silvereagle
04.03.2003, 15:31 |
Die Legende vom ''Wachstum'' Thread gesperrt |
-->Hallo,
vielleicht war dieses Thema ja schon mal hiesiger Diskussionsgegenstand, dennoch halte ich es für wichtig genug, es in einem"Börsen und Wirtschaftsforum allenfalls nochmals aufs Tapet zu bringen.
Die Legende vom Wachstum
Tagaus, tagein hören wir es - von nahezu allen Seiten. Ob aus dem Munde von Politikern aller Couleur, von Wirtschaftswissenschaftern, Journalisten, Uniprofessoren... All diese Personen sind sich ja bekanntlich äußerst selten in irgendwas einig, aber hier gibt es nirgendwo auch nur den kleinsten (hörbaren) Widerspruch:
"Wir brauchen Wachstum!"
Nun ist ja Wachstum an sich sicher nichts Schlechtes (wenn es nicht gerade um Seuchen oder Umweltverschmutzung geht). Und es besteht auch überhaupt kein Zweifel, dass z.B. ein schnelleres Flugzeug erstrebenswerter sein kann, als ein langsameres, ebenso wie ein größeres Angebot an Waren (zumindest für den Konsumenten) besser ist als etwa planwirtschaftlicher Einheitsbrei.
Dennoch wurde ja nicht zuletzt hierorts immer wieder festgestellt, dass man in aller Regel auch bei allmählichem Wachstum der Körperfülle kaum mehr als zwei Steaks pro Tag vertilgen wird können - und mehr als ein Liter Edel-Kognac am Tag wird auch nicht gerade bekömmlich sein. Will damit sagen: In nicht wenigen Bereichen gibt es (öko-logische) Grenzen dieses Wachstums, die zwar grundsätzlich jeder frei bestimmen kann, dennoch wird hier irgendwann mehr oder minder eine Sättigung (im wahrsten Sinne des Wortes) eintreten.
Darüber hinaus stellt sich aber die interessante Frage:"Warum eigentlich Wachstum?" Warum ist man sich gerade da so verdächtig einig? Warum ist es z.B. nicht genug, dass eine fünf-köpfige Familie zwei Autos besitzt? Warum ist es notwendig, dass da noch z.B. ein"Freizeit-Truck" oder"Urlaubs-Van" angeschafft wird? Nicht dass ich allen und jedem von solchen Zusatzinvestitionen abraten würde (wer hätte nicht gern selbst so einen Riesen in der Garage stehen?); aber warum BRAUCHEN wir eigentlich solche Exzesse? Wobei eigentlich das"WIR" (also: die Wirtschaft als fiktives"Ganzes") noch mehr zu betonen wäre, als das"Brauchen".
Anders gefragt: Geht unsere Zivilisation denn unter, wenn sich nicht alle zwei Jahre die Taktgeschwindigkeiten der PC-Prozessoren verdoppeln? Ist es mit uns allen schnell zu Ende, wenn die Bankguthaben mal (in Summe) ein paar Jahre stagnieren? Kann unser Staatsapparat nicht aufrechterhalten werden, wenn nicht Jahr für Jahr mehr und mehr Papier produziert wird, um die ebenso wachsende Flut an Vorschriften festzuhalten und zu vervielfältigen?
Vielleicht ist das ja naiv von mir, aber irgendwie bezweifle ich das. Also bleibt die Frage:
"Warum Wachstum?" Was macht es so essentiell, dass über alle Lager hinweg seine Bedeutung so eindringlich und alltäglich wiederholt wird? Zumindest bei diesem gesellschaftlichen Phänomen scheint ein weiteres Wachstum kaum noch denkbar. ;-)
Um nicht missverstanden zu werden: Wachstum in Frage zu stellen, heisst bitte nicht (automatisch), den (technischen) Fortschritt in Frage zu stellen. Ebenso stellt es - AFAIK - keine Forderung nach Stillstand dar.
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch mal ganz interessant, sich zu überlegen, was denn da eigentlich wachsen soll: Unter"Wirtschaft" kann man sich (zu Recht!) kaum etwas vorstellen. Soweit ich weiss, wird damit als Größe das"BIP" gemeint,"BruttoInlandsProdukt". Dies wiederum verstehe ich als die"Summe aller in einem Land erstellten Waren und Dienstleistungen, bewertet in GZ (gesetzliches Zahlungsmittel)".
