Tofir
26.03.2003, 11:19 |
Militärhistoriker prophezeien den Briten und Amerikanern im Irak eine Niederlage Thread gesperrt |
-->Zerstörung der Städte oder Aushungern
Burkhard Schröder 26.03.2003 (heise.de)
Deutsche Militärhistoriker prophezeien den Briten und Amerikanern im Irak eine Niederlage
Noch nie in der Geschichte der Kriege sei, so Militärhistoriker, eine Großstadt wie Bagdad militärisch von einer Invasionsarmee erobert worden. Für die Alliierten im Irak gäbe es nur zwei Möglichkeiten, Badgad oder auch Basra zu erobern: Die Städte völlig zu verwüsten oder sie auszuhungern. Basra gilt schon jetzt als militärisches Ziel. Das heißt: Straßenkampf. Und der könne letztlich nicht gewonnen werden.
Professor Dr. Manfred Messerschmidt, 76, Professor und bis 1988 in Freiburg leitender Historiker des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, ist seit 1995 pensioniert, gilt aber immer noch als der Doyen der deutschen militärhistorischen Forschung. Selbst seine zahlreichen wissenschaftlichen und politischen Gegner beziehen sich auf den unbequemen Historiker mit Respekt.
Messerschmidt hält eine militärische Niederlage der Alliierten für wahrscheinlich, falls sich das Regime Saddam Husseins an der Macht halte. Eine Eroberung Bagdads sei unmöglich, falls die Alliierten nicht planten, die irakische Hauptstadt in Schutt und Asche zu legen. Der Zweite Weltkrieg habe gezeigt, insbesondere die 900 Tage dauernde Belagerung Leningrads, dass ein Straßenkampf immer zur völligen Zerstörung und zu schrecklichen menschlichen Verlusten führte.
Selbst die deutsche Wehrmacht habe zunächst gezögert, die russischen Großstädte militärisch erobern zu wollen, bis Hitler persönlich anordnete, sie entweder komplett zu zerstören oder auszuhungern. Sowohl in Leningrad als auch in Stalingrad ging dieses Konzept nicht auf. Eine Millionenstadt könne man nicht sichern, Invasoren könnten sich höchstens in bestimmten Punkten einigeln.
"Und wenn nach Bombardements erst Schutt auf den Straßen liegt, kommen auch Panzer nicht mehr durch."
Die"Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung" ( AKUF) am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg betreibt eine Website und ein Archiv, die umfassend über das weltweite Kriegsgeschehen nach dem Zweiten Weltkrieg. informieren. Wenn es den Amerikaner und Briten gelänge, die Millionenstadt Bagdad zu erobert, wäre das ein historischer Präzendenzfall, da dies unter vergleichbaren Umständen noch keiner Armee gelungen sei.
Dr. Gerd Krumeich Professor an der Universität Düsseldorf und Vorsitzender des"Arbeitskreises Militärgeschichte", sieht das ähnlich. Schon 1870, im deutsch-französischen Krieg, habe Paris nur deswegen kapituliert, weil sich die französische Armee samt ihrem Kaiser schon ergeben hatte und die Versorgungslage der Stadt katastrophal wurde. Die russische Bevölkerung in den belagerten Städten Leningrad und Stalingrad habe zwar gehofft, militärisch entsetzt zu werden. Das sei im Irak nicht zu erwarten:"Aber der Glaube versetzt Berge."
Die Amerikaner hätten offenbar nicht damit gerechnet, dass Saddam Hussein einen gewissen Rückhalt in Teilen der irakischen Bevölkerung habe. Niemand wisse genau, wie stark der sei. Die haushohe technische Überlegenheit der alliierten Truppen und ihre Luftüberlegenheit nutze bei einem Straßenkampf überhaupt nichts. Man könne keine Großstadt"sauber" einnehmen. Und die Bombardements bewirkten, dass die Bevölkerung sich um so mehr um den Diktator schare. Nichts habe die deutsche Bevölkerung"näher an Hitler herangebracht als die Bomben" der Alliierten. Das sei ein merkwürdiges Phänomen, aber auch bei anderen verbrecherischen Regimes der Geschichte zu beobachten
Der Militärhistoriker Prof. Dr. Bernhard Kroener von der Universität Potsdam hat über die angestrebte Eroberung irakischer Städte eine klare Meinung:
"Wenn Widerstand geleistet wird, ist eine Großstadt prinzipiell nicht einzunehmen."
Dafür gäbe es keine historischen Beispiele, Paris 1940 und Rom 1944 seien nicht verteidigt worden, nur deshalb wäre eine militärische Okkupation möglich gewesen. Und die damals südvietnamesische Hauptstadt Saigon sei 1973 zwar erobert worden, aber nicht von"fremden" Invasoren, sondern von Vietnamesen.
