--><font size="6">Eine Bank sucht Geld </font>
Die weltgrößte Bankengruppe Mizuho in Tokio steht vor dem Kollaps - und hofft zur Rettung ausgerechnet auf ihre größten Schuldner
von Bernd Weiler
Ein Verkaufsschlager sind die neuen Aktien des japanischen Bank-Giganten nicht. Eine Beteiligung an der Mizuho Financial Group gefällig?"Nein danke!" Die unter dem disziplinierten Kostenkiller Carlos Ghosn aus dem Schlamassel heraus gefahrene Nissan Motor antwortete auf das Angebot des einst"befreundeten" Instituts prompt: Trotz seiner Rekordgewinne gewährt Nissan keine Kapitalspritze. Der drittgrößte Autobauer Japans zeichnet keine Mizuho-Aktien.
Eine solche Illoyalität wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen, denn die drei Institute, aus denen Mizuho hervorging, die Dai-Ichi Kangyo Bank, die Fuji Bank und die Industrial Bank of Japan, zählten zu den Nissan-Großaktionären. Im Gegenzug hielt der Autokonzern Beteiligungen an den Instituten. Diese typisch japanische Überkreuzbeteiligung ist inzwischen aufgelöst. Der Renault-Partner hat sich von unliebsamen Abhängigkeiten befreit. Das soll so bleiben.
Andere können sich den Verpflichtungen nicht entziehen und folgen Mizuhos Ruf. Die - gemessen am Bilanzvolumen - größte Bankengruppe der Welt zieht bis zum 31. März eine der größten Kapitalerhöhungen in der japanischen Geschichte durch: Für mehr als eine Billion Yen (7,9 Mrd. Euro) werden wandelbare Vorzugsaktien ausgegeben. Die nicht gerade in Gewinnen schwimmenden Stahlkonzerne JFE Holdings oder Kobe Steel machen notgedrungen mit.
Ausländische Institute, für die Titel im Wert von einer Mrd. Euro reserviert waren, winkten dagegen ab."Wir haben absolut keinen Appetit auf japanische Finanzaktien, weil wir ganz einfach das Risiko solcher Investments nicht abschätzen können", begründet Thue Isen von der dänischen Bankinvest die Zurückhaltung, die schließlich dazu führte, dass auf einen internationalen Verkauf verzichtet wurde. Jetzt müssen rund 3400 japanische Unternehmen, meistens gute Firmenkunden, das gesamte frische Kapital für Mizuho aufbringen: Hitachi, Nippon Steel oder der Versorger Tokyo Electric Power (Tepco) wurden gebeten, mehr Aktien als geplant ins Depot zu nehmen.
Analysten sehen das kritisch. Mizuho stärke mit der Kapitalerhöhung genau jene Gruppenbeziehungen, die es abzubauen gelte und die für die Krise in Japan verantwortlich seien."Mizuho nährt sich selbst", meint Jun Nishizaki von Nissay Asset Management in Tokio."Durch den Verkauf von Aktien an seine Kunden lebt Mizuho von dem Geld, das es ihnen als Geschäftsbank geliehen hat." Hinzu kommt, dass dadurch die Überkreuzbeteiligungen wieder steigen, obwohl die Regierung per Gesetz einen Abbau solcher Beteiligungen vorschreibt.
Doch in der Not heiligt der Zweck die Mittel."Das ist ein Befreiungsschlag", wertete Noburo Yanai von Arrow Consulting die Kapitaloffensive. Sie wurde angekündigt, nachdem Wirtschaftsminister Heizo Takenaka die Banken angewiesen hatte, das riesige Volumen ihrer"faulen Kredite" so schnell wie möglich abzuschreiben und ihre Überkreuzbeteiligungen zu reduzieren. Wer nicht spurt, kann zwangsverstaatlicht werden.
Die Aktien im eigenen Depot geben derzeit mehr Anlass zur Sorge als die Not leidenden Kredite. Da der Nikkei-Index Mitte März auf ein 20-Jahres-Tief gefallen war und der japanische Bilanzstichtag näher rückt, droht das Vermögen der Banken weiter zu schmelzen. Ihre Aktien müssen sie neuerdings nach dem Marktwert bilanzieren: Je tiefer die Kurse sinken, desto mehr muss befürchtet werden, dass die japanischen Finanzinstitute die Eigenkapitalrichtlinien der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) nicht mehr erfüllen können.