Also nochmal: Warum soll es bitte notwendig sein, dass diese Summe ständig wachsen muss? Wo liegen die Gründe dafür?
Man hat ja wohl so seine Ahnungen - aber letztlich muss ich gestehen, dass mir noch niemand eine wirklich befriedigende Antwort dafür geben konnte. Vielleicht habe ich aber einfach nur die Falschen befragt... ;-)
Gruß, silvereagle
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Praxedis
04.03.2003, 16:00
@ silvereagle
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ganz einfach.... |
-->um die »unnatürlichen« Zinsen des FiatMoney bedienen zu können.... - oder sehe ich das zu pauschal, zu einfach?
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Toby0909
04.03.2003, 16:06
@ silvereagle
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endlich mal ein gutes Thema |
-->Hallo Silvereagle,
du sprichst mir aus"den Tasten". Ich wollte auch mal eine ähnliche Diskussion anzetteln - wobei mein Denkansatz leicht von deinem abweicht:
Warum muss der Unternehmensgewinn immer steigen?
Wenn die Mäuler der Vorstände gestopft sind, die Kredite bezahlt, die Mitarbeiter mit Anwesenheitsprämien versorgt wurden, neue Investitionen bezahlt und eine"mindest-dividende" bezahlt wurde, was brauche ich dann noch einen Gewinn? Und warum muss der im nächsten Jahr - wenn die Vorstandsmäuler mehr bekommen haben, die Dividende vielleicht ein bisserl angehoben wurde und die Mitarbeiter auch mehr verdienten - dann auch noch größer sein? Haben doch eh schon alle mehr bekommen.
Klar - da wird jetzt kommen: Eigenkapitalrendite und das Fehlen des Anreizes, wenn eine Mindestverzinsung nicht geboten ist und wenn die Firma wächst, dann muss auch der Gewinn steigen usw. und daß die Dividende ja nur aus dem Gewinn bezahlt wird - aber ich will mich hier nicht in buchhalterischen und betriebswirtschaftlichen Feinheiten abtun, sondern eher mal"philosophisch" tätig sein..... und das will ich an dieser Stelle gar nicht hören. Wenn im Folgejahr auch wieder ein Gewinn ausgewiesen wurde, dann müssten eigentlich alle glücklich sein - ich brauche nicht mehr Gewinn. Wichtig ist eigentlich nur, daß alles bezahlt ist - also das die Firma keinen Verlust macht.
Vielleicht gibt es auch gerade deshalb soviele erfolgreiche Familienunternehmen?! Diese scheinen nicht - oder nur marginal - zu wachsen - ansonsten wären sie ja Global Player - aber von denen hört man selten schlechtes - nur wenn dann ein"Studierter BWL´ler" von aussen an die Spitze kommt,dann wird expandiert und geshareholdervaluet bis zum umfallen und am Ende sind alle pleite.
Lieber Silvereagle - ich gehe also schon von einem Grundwachstum aus, weil ich sage, es soll ein (kleiner) Gewinn gemacht werden mit dem evtl. ein Wachstum bereits bezahlt ist. Aber ich frage in die selbe Richtung: Warum immer MEHR?
Warum sagt nicht mal einer: Das ist doch gut so - das reicht - wir verdienen jedes jahr GEld, alle können in den Urlaub fahren und fressen - fertig.
Toby
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Adalbert
04.03.2003, 16:25
@ Praxedis
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und vielleicht auch |
-->
um diejenigen zu besänftigen, die bei der Verteilung des BIP zu kurz kommen.
Das nennt man"Wachstumspakt".
Gruß
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André
04.03.2003, 16:36
@ silvereagle
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Re: Die Legende vom ''Wachstum'' - Bittere Notwendigkeit des Systems |
-->Wachstum brauchen wir allein des Finanzierungssystems (fiat money) willen.
Da werden dauernd neue Schuldkontrakte benötigt nur um die auflaufenden Zinsen zu bezahlen.
In einem reinen Goldsystem oder einem System ohne insbesondere Staatsverschuldungsmöglichkeiten kann amn prima ohne Wachstum leben,
(allerdings auch ohne gewerkschaftl. Lohnerhöhungen und mit konstanteren Preisen). Aber niemand der politischen Entscheidungsträger will das!!!!
Gruß
A.
>Hallo,
>vielleicht war dieses Thema ja schon mal hiesiger Diskussionsgegenstand, dennoch halte ich es für wichtig genug, es in einem"Börsen und Wirtschaftsforum allenfalls nochmals aufs Tapet zu bringen.
