Wal Buchenberg
03.02.2003, 11:01 |
Am Arbeitsgericht: Länger arbeiten - weniger verdienen Thread gesperrt |
-->Länger arbeiten - weniger verdienen.
Vor dem Arbeitsgericht sind erschienen die Betriebsratsvorsitzende eines großen Schulbuchverlages mit Rechtsanwalt als Klägerin und der Personalchef des Verlages mit Rechtsanwalt als Beklagte.
Der Verlag hatte schon im Jahr 2001 mehrere Leute mit Vertragsklauseln eingestellt, denen der Betriebsrat nicht zustimmte. Trotz fehlender Zustimmung des Betriebsrates wurden diese Leute von dem Verlag seither beschäftigt und bezahlt. Das Zustimmungsrecht des Betriebsrates zu Einstellungen, Eingruppierungen und Arbeitszeiten steht nur auf Papier.
In den neuen Arbeitsverträgen stand: „Es gilt die 35-Stunden-Woche. Her/Frau XY ist damit einverstanden, dass er/sie jährlich 220 Stunden Mehrarbeit leistet.“ 220 Überstunden im Jahr machen pro Woche 5 Überstunden.
Die 35-Stunden-Woche gilt nur auf dem Papier. In der Arbeitswelt dieses Verlages gilt für die Neueingestellten die 40 Stundenwoche. Extra bezahlt werden diese Stunden nicht. Im Gegenteil. Die Personalleitung hatte Controller, die eigentlich nach dem Manteltarifvertrag des Druckgewerbes in die Tarifgruppe VI eingruppiert gehören, nur nach Tarifgruppe V eingestellt. Das macht beim Einstiegsgehalt einen Fehlbetrag von rund 400 Euro, der mit den Altersgruppen noch anwächst.
Nun wurde mithilfe des Arbeitsgerichts folgende Einigung erzielt:
1) Der Betriebsrat stimmt der Einstellung von... (es folgen die jeweiligen Namen)... zu.
2) Der Betriebsrat stimmt der vertraglich geregelten Arbeitszeit zu. Es gilt die 35-Stundenwoche mit jährlich 220 Stunden Mehrarbeit.
3) Ein Arbeitsplatz für reine Controllertätigkeit wird in Tarifgruppe VI eingruppiert. Da der/die Mitarbeiter/in.... (Name)... nur zu 20% Controllertätigkeiten und zu 80% Dokumentationsaufgaben erledigt, wird er/sie in Tarifgruppe V eingruppiert, erhält aber rückwirkend zum Einstellungstag eine unwiderrufliche, nicht anrechenbare Zulage von 180 Euro, die tarifdynamisch entsprechend dem Tarifgehalt erhöht wird.
(Zum Punkt drei wäre vielleicht anzumerken, dass meines Wissens für die Eingruppierung nicht die „reine“ Tätigkeit, sondern die „überwiegende“ Tätigkeit zählt, und dass dabei nicht das aktuelle, sondern das angestrebte Tätigkeitsfeld entscheidend ist.)
Die bei diesem Verlag Neueingestellten arbeiten regelmäßig 20 Stunden mehr im Monat, erhalten aber 220 Euro weniger als ihnen tarifvertraglich zusteht. So werden Tarifverträge ausgehebelt. „Pacta servanda sunt“ dieser fromme Wahlspruch gilt vielleicht zwischen Kapital und Kapital, aber nicht zwischen Kapital und Lohnarbeit.
Wal Buchenberg, 30.01.03.
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Euklid
03.02.2003, 11:51
@ Wal Buchenberg
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Re: Am Arbeitsgericht: Länger arbeiten - weniger verdienen |
-->Hallo Wal
Wer noch nicht verinnerlicht hat was nun kommt wird sich eben überraschen lassen müssen.
Die wohligen Zeiten sind vorbei.
Ich habe als Selbständiger nur noch 2/3 des Verdienstes von vor 10 Jahren trotz 50% iger Erhöhung meiner Arbeitszeit.
Geht da vielleicht noch etwas?
Ist dagegen etwa eine Diskussion um 35 oder 40 Stunden nicht müßig?
Klar doch,das sind 14% nich bezahlte Stunden.
Und wenn dafür der Arbeitsplatz gerettet werden kann sollte doch das Opfer nicht derart gewaltig sein daß man dies nicht leisten könnte oder?
Rechne mal meine Anstrengungen aus in Prozenten was sich da verändert hat.
Es hat keinen Sinn zu klagen sondern nur Konsequenzen zu ziehen.
Ein Land welches zuerst für einen maroden kommunistischen Staat die Rentenzahlungen übernommen hat kann auch nicht mehr das Schlaraffenland sein.