Mizuhos Kapitalerhöhung soll pünktlich zum Bilanzstichtag Erleichterung bringen, denn die größte Bank der Welt steuert auf einen Rekordverlust zu. Mizuho rechnet zum 31. März mit einem konsolidierten Verlust von 1,95 Billionen Yen (15,4 Mrd. Euro). Dies wäre nicht nur ein Negativ-Rekord für die Bankengruppe, sondern auch für die zweitgrößte Volkswirtschaft: Noch nie musste ein japanisches Unternehmen einen so hohen Fehlbetrag ausweisen.
Deshalb muss jeder Fünfte der 30.000 Angestellten innerhalb von drei Jahren gehen; 30 Prozent der inländischen Filialen werden bis Anfang April 2004 geschlossen.
Mizuho ist mit ihren Problemen aber nicht allein."Die fünf Top-Banken-Gruppen schreiben für das Fiskaljahr 2002 Verluste", griff die Tageszeitung Asahi der Bilanzsaison im Mai voraus. Da die UFJ-Gruppe ihre Abschreibungen auf"faule Kredite" von 480 auf bis zu 800 Mrd. Yen (6,3 Mrd. Euro) erhöhen wolle, werde auch die letzte Großbank, die noch vor wenigen Wochen mit einem Gewinn rechnete, ins Minus geraten. Nach Informationen der Asahi rechnen UFJ-Manager mit einem Konzernverlust von 100 Mrd. Yen.
Nicht nur die grellen roten Zahlen machen bange, sondern auch die vielen Kredite. Die Bank rechnet mit einer exorbitanten Belastung durch Kreditausfälle: mehr als zwei Billionen Yen im laufenden Geschäftsjahr.
Ähnliche Umstände in anderen Instituten führen zu einer Kreditklemme. Vor allem für den Mittelstand werden kaum mehr neue Darlehen ausgegeben."Die Banken sind in Gefahr, das Problem ist aber seit Jahren bekannt", sagt Ryoji Musha von der Deutschen Securities in Tokio. Er rechnet zwar nicht damit, dass die Banken eine katastrophale Entwicklung auslösen könnten. Schwerwiegend seien aber die Auswirkungen auf die Kreditvergabe, die jedes Jahr um fünf Prozent sinke."Das ist ein Desaster für die Volkswirtschaft", meint der Analyst aus der Deutsche-Bank-Gruppe. Notenbank und Staat müssten gegensteuern. Die Krise halte an, mangels Reformen, aber vor allem, weil die Institute Angst davor hätten, neue Kredite zu vergeben. Ihr Eigenkapital sei ohnehin schon"praktisch null", sagt Musha. Zöge man von den Zahlen in der Bilanz die"faulen Kredite" und die Zuschüsse des Staates ab, bliebe nichts mehr übrig.
Deshalb mache es auch keinen Sinn mehr, für diese Institute einen Buchwert zu errechnen. Mizuho steht bei der Regierung mit 2,7 Billionen Yen in der Pflicht - das waren die von der Politik verordneten Eigenkapitalspritzen von 1998 und 1999. Davon will die Bankengruppe bis Ende März etwa 350 Mrd. Yen zurückzahlen.
Die Zeichner der Kapitalerhöhung können sich also ausrechnen, wofür ihr Geld gebraucht wird: für die Rückzahlungen an Vater Staat, für den Verlustausgleich aus den Kreditabschreibungen - und zum kleinen Teil für die dringend nötige Renovierung der größten Bank der Welt."Das ist keine Lösung", urteilt Musha. Er sieht in den Kapitaleintreibern Mizuhos deshalb kurzsichtige Bilanz-Kosmetiker.
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"Die Banken sollen an"Asgeierfonds" verkauft werden"</font>
Richard A. Werner weiß aus Erfahrung, wie langsam die Mühlen von Japans Zentralbank mahlen. Er war Chef-Volkswirt der Jardine Fleming Securities (Asia), Analyst des Brokerhauses Nomura Securities und der Asiatischen Entwicklungsbank, arbeitete für das japanische Finanzministerium und war auch für die Bank von Japan tätig. Der 1967 in Bayern Geborene hat im Herzen des Tokioter Szene-Viertels Harajuku das Profit Research Center gegründet, das er heute leitet. Vom World Economic Forum wurde er in diesem Jahr - als einer von nur drei Deutschen - in die hundertköpfige Gruppe der führenden"Manager von morgen" gewählt.
DIE WELT: Von Japans Bankenkrise haben wir viel gehört. Sind die Institute wirklich so gefährdet?
Richard A. Werner: Ja. Schuld haben allerdings nicht die Not leidenden Kredite der Bubble-Ära. Die sind längst abgