im Auftrag von Popeye: -- ELLI --
11.02.2003, 11:31 |
Geschichtliches zum Kerbstock/Tally Thread gesperrt |
-->Wegen der Formatierung als eigene HTML-Datei:
http://www.elliott-waves.de/forum/tally_bibliography.htm
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dottore
11.02.2003, 12:25
@ im Auftrag von Popeye: -- ELLI --
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Re: Spitzen-Arbeit! Zwei schnell Anmerkungen: |
-->Hi,
Popeye ist und bleibt der Größte!
Nur 2 schnelle Anmerkungen.
1. Tesserae waren so etwas wie antike Token (also Gut-Marken), z.B. bekannt die sehr gesuchten Bordell-Tesserae (offenbar konnte nicht in cash bezahlt werden). Ein paar Stücke (möglich auch zu anderen Zwecken) in nächster Auktion Gorny & Mosch (Antike).
2. Die Festucae (fistucae) sind nicht mittleres Latein (der Hinweis auf die Lex Salica stimmt freilich), sondern kommen m.W. schon in Quellen vor, die sich auf Verteilung der Beute per Feldherrn-Stab (= festuca) während der römischen Kriege BC beziehen.
Über das Festuca-Problem (dazu gibt es einen franz. Aufsatz, dessen Autor ich gerade nicht präsent habe, Titel sinngemäß"La baguette...") als ganz richtig bezeichnetes zentrales Phänomen hatte ich gerade erst publiziert.
Für den sog."Bischofsstab" gilt das selbe: Der"episcopus" war kein christlicher Bischof, sondern sitzend in cathedra derjenige, der rechtsfeste Eigentumsübertragungen vornahm. Daher im Codex Iustiniani auch die Passagen über"episcopi et clerici", wobei der Kleriker kein Preister, sondern Eigentümer war (von kläros = griech. Los, Eigentum).
Neueste Ausgabe, S. 520 ff.
Gruß und bewundernden Dank!
Um welches Forum handelt es sich, by the way?
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R.Deutsch
11.02.2003, 13:34
@ dottore
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Kann mich nur anschliesen - toll dieser Popeye |
-->hat ordentlich was auf dem Kerbholz (oder so?)
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R.Deutsch
11.02.2003, 13:36
@ dottore
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Kann mich nur anschließen - toll dieser Popeye |
-->hat ordentlich was auf dem Kerbholz
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Popeye
11.02.2003, 13:38
@ dottore
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Re: Spitzen-Arbeit! Zwei schnell Anmerkungen: |
-->>Hi,
>Popeye ist und bleibt der Größte!
>Nur 2 schnelle Anmerkungen.
>1. Tesserae waren so etwas wie antike Token (also Gut-Marken), z.B. bekannt die sehr gesuchten Bordell-Tesserae (offenbar konnte nicht in cash bezahlt werden). Ein paar Stücke (möglich auch zu anderen Zwecken) in nächster Auktion Gorny & Mosch (Antike).
Offenbar hatte das Wort 'Tesserae' - zumindest zeitweise - eine doppelte Bedeutung. Pliny z.B. schreibt eindeutig von 'tesseris', wenn er von den dafür geigneten Holzarten spricht.
>2. Die Festucae (fistucae) sind nicht mittleres Latein (der Hinweis auf die Lex Salica stimmt freilich), sondern kommen m.W. schon in Quellen vor, die sich auf Verteilung der Beute per Feldherrn-Stab (= festuca) während der römischen Kriege BC beziehen.
>Über das Festuca-Problem (dazu gibt es einen franz. Aufsatz, dessen Autor ich gerade nicht präsent habe, Titel sinngemäß"La baguette...") als ganz richtig bezeichnetes zentrales Phänomen hatte ich gerade erst publiziert.
Wenn Du zu diesen beiden Punkten Quellen hast wäre ich für Hinweise sehr dankbar!
>Für den sog."Bischofsstab" gilt das selbe: Der"episcopus" war kein christlicher Bischof, sondern sitzend in cathedra derjenige, der rechtsfeste Eigentumsübertragungen vornahm. Daher im Codex Iustiniani auch die Passagen über"episcopi et clerici", wobei der Kleriker kein Preister, sondern Eigentümer war (von kläros = griech. Los, Eigentum).
>Neueste Ausgabe, S. 520 ff.
Schau ich mir an. Danke!
>Gruß und bewundernden Dank!
>Um welches Forum handelt es sich, by the way?
EW natürlich!
Außerdem habe ich mich heftig mit Randall Wray gestritten, der sich zu folgender Behauptung verstieg (- ganz im Kontrast zu seinem chartalen Ansatz):
"but in any case, the stock was definitely money whether it was used as a medium of exchange or not. the crown issued the tally to move resources to the crown; it accepted the stock in payment of taxes. that is all we need. same story for private issues of tallies."