Für mich steht fest daß die meisten Leute nach 2010 mindestens bis 67,68 Jahre arbeiten müssen um ihren Eltern überhaupt noch die Rente zu ermöglichen.
Ist denn das so schlimm wenn man 40 Stunden arbeitet anstatt 35 in der Woche?
Mein Gott wo wäre ich heute hätte ich mich in der Vergangenheit nur auf 50 Stunden-Woche beschränkt.
Ich könnte mir nicht den Luxus leisten dem Arbeitsmarkt ade zu sagen.
Aber jeder Sozialist muß doch froh sein wenn ich verschwinde denn das schafft doch einen Arbeitsplatz.
Bei einer 35 Stunden Woche müßten das allerdings 2 Arbeitsplätze sein;-)
Wer weniger arbeiten will kann das ja immerhin noch!!!! tun.
Allerdings muß er mit Sozialhilfe zufrieden sein.
Diese Großzügigkeit wird auch bald der Vergangenheit angehören.
Wäre das schlimm wenn dadurch (und davon gehe ich natürlich aus) massig Arbeitsplätze entstehen würden?
Wäre es schlimm wenn man das Wohngeld jetzt und sofort auf Null setzt?
Ich kenne genügend Leute die das Wohngeld als soziale Tat mittels Zigarettensteuer verpaffen und noch vieles mehr.Im Endeffekt subventioniert der Staat und Steuerzahler die Zigaretten.
Denn ohne Rauchen bräuchte es kein Wohngeld in vielen Fällen.
Und jetzt schauen wir mal die Nichtraucher mit Wohngeld an.Wäre es denen vielleicht zuzumuten anstatt 85 qm in eine Wohnung mit 72 qm zu ziehen?
Ist der Anspruch auf ein Reihenhaus mit einer 6 köpfigen Familie mit Hilfe des Sozialamtes nicht etwas zu hoch gegriffen während man Otto Normalverbraucher Familie bei gleicher Kinderzahl von seinem erarbeiteten Lohn noch Steuern abzieht damit derjenige sich kreativ verhält und seine Kinder mittels Hochbetten unterbringt?
Es gibt vieles zu tun.Vor allen Dingen an den Leuten denen der Staat das Geld aus dem Knochenmark saugt während er auf andere verteilt die noch immer meinen der Manna fällt vom Himmel.
Gestern abend im Gespräch bei Cristianssen war die Rede davon daß massenweise Leistungsträger sich gerade von Deutschland verabschieden.
Ich kann sie alle sehr gut verstehen daß sie nicht mehr einstehen wollen für diese Wohlfahrtsrepublik die von ihnen immer mehr des selbst erarbeiteten Produkts abnimmt während die Forderungen mancher die noch nie etwas für die Gemeinschaft getan haben immer neue Forderungen stellen.
Gruß EUKLID
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Sascha
03.02.2003, 13:30
@ Euklid
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Re: Am Arbeitsgericht: Länger arbeiten - weniger verdienen |
-->Hallo!
Naja wir werden uns wohl alle gezwungenermaßen daran gewöhnen müssen das der Wohlstand sinken muß.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich.
Betrachten wir doch einfach mal die Geschichte.
Wie sieht es aus mit dem Wohnraum den jeder Bürger für sich in Anspruch nimmt. Der Wohnraumbedarf ist praktisch seit Ende des 2. Weltkriegs ständig angestiegen. Was hatten wir nach dem 2. Weltkrieg? Wir hatten viel Leid. Viele Verwandte, Bekannte, Freunde von vielen Menschen waren tot. Das Hauptproblem der Menschen war einfach:
<ul type=disc>
~ Ein Dach über dem Kopf haben
~ Was zu essen haben
</ul>
Danach kam das Wirtschaftswunder. Zuerst gab es Autokinos, dann wieder Cafés, dann langsam kam der Volkswagen. Was hatten wir vor gut 55 Jahren davon. Heute kann man unter 50 Sorten Schoklade wählen, in jedem Ort ab 50.000 Einwohner gibt es ein Kino, Cafés gibt es überall, Discos, jeder hat einen Farbfernseher (früher hatte man gar keinen Fernseher, allenfalls mal ein Radio).
Die Liste könnte man lange fortsetzen!!!