Das Bewusstsein der Europäer habe sich geändert, meint Kroener. Ein Bombenkrieg wie zum Beispiel der alliierte Angriff auf Hamburg mit 30.000 Toten in zwei Nächten sei nicht mehr denkbar. Ein Straßenkampf um Bagdad auch nicht:"Jeder, der noch bei Trost ist, wird den vermeiden. Der ist nicht zu gewinnen." Alternativen gebe es nicht. Falls die Alliierten versuchten, Bagdad weiträumig abzuriegeln, müssten sie wesentlich mehr Truppen ins Land bringen und mit einer monate-, gar jahrelangen Belagerung rechnen. Der jetzige Vorstoß auf die irakische Hauptstadt ginge offenbar immer noch von der Idee aus, dass die Bevölkerung"vom Regime schnell abfallen" würde. Das sei, meint Kroener, ein Irrtum: Selbst wenn sich die Bevölkerung passiv verhalte, reichte es auch, wenn die Elitetruppen den Widerstand noch organisieren könnten, um die Stadt zu verteidigen."Wenn es nicht gelingt, das Regime Saddam Husseins zu destabilisieren und die Führungsspitze auszuschalten, ist die Niederlage vorprogrammiert."
Prof. Dr. Bernhard Kroener empfiehlt den britischen und amerikanischen Militärs Lektüre, die zwar schon alt ist, aber dennoch gut beschreibt, wie sich irakische Kommandos bei der Verteidigung Bagdads verhalten werden: die gesammelten Werke Mao Zedongs. Der Guerillakämpfer bewege sich in der sympathisierenden Bevölkerung wie der Fisch im Wasser.
Die deutschen Militärs dürfen jetzt zum Irak-Krieg nichts mehr sagen. Das gilt sowohl für die Pressestelle der Bundeswehr als auch für das jetzt in Potsdambeheimatete Militärgeschichtliche Forschungsamt. Ehemalige Militärs wie Brigadegeneral a.D. Helmut Harff, erster Befehlshaber der deutschen Truppen im Kosovo und heute Geschäftsführer des Ausschusses Verteidigungswirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie, sind offener. Hauff bestätigt die deutschen Militärhistoriker:
"Bagdad mit militärischen Mitteln zu beherrschen ist nicht möglich. Es wird zu einem langjährigen Häuserkampf, einem regelrechten terroristischem Kleinkrieg kommen."
Das habe man schon im"relativ kleinen" Mogadischu in Somalia gesehen. Damals zogen die Amerikaner wieder ab, weil die Stimmung in den USA kippte.
...cum grano salis...?
tofir
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Tofir
26.03.2003, 11:41
@ Tofir
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und hier noch ein Indiz zur Versorgungslage |
-->...eventuell eine Folge des (zu?) schnellen Vormarsches.
<ul> ~ hier</ul>
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Diogenes
26.03.2003, 12:20
@ Tofir
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Re: Militärhistoriker prophezeien den Briten und Amerikanern im Irak eine Niederlage |
-->Hi Tofir,
>Zerstörung der Städte oder Aushungern.
Genau zu diesem Schluß bin ich auch gekommen.
Falls aushungern, dann müßte man die Abzugswilligen unbewaffnet abziehen lassen. Bis nur noch ein Häufchen übrig bleibt, und man die Stadt stürmen kann. Einige Millionen in Flüchtlingslagern sind allerding auch nicht ohne.
Falls zerstören, dann am besten mit Brandbomben. Damit wären zugleich eventuelle Chemische und biologische Kampstoffe vernichtet. Allerdings wären die US aber entgülig der Pariah der Welt.
Eines so ungut, wie das andere. Wirklich gute Optionen sehe ich nicht. Bleibt nur die Hoffnung auf einen Aufstand.
Selbst wenn die Eroberung gelingt, ist der Irak nicht zu halten, wenn die Bevölkerung nicht mitmacht. Die Israelis kriegen in den Palästinensergebieten ja auch keinen Fuß auf den Boden, schon seit Jahren.
Gruß
Diogenes
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rocca
26.03.2003, 12:45
@ Tofir
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aber doch bitte mit Quelle (owT) |
-->
<ul> ~ http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14465/1.html</ul>
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stocksorcerer
26.03.2003, 12:47
@ Diogenes
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Bei Aushungern oder großflächigen Bombardements a la Dresden... |
-->.....wünsche ich diesen"Alliierten" ganz im Ernst, dass schlagartig alle Araber aufwachen. Ein herbeigelogener Krieg für Machterhalt und Commerz. Möge das Ding nach hinten losgehen, bevor der Völkermord weitergehen kann.
winkäää
stocksorcerer
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Diogenes
26.03.2003, 13:21
@ stocksorcerer
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Re: Bei Aushungern oder großflächigen Bombardements a la Dresden... |
-->>.....wünsche ich diesen"Alliierten" ganz im Ernst, dass schlagartig alle Araber aufwachen. Ein herbeigelogener Krieg für Machterhalt und Commerz. Möge das Ding nach hinten losgehen, bevor der Völkermord weitergehen kann.