Denn dass der 'stock' vom 'exchequer' jemals als 'medium of exchange' = money akzeptiert wurde stimmt eben einfach nicht!
Im übrigen schreibt er ein Buch über Innes 'What is Money?"
Dank für die freundlichen und übertriebenen Worte auch an @R.Deutsch!
Popeye
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dottore
11.02.2003, 14:00
@ Popeye
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Re: Welcher"stock" war"money"? Der obere oder der untere Teil? |
-->Hi Popeye,
>Außerdem habe ich mich heftig mit Randall Wray gestritten, der sich zu folgender Behauptung verstieg (- ganz im Kontrast zu seinem chartalen Ansatz):
>"but in any case, the stock was definitely money whether it was used as a medium of exchange or not. the crown issued the tally to move resources to the crown; it accepted the stock in payment of taxes. that is all we need. same story for private issues of tallies."
Dann waren es also Steuerbescheide?
>Denn dass der 'stock' vom 'exchequer' jemals als 'medium of exchange' = money akzeptiert wurde stimmt eben einfach nicht!
Soweit mir die tallies ex exchequer und anderen"privaten Emittenten" geläufig sind, waren sie Schuldtitel, ausgegeben vom exchequer (gegen von ihm aufgenommene Schulden) und trugen eine entsprechende Aufschrift, die den exchequer et al. als Schuldner preisgab.
Eine Hälfte verblieb dann dort, die andere trug der Gläubiger (der dem exchequer oder den al. unter die Arme gegriffen hatte) und beim Abholen des Betrages oder beim Einreichen an Steuerzahlungs Statt (!) war zu erkennen, ob es"passte", also ähnlich wie bei den zerschnittenen Chirographen.
Allerdings waren oben ein"Loch", an dem teilweise mehrere Pergamentstreifen hingen, was auf so etwas wie Indossamente deutet, womit diese tallies zedierte Forderungen gegen den exchequer wurden. Ich weiß es aber nicht mehr so genau, wie die Texte lauteten, nur dass es solche"indossierten" (?) tallies gegeben hat.
Jedenfalls landeten die tallies in Massen in London, wo Zehntausende davon beim großen Brand von Westminster verbrannten. Der manische Sammler Philips (Schreibweise?) sammelte einige davon auf der Straße auf.
>Im übrigen schreibt er ein Buch über Innes 'What is Money?"
Tja, hoffentlich beantwortet er dann auch die Frage, wie jemand eine Schuld gegen sich kreieren und umlauffähig machen kann, der seinerseits keine Forderung gegen niemand hat - das alte HS-Problem.
Gruß!
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Popeye
11.02.2003, 14:28
@ dottore
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Re: Welcher"stock" war"money"? Der obere oder der untere Teil? |
-->Hallo @dottore,
der regelmäßig längere Teil (häufig mit Loch) verblieb dem Gläubiger und wurde 'stock' genannt, der kleinere hieß 'foil' (in 'D'"Einsatz") und war das Dokument des Schuldners.[Genau umgekehrt nur bei Hilary Jenkinso, 1911, S. 374)
Das Kerbholz wurde (in England) vornehmlich zum tax farming benutzt (durch 'sheriff') der die mit Namen versehenen 'foils' erhielt und später Silber von den Steuerschuldnern eintreiben mußte. Dann Abrechnung beim Exchequer - Exchequer Rolls.
Das Schatzamt hat aber auch eigene Anleihen begeben. In diesem Fall hielt der Geldgeber/Gläubiger den 'stock'. Hier sind Fälle bekannt bei denen der Stock zediert wurde (Gläubigertausch) bei denen diese Zettelchen am stock auftauchten, was eigentlich nur dann Sinn macht, wenn der Stock kein 'Inhaberpapier' war [s. M. Siegrist, Dialog...].
Grüße Popeye
>Hi Popeye,
>>Außerdem habe ich mich heftig mit Randall Wray gestritten, der sich zu folgender Behauptung verstieg (- ganz im Kontrast zu seinem chartalen Ansatz):
>>"but in any case, the stock was definitely money whether it was used as a medium of exchange or not. the crown issued the tally to move resources to the crown; it accepted the stock in payment of taxes. that is all we need. same story for private issues of tallies."
>Dann waren es also Steuerbescheide?
>>Denn dass der 'stock' vom 'exchequer' jemals als 'medium of exchange' = money akzeptiert wurde stimmt eben einfach nicht!
