Philipp Steinhauer
15.03.2003, 16:50 |
Flassbeck:"Es muss wohl noch schlimmer kommen" Thread gesperrt |
-->"Es muss wohl noch schlimmer kommen"
Heiner Flassbeck, ehemals Staatssekretär im Kabinett Schröder,
kommentiert
in einem Gastbeitrag für die"FR" die Kanzlerrede
Mit Einschnitten für Arbeitslose, Rentner und Beschäftigte will
Bundeskanzler Gerhard Schröder den Sozialstaat zukunftsfähig gestalten.
Eine
Herausnahme des Unfallschutzes aus den Leistungen der Krankenkassen aber
hat
er in seiner Rede im Bundestag abgelehnt. Dies war die einzig größere
Überraschung in der mit Spannung erwarteten Regierungserklärung. Das
meiste
war schon in den Tagen zuvor durchgesickert. Das Investitionspaket zur
Belebung der Wirtschaft fällt bescheiden aus. Die konjunkturellen Folgen
analysiert Heiner Flassbeck, Chefökonom der UN-Organisation Unctad. Auf
der
folgenden Seite sind einige Kommentare aus Wissenschaft und Wirtschaft
zusammengefasst.
Von A wie Arbeitslosengeld bis Z wie Zahnersatz reicht die"Agenda
2010",
mit der der Bundeskanzler gestern die Wende in der Wirtschaftspolitik
einläuten wollte. Hatten wir so etwas nicht schon einmal gehört. Seltsam
vertraut klangen die Begriffe, die uns da präsentiert wurden: Das
"milliardenschwere" Kreditprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau
(KfW)
etwa fehlte in keinem der vielen 20-, 40- oder 90-Punkte-Programme, mit
denen uns schon Kanzler Kohl alle paar Jahre weismachen wollte, jetzt
werde
alles anders.
Kündigungsschutz lockern, Sozialausgaben senken, Bürokratie abbauen,
Gesundheit bezahlbar machen, alles schon mal da gewesen, alles nichts
gebracht. Nach der monatelangen Hartz-Arie, die die Arbeitslosigkeit
halbieren sollte, jetzt also eine Agenda 2010. Dass die Beibehaltung der
Leistungen für Zahnersatz weder Wachstum noch Arbeitsplätze schafft,
muss
man nicht lange erläutern, dass man aber im Jahre 2003 immer noch ohne
rot
zu werden vorgeben kann, mit dem"Spielgeld" der Kreditanstalt
konjunkturell
etwas bewegen zu wollen, ist beeindruckend.
Dass die Binnennachfrage darniederliegt, hat man erkannt, aber welche
Schlussfolgerungen sind daraus gezogen worden? Zu Recht hat der
Bundeskanzler festgestellt, dass"ohne konjunkturpolitisches
Gegensteuern
die Reformen ins Leere laufen". Er hat aber zugleich deutlich gemacht,
dass
die Investitionsförderung via KfW keine"kurzfristiges
Konjunkturprogramm
mit Strohfeuereffekt sein wird, weil dafür weder neue Schulden
aufgenommen
werden, noch die Steuern erhöht werden".
Genau damit hat er aber dem"konjunkturpolitischen Gegensteuern" von
vorneherein jeden Sinn genommen. Im Kern läuft die Ã-konomie der Agenda
folglich darauf hinaus, durch die Kürzung des Arbeitslosengeldes und die
Umfinanzierung der Sozialhilfe die Gemeinden zu entlasten und auf diese
Weise ein paar öffentliche Investitionen zu finanzieren. Oder anders:
Die
Arbeitslosen finanzieren jetzt den Straßenbau der Gemeinden. Ist das
nicht
eine gute Idee, fragten schon vor einigen Wochen die Kolumnisten einer
Reihe
von"Fachzeitschriften": Wir finanzieren öffentliche Investitionen statt
den
Konsum der Transferempfänger. Das ist nicht nur für die Bauindustrie
gut, es
schafft auch Arbeitsplätze für die älteren und arbeitslosen Bauarbeiter,
die
nun nur noch Sozialhilfe statt Arbeitslosengeld erhalten.