>Die Legende vom Wachstum
>Tagaus, tagein hören wir es - von nahezu allen Seiten. Ob aus dem Munde von Politikern aller Couleur, von Wirtschaftswissenschaftern, Journalisten, Uniprofessoren... All diese Personen sind sich ja bekanntlich äußerst selten in irgendwas einig, aber hier gibt es nirgendwo auch nur den kleinsten (hörbaren) Widerspruch:
>"Wir brauchen Wachstum!"
>Nun ist ja Wachstum an sich sicher nichts Schlechtes (wenn es nicht gerade um Seuchen oder Umweltverschmutzung geht). Und es besteht auch überhaupt kein Zweifel, dass z.B. ein schnelleres Flugzeug erstrebenswerter sein kann, als ein langsameres, ebenso wie ein größeres Angebot an Waren (zumindest für den Konsumenten) besser ist als etwa planwirtschaftlicher Einheitsbrei.
>Dennoch wurde ja nicht zuletzt hierorts immer wieder festgestellt, dass man in aller Regel auch bei allmählichem Wachstum der Körperfülle kaum mehr als zwei Steaks pro Tag vertilgen wird können - und mehr als ein Liter Edel-Kognac am Tag wird auch nicht gerade bekömmlich sein. Will damit sagen: In nicht wenigen Bereichen gibt es (öko-logische) Grenzen dieses Wachstums, die zwar grundsätzlich jeder frei bestimmen kann, dennoch wird hier irgendwann mehr oder minder eine Sättigung (im wahrsten Sinne des Wortes) eintreten.
>Darüber hinaus stellt sich aber die interessante Frage:"Warum eigentlich Wachstum?" Warum ist man sich gerade da so verdächtig einig? Warum ist es z.B. nicht genug, dass eine fünf-köpfige Familie zwei Autos besitzt? Warum ist es notwendig, dass da noch z.B. ein"Freizeit-Truck" oder"Urlaubs-Van" angeschafft wird? Nicht dass ich allen und jedem von solchen Zusatzinvestitionen abraten würde (wer hätte nicht gern selbst so einen Riesen in der Garage stehen?); aber warum BRAUCHEN wir eigentlich solche Exzesse? Wobei eigentlich das"WIR" (also: die Wirtschaft als fiktives"Ganzes") noch mehr zu betonen wäre, als das"Brauchen".
>Anders gefragt: Geht unsere Zivilisation denn unter, wenn sich nicht alle zwei Jahre die Taktgeschwindigkeiten der PC-Prozessoren verdoppeln? Ist es mit uns allen schnell zu Ende, wenn die Bankguthaben mal (in Summe) ein paar Jahre stagnieren? Kann unser Staatsapparat nicht aufrechterhalten werden, wenn nicht Jahr für Jahr mehr und mehr Papier produziert wird, um die ebenso wachsende Flut an Vorschriften festzuhalten und zu vervielfältigen?
>Vielleicht ist das ja naiv von mir, aber irgendwie bezweifle ich das. Also bleibt die Frage:
>"Warum Wachstum?" Was macht es so essentiell, dass über alle Lager hinweg seine Bedeutung so eindringlich und alltäglich wiederholt wird? Zumindest bei diesem gesellschaftlichen Phänomen scheint ein weiteres Wachstum kaum noch denkbar. ;-)
>Um nicht missverstanden zu werden: Wachstum in Frage zu stellen, heisst bitte nicht (automatisch), den (technischen) Fortschritt in Frage zu stellen. Ebenso stellt es - AFAIK - keine Forderung nach Stillstand dar.
>In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch mal ganz interessant, sich zu überlegen, was denn da eigentlich wachsen soll: Unter"Wirtschaft" kann man sich (zu Recht!) kaum etwas vorstellen. Soweit ich weiss, wird damit als Größe das"BIP" gemeint,"BruttoInlandsProdukt". Dies wiederum verstehe ich als die"Summe aller in einem Land erstellten Waren und Dienstleistungen, bewertet in GZ (gesetzliches Zahlungsmittel)".
>Also nochmal: Warum soll es bitte notwendig sein, dass diese Summe ständig wachsen muss? Wo liegen die Gründe dafür?
