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WOLFGANG SCHÄUBLE
Powell hat Täuschungen des Irak sehr deutlich gemacht
Fraktionsvize Wolfgang Schäuble har sich im Deutschlandfunk zur Rede von Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat geäußert.
Jochen Spengler: War das für Sie überzeugend, was Powell gestern vorgelegt hat?
Wolfgang Schäuble: Es war im Grunde eine Bestätigung dessen, was man schon aus den vorherigen Veröffentlichungen wusste, was man aus dem Bericht von Blix und von dem, was uns die deutsche Bundesregierung vertraulich vom Bundesnachrichtendienst gesagt hat, wusste... Das Entscheidende ist, es geht nicht darum, den Irak dabei zu ertappen, dass er quasi eine Atombombe in der Hand hat, sondern es geht darum, dass der Irak die Resolution des Weltsicherheitsrates nicht erfüllt. Er muss ja aufklären, er muss sagen, welche Massenvernichtungswaffen er hat, beziehungsweise welche er hatte und wie sie beseitigt worden sind. Das müssen die Inspektoren überprüfen. Der Irak... täuscht fortlaufend die Völkergemeinschaft. Das ist durch die... Beweise, die Powell vorgelegt hat, sehr anschaulich geworden.
Spengler: Ist die Bedrohung durch den Irak so groß und akut, dass ein Krieg jetzt gerechtfertigt wäre?
Schäuble: Ich glaube, dass das nicht die entscheidende Fragestellung ist, sondern die entscheidende Fragestellung ist, welche Mittel hat die Völkergemeinschaft, um zu erreichen, dass der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht lächerlich gemacht wird, sondern seine Politik, dass Massenvernichtungswaffen nicht verbreitet werden dürfen, auch durchgesetzt wird...
Spengler: Würden Sie trotzdem sagen, dass die Zeit nicht mehr lange ist, bis die entscheidende Frage ist, ob die Bedrohung so akut ist?
Schäuble: Ich glaube, das haben alle Regierungen der Europäischen Union einschließlich der deutschen Bundesregierung gesagt. Die Zeit geht zu Ende... Je geschlossener die Weltgemeinschaft, und vor allem die Europäer einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, diese Position vertreten, umso größer ist die Chance, dass man militärische Gewalt letzten Endes gar nicht anwenden muss.
Spengler: Warum ist für die Drohkulisse unbedingt die Bundesrepublik notwendig?
Schäuble: Die Drohkulisse heißt, die Weltgemeinschaft, die zivilisierte Welt, wie sie in den Vereinten Nationen zusammenarbeitet mit allen Mängeln, aber doch gerade beim Irak mit einer gewissen Effizienz, die lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen, sondern sie setzt es notfalls durch. Das sagen alle, auch in Deutschland: Die Drohkulisse muss man aufbauen. Aber wenn man dann sagt, falls du nicht das machst, was von dir verlangt wird, was internationales Recht ist, dann geschieht auch nichts, wir werden die Drohung nicht realisieren, dann wirkt eine Drohung nicht... Wir haben die Situation, der Bundeskanzler fordert eine zweite Resolution des Weltsicherheitsrates, hat aber schon erklärt, Deutschland werde dagegen stimmen - das macht doch keinen Sinn.
Spengler: Aber Sie legten immer Wert auf eine enge Abstimmung Deutschlands mit Frankreich. Die gibt es doch jetzt.
Schäuble: Ja, aber Frankreich hat immer gesagt, dass es am Ende entscheiden wird, was es tun wird, während Deutschland im Gegensatz zu allen anderen - wir sind ja völlig isoliert - gesagt hat, was immer geschieht..., wir werden dagegen stimmen. Der Kanzler hat gestern wieder, bevor Powell dazu überhaupt gesprochen hat, gesagt, der kann sagen was er will, das ändert an meiner Haltung nichts. So ist man nicht mehr kooperationsfähig, so isoliert man sich, so zerstört man die europäische Partnerschaftsfähigkeit, schadet deneuropäisch-amerikanischen Beziehungen und man schwächt die UNO. Das ist der Alleingang Deutschlands... Frankreich hat immer gesagt, wir wollen, dass nur im Rahmen der UNO gehandelt wird - das ist die Position der CDU/CSU, das ist die Position der allermeisten -, aber wir werden uns jetzt nicht festlegen, sondern am Ende des Weges, welches die notwendige Entscheidung ist. Wir können ganz sicher sein, Frankreich wird, wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das als notwendig entscheidet, seinen Teil Verantwortung übernehmen. Ich sage übrigens vorher: Auch Deutschland wird sich aus dem gemeinsamen Handeln gar nicht freihalten können. In Wahrheit geht es ja darum, dass der Bundeskanzler den Menschen etwas versprochen hat, was er so gar nicht halten kann. Dafür sind wir viel zu stark in die europäische und internationale Integration eingebunden. Das ist auch ein Täuschungsmanöver. Man versucht jetzt zu verschleiern, dass man das, was man vor den Wahlen versprochen hat, nicht wird halten können.