Es dürfte jedoch unbestritten sein, daß unser persönlicher Wohlstand stark gestiegen ist. Zuerst war alles in Trümmern gelegen und wir hatten nicht mal genügend zu essen und nur wenige Jahrzehnte später sind wir in eine Art"Spaßgesellschaft" übergangen. Im Moment gehe ich jedoch davon aus, daß diese Spaßgesellschaft ihren Höhepunkt bereits überschritten hat. Es sind erste negative Folgen - mitverursacht durch diese"Gesellschaft" und auch dadurch entstandene Probleme - erkennbar. Nicht ohne Grund steigt die Jugendkriminalität in einem Jahrzehnt um über 100%. Nicht ohne Ursachen lieferte die Pisa-Studie katastrophale Ergebnisse. Und nicht ohne Grund sagte unser VWL-Dozent vor etwa einer halben Stunde das viele Abiturienten die sich für ein Studium bewerben derzeit zum Teil"Leistungen unter aller Sau" (wortwörtliches Zitat) liefern und man über eine Art"Assesment-Center-Aufnahmetest" in Zukunft bereits vorher aussieben möchte.
Doch ohne vom eigentlichen Thema abschweifen zu wollen. Vor einigen Hundert Jahren hatte man als Normalsterblicher weder große Rechte noch große Freiheit. Zuerst gab es sogar Sklaverei und Leibeigenschaft. Erst vor rund 120 bis 150 Jahren kamen mit der beginnenden Industrialisierung überhaupt Dinge wie eine Krankenversicherung oder Arbeitsschutzverordnungen heraus. (Stichwort: Bismarck). Vorher"kloppte" man 12 bis 14 Stunden in der Fabrik und dafür lebte man auch noch unter sehr sehr armen Verhältnissen. Mein Opa lief früher kilometerweit jeden Tag zur Fabrik.
Sicher ist es nicht schön, daß nun mehr gearbeitet werden muß und man gleichzeitig"nur" das Niveau halten kann oder sich dieses sogar gleichzeitig mitverschlechtert. Es wäre mir auch lieber wenn es NICHT so wäre. Doch ich meine wir müssen uns wohl damit abfinden, daß es nicht ewig so weitergehen konnte wie es war. Das das Wirtschaftswunder irgendwann aufhört mußte doch klar sein. Und das der persönliche Wohlstand nicht ewig immer mehr zunehmen konnte war doch auch klar. Das es auch wieder Zeiten geben wird in denen es bergab geht war doch auch klar. Der Mensch will es nicht wahrhaben oder verdrängt es. Zumindest viele.
Hierin sehe ich auch ein großes Problem für die Zukunt. Viele junge Menschen sind das Wohlstandsniveau gewohnt als der Wohlstand so ziemlich am größten war.
Mit Wohlstand bezeichne ich hier - auch wenn es vielleicht nicht genau der Definition entspricht - einfach mal eine Art Verhältnis von dem was man hat (angefangen vom Wohnraum bis hin zum Auto und Farbfernseher, sowie persönlicher Freiheit usw) zu den Dingen die man dafür tun muß (Anzahl der Arbeisstunden, Streßfaktor, auch eine gewisse Unsicherheit des Arbeitsplatzes uws.).
Betrachtet man ALLES im gesamten dann wurde das Wohlstandsniveau über einen sehr langen Zeitraum betrachtet GRÃ-SSER. Ich vermute, daß wir in eine Phase eintreten werden in der es zumindest für eine nicht ganz so kurze Zeit in dieser Hinsicht bergab gehen wird. In welcher Form dies geschehen wird weiß ich nicht. Ich vermute jedoch, daß wir sowohl länger arbeiten müssen und mehr von uns verlangt wird und wir zugleich sogar auf viele Dinge dennoch verzichten müssen und vielleicht wieder in kleinere Wohnungen ziehen müssen usw.
Um jedoch auf das oben erwähnte Problem zurückzukommen. Meiner Ansicht nach fällt es vielen Menschen schwer auf gewohntem Wohlstand zu verzichten. Einfaches Beispiel: Als es noch keinen Farbfernseher mußte man auch noch auf keinen Farbfernseher verzichten. Man kannte es einfach nicht.
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Ciao und viele Grüße an die Runde
Sascha
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Sascha
03.02.2003, 13:46
@ Sascha
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kleine Ergänzung |
-->Ergänzung:
Man kann darüber denken wie man will aber eines ist wohl ziemlich sicher.
Das was in den letzten Jahrzehnten aufgrund von technischem Fortschritt (Internet, Industrieroboter, Rationalisierung, usw.) stattgefunden hat wird sich fortsetzen. Viele manuelle und monotone Arbeiten werden mehr und mehr ersetzt und durch Maschinen ersetzt werden. Es ist im Moment meines Wissens noch nicht davon auszugehen, daß dieser Trend sich schnell verlangsamen wird oder aufhört.