>Man hat ja wohl so seine Ahnungen - aber letztlich muss ich gestehen, dass mir noch niemand eine wirklich befriedigende Antwort dafür geben konnte. Vielleicht habe ich aber einfach nur die Falschen befragt... ;-)
>Gruß, silvereagle
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marsch
04.03.2003, 16:40
@ silvereagle
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Da passt die Geschicht vom mexikanischen Fischer. |
-->Ich glaube Baldur hat sie mal hier reingestellt. Für die die sie noch nicht kennen:
<table><table border="0" width="600"><tr><td><font face="Arial"><font size=5> </font></font><div align="Justify">
Ein Investmentbanker stand in einem kleinen mexikanischen Fischerdorf am Pier und beobachtete,wie ein kleines Fischerboot mit einem Fischer an Bord anlegte.
Er hatte einige riesige Thunfische geladen.Der Banker gratulierte dem Mexikaner zu seinem prächtigen Fang und fragte,wie lange er dazu gebraucht hatte.
Der Mexikaner antwortete:Ein paar Stunden nur.Nicht lange.
Daraufhin fragte der Banker,warum er denn nicht länger auf See geblieben ist,um noch mehr zu fangen.
Der Mexikaner sagte,die Fische reichen ihm,um seine Familie die nächsten Tage zu versorgen.Der Banker wiederum fragte:Aber was tun sie denn mit dem rest des Tages?
Der mexikanische Fischer erklärte:Ich schlafe morgens aus,gehe ein bißschen fischen,spiele mit meinen Kindern,mache mit meiner Frau Maria nach dem Mittagessen eine Siesta,gehe ins Dorf spazieren,trinke dort ein Gläßschen Wein und spiele Gitarre mit meinen Freunden.Sie sehen ich habe ein ausgefülltes Leben.
Der Banker erklärte:Ich bin ein Harvard-Absolvent und könnte ihnen ein bisschen helfen.Sie sollten mehr Zeit mit Fischen verbringen und mit dem Erlös ein größeres Boot kaufen.Mit dem Erlös hiervon wiederum könnten sie mehrere Boote kaufen,bis Sie eine ganze Flotte haben.Statt den Fang an einen Händler zu verkaufen,könnten Sie direkt an eine Fischfabrik verkaufen und schließlich eine eigene Fischverarbeitungsfabrik eröffnen.Sie könnten Produkte,Verarbeitung und Vertrieb selbst kontrollieren.Sie könnten dann dieses kleine Fischerdorf verlassen und nach Mexiko City oder Los Angeles und vielleicht sogar New York City umziehen,von wo aus Sie dann ihr florierendes Unternehmen leiten.
Der Mexikaner fragte: Und wie lange wird dies alles dauern?
Der Banker antwortete:So etwa 15 bis 20 Jahre
Und was dann?
Der Banker lachte und sagte:Dann kommt das Beste.Wenn die Zeit reif ist,könnten sie mit ihrem Unternehmen an die Börse gehen,ihre Unternehmensteile verkaufen und sehr reich werden.Sie könnten Millionen verdienen.
Millionen.Und dann?
Der Banker sagte:Dann könnten Sie aufhören zu arbeiten.
Sie könnten in ein kleines Fischerdorf an der Küste ziehen,morgens lange ausschlafen,ein bißschen fischen gehen,mit ihren Kindern spielen,eine Siesta mit ihrer Frau machen,in das Dorf spazieren,am Abend ein Gläßschen Wein genießen und mit ihren freunden Gitarre spielen.
------------
Ansonsten würde ich mal vermuten, daß es an den vielfach zitierten"new credits" liegt:
.....
Warum? Eben, weil es ohne"Gesetzliches" keine Ablösung ihrer alten Forderungen plus Sofort-Verwandlung in neue geben könnte. Zwischendurch soll auch mal was gekauft werden, Waren richtig zum Anfassen und so. Die werden aber nicht bezahlt, in dem Sinne, dass damit die Forderung, die der Käufer vor dem Kauf hat, erlischt, sondern der Käufer tritt nur seine Forderung an den Verkäufer ab.
Die ZB verlangt nun z. B. 2 %. Dann muss das bei ihr liegende Pfand, eben der Titel, mit 102 ausgelöst werden. Woher die 2 nehmen, die es doch gar nicht gibt? Die ZB hat doch nur 100 für das Pfand 100 als"Geld" emittiert.
Also müssen in Höhe der 2 zusätzliche"Gesetzliche" her, was wieder nur gegen Verpfändung von Titeln mit Noch-Laufzeit möglich ist.
.....
