der"Urschuld" abgelegt werden kann.
Meld' mich wieder, wenn ich die Antwort habe ;-)
Uwe
P.S.
Vielleicht aber auch schon früher ;-)
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dottore
08.10.2000, 14:23
@ Uwe
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Re: Urschuldtheorie - ist ganz einfach und ohne sie gehts leider nicht |
>dottore:[i]...Aufgrund der Tatsache, dass der Mensch lebt, ergibt sich für ihn (oder die Angehörigen, die für ihn sorgen), eine Verpflichtung, sich selbst zu erhalten oder eben unterzugehen.
>...
>Diese Verpflichtung (= Schuld) liegt in unserer Natur und hat dabei nichts mit Naturgesetzen zu tun.
>...
>Aus diesem Sachverhalt ergibt sich der Zwang, diese Schuld (sich selbst gegenüber) abzutragen. Das ist alles. Gelingt es dem Menschen nicht, diese Schuld selbst (oder innerhalb seiner Familie, Stammesverband o.ä.) abzutragen, muss er an andere herantreten, und sie bitten, ihm dabei zu helfen.
>[/i]
>Der resultutierende Sachverhalt ist m.E. richtig beschrieben, jedoch eröffnet sich die Frage, ob es die"Natur" ist, die die Notwendigkeit, auf die Gemeinschaft angewiesen zu sein, zur Schuld deklariert hat.
Schuld wird völlig neutral als etwas definiert, das durch Zeitablauf größer wird.
>Eine moralische Verpflichtung haben wir aus dieser natürlichen Gegebenheit werden lassen, um der und mit derer Hilfe wir ein (notwendiges, wenn auch nicht das beste) Ordnungsprinzip auf- und ausgebaut haben.
Das entstand mit der Idee des Privateigentums. Ist das einmal in der Welt, geht alles diesen Weg.
>Unserer"Intelligenz" ist dieser Umstand jedenfalls zu verdanken, oder gibt es im Reich der Lebewesen vergleichbare Sachverhalte, wo der Dienst an der Allgemeinheit mit Zinseszins zurückbezahlt werden muß und nicht einzig und allein deswegen geleistet wird, um selbst zu (über-)leben?
Hervorragende Idee! Wir würden vermutlich so handeln (zumindest in vielen Fällen, siehe Nachbarschaftshilfe), aber alle Menschen? Ich glaube nicht. Das liegt aber daran, dass die Menschen nicht erkennen (wollen), dass sie in toto auf sich angewiesen sind. Etwas von diesem - für eine"bessere" Welt - benötigten Altruismus ist da und dort aber vorhanden und zu erkennen: Stiftungen, Schuldenerlass (der leider nicht auf die einzelnen Konten durchgebucht wird), Granmeen Banken, verlorene Entwicklungshilfe etc.
>Um nicht mißverstanden zu werden: Ich persönlich würde einer Gemeinschaftsordnung den Vorrang geben, in dem der Dienst an der Allgemeinheit einen höheren bzw. den einzigen anzustrebenen Stellenwert der Achtung hat und nicht buchhalterisch nach der Verrechnungseinheit gefragt wird.
Schließe mich gern an. Aber dann ist es vermutlich wieder wie bei allen solchen Aktionen: Der erste, der freiwillig hergibt bzw. verzichtet, wird ausgelacht, die anderen bleiben auf ihren Verrechnungseinheiten hocken. Aber wir haben nicht nur Franz von Assisi auf unserer Haben-Seite.
>Dies ist jedoch eine idealistische Vorstellung, die solange nicht Platz greifen kann, solange aus der Verpflichtung von anderen, eigener Nutzen gezogen werden kann.
Ideale sind dazu da, um sie zu verbreiten und um ihnen nachzuleben, sofern man es kann.
>Insofern scheint das System in der Natur des Zusammenlebens von Menschen zu stecken, doch ist es natürlich? Ein Aussteigen aus diesem System, mag dem Einzelnen mehr oder weniger gelingen, jedoch bereits der Weg einer Gruppe, die derartiges versuchen würde, würde über kurz oder lang vom Auseinanderbrechen dieser kleinen Gemeinschaft gekennzeichnet sein, woraus sich die bekannten Strukturen dann wieder entwickeln würden.
Es gab solche kleinen Gemeinschaften sehr oft, von den Essenern über die Hussiten bis hin zu modernen Orden (Mutter Teresa). Aber sie bleiben immer klein, bisher jedenfalls.
>Mein Fazit: Die"Urschuld" ist notwendig, um die verschiedenen Ordnungsformen, in denen die Menschen bisher sich organisiert haben, aufrecht zu erhalten. Jedes mir bekannte, praktizierte System benötigt sie. Dies bedeutet aber für mich ein Antwort auf die Frage zu suchen: Gibt es eine (funktionierende) Gesellschaftsform, in der der Gedanke der"Urschuld" abgelegt werden kann.
Die Urschuld bleibt so oder so, sie ist halt unser Schicksal. Aber wie wir sie abtragen - das zu gestalten haben wir in der Hand. Vielleicht setzt nach dem großen Kollaps der Hochbuchungsmaschinerie ein Umdenken ein? Aber dann müsste sehr weit unten angesetzt werden, schon bei der Erziehung der Kinder, die heute etwas kriegen,"wenn sie brav waren". Wer bringt aber seinem Kind bei, dass es viel schöner (und wohl auch befriedigender) ist, wenn sie sich aus dem Schema"Leistung/Gegenleistung" gelöst haben? Dann heißt es doch wieder: Wieso läuft die Michaela in Hilfiger-Klamotten rum und ich nicht?
>Meld' mich wieder, wenn ich die Antwort habe ;-)
Die Antwort war sehr gut.
>Uwe
d.
>
>P.S.
>Vielleicht aber auch schon früher ;-)
Ja, bitte, es gibt so vieles, was wir diskutieren können, um dabei zu lernen.
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