Sicher schaffen diese neuen Technologien auf der anderen Seite auch wieder neue Arbeitsplätze.
Doch stellt sich die Frage: Werden soviel neue Arbeitsplätze geschafffen durch diese"neuen Jobs" in den"neuen Branchen" bzw."neuen Technologien" oder sind es weniger.
Doch egal ob es weniger, gleich viel oder sogar mehr(?) sein werden. Das Problem bleibt das gleiche.
Der Durchschnittliche IQ eines Menschen beträgt 100 (das hat man so festgelegt). Und es wird immer"dümmere" und"schlauere" geben. die beiden Adjektive im vorherigen Satz habe ich absichtlich in Anführungszeichen gesetzt da man nicht pauschal vergleichen kann wer schlau oder dumm ist. Jeder Mensch hat irgendwo seine Stärken und Schwächen.
Aber vermutlich wird es so sein, daß es in 30 bis 50 Jahren fast keine"manuellen" Arbeiten mehr gibt. Die Jobs die es geben wird werden fast ausnahmslos Jobs sein für welche sehr große Fähigkeiten benötigt werden. Viele Menschen werden das einfach nicht schaffen.
Jeder Mensch hat ein gewisses Potenzial das er vielleicht noch nicht bis zum Rande ausschöpft (dann müßten wir nur noch lernen und uns weiterbilden und sonst gar nichts mehr außer essen und schlafen) aber irgendwo hat auch jeder Mensch individuell seine Grenze des Könnens, Wissens und Verstehens.
Viele Arbeitsplätze sind daher gar nicht mehr besetzbar. Dieses Szenario für die nächsten 30 bis 50 Jahre (vielleicht auch noch länger) ist nicht gerade ermunternd aber ich weiß im Moment auch noch nicht wie man dieses Problem lösen soll. Ein Großteil der Menschen wird also in Zukunft einfach keine Arbeit mehr finden. So sehr sie sich auch anstrengen.
Nun möchte ich den Kreis schließen und auf die Unterstützung des Staates zurückkommen. Ich bin sehr wohl der Meinung, daß man Menschen die"Null Bock auf Arbeit" haben die Leistungen zumindest drastisch kürzen sollte aber was ist mit denen die alles versuchen und trotzdem nicht aus dem Sumpf rauskommen. Und was können dessen Kinder denn dann dafür.
Um es etwas zu überspitzen: In dreißig Jahren könnte es dann auf dem"Arbeitsamt" heißen:"Tja sie gehören halt auch zu den 35% die heute keine Arbeit mehr finden. Sie bestehen viele Punkte in unserem Einstufungstest einfach nicht und können viele Arbeiten von vornherein schon mal gar nicht machen"
Streicht man diesen Menschen (die nicht mal unbedingt dann was dafür können) die Leistungen des Staates so auf ein Minimum herunter, daß die Kinder der"Armen" bzw."Dummen" (aber anständigen und engangierten) zu fünft in einem Zimmer sind und die Kinder der Intelligenten alle ihr eigenes Zimmer haben dann fallen wir in Gesellschaftsformen zurück wie zu Zeiten vor der französischen Revolution. Im Adel geboren bleibst du in der Regel dort und wenn man in der Arbeiterschicht geboren ist hat man keine oder kaum noch eine Chance da rauszukommen.
Natürlich sind auch die Argumente derer zu verstehen, die dann später die Jobs haben und dafür studiert haben und dann einen MEHRWERT gegenüber denen haben wollen die keine Arbeit mehr bekommen. Ich selbst studiere ja auch und kann das durchaus daher nachvollziehen. Jedoch kann es nicht die Lösung sein allen die keine Arbeit mehr finden radikal alles EXTREM wegzustreichen. Genausowenig kann es aber die Lösung sein, daß jemand der Arbeitet weniger hat wie jemand der Sozialhilfe empfängt. Das kann auch nicht sein.
Aber welche Lösungen gibt es??
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-- ELLI --
03.02.2003, 13:52
@ Sascha
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Re: kleine Ergänzung / Sascha!!!!!! |
-->Schön, dass du mal wieder da bist! [img][/img]
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Dieter
03.02.2003, 14:16
@ Wal Buchenberg
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Tarifverträge aushebeln - Super! |
-->Also Wal, ich pers. finde es ausgesprochen gut, wenn es Möglichkeiten gibt, Tarifverträge zu unterwandern, zu unterlaufen oder einfach zu ignorieren.