Aus: <a target=_blank href=http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemein/Zinseszins_von_Bankmaus.html> Zinseszins, Freddy & die ewig unbefriedigte ZB </a>
Dieses zusätzliche verdammt zum Wachstum.
</div></td></tr></table>
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Fondu
04.03.2003, 16:42
@ silvereagle
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Re: Die Legende vom ''Wachstum'' |
-->Hallo silvereagle, hallo Praxedis, hallo Forum,
ich lese schon eine Weile hier mit, habe mich aber noch nie zu Worte gemeldet, weil ich mich zu wenig mit den Dingen auskenne, ich lerne aber viel dazu, vor allem durch euch hier.
Das mit dem Wachstum hat mir auch keine Ruhe gelassen. Es ist anscheinend überhaupt keine Logik dahinter, zumindest nicht die eines gesunden Menschenverstandes, daß wir ständig wachsen müssen (wohin eigentlich?). Eines Tages fand ich ein Buch, das mir die Augen geöffnet hat. Es heißt"Zinswahnsinn" von Klaus Popp (ist hier sicher vielen bekannt) und im Web verfügbar (hier).
Aus Kapitel C: Gnadenloses Wachstum zur Rettung von Wohlstand? das folgende Zitat:
"Warum muß die Wirtschaft stetig wachsen?
Das Prinzip der kapitalistischen Wirtschaft ist das permanente Wachstum. Motor dieses Wachstums sind die Geldvermögen.
Die Überlegenheit des Geldes bedingt einen immer währenden positiven Zins. Hieraus ergibt sich das exponentielle Anwachsen der Geldguthaben. Wachsende Geldguthaben auf der einen Seite, bedingen aber entsprechend große Schuldenberge auf der anderen Seite. Ein Guthaben ist nur möglich, wenn man einen Schuldner hat. Somit müssen mit dem Anwachsen der Geldvermögen immer neue Schuldner gefunden werden, oder die derzeitigen Schuldner vergrößern ständig ihr Kreditvolumen. In der Praxis geschieht natürlich beides.
Mit der zunehmenden Schuldenmenge müssen die Kreditnehmer eine steigende Zinslast tragen. Um bei steigenden Zinszahlungen jedoch gleichbleibende Gewinne erwirtschaften zu können, muß ein Betrieb entsprechend rationalisieren, oder er ist gezwungen seine Produktion auszuweiten.
Ein weiterer Grund dafür, daß die volkswirtschaftliche Leistung ständig vergrößert werden muß, ist die Einkommensumverteilung, die sich aus den wachsenden Geldvermögen ergibt. Auf dem Hintergrund der bestehenden Geldordnung brauchen wir das ständige Wachstum, um die Verarmung breiter Bevölkerungsteile zu vermeiden. (Abb.)
Die Darstellung macht deutlich, daß bei einer Abkehr vom Wirtschaftswachstum all jene verarmen werden, die nicht von ihrem Vermögensertrag leben können. Und dies, obwohl bei Nullwachstum jedes Jahr genau soviel produziert wird wie im Vorjahr. Die Kapitaleinkommen wachsen *gnadenlos* auf Kosten der Arbeitseinkommen. Nur wer über ein ausreichend großes Einkommen aus Kapitalanlagen verfügt, kann bei Null-Wachstum seine Kaufkraft erhalten oder sogar noch steigern. Die Summe der Arbeitseinkommen schrumpft trotz gleichbleibender Leistung.
Für die meisten Betriebe ist Null-Wachstum über einen längeren Zeitraum ruinös, wenn steigende Zinslasten nicht in Form von steigenden Preisen oder durch Rationalisierung umgeschichtet werden können. Lediglich ein Familienbetrieb, der ohne fremdes Kapital auskommt und seine Gewinne vernünftig reinvestiert, kann über Generationen hinweg existieren, ohne zu expandieren. Ein Unternehmen dagegen, das mit viel Fremdkapital arbeitet, muß expandieren um steigende Zinsforderungen zu erwirtschaften. Schafft es dies nicht, ist ein Kapitalentzug mit negativen Auswirkungen auf die Produktion die Folge.
Da unsere Wirtschaft zu über 80 Prozent mit Fremdkapital[44] arbeitet und die Überschuldung permanent mit den Geldvermögen wächst, muß die Wirtschaft stetig wachsen, damit sie die anwachsende Kapitalbelastung aufbringen kann.
Wie gesagt, ich bin kein Experte, aber ich fand diese Erklärung außerordentlich einleuchtend, es war wie ein Aha-Erlebnis.