>Soweit mir die tallies ex exchequer und anderen"privaten Emittenten" geläufig sind, waren sie Schuldtitel, ausgegeben vom exchequer (gegen von ihm aufgenommene Schulden) und trugen eine entsprechende Aufschrift, die den exchequer et al. als Schuldner preisgab.
>Eine Hälfte verblieb dann dort, die andere trug der Gläubiger (der dem exchequer oder den al. unter die Arme gegriffen hatte) und beim Abholen des Betrages oder beim Einreichen an Steuerzahlungs Statt (!) war zu erkennen, ob es"passte", also ähnlich wie bei den zerschnittenen Chirographen.
>Allerdings waren oben ein"Loch", an dem teilweise mehrere Pergamentstreifen hingen, was auf so etwas wie Indossamente deutet, womit diese tallies zedierte Forderungen gegen den exchequer wurden. Ich weiß es aber nicht mehr so genau, wie die Texte lauteten, nur dass es solche"indossierten" (?) tallies gegeben hat.
>Jedenfalls landeten die tallies in Massen in London, wo Zehntausende davon beim großen Brand von Westminster verbrannten. Der manische Sammler Philips (Schreibweise?) sammelte einige davon auf der Straße auf.
>>Im übrigen schreibt er ein Buch über Innes 'What is Money?"
>Tja, hoffentlich beantwortet er dann auch die Frage, wie jemand eine Schuld gegen sich kreieren und umlauffähig machen kann, der seinerseits keine Forderung gegen niemand hat - das alte HS-Problem.
>Gruß!
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Liated mi Lefuet
11.02.2003, 17:04
@ Popeye
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Re: Welcher"stock" war"money"? Der obere oder der untere Teil? |
-->Sali Popeye, Dottore und Runde.
Zunächst: Auch ich möchte mich mal ganz herzlich bei Popeye bedanken für seine hochinteressanten www-Recherchen.
Noch ein Kommentar bzw. Ergänzungen:
<ul><font color=blue>der regelmäßig längere Teil (häufig mit Loch) verblieb dem Gläubiger und wurde 'stock' genannt, der kleinere hieß 'foil' (in 'D'"Einsatz") und war das Dokument des Schuldners.[Genau umgekehrt nur bei Hilary Jenkinso, 1911, S. 374)</ul></font>
Letzten Sommer habe ich Haselnuss-Holz im Wald geholt, um zu schauen, welchen Aufwand Kerbholz machen eigentlich darstellt. Es ist leicht, geht schnell und Kerbhölzer sind extrem fälschungssicher:
Skizze von 'stock' und 'foil' eines tally's:
<font face="Courier New, Courier, monospace">
<font color=white>.....</font>XXuXuXuXXXXXXXXXXX <-- tally-foil mit 3 Kerben
<font color=white>.....</font>¦
XXXXX¦
XXXXXXXuXuXuXXXXXXXXXXX <-- tally-stock mit 3 Kerben</font>
</font>
Durch die natürlich einzigartige Holzmaserung und das zufällige Spalten entsteht eine praktisch fälschungssichere Dokumentation.
Dass der längere Teil(stock) des tally's das Guthaben(=Aktiva) in Händen des Gläubigers darstellt bzw. der kürzere Teil des tally's die Schuld(Passiva) des Schuldners, ist m.E. zwingend logisch: Wäre es andersrum, also der längere Teil würde die Schuld(passiva) symbolisieren, könnte der Schuldner diesen längeren Teil einfach absägen, und könnte seine Schuld in ein gefälschtes Aktiva verwandeln und das so gefälschte Aktiva zedieren. Die tallies, so primitiv sie auf ersten Blick erscheinen, sind m.E. eine sehr kluge Methode.
Zum Schluss: Mir fällt noch ein, dass Georges Ifrah schreibt, dass -auch- in Frankreich noch vor wenigen hundert Jahren, private 'talliy-stocks' wie Wechsel zirkulierten.
Grüsse an Euch alle
Liated, nocheinmal dankend für die vielen *wichtige* Anregungen und Denkanstösse
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Popeye
11.02.2003, 18:02
@ Liated mi Lefuet
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Re: Welcher"stock" war"money"? Der obere oder der untere Teil? |
-->Hallo, @Liated mi Lefuet,
ich stimme Dir zu und Deine Überlegungen zur Fälschungssicherheit überzeugen.
Weiterhin ist die Etymologie der englischen Worte 'stock', 'stockholder' ziemlich eindeutig - siehe z.B.
stock
Ebenso eindeutig scheint die Herkunft des Wortes 'Buchstabe',
althochdeutsch 'buohstap' = 'Stab mit (Runen)Zeichen' wurde dann erst auf mhd. 'buoche' = '(Rot)Buche' bezogen und schließlich als 'Stab aus Buchenholz' aufgefasst.