Nichts zeigt besser als ein solcher Kurzschluss, wie groß die Konfusion
in
der wirtschaftspolitischen Debatte in Deutschland ist. Nein, es ist eine
absurde Idee und bei einem Hauch von Vernunft würden Unternehmen und
Gewerkschaften gemeinsam dagegen auf die Barrikaden gehen. Wenn man die
Leistungen für Arbeitslose um drei Milliarden kürzt, sind im gleichen
Augenblick drei Milliarden Gewinne der Unternehmen und ein paar tausend
Arbeitsplätze verloren. Den Menschen nahe am Existenzminimum bleibt
nämlich
nichts übrig, als ihren Gürtel noch enger zu schnallen und, so schwer es
jedem einzelnen fallen mag, auf drei Milliarden Ausgaben insgesamt zu
verzichten, die den Unternehmen fehlen. Wenn die Gemeinden mit den neu
gewonnenen drei Milliarden Straßen bauen, entstehen zwar neue
Arbeitsplätze
und neue Einkommen an anderer Stelle, aber per Saldo ist außer
Umverteilung
nichts gewesen.
Der Bundeskanzler hat jedoch erstaunlicherweise die ganze Rede unter das
Motto gestellt"Wir können nur verteilen, was wir vorher erwirtschaftet
haben". De facto hat er mit dieser Agenda ein Programm vorgestellt, das
nur
umverteilt, ohne etwas zu erwirtschaften. Um die Unternehmen anzuregen,
etwas Neues zu wagen, in Kapital und in Arbeit zu investieren, genügt es
bei
andauernder wirtschaftlicher Flaute nicht, mit ein paar Millionen einige
Kredite durch die KfW verbilligen zu lassen. Diese werden mitgenommen
von
Betrieben, die ohnehin investieren wollten, ohne dass sich das Geringste
an
der Lage ändert. Wer etwas für Investitionen und neues Wachstum tun
will,
muss richtiges Geld in die Hand nehmen.
Richtiges Geld wären, sagen wir, 20 Milliarden für öffentliche
Investitionen
oder für ein Vorziehen der gesamten Steuerreform. Solches Geld aber ist
nicht da, sagt Wolfgang Clement seit Wochen, obwohl auch er gerne etwas
mehr
ausgeben möchte. Hier liegt der Hund begraben. Offenbar hat die deutsche
Wirtschaftspolitik nicht begriffen, dass man mit Geld, das schon da ist,
auf
keinen Fall Wachstum und Beschäftigung fördern kann. Der Staat verfügt,
ohne
Kredite aufzunehmen, immer nur über Geld, das er anderen abgenommen hat.
Wer
anderen Geld abnimmt, um es selbst wieder auszugeben, bewirkt
selbstverständlich wieder genau nichts außer Umverteilung. Das ist oft
sinnvoll in einer sozialen Marktwirtschaft, hat wiederum aber mit der
Nachfrageseite der Volkswirtschaft, die der Bundeskanzler doch
hochzuhalten
vorgibt, nichts zu tun.
Wer tatsächlich glaubt, dass"die Reformen ohne konjunkturpolitisches
Gegensteuern ins Leere laufen", muss sich trauen, wie das die
französische
Regierung tut, den Europäischen Stabilitätspakt und seine unsinnige
Knebelung der Finanzpolitik in der längsten Stagnationsphase der
Nachkriegsgeschichte, offensiv und massiv in Frage zu stellen. Wer das
glaubt, muss auch eine weit offensivere Politik der Europäischen
Zentralbank
einfordern, wenngleich es jetzt für effektive Zinssenkungen wohl schon
zu
spät ist. Das Missverständnis, das die ganze Schrödersche Agenda
durchzieht,
ist der Glaube, es gebe zu den klassischen, die Konjunktur anregenden
Maßnahmen wie Zinssenkung und staatliche Defizitpolitik irgendeine
ernsthafte Alternative. Das angebotene Sammelsurium von
Angebotspetitessen,
Umverteilung zulasten der Arbeitslosen und das Spielgeld der
Kreditanstalt
werden verpuffen wie bei allen anderen Programmen dieser Art vorher.