Gruß,
Michael
(Fondu ist nur nickname, mein Name war schon besetzt, habe aber keine Lust anonym zu posten)
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Herbi, dem Bremser
04.03.2003, 17:03
@ silvereagle
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Re: Die Legende vom ''Wachstum'' |
-->>Die Legende vom Wachstum
>"Wir brauchen Wachstum!"
>Edel-Kognac
>Freizeit-Truck
Schönes Thema, lieber silvereagle!
Also, mein derzeitiger Wirtschaftminister hat gesagt:
"Wir brauchen Wachstum - um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu kriegen."
Tja, so sind sie, die Sozialdemokraten.
Am Thema"Arbeitslosigkeit" kann man sie ampacken, am Bär.
Die Produzierenden brauchen (Weg-) Rationalisierungen oder niedrigere Löhne, um Wachstum zu generieren.
Beide reden vom Wachstum - und schon isses da.
Apropos..Kognak: Remy.. M.
Apropos Hollycar: Austin M.
Gruß
Herbi
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mat
04.03.2003, 17:18
@ André
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Hat der Goldstandard nicht auch eine Liquiditätsfalle bei 0%? |
-->Hallo!
>Wachstum brauchen wir allein des Finanzierungssystems (fiat money) willen.
>Da werden dauernd neue Schuldkontrakte benötigt nur um die auflaufenden Zinsen zu bezahlen.
>In einem reinen Goldsystem oder einem System ohne insbesondere Staatsverschuldungsmöglichkeiten kann amn prima ohne Wachstum leben,
>(allerdings auch ohne gewerkschaftl. Lohnerhöhungen und mit konstanteren Preisen). Aber niemand der politischen Entscheidungsträger will das!!!!
>Gruß
>A.
>
Wenn positive Zinsen positive Wachstumsraten benötigen, und es beim Goldstandard auch eine Liquiditätsfalle bei 0% gibt, dann braucht auch der Goldstandard ewiges Wachstum oder?
mat
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André
04.03.2003, 17:56
@ mat
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Re: Hat der Goldstandard nicht auch eine Liquiditätsfalle bei 0%? |
-->>Hallo!
>>Wachstum brauchen wir allein des Finanzierungssystems (fiat money) willen.
>>Da werden dauernd neue Schuldkontrakte benötigt nur um die auflaufenden Zinsen zu bezahlen.
>>In einem reinen Goldsystem oder einem System ohne insbesondere Staatsverschuldungsmöglichkeiten kann amn prima ohne Wachstum leben,
>>(allerdings auch ohne gewerkschaftl. Lohnerhöhungen und mit konstanteren Preisen). Aber niemand der politischen Entscheidungsträger will das!!!!
>>Gruß
>>A.
>>
>Wenn positive Zinsen positive Wachstumsraten benötigen, und es beim Goldstandard auch eine Liquiditätsfalle bei 0% gibt, ??? dann braucht auch der Goldstandard ewiges Wachstum oder?
>mat
Nicht bekannt, dass es unter Goldstandard ausgeprägte Perioden mit 0% Zins gegeben hätte, wie z.Zt.in Japan.
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mat
04.03.2003, 18:06
@ André
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Re: Hat der Goldstandard nicht auch eine Liquiditätsfalle bei 0%? |
-->>>Hallo!
>>>Wachstum brauchen wir allein des Finanzierungssystems (fiat money) willen.
>>>Da werden dauernd neue Schuldkontrakte benötigt nur um die auflaufenden Zinsen zu bezahlen.
>>>In einem reinen Goldsystem oder einem System ohne insbesondere Staatsverschuldungsmöglichkeiten kann amn prima ohne Wachstum leben,
>>>(allerdings auch ohne gewerkschaftl. Lohnerhöhungen und mit konstanteren Preisen). Aber niemand der politischen Entscheidungsträger will das!!!!
>>>Gruß
>>>A.
>>>
>>Wenn positive Zinsen positive Wachstumsraten benötigen, und es beim Goldstandard auch eine Liquiditätsfalle bei 0% gibt, ??? dann braucht auch der Goldstandard ewiges Wachstum oder?
>>mat
>Nicht bekannt, dass es unter Goldstandard ausgeprägte Perioden mit 0% Zins gegeben hätte, wie z.Zt.in Japan.
Naja. Empirisch lässt sich die Nichtexistenz von etwas nicht beweisen. Es könnte ja sein, dass die deflationären Niedrigzinsphasen gar nicht stattgefunden haben, weil bevor sie stattgefunden hätten auf ein Fiat-Money-System gewechselt wurde.