Hi stocksorcerer,
Du läßt dich von deinen Emotionen mitreißen.
Irak ist im Grunde nur ein Symptom. So wie ich das sehe, driften wir alle langsam aber sicher Richtung Dritter Weltkrieg. Ob es ein großer Knall wird, oder mehrer"kleine" Gemetzel kann ich nicht sagen.
Sicher ist, wenn die Herrschaften in Moskau, Peking und Washington nicht bald zur Vernunft kommen, dann wird das Süppen überkochen. Sie haben den Geist aus der Flasche gelassen, das ist sicher. Fraglich ist, inwieweit sie noch die Kontrolle haben.
Es wäre höchste Zeit sich zusammmenzusetzen und ernsthaft miteinander zu reden. Scheinbar aber glauben die Großmächtigen in ihrer Hybris immer noch, sie könnten das Große Spiel gewinnen. So spielen sie weiter. Aber keiner wird gewinnen. Sie mögen sich zwar in Bunkern verkriechen können, doch irgendwann müssen sie raus.
Sei vorsichtig, was du dir wünschst.
Grúß
Diogenes
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stocksorcerer
26.03.2003, 14:17
@ Diogenes
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Du hast recht, ;-) |
-->Hallo Diogenes, [img][/img]
der Irak ist im Grunde wirklich nur ein Symptom. Ein Schritt weiter Richtung Abgrund. Und Du könntest auch recht damit haben, dass wir alle langsam aber sicher in Richtung Dritter Weltkrieg abdriften. Überraschen würde es mich nicht.
Was mir jetzt eigentlich fehlt und was ich erwarte ist, dass die Vernunft siegt. Dass die großen Friedensgipfel stattfinden, die längst stattfinden müßten. Dass die UN endlich Tacheles redet und zumindest proforma den Weg zu Klagen wegen Verletzung des Völkerrechtes öffnet. Dass Nationen sich zusammen setzen und den Engländern und Amerikanern einen Ausweg zeigen mit Hilfe der Arabischen Liga oder anderen. Irgendwelche Vorschläge müssen auf den Tisch, die nicht Machtinteressen fördern, sondern Stabilität.
Wenn die Gerechtigkeit weiter mit Füßen getreten wird, dann werden Fronten gebildet oder weiter zementiert, die es so gar nicht geben müßte. Ich habe nichts gegen Araber. Im Grunde bin ich ein überzeugter Weltbürger, der allen Kulturen etwas abgewinnen kann.
Mein eigenes Problem ist, dass ich nicht auf der moralisch falschen Seite stehen will. Ich will den Frieden fördern und keinen Krieg rechtfertigen müssen. Ich will nicht so ein armes Licht sein, dass sich hinter den vermeintlich starken amerikanischen Schultern versteckt und dabei kleinlaut völlige Solidarität mit dem Mächtigen bekundet. Ich möchte, dass mir am Ende kein Iraker sagen kann:"Du hast nichts getan, als Bush um der Macht willen meine Familie getötet hat."
Für mich findet Völkermord statt und deshalb artikuliere ich mich. Und ich provoziere auch gern. Das liegt wohl in meinem Naturell. Und ich weiß auch, dass meine Emotionen manchmal schneller sind, als meine Schreibe. Aber ich habe auch das Gefühl, dass die Bush´s dieser Welt einem bloß noch zuhören, wenn man ihnen eine knallt oder ihnen zumindest mit einem Megaphone ins Ohr schreit, oder wenn man von der CIA verdrahtet wird. Subtile Töne kommen nicht an.
Und ich finde, dass nicht alle verantwortlich gemacht werden können. Rußland oder China oder Frankreich... all diese Nationen haben in meinen Augen zumindest im Fall Irak keine Schuld auf ihre Schultern geladen. Sie haben möglicherweise nicht früh genug deutlich gemacht, dass Amerika seine Griffel bei sich behalten soll. Und seit der Cuba-Krise stimmt das Sprichwort einfach nicht mehr, dass der Schlauere nachgibt. Oder vielmehr stimmt der Sinn nicht mehr, der damit assoziiert wird. Cruschtschow hat eingelenkt und war der bessere Mann. Und Amerika hat sich jeweils politisch durchgesetzt. Für mich hat sich jeweils der Gewissenlosere durchgesetzt.
Wie das mit der Kontrolle der losgetretenen Schneemassen ist, ist eine ganz andere Sache. Ich weiß nicht, ob die Lawine noch zu verhindern ist. Ich glaube aber, dass wir eine solche amerikanische Machtpolitik nicht weiter mittragen dürfen.
Danke für Deine Antwort.
winkääää
stocksorcerer
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