Nur wenn der Staat neue Kredite aufnimmt, also die vorhandenen
Ersparnisse
der privaten Haushalte nutzt, um selbst zu investieren, oder das
Einkommen
anderer - ohne Umverteilung - zu erhöhen, können die Gewinne der
Unternehmen
wirklich steigen, kann Neues geschehen, kann sich die Volkswirtschaft
aus
der Stagnation lösen. Das mag man Strohfeuer nennen, weil es natürlich
nur
für eine Zeit wirkt, wenn sich die Unternehmen durch die Verbesserung
ihrer
Situation nicht selbst zu neuer Kreditaufnahme anregen lassen. Ohne
dieses
Strohfeuer am Anfang gibt es aber gar kein Feuer, keine Wärme und keine
Verbesserung der Lebensbedingungen. Wer aber immer noch glaubt, die
Kombination von temporär höherer staatlicher Verschuldung und - im
gleichen
Atemzug höheren Gewinnen der Unternehmen - sei eine Belastung
zukünftiger
Generationen, muss Berater haben, für die das kleine Einmaleins hohe
Wissenschaft ist.
Dafür spricht einiges, denn sonst wäre der Bundeskanzler von diesen
Beratern
auch darauf hingewiesen worden, dass - jenseits der alltäglichen
Propaganda
von Interessenvertretern - Deutschland weder ein Lohn- noch ein
Lohnnebenkostenproblem hat. Die Löhne zuzüglich der Lohnnebenkosten
steigen
in Deutschland seit zwanzig Jahren weniger stark als die Produktivität.
Insbesondere seit 1996 ist diese Tendenz stärker ausgeprägt als jemals
zuvor
und stärker als in allen vergleichbaren Ländern der Welt. Der"für eine
gewisse Zeit substanzielle Abschlag des Lohnanstiegs von der neutralen
Lohnrate", den die Bundesbank jüngst in ihrer Kampfschrift einforderte,
existiert längst. Er hat nur nichts bewirkt - außer eine
binnenwirtschaftliche Nachfrageschwäche. Weil die Reallöhne seit Jahren
nicht mehr steigen und die Beschäftigung zugleich sinkt, stagniert der
private Verbrauch, und nicht, weil die Verbraucher verunsichert wären
oder
gar den"Käuferstreik" proben.
Im Februar dieses Jahres waren - unter Ausschaltung von Saisoneinflüssen
-
4,35 Millionen Menschen arbeitslos. Allein in den letzten beiden Monaten
sind 150 000 Menschen zusätzlich arbeitslos geworden. Dem standen 380
000
offene Stellen gegenüber. Wer glaubt, man müsse Arbeitslose"ermutigen",
Arbeit zu suchen, um das Problem zu lösen, wird kläglich scheitern. Es
muss
wohl noch schlimmer kommen, bevor es besser wird. In weniger als sechs
Monaten wird über richtiges Geld gesprochen werden und, nicht zu
vergessen,
über richtige Politik.
[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau 2003
Dokument erstellt am 14.03.2003 um 18:40:01 Uhr
Erscheinungsdatum 15.03.2003
|
Dieter
15.03.2003, 17:22
@ Philipp Steinhauer
|
"Es muss wohl noch schlimmer kommen", damit faster back es auch merkt |
-->Wo werden die Konsumartikel produziert, die Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosenhilfeempfänger konsumieren? In Deutschland doch nicht, bei den hohen Lohnnebenkosten.
Außer 10 Stellen in der Importindustrie würden Fl.becks Ideen nichts bringen.
Wieso sagt dieser Mensch nicht ehrlich was er will. Nämlich eine weiterführende Umverteilung von den Trägern von Leistung zu den Trägern des Konsums, von der zukünftigen Generation zur heutigen.
Gruß Dieter
Chefökonom der UN-Organisation Unctad. Auf
>der
>folgenden Seite sind einige Kommentare aus Wissenschaft und Wirtschaft
>zusammengefasst.
>Von A wie Arbeitslosengeld bis Z wie Zahnersatz reicht die"Agenda
>2010",
>mit der der Bundeskanzler gestern die Wende in der Wirtschaftspolitik
>einläuten wollte. Hatten wir so etwas nicht schon einmal gehört. Seltsam
>vertraut klangen die Begriffe, die uns da präsentiert wurden: Das
>"milliardenschwere" Kreditprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau
>(KfW)
>etwa fehlte in keinem der vielen 20-, 40- oder 90-Punkte-Programme, mit
>denen uns schon Kanzler Kohl alle paar Jahre weismachen wollte, jetzt
>werde
>alles anders.