Rein theoretisch sehe ich bei niedrigen Zinsen (niedrigen Wachstumsraten) die gleichen Probleme wie beim derzeitigen Fiat-Money-System. Wie seht ihr das?
mat
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Frank
04.03.2003, 18:50
@ silvereagle
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Re: Die Legende vom ''Wachstum'' |
-->Der Grund für den Wachstumszwang liegt im zinsbehafteten Geldsystem, bei Creutz & Co. kann man sich darüber informieren. Auch das Thema Wachstum wird dort ausführlich abgehandelt.
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MC Muffin
04.03.2003, 18:55
@ silvereagle
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Re: Die Legende vom ''Wachstum'' |
-->Die Antwort ist für mich einfach. Wenn man an dem System nichts verbessern will oder kann und die Abgaben nicht reichen, bleibt nur die Hoffnung auf Wachstum, das den Anschein erweckt das dann alles reicht.
Wachstum ist die letzte Hoffnung der Verdamten. Denn das Gegenteit wäre Staatsschrumpfung, aber wer gibt schon gerne was ab von denen die nichts tun müssen für ihr Auskommen.( nichts Sinnvolles )
MFG
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ingobert
04.03.2003, 19:25
@ silvereagle
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finanzmathematisch gesehen wegen des Zinseszinseffektes bei der... |
-->Staatsverschuldung.
Läßt man die Zahlen weg, dann noch deshalb, weil die Industrialisierung uns mehr und mehr Arbeit abnimmt, was ja eigentlich sehr positiv ist!
Das Problem ist, daß die Gesllschaft es nicht schafft, mit diesem"weniger an Arbeit" umzugehen. Z.B. ist sie nicht fähig, die verbleibende Arbeit gleichmäßig zu verteilen. (einige arbeiten 12h/Tag, andere gar nicht)
viele Grüße, ingo
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Jacques
04.03.2003, 20:12
@ silvereagle
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Re: Die Legende vom ''Wachstum'' |
-->>Hallo,
>vielleicht war dieses Thema ja schon mal hiesiger Diskussionsgegenstand, dennoch halte ich es für wichtig genug, es in einem"Börsen und Wirtschaftsforum allenfalls nochmals aufs Tapet zu bringen.
>Die Legende vom Wachstum
>Tagaus, tagein hören wir es - von nahezu allen Seiten. Ob aus dem Munde von Politikern aller Couleur, von Wirtschaftswissenschaftern, Journalisten, Uniprofessoren... All diese Personen sind sich ja bekanntlich äußerst selten in irgendwas einig, aber hier gibt es nirgendwo auch nur den kleinsten (hörbaren) Widerspruch:
>"Wir brauchen Wachstum!"
>Nun ist ja Wachstum an sich sicher nichts Schlechtes (wenn es nicht gerade um Seuchen oder Umweltverschmutzung geht). Und es besteht auch überhaupt kein Zweifel, dass z.B. ein schnelleres Flugzeug erstrebenswerter sein kann, als ein langsameres, ebenso wie ein größeres Angebot an Waren (zumindest für den Konsumenten) besser ist als etwa planwirtschaftlicher Einheitsbrei.
>Dennoch wurde ja nicht zuletzt hierorts immer wieder festgestellt, dass man in aller Regel auch bei allmählichem Wachstum der Körperfülle kaum mehr als zwei Steaks pro Tag vertilgen wird können - und mehr als ein Liter Edel-Kognac am Tag wird auch nicht gerade bekömmlich sein. Will damit sagen: In nicht wenigen Bereichen gibt es (öko-logische) Grenzen dieses Wachstums, die zwar grundsätzlich jeder frei bestimmen kann, dennoch wird hier irgendwann mehr oder minder eine Sättigung (im wahrsten Sinne des Wortes) eintreten.
>Darüber hinaus stellt sich aber die interessante Frage:"Warum eigentlich Wachstum?" Warum ist man sich gerade da so verdächtig einig? Warum ist es z.B. nicht genug, dass eine fünf-köpfige Familie zwei Autos besitzt? Warum ist es notwendig, dass da noch z.B. ein"Freizeit-Truck" oder"Urlaubs-Van" angeschafft wird? Nicht dass ich allen und jedem von solchen Zusatzinvestitionen abraten würde (wer hätte nicht gern selbst so einen Riesen in der Garage stehen?); aber warum BRAUCHEN wir eigentlich solche Exzesse? Wobei eigentlich das"WIR" (also: die Wirtschaft als fiktives"Ganzes") noch mehr zu betonen wäre, als das"Brauchen".