Grüße
Popeye
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dottore
11.02.2003, 18:29
@ Popeye
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Re: Bleibt nur noch diese Frage: |
-->Wer hat sich mit der oberen Hälfte abspeisen lassen, ist also und warum in die Gläubigerposition abmarschiert?
Wer gab schon an wen etwas, das sichtbarlich wertvoller war als ein Stöckchen gegen ein Stöckchen her?
Der Schuldner (nehmen wir den exchequer) musste also"gut" gewesen sein. Andererseits konnte keiner in ihn vollstrecken (Machtfrage).
Also liegt nahe, dass der Schuldner (exchequer) damit einverstanden war, es mit seinen Forderungen (Steuern) saldieren zu lassen, ohne seinerseits in den (Steuer-)Schuldner zu vollstrecken, der zur"Abwehr" nur das Stöckchen zücken und übergeben musste und ansonsten ungeschoren blieb.
Damit hatte er (exchequer) de facto später fällige Steuern in früher an ihn ausgehändigte Steuern verwandelt.
Elegante Variante zum Thema: Wie komme ich früher an Geld als es mir"zusteht"?
Da die Stöckchen ohne Disagio ausgegeben wurden und kursierten (stimmt doch?), waren sie quasi Zwangsanleihen zum Nullzins. Genial! Dafür musste der exchequer (Staatsmacht) sehr mächtig gewesen sein. In Venedig, wo es diese Zwangsanleihen auch gab, musste immer 2 % geboten werden.
Auch dafür gibt es einen nachvollziehbaren guten Grund: Die Zeichner der Venezianer-Zwo-Prozenter waren identisch mit der Signoria (Adelclique).
Alles sehr lehrreich und besten Dank an Liated & Popeye (das mit dem Buchenstab war mir auch neu, die ganze Runen-Nummer erhellt sich jetzt auch immer mehr...)
Mit bestem Gruß!
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Popeye
11.02.2003, 18:51
@ dottore
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Re: Bleibt nur noch diese Frage: |
-->Hallo, @dottore,
"Also liegt nahe, dass der Schuldner (exchequer) damit einverstanden war, es mit seinen Forderungen (Steuern) saldieren zu lassen, ohne seinerseits in den (Steuer-)Schuldner zu vollstrecken, der zur"Abwehr" nur das Stöckchen zücken und übergeben musste und ansonsten ungeschoren blieb."
Ich wünschte ich hätte dazu was gefunden. Selbst in den 'Chronicles' (Chronica majora) of Matthew Paris habe ich rumgegraben - und nichts kam zu Tage.
Aber Deine Vermutung scheint mir plausibel.
Grüße
Popeye
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Liated mi Lefuet
11.02.2003, 23:12
@ dottore
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Re: Bleibt nur noch diese Frage: |
-->Sali Dottore et al.
<ul><font color=blue>Dottore: Wer hat sich mit der oberen Hälfte abspeisen lassen, ist also und warum in die Gläubigerposition abmarschiert?
Wer gab schon an wen etwas, das sichtbarlich wertvoller war als ein Stöckchen gegen ein Stöckchen her?</ul></font>
Wahrscheinlich könnte man sich folgendes vorstellen (vgl Innes): Gehen wir ca. 1000 Jahre in der Zeit zurück. Liat(=Vorfahre von Liated) machte ein Business mit Dottr(Vorfahre von Dottore). Liat hatte ein Kalb, aber Dottr hat ein Fass Wein, mit dem Liat nix anfangen kann: Nach Mainstream-Ã-konomie Luftibus-Theorie konnte so kein Business zustande kommen, wegen angeblichem Mangel an dem 'StandardTauschmittel-Geld-Dings'. Tatsache -die Sache die man tat- war vermutlich m.E. die: Liat und Dottr kerbten und spalteten ein tally für ihren Kalbs(ver)kauf: Liat gab Dottr das Kalb und den tally-foil(Schuld); Liat behielt den von Dottr signierten tally-stock(Guthaben), den er bei andern in der (kleinen, übersichtlichen) Gemeinschaft für Einkäufe weiter geben(indossieren) konnte. Voraussetzung dafür war lediglich, dass Dottr in der Gemeinschaft als 'kreditwürdig' anerkannt war, also Wein heraus rückte, sobald jemand mit einem von Dottr signierten tally-stock beim ihm vorstellig wurde.
Mit andern Worten: Ich denke, gerade die scheinbar primitiven 'tallies' sind m.E. genau die Prügel, über die die Mainstream Ã-konomik mit ihrer Theorie des 'Standard-Tauschmitteldings' eines Tages stolpern werden.
Grüsse an Dich und die Runde
Liated
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