>Kündigungsschutz lockern, Sozialausgaben senken, Bürokratie abbauen,
>Gesundheit bezahlbar machen, alles schon mal da gewesen, alles nichts
>gebracht. Nach der monatelangen Hartz-Arie, die die Arbeitslosigkeit
>halbieren sollte, jetzt also eine Agenda 2010. Dass die Beibehaltung der
>Leistungen für Zahnersatz weder Wachstum noch Arbeitsplätze schafft,
>muss
>man nicht lange erläutern, dass man aber im Jahre 2003 immer noch ohne
>rot
>zu werden vorgeben kann, mit dem"Spielgeld" der Kreditanstalt
>konjunkturell
>etwas bewegen zu wollen, ist beeindruckend.
>Dass die Binnennachfrage darniederliegt, hat man erkannt, aber welche
>Schlussfolgerungen sind daraus gezogen worden? Zu Recht hat der
>Bundeskanzler festgestellt, dass"ohne konjunkturpolitisches
>Gegensteuern
>die Reformen ins Leere laufen". Er hat aber zugleich deutlich gemacht,
>dass
>die Investitionsförderung via KfW keine"kurzfristiges
>Konjunkturprogramm
>mit Strohfeuereffekt sein wird, weil dafür weder neue Schulden
>aufgenommen
>werden, noch die Steuern erhöht werden".
>Genau damit hat er aber dem"konjunkturpolitischen Gegensteuern" von
>vorneherein jeden Sinn genommen. Im Kern läuft die Ã-konomie der Agenda
>folglich darauf hinaus, durch die Kürzung des Arbeitslosengeldes und die
>Umfinanzierung der Sozialhilfe die Gemeinden zu entlasten und auf diese
>Weise ein paar öffentliche Investitionen zu finanzieren. Oder anders:
>Die
>Arbeitslosen finanzieren jetzt den Straßenbau der Gemeinden. Ist das
>nicht
>eine gute Idee, fragten schon vor einigen Wochen die Kolumnisten einer
>Reihe
>von"Fachzeitschriften": Wir finanzieren öffentliche Investitionen statt
>den
>Konsum der Transferempfänger. Das ist nicht nur für die Bauindustrie
>gut, es
>schafft auch Arbeitsplätze für die älteren und arbeitslosen Bauarbeiter,
>die
>nun nur noch Sozialhilfe statt Arbeitslosengeld erhalten.
>Nichts zeigt besser als ein solcher Kurzschluss, wie groß die Konfusion
>in
>der wirtschaftspolitischen Debatte in Deutschland ist. Nein, es ist eine
>absurde Idee und bei einem Hauch von Vernunft würden Unternehmen und
>Gewerkschaften gemeinsam dagegen auf die Barrikaden gehen. Wenn man die
>Leistungen für Arbeitslose um drei Milliarden kürzt, sind im gleichen
>Augenblick drei Milliarden Gewinne der Unternehmen und ein paar tausend
>Arbeitsplätze verloren. Den Menschen nahe am Existenzminimum bleibt
>nämlich
>nichts übrig, als ihren Gürtel noch enger zu schnallen und, so schwer es
>jedem einzelnen fallen mag, auf drei Milliarden Ausgaben insgesamt zu
>verzichten, die den Unternehmen fehlen. Wenn die Gemeinden mit den neu
>gewonnenen drei Milliarden Straßen bauen, entstehen zwar neue
>Arbeitsplätze
>und neue Einkommen an anderer Stelle, aber per Saldo ist außer
>Umverteilung
>nichts gewesen.
>Der Bundeskanzler hat jedoch erstaunlicherweise die ganze Rede unter das
>Motto gestellt"Wir können nur verteilen, was wir vorher erwirtschaftet
>haben". De facto hat er mit dieser Agenda ein Programm vorgestellt, das
>nur
>umverteilt, ohne etwas zu erwirtschaften. Um die Unternehmen anzuregen,
>etwas Neues zu wagen, in Kapital und in Arbeit zu investieren, genügt es
>bei
>andauernder wirtschaftlicher Flaute nicht, mit ein paar Millionen einige
>Kredite durch die KfW verbilligen zu lassen. Diese werden mitgenommen
>von
>Betrieben, die ohnehin investieren wollten, ohne dass sich das Geringste
>an
>der Lage ändert. Wer etwas für Investitionen und neues Wachstum tun
>will,
>muss richtiges Geld in die Hand nehmen.