>Anders gefragt: Geht unsere Zivilisation denn unter, wenn sich nicht alle zwei Jahre die Taktgeschwindigkeiten der PC-Prozessoren verdoppeln? Ist es mit uns allen schnell zu Ende, wenn die Bankguthaben mal (in Summe) ein paar Jahre stagnieren? Kann unser Staatsapparat nicht aufrechterhalten werden, wenn nicht Jahr für Jahr mehr und mehr Papier produziert wird, um die ebenso wachsende Flut an Vorschriften festzuhalten und zu vervielfältigen?
>Vielleicht ist das ja naiv von mir, aber irgendwie bezweifle ich das. Also bleibt die Frage:
>"Warum Wachstum?" Was macht es so essentiell, dass über alle Lager hinweg seine Bedeutung so eindringlich und alltäglich wiederholt wird? Zumindest bei diesem gesellschaftlichen Phänomen scheint ein weiteres Wachstum kaum noch denkbar. ;-)
>Um nicht missverstanden zu werden: Wachstum in Frage zu stellen, heisst bitte nicht (automatisch), den (technischen) Fortschritt in Frage zu stellen. Ebenso stellt es - AFAIK - keine Forderung nach Stillstand dar.
>In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch mal ganz interessant, sich zu überlegen, was denn da eigentlich wachsen soll: Unter"Wirtschaft" kann man sich (zu Recht!) kaum etwas vorstellen. Soweit ich weiss, wird damit als Größe das"BIP" gemeint,"BruttoInlandsProdukt". Dies wiederum verstehe ich als die"Summe aller in einem Land erstellten Waren und Dienstleistungen, bewertet in GZ (gesetzliches Zahlungsmittel)".
>Also nochmal: Warum soll es bitte notwendig sein, dass diese Summe ständig wachsen muss? Wo liegen die Gründe dafür?
>Man hat ja wohl so seine Ahnungen - aber letztlich muss ich gestehen, dass mir noch niemand eine wirklich befriedigende Antwort dafür geben konnte. Vielleicht habe ich aber einfach nur die Falschen befragt... ;-)
>Gruß, silvereagle
Vor Jahren schon habe ich gescheiten Leuten gefragt, ob
geforscht werde, wie die ideale Wirtschaftsordnung auszusehen hätte,
welche nahezu Vollbeschäftigung bei mininim realen Wirtschaftswachstum
garantiere
(Ein gewisses Mass an Wirtschaftswachstum ist schon deshalb
notwendig, um mit dem Bevölkerungswachstum schrittzuhalten)
Hingegen ist Wirtschaftswachstum nicht zwingend notwendig, wenn es nur
darum geht, Besitz zu mehren, Luxes zu erwerben etc. etc.
Wirtschaftswachstum ist aber deshalb auch notwendig, weil Unwägbarkeiten
(Naturereignisse, fehlende Nachfolge in UN, Unvermögen von UN etcl.)
Reservekapazitäten schaffen müssen.
0-Wirtschaftswachstum ist nicht realistisch.
Gruss
ohne reales
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SchlauFuchs
05.03.2003, 08:46
@ silvereagle
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Meine 2 Cents |
-->Hallo,
Ein Aspekt, der in diesem Thread wohl noch nicht erwähnt wurde (vielleicht habe ich es überlesen), ist der leicht dekadente Denkansatz. Fünfköpfige Familie, die sich ein Freizeitauto zulegt! Schonmal daran gedacht, daß auf dieser Welt weniger als 1 Prozent der Menschen reich sind, daß ein unglaublicher Teil an und unter der Armutsgrenze lebt? Wachstum kann auch dazu dienen, materiellen Reichtum und Fortschritt in die Gebiete zu bringen, die bis jetzt davon verschont wurden.
Zugegeben ist das jetzt idealistisch und entspricht nicht der Praxis. Bei der BüSo hatten wir mal durchgerechnet, wenn in Indien jeder so viel Strom verbrauchen wollte, wie wir es hier im Durchschnitt tun, müßten über 400 neue Atomkraftwerke gebaut werden. Und eines ist für mich sicher, Energie zu haben ist Grundvoraussetzung für Wohlstand.
ciao!
SF
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