Es gab Zeiten, da wurde in meinen Branchen durchweg deutlich über Tarif gezahlt, (heute zahle ich nur noch leicht über Tarif) es werden auch Zeiten kommen, bei denen ich unter Tarif zahlen werde. Ich pers. habe mich noch nie an Tarifverträge gebunden gefühlt und meine Mitarbeiter wollten bislang auch keinen Betriebsrat gründen obwohl sie natürlich könnten (ich glaube, ich müßte sogar einen freistellen).
Gewerkschaften, Betriebsräte mögen für kapitaldominierte Mittelstands/Großbetriebe ihren Sinn haben. Für den Rest der Wirtschaft (schätze mal 80 - 90%) allerdings nicht.
Von daher kann ich immer nur begrüßen, wenn die Macht der Gewerkschaften untergraben wird.
Gruß Dieter
>Länger arbeiten - weniger verdienen.
>
>Vor dem Arbeitsgericht sind erschienen die Betriebsratsvorsitzende eines großen Schulbuchverlages mit Rechtsanwalt als Klägerin und der Personalchef des Verlages mit Rechtsanwalt als Beklagte.
>Der Verlag hatte schon im Jahr 2001 mehrere Leute mit Vertragsklauseln eingestellt, denen der Betriebsrat nicht zustimmte. Trotz fehlender Zustimmung des Betriebsrates wurden diese Leute von dem Verlag seither beschäftigt und bezahlt. Das Zustimmungsrecht des Betriebsrates zu Einstellungen, Eingruppierungen und Arbeitszeiten steht nur auf Papier.
>
>In den neuen Arbeitsverträgen stand: „Es gilt die 35-Stunden-Woche. Her/Frau XY ist damit einverstanden, dass er/sie jährlich 220 Stunden Mehrarbeit leistet.“ 220 Überstunden im Jahr machen pro Woche 5 Überstunden.
>Die 35-Stunden-Woche gilt nur auf dem Papier. In der Arbeitswelt dieses Verlages gilt für die Neueingestellten die 40 Stundenwoche. Extra bezahlt werden diese Stunden nicht. Im Gegenteil. Die Personalleitung hatte Controller, die eigentlich nach dem Manteltarifvertrag des Druckgewerbes in die Tarifgruppe VI eingruppiert gehören, nur nach Tarifgruppe V eingestellt. Das macht beim Einstiegsgehalt einen Fehlbetrag von rund 400 Euro, der mit den Altersgruppen noch anwächst.
>
>Nun wurde mithilfe des Arbeitsgerichts folgende Einigung erzielt:
>1) Der Betriebsrat stimmt der Einstellung von... (es folgen die jeweiligen Namen)... zu.
>2) Der Betriebsrat stimmt der vertraglich geregelten Arbeitszeit zu. Es gilt die 35-Stundenwoche mit jährlich 220 Stunden Mehrarbeit.
>3) Ein Arbeitsplatz für reine Controllertätigkeit wird in Tarifgruppe VI eingruppiert. Da der/die Mitarbeiter/in.... (Name)... nur zu 20% Controllertätigkeiten und zu 80% Dokumentationsaufgaben erledigt, wird er/sie in Tarifgruppe V eingruppiert, erhält aber rückwirkend zum Einstellungstag eine unwiderrufliche, nicht anrechenbare Zulage von 180 Euro, die tarifdynamisch entsprechend dem Tarifgehalt erhöht wird.
>(Zum Punkt drei wäre vielleicht anzumerken, dass meines Wissens für die Eingruppierung nicht die „reine“ Tätigkeit, sondern die „überwiegende“ Tätigkeit zählt, und dass dabei nicht das aktuelle, sondern das angestrebte Tätigkeitsfeld entscheidend ist.)
>
>Die bei diesem Verlag Neueingestellten arbeiten regelmäßig 20 Stunden mehr im Monat, erhalten aber 220 Euro weniger als ihnen tarifvertraglich zusteht. So werden Tarifverträge ausgehebelt. „Pacta servanda sunt“ dieser fromme Wahlspruch gilt vielleicht zwischen Kapital und Kapital, aber nicht zwischen Kapital und Lohnarbeit.
>Wal Buchenberg, 30.01.03.
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Euklid
03.02.2003, 14:48
@ Dieter
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Re: Tarifverträge aushebeln - Super! |
-->>Also Wal, ich pers. finde es ausgesprochen gut, wenn es Möglichkeiten gibt, Tarifverträge zu unterwandern, zu unterlaufen oder einfach zu ignorieren.