>Richtiges Geld wären, sagen wir, 20 Milliarden für öffentliche
>Investitionen
>oder für ein Vorziehen der gesamten Steuerreform. Solches Geld aber ist
>nicht da, sagt Wolfgang Clement seit Wochen, obwohl auch er gerne etwas
>mehr
>ausgeben möchte. Hier liegt der Hund begraben. Offenbar hat die deutsche
>Wirtschaftspolitik nicht begriffen, dass man mit Geld, das schon da ist,
>auf
>keinen Fall Wachstum und Beschäftigung fördern kann. Der Staat verfügt,
>ohne
>Kredite aufzunehmen, immer nur über Geld, das er anderen abgenommen hat.
>Wer
>anderen Geld abnimmt, um es selbst wieder auszugeben, bewirkt
>selbstverständlich wieder genau nichts außer Umverteilung. Das ist oft
>sinnvoll in einer sozialen Marktwirtschaft, hat wiederum aber mit der
>Nachfrageseite der Volkswirtschaft, die der Bundeskanzler doch
>hochzuhalten
>vorgibt, nichts zu tun.
>Wer tatsächlich glaubt, dass"die Reformen ohne konjunkturpolitisches
>Gegensteuern ins Leere laufen", muss sich trauen, wie das die
>französische
>Regierung tut, den Europäischen Stabilitätspakt und seine unsinnige
>Knebelung der Finanzpolitik in der längsten Stagnationsphase der
>Nachkriegsgeschichte, offensiv und massiv in Frage zu stellen. Wer das
>glaubt, muss auch eine weit offensivere Politik der Europäischen
>Zentralbank
>einfordern, wenngleich es jetzt für effektive Zinssenkungen wohl schon
>zu
>spät ist. Das Missverständnis, das die ganze Schrödersche Agenda
>durchzieht,
>ist der Glaube, es gebe zu den klassischen, die Konjunktur anregenden
>Maßnahmen wie Zinssenkung und staatliche Defizitpolitik irgendeine
>ernsthafte Alternative. Das angebotene Sammelsurium von
>Angebotspetitessen,
>Umverteilung zulasten der Arbeitslosen und das Spielgeld der
>Kreditanstalt
>werden verpuffen wie bei allen anderen Programmen dieser Art vorher.
>Nur wenn der Staat neue Kredite aufnimmt, also die vorhandenen
>Ersparnisse
>der privaten Haushalte nutzt, um selbst zu investieren, oder das
>Einkommen
>anderer - ohne Umverteilung - zu erhöhen, können die Gewinne der
>Unternehmen
>wirklich steigen, kann Neues geschehen, kann sich die Volkswirtschaft
>aus
>der Stagnation lösen. Das mag man Strohfeuer nennen, weil es natürlich
>nur
>für eine Zeit wirkt, wenn sich die Unternehmen durch die Verbesserung
>ihrer
>Situation nicht selbst zu neuer Kreditaufnahme anregen lassen. Ohne
>dieses
>Strohfeuer am Anfang gibt es aber gar kein Feuer, keine Wärme und keine
>Verbesserung der Lebensbedingungen. Wer aber immer noch glaubt, die
>Kombination von temporär höherer staatlicher Verschuldung und - im
>gleichen
>Atemzug höheren Gewinnen der Unternehmen - sei eine Belastung
>zukünftiger
>Generationen, muss Berater haben, für die das kleine Einmaleins hohe
>Wissenschaft ist.
>Dafür spricht einiges, denn sonst wäre der Bundeskanzler von diesen
>Beratern
>auch darauf hingewiesen worden, dass - jenseits der alltäglichen
>Propaganda
>von Interessenvertretern - Deutschland weder ein Lohn- noch ein
>Lohnnebenkostenproblem hat. Die Löhne zuzüglich der Lohnnebenkosten
>steigen
>in Deutschland seit zwanzig Jahren weniger stark als die Produktivität.
