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" Hamburg, 10. Okt (Reuters) - Eine Wirtschafts-Tageszeitung und mehrere Finanzmagazine neu auf dem Markt, Verjüngungskuren für die Business-Seiten vieler etablierter Blätter: Das ist die vorläufige Bilanz des Jahres 2000, das vermutlich als Wendejahr der Wirtschaftspresse in die deutsche Zeitungsgeschichte eingehen wird. Am Mittwoch stellt nun auch die"ZEIT" ihren neuen Wirtschaftsteil vor. Nach Ansicht von Experten könnte sie das Ende des Blätter-Booms und der Ressorts-Modernisierungen einläuten."Die Gründungswelle ist wahrscheinlich vorbei", sagt der Berliner Journalistik-Professors Stephan Ruß-Mohl.
Nach den Worten von Dieter Stürzebecher vom Institut für Journalistik und Kommunikation in Hannover haben auch die meisten überregionalen Zeitungen ihre Wirtschaftsteile bereits überarbeitet."Die Verlage haben erkannt, dass zu Zeiten des Börsenbooms mehr Interesse an Unternehmensnachrichten besteht", sagt Stürzebecher.
In der neuen"ZEIT"-Wirtschaft sollen Branchenkreisen zufolge künftig Trends in der Informationstechnologie und der New Economy aufgespürt und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft vermittelt werden. Die Branchen Kommunikation, Finanzen und Automobil sollten eine zentrale Rolle spielen. Schließlich solle das Layout nach Entwürfen des Zeitschriften-Designers Mario Garcia eine klare Leserführung bieten.
"Für den Relaunch des 'ZEIT'-Wirtschaftsteils war es wortwörtlich höchste Zeit", sagt Journalistik-Professor Ruß-Mohl weiter. Aber auch jetzt werde das"Lifting" dem Wochenblatt noch gut tun: Das"ZEIT"-Publikum erlaube es, dass die Redaktion das Blatt behutsam und auf qualitativ hohem Niveau an neue Themen heranführe. Zudem stehe die"ZEIT" als Wochenblatt nicht in direkter Konkurrenz zu Wirtschafts-Tageszeitungen wie dem etablierten"Handelsblatt" oder der im Frühjahr neu gegründeten"Financial Times Deutschland". Als Zeitung mit diversen Ressorts konkurriere sie auch nicht direkt mit den klassischen Wirtschaftsmagazinen wie"Capital" und der"Wirtschaftswoche" oder den Newcomern wie"Focus Money" oder"Euro am Sonntag".
Auf dem Markt dieser Business-Blätter könnte dagegen schon bald ein Verdrängungswettbewerb einsetzen, sagt Ruß-Mohl."Jetzt scheidet sich die Spreu vom Weizen." Diese Ansicht teilt auch sein Hannoveraner Kollege Stürzebecher."Der Sättigungsgrad ist erreicht", sagt der Medienforscher."Schließlich sind jetzt die wesentlichen Nischen des Marktes besetzt."
Doch noch scheint das Kalkül vieler Verleger aufzugehen, dass sich durch ein gesteigertes Interesse an Börsengängen, Umsätzen und Aktien auch die potenzielle Leserschaft vergrößert hat. Denn bisher verbuchten nicht nur einige Neulinge rasante Wachstumsraten, sondern auch die etablierten Wirtschaftsblätter konnten der unabhängigen Prüf-Gemeinschaft IVW zufolge ihre Auflagen halten oder sogar noch steigern.
So verkaufte der Axel-Springer-Verlag von seiner neuen Finanzzeitung"Euro am Sonntag" im zweiten Quartal 2000 durchschnittlich mehr als 200.000 Exemplare, beim Start der Zeitung Ende 1998 waren es noch 80.000 Stück. Der Burda-Verlag konnte mit seinem neuen Magazin"Focus Money" im zweiten Quartal 2000 knapp 150.000 Käufer überzeugen. Beim Start des Magazins im März war den Anzeigenkunden für dieses Jahr eine verkaufte Auflage von 80.000 Stück garantiert worden.
Der 1962 gegründete Magazin-Klassiker aus dem Haus Gruner+Jahr,"Capital", konnte gleichzeitig seine Auflage auf 265.000 Exemplare leicht ausbauen (zweites Quartal 1999: 263.000). Auch die"Wirtschaftswoche" von der Verlagsgruppe Handelsblatt legte im zweiten Quartal auf 194.000 verkaufte Exemplare zu (zweites Quartal 1999: 177.000).
Auch im Markt der täglichen Wirtschaftspresse hält der Wachstumstrend an: Die"Financial Times Deutschland" verkaufte eigenen Angaben zufolge in den vergangenen Monaten im Schnitt 60.000 Zeitungen täglich, Ende März waren es noch 50.000 Stück. Die Zeitung will in vier bis fünf Jahren mit einer Auflage von 100.000 bis 120.000 Stück die Gewinnschwelle erreichen. Der Hauptkonkurrent der"Financial Times Deutschland", das"Handelsblatt", konnte seine Auflage ebenfalls steigern: auf gut 166.000 verkaufte Zeitungen im zweiten Quartal 2000 nach knapp 152.000 im Vorjahreszeitraum."
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