>Es gab Zeiten, da wurde in meinen Branchen durchweg deutlich über Tarif gezahlt, (heute zahle ich nur noch leicht über Tarif) es werden auch Zeiten kommen, bei denen ich unter Tarif zahlen werde. Ich pers. habe mich noch nie an Tarifverträge gebunden gefühlt und meine Mitarbeiter wollten bislang auch keinen Betriebsrat gründen obwohl sie natürlich könnten (ich glaube, ich müßte sogar einen freistellen).
>Gewerkschaften, Betriebsräte mögen für kapitaldominierte Mittelstands/Großbetriebe ihren Sinn haben. Für den Rest der Wirtschaft (schätze mal 80 - 90%) allerdings nicht.
>Von daher kann ich immer nur begrüßen, wenn die Macht der Gewerkschaften untergraben wird.
>Gruß Dieter
Hallo Dieter
Du hast völlig Recht denn was sind lumpige 220 h im Jahr wenn damit die Firma langfristg gerettet werden kann?
Bevor ein Betriebsrat bezahlt und eingestellt wird würde ich lieber dieses unnötige Geld dafür opfern um die Bezahlung zu erhöhen ohne mich dauernd durch einen Betriebsrat um meine Zeit bringen zu lassen.
Der soziale Frieden in der Firma ist auch etwas wert und ich kenne niemand der hier Sklaven beschäftigt oder beschäftigen will.
Gruß EUKLID
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Ecki1
03.02.2003, 17:12
@ Sascha
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Re: kleine Ergänzung |
-->Aber welche Lösungen gibt es??
Die Preis- und Qualitätsniveaus von Produkten und Dienstleistungen werden sich dann eben viel stärker aufspreizen, als man dies bislang kennt. Ich glaube, die Industriestaaten werden sich"brasilianisieren": Da sich die Staatsquote ohne massiven Widerstand der Bevölkerung nicht mehr steigern lässt und der informelle Wirtschaftssektor entsprechend wächst, wird sich dieser Trend wahrscheinlich fortsetzen. Letztendlich wird jeder, ob schlau oder nicht, einen Job haben, aber eben häufig ausserhalb des offiziellen Arbeitskartells. So wird man etwa shoe-shine boys und eine höhere Schwarzbautenquote auch nördlich der Pyrenäen in Europa antreffen.
Gruss!Ecki
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R.Deutsch
03.02.2003, 17:39
@ Sascha
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@Sascha - Kleine Ergänzung zur Ergänzung |
-->Hallo Sascha,
Du schreibst:
Viele Arbeitsplätze sind daher gar nicht mehr besetzbar. Dieses Szenario für die nächsten 30 bis 50 Jahre (vielleicht auch noch länger) ist nicht gerade ermunternd aber ich weiß im Moment auch noch nicht wie man dieses Problem lösen soll. Ein Großteil der Menschen wird also in Zukunft einfach keine Arbeit mehr finden. So sehr sie sich auch anstrengen.
Du gehst von der Vorstellung aus, dass es nur eine begrenzte Menge an Arbeit gebe, die „gerecht“ auf die Menschen verteilt werden müsse. Diese Prämisse ist falsch, denke ich. Es gibt prinzipiell unendlich Arbeit auf dieser Welt, einfach weil die Bedürfnisse der Menschen praktisch unendlich sind. Ein freier Markt kann das Problem der Bezahlung (Gegenleistung) auch lösen, weil in einem freien Markt das Angebot sich seine Nachfrage schafft.
Der beste praktische Beweis für diese These ist die Entfaltung der kapitalistischen Wirtschaft im Goldstandard. Leider wurde diese Entwicklung vom Wohlfahrtsstaat (mit ständig steigenden Arbeitslosenzahlen) abgelöst und wohl erst nach dem bankrott des Wohlfahrtsstaates wieder in Gang gebracht. Eine Ironie der Geschichte ist es, dass diese Entwicklung wohl zuerst in Russland und China wieder in Gang kommt.
Gruß
RD
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Black Raven
03.02.2003, 23:07
@ Sascha
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@Sasche, mal ein paar Überlegungen dazu |
-->Lieber Sascha,
es ist eine interessante Thematik, die du da ansprichst und ein sehr philosophisches Thema, über das man stundenlang diskutieren könnte.
Arbeit gibt es zu jeder Zeit immer genug, weil der Mensch als schöpferisches Wesen stets genug davon erzeugen kann.
Die Lösung (und auch die Ursache) der Probleme liegt im Bewußtsein der Menschen verankert.
Jeder Mensch hat Eigenschaften, die er in die Gemeinschaft einbringen kann, die für irgendeinen andereren Menschen"wertvoll" sind (schon die reine Existenz kann wie ein Katalysator für einen anderen Menschen wirken). Es ist letztendlich eine Frage des Bewußtseins, wie sich die Menschen als einzelnes Subjekt im Rahmen einer Gemeinschaft begreifen.