>Insbesondere seit 1996 ist diese Tendenz stärker ausgeprägt als jemals
>zuvor
>und stärker als in allen vergleichbaren Ländern der Welt. Der"für eine
>gewisse Zeit substanzielle Abschlag des Lohnanstiegs von der neutralen
>Lohnrate", den die Bundesbank jüngst in ihrer Kampfschrift einforderte,
>existiert längst. Er hat nur nichts bewirkt - außer eine
>binnenwirtschaftliche Nachfrageschwäche. Weil die Reallöhne seit Jahren
>nicht mehr steigen und die Beschäftigung zugleich sinkt, stagniert der
>private Verbrauch, und nicht, weil die Verbraucher verunsichert wären
>oder
>gar den"Käuferstreik" proben.
>Im Februar dieses Jahres waren - unter Ausschaltung von Saisoneinflüssen
>-
>4,35 Millionen Menschen arbeitslos. Allein in den letzten beiden Monaten
>sind 150 000 Menschen zusätzlich arbeitslos geworden. Dem standen 380
>000
>offene Stellen gegenüber. Wer glaubt, man müsse Arbeitslose"ermutigen",
>Arbeit zu suchen, um das Problem zu lösen, wird kläglich scheitern. Es
>muss
>wohl noch schlimmer kommen, bevor es besser wird. In weniger als sechs
>Monaten wird über richtiges Geld gesprochen werden und, nicht zu
>vergessen,
>über richtige Politik.
>[ document info ]
>Copyright © Frankfurter Rundschau 2003
>Dokument erstellt am 14.03.2003 um 18:40:01 Uhr
>Erscheinungsdatum 15.03.2003
|
chiquito
15.03.2003, 17:54
@ Dieter
|
Re:"Es muss wohl noch schlimmer kommen", damit faster back es auch merkt |
-->Hallo!
Es kommt immer auch darauf an, wofür Kredite aufgenommen werden, also wofür das Geld ausgegeben wird.
Es gibt auch staatliche Kreditaufnahmen, die die zukünftige Generation nicht belasten, sondern entlasten.
Nehmen wir mal an, dass mindestens ein Drittel der gesamten Heizkosten gespart werden könnte, wenn Häuser und Wohnungen wärmetechnisch auf einen angemessenen Stand gebracht würden. Als „angemessener Stand“ werden hier wärmetechnische Verbesserungsmaßnahmen betrachtet, die nicht nur Einsparungen bringen, sondern folgende Bedingung erfüllen: Die Kosten der Summe aller Verbesserungsmaßnahmen darf die dadurch für die folgenden zehn Jahre zu erwartenden Einsparungen nicht überschreiten.
Jetzt gibt der Staat seinen Bürgern folgenden Anreiz: Er bietet an, die Kosten für die Verbeserungsmaßnahmen vorzufinanzieren. D. h. er nimmt Kredite auf, mit denen die Firmen bezahlt werden, die diese wärmetechnischen Maßnahmen durchführen. Allerdings knüpft er die Vorfinanzierung dieser Maßnahmen an folgende Bedingung: Die Ersparnis an Energiekosten pro Haus bzw. Wohnung kommt 20 Jahre lang nur zur Hälfte den Benutzern der Wohnung bzw. des Hauses zugute, weil die andere Hälfte vom Energieversorgungsunternehmen mit der Rechnung eingezogen wird und dem Kreditgeber (Staat, KfW) gutgeschrieben wird.
Selbstverständlich könnte man die entsprechenden gesetzlichen Regelungen geschaffen. Dazu gehörte dann beispielsweise, dass die Verpflichtung, die Hälfte der ersparten Energiekosten zwanzig Jahre lang an den Kreditgeber abzuführen, ähnlich wie eine Hypothek auf dem Haus / der Wohnung lastet.
Das wiederum bietet dem Kreditgeber (Staat/KfW) die Möglichkeit, die liabilities in einzelnen Tranchen zu bündeln und sie bei der Zentralbank zu hinterlegen, um dort Geld für die Vorfinanzierung auszuleihen.
Wenn man die entsprechenden gesetzlichen Bedingungen schafft, werden für solche (und nur für solche) sich selbst finanzierenden Zukunftsmaßnahmen Gelder von der Zenralbank für 0% gegeben.
Nach diesen Vorgaben müßte man folgendes erwarten:
- Nach 20 Jahren ist die jeweilige Kredit-Tranche zurückgezahlt, ohne dass noch Schulden existieren.