Spengler:... Wenn Rumsfeld... Deutschland nun mit Kuba und Libyen auf eine Stufe stellt, indem er sagt, dass diese drei Länder angekündigt hätten, sie würden gar nichts tun, weder beim militärischen Vorgehen gegen den Irak noch beim Wiederaufbau, ist das gerechtfertigt und hilfreich für die deutsch-amerikanische Beziehung?
Schäuble: In Amerika ist auch nicht jede Äußerung so, dass man sie bei uns auf die Goldwaage legt... Objektiv ist es ja wahr, das sind tatsächlich die drei Länder, die gesagt haben: Was immer geschieht, wir nicht... Der Bundeskanzler hat vor der Bundestagswahl gesagt: Wir machen nichts, und wir werden auch nichts bezahlen, wir werden uns in keiner Weise beteiligen... Wir Deutsche müssen schon zur Kenntnis nehmen, es waren zunächst einmal Mitglieder der Bundesregierung, die den amerikanischen Präsidenten mit Hitler verglichen haben... Wir sollten da nicht so empfindlich sein, wir sollten endlich dazu kommen, dass wir eine verantwortliche Politik machen, die auch Europa nicht so schwächt und beschädigt, wie es in den letzten Wochen offensichtlich der Fall gewesen ist.
Spengler: Beschleicht Sie nie die Befürchtung, dass es manchen in der Bush-Administration auch um hegemoniale Gelüste gehen könnte?
Schäuble: Ich glaube erstens einmal, dass die Debatten in Amerika und in der amerikanischen Administration sehr viel seriöser und intensiver sind als sich das manche in Deutschland vorstellen, die glauben, das seien so ein paar ahnungslose Menschen, die leichtfertig handeln. Das ist überhaupt nicht mein Eindruck. Da wird sehr intensiv diskutiert... Die Art, wie Amerikaner reden und denken, ist uns ein Stück weit fremd... Die Sorge, dass wir uns gegenseitig nicht mehr verstehen und gegenseitig uns immer mehr Vorwürfe machen über den Atlantik, beschleicht mich schon. Ich bin weniger dafür verantwortlich, was in Amerika gedacht und geredet wird, sondern lege wirklich großen Nachdruck darauf, dass wir Deutsche darauf achten, dass die atlantische Bindung nicht schwächer wird und dass wir vor allen Dingen auch nicht Europa spalten. Wir werden in Amerika nur gehört, wenn wir eine gemeinsame europäische Stimme haben, wenn wir gemeinsam größere Beiträge zur Weltsicherheit leisten. Es geht ja letzten Endes darum, die Gefahren von Diktatoren, Aggressoren, Terroristen und Massenvernichtungswaffen für uns alle möglichst klein zu halten. Ohne die Amerikaner als verlässliche Partner haben wir keine Chancen...
Spengler: Können wir im Grunde nicht ein wenig stolz sein, dass ausgerechnet das Volk, von dessen Boden zwei Weltkriege ausgegangen sind, sich so schwer tut mit einem Irak-Krieg...?
Schäuble: Dass wir uns schwer tun mit der Anwendung militärischer Mittel nach den Erfahrungen von zwei Weltkriegen und unserer Verstrickung und unserer Schuld, das ist etwas, was alle anderen in der Welt respektieren. Ich glaube nicht, dass wir Grund haben, da besonders stolz darauf zu sein... Man muss gelegentlich daran erinnern, Auschwitz ist nicht durch Friedensgebete befreit worden, wie der Vorsitzende des Zentralrates der Juden gesagt hat, sondern durch alliierte Truppen. Bei solchen Diktatoren wie Saddam Hussein kann es am Ende sein, dass die moralisch bessere Lösung ist, man hindert sie rechtzeitig an Handlungen, die noch mehr Menschen das Leben kosten. Wäre man Hitler früher in den Arm gefallen, hätte der Zweite Weltkrieg nicht 55 bis 60 Millionen Tote gekostet darunter unendlich viele Deutsche. Auch daran muss man erinnern.
Mit Fraktionsvize Wolfgang Schäuble sprach Jochen Spengler (in: Deutschlandfunk vom 06.02.2003).
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