Solange man die Arbeit an irgendwelche"Denkberechtigungsscheine" (z.B. Studienplatz in Verbindung mit NC, Eignungstests) zu bestehenden Berufsbildern (aber nicht Berufungen) koppelt, und die Menschen um die Früchte Ihrer Erschaffenskraft bringt (Staat), solange werden die bestehenden Mißstände weitergehen.
Der Staat ist kein lebendiges Wesen und kann aus sich nichts hervorbringen. Er kann als Staat nur von der Erschaffenskraft der einzelnen Subjekte leben und dadurch Erscheinung werden. Der Staat muß in der Übernahme der Erschaffenskraft des einzelnen diesen in seiner Erscheinung zerstören.
Der Staat ist also grundsätzlich ein Problem (hier in diesem Forum immer wieder schön dargestellt) und muß deswegen auf ein absolutes Minimum reduziert werden! Jeder Ruf eines Individuums nach dem Staat (Subventionen, Sozialleistungen, Arbeitsplätze etc.) stärkt diesen und führt in der letzten Konsequenz zur Zerstörung des eigenen Individuums (Aufgabe des eigenständigen Handelns) und anderer Individuen (denen etwas per Zwang genommen wird, damit der"Rufer" es bekommt).
Leistungen des Staates sind immer genauestens zu hinterfragen. Hilfe, die anonym erfolgt (z.B. durch eine Behörde), erzeugt auf lange Sicht Haß (wenn etwas nicht mehr gewährt oder gekürzt wird), Hilfe die persönlich gewährt wird, erzeugt Dankbarkeit. Keiner wird daran gehindert, einem anderen Menschen in Not zu helfen.
Wer jedoch seine Individualität mit einer"Gruppen-Identität" überlagert hat, wird alles unterstützen, was die"Gruppen-Identität" stärkt und alles bekämpfen, was diese in Frage stellt (schön zu erkennen an"wir" und"die (da)"). Ein wunderbares Spielchen, denn dann können die"Gruppen-Identitäten" aufeinander losgelassen werden. Schafft viel sinnlosen Zeitvertreib und lenkt von den eigentlichen Problemen ab...
Ich denke, es ist kein Fehler, Arbeitsabläufe zu rationalisieren und durch Maschinen auszuführen zu lassen, wenn die Menschen die dadurch gewonnene Zeit dann für Ihre Eigenentwicklung einsetzen würden - allerdings wurden die"Zeit- und Bewußtseinsvernichtungsmaschinen" Fern-Seher (bloß nix in der eigenen Umgebung erkennen) wohl genau deswegen erfunden, damit dies möglichst verhindert wird ;-).
Hinzukommen müßte meiner Ansicht nach aber auch die breite Beteiligung der Menschen an der Kapitalbasis der produzierenden Betriebe (direkt, keine Fonds, wegen Einflußnahme auf Geschicke der Firma), damit das Einkommen, das aus der Arbeit der Maschinen herrührt, möglichst vielen zugute kommt. Das müssen die Menschen aber wollen.
Aber um mal auf deine verschwindenden manuellen Tätigkeiten einzugehen, davon gibt es durchaus genug:
Ich kannte mal eine"alte" Frau (ca. 63), die war technisch sicher nicht die hellste und hatte als Ausbildung"nur" Hausfrau, aber sie war ein herzensguter Mensch, die viel Güte ausgestrahlt hat. Wenn solch ein Mensch auf meine Kinder aufpassen und ihnen z.B. Geschichten erzählen würde, während ich mit komplexen Computernetzwerken beschäftigt bin, wüßte ich meine Kinder in guten Händen. Bei diesem Menschen zählt der persönliche Eindruck. Irgendwelche Berechtigungsscheine à la Kindergärtnerin oder Sozialpädagogin (nichts gegen Kindergärtnerinnen oder Sozialpädagoginnen) brauch ich dafür nicht. 63 Jahre?,"keine" Ausbildung? zu alt -> also schwer vermittelbar -> ALU und Sozialhilfe. Nein, unbezahlbar! Ich habe viel von ihr gelernt. Bin ich mit ihr zufrieden, kann ich sie an andere weiterempfehlen. Dazu braucht es kein Arbeitsamt.
Das wäre ein (Teil-) Arbeitsplatz der entstehen könnte.