- Die Kreditaufnahme zur Vorfinanzierung der Maßnahmen bringt deutliche Wachstumsanreize, vor allem für die mittelständische Wirtschaft (auch wenn das staatliche Angebot nicht von jedem angenommen wird, dem es helfen könnte, seine Heizkostenrechnung zu reduzieren).
- Diese Maßnahmen würden dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren (mit den bekannten positiven Wirkungen auf Steueraufkommen, Krankenversicherungsbeiträge usw.)
Ein Staat kann sicherlich auch Kredite aufnehmen, um Bomben bauen zu lassen. Ein Staat könnte auch Löcher in den Straßen aufreißen lassen, weil vermehrte Autoreparaturen auch das Bruttosozialprodukt erhöhen. Solche Beispiele haben die Ã-konomen im Kopf, die"Keynesianismus ist doch längst überholt" rufen.
Aber ich meine, im Unterschied dazu könnte in meinem Beispiel deutlich werden, dass es auch Möglichkeiten gibt, die Wirtschaft kreditfinanziert anzukurbeln und was gegen die Arbeitslosigkeit zu tun, ohne die nachfolgenden Generationen zu belasten.
Außerdem würde unsere Abhängigkeit vom Ã-l reduziert, was vielleicht weitere Kosteneinsparungen bringt (Geringere Unterstützung von Kriegen, weniger Terroranschläge).
Es kommt allerdings darauf an, was man will und politisch durchsetzt.
Grüße
Ch.
|
Dieter
15.03.2003, 18:26
@ chiquito
|
Konsum oder Investition |
-->Bei den Krediten macht es genau wie Du ausführst den Unterschied.
Kredite für Investitionsgüter (Straßen, Bildung, etc.) macht Sinn, vorausgesetzt es gibt stimmige Wirtschaftlichkeitsberechnungen damit es nicht zum politischen Hobby verkommt.
Wenn die erwarteten Zinsbelastungen und Tilgungen die erwarteten Erträge nicht übersteigen ist alles ok.
Konsumptiv bedingte Schulden aufgrund von Sozialleistungen, Lohnerhöhungen, Verwaltungskosten können sich nie tragen.
Gruß Dieter
|
Tassie Devil
15.03.2003, 22:28
@ Philipp Steinhauer
|
Re:...und eine Stimme sprach vom Himmel:... |
-->..."Laechle, denn es koennte schlimmer kommen"!
Und er laechelte.
Und es kam schlimmer.
Gruss
TD
|
Aristoteles
16.03.2003, 00:14
@ Philipp Steinhauer
|
Re: Flassbeck:"Es muss wohl noch schlimmer kommen" |
-->> Nein, es ist eine absurde Idee und bei einem Hauch von Vernunft würden Unternehmen und Gewerkschaften gemeinsam dagegen auf die Barrikaden gehen. Wenn man die Leistungen für Arbeitslose um drei Milliarden kürzt, sind im gleichen
Augenblick drei Milliarden Gewinne der Unternehmen und ein paar tausend
Arbeitsplätze verloren.
Verwechselt der Autor hier vielleicht"Gewinn" mit"Umsatz"?
|
Kasi
16.03.2003, 10:56
@ Aristoteles
|
Re: Flassbeck: |
-->Sieht so aus... und was meint er bitte hiermit:
"Wer aber immer noch glaubt, die Kombination von temporär höherer staatlicher Verschuldung und - im gleichen Atemzug höheren Gewinnen der Unternehmen - sei eine Belastung zukünftiger Generationen, muss Berater haben, für die das kleine Einmaleins hohe Wissenschaft ist.
Dafür spricht einiges, denn sonst wäre der Bundeskanzler von diesen
Beratern auch darauf hingewiesen worden, dass - jenseits der alltäglichen
Propaganda von Interessenvertretern - Deutschland weder ein Lohn- noch ein
Lohnnebenkostenproblem hat. Die Löhne zuzüglich der Lohnnebenkosten
steigen in Deutschland seit zwanzig Jahren weniger stark als die Produktivität."
Ich muß gerade an die feurige Antwort eines Handelsblatt-Redakteurs bei NTV denken, der rumpalavert hat von Zeichen und Aktion etc und auf die Frage, was denn solche Zeichen und Aktionen wären nur meinte"Das weiß ich doch nicht!"
Kasi
|