Ich kannte einen"einfachen" Menschen (Anfang 60), der einen grünen Daumen zu besitzen schien. Von den"Segnungen unserer Zivilisation" hatte er wenig Ahnung, aber wie man einen Garten mit Liebe gestaltet, so daß sich die Seele dann in der Blumenpracht baden konnte (und das beginnende Magengeschwür nach dem streßigen Tag sich wieder abbaute), das wußte er. 60 Jahre,"keine" Ausbildung, also schwer vermittelbar? Nein, unbezahlbar! Vielen Dank für die schöne Blumenpracht.
Ich habe einen Garten ums Haus herum. Das wäre ein (Teil-) Arbeitsplatz, der entstehen könnte.
Ich wollte immer Klavier-Spielen lernen, habe aber aufgrund meines stressigen Arbeitsalltages eher keine Zeit dafür. Würde mir der Staat wie in alten Zeiten nur den Zehnten nehmen, bliebe genug für das übrig, außerdem müßte ich dann nicht soviel arbeiten und hätte mehr Zeit. Das wäre ein (Teil-) Arbeitsplatz, der entstehen könnte.
Abends bin ich oft verspannt und eine Massage würde mir sicher gut tun, ist mir aber ehrlich gesagt zu teuer und irgendein"Wehwehchen" zu erfinden, damit ich das auf Kasse bezahlt bekomme, liegt mir nicht. Außerdem, wer kommt denn noch um 20.00 Uhr zu jemanden nach Hause (nicht ich will in die Praxis, der Masseur soll kommen) und gibt einem dort eine Massage (gut die eigene Frau, stimmt, unbezahlbar:-)? Das wäre ein (Teil-) Arbeitsplatz, der entstehen könnte
Das waren jetzt alles Tätigkeiten, die noch manuell zu entrichten sind.
Ich denke, da fallen dem einen oder anderen noch ganz andere Möglichkeiten ein. Ein Arbeitsplatz muß auch nicht nur bei einem Arbeitgeber sein, als Dienstleister habe ich auch mehrere Kunden, für die ich tätig bin.
Beim Dienst am Menschen und für den Menschen gibt es noch sehr viel Arbeit, aber zuwenig gerechte Entlohnung und auch teilweise zuwenig gesellschaftliche Anerkennung - und auch nicht immer Arbeitszeiten von 08:00 - 16:30 Uhr.
Vielen fehlt schlicht und ergreifend das Geld, um derartige Dienstleistungen nachzufragen, weil das Problem"Staat", also unser fehlgeleitetes Bewußtsein über den Menschen und die Gesellschaft, die Menschen um die Früchte ihrer Arbeit bringt.
Einigen fehlt das Verständnis, daß viel Eigentum auch dazu eingesetzt werden kann, anderen etwas z.B. über In-Anspruchnahme von Dienstleistungen oder Mäzenentum zukommen zu lassen. Noch anderen fehlt die Einsicht, daß jeder seines Glückes Schmied ist, und er nicht einfach auf Kosten anderer leben sollte, solange er seinen Teil dazu beitragen kann.
Die vor uns liegende Staats- und Wirtschaftskrise bietet eine gute Gelegenheit, wieder menschlicher zu werden und den erstickenden Staat zurückzunehmen. Wo viel Schatten ist, ist auch viel Licht. Blicken wir optimistisch in die Zukunft, was immer sie auch bringen mag, und nutzen wir die uns zur Verfügung stehende Kreativität.
Gruß
Black Raven
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-- ELLI --
03.02.2003, 23:18
@ Black Raven
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Re: @Sasche, mal ein paar Überlegungen dazu / wunderbarer Beitrag! (owT) |
-->
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Sascha
04.02.2003, 12:52
@ R.Deutsch
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Re: @Sascha - Kleine Ergänzung zur Ergänzung |
-->Hallo Reinhard!
Vielleicht habe ich es etwas mißverständlich ausgedrückt. Ich gehe nicht unbedingt von einer begrenzten Arbeit aus die verteilt werden muß. Ich könnte mir vorstellen, daß die Anforderung an die Arbeitnehmer ansteigen. D.h. es werden durch den technischen Fortschritt zwar durchaus neue Arbeit und neue Arbeitsplätze geben (man denke an die gesamte PC-Branche seit etwa den 80er-Jahren und die vielen Arbeitsplätze bei Microsoft, IBM bis hin zu Symantec oder SAP) aber es fallen vor allem Arbeitsplätze weg für die"relativ" einfache Qualifikationen benötigt werden während die neuen Arbeistplätze die entstehen oft höhere Qualifikationen erfordern. Ich sehe daher eher das Problem das es zwar genug Arbeit gibt aber diese nicht mal gemacht werden kann weil es die Menschen mit den Fähigkeiten nicht unbedingt gibt.
Viele Grüße,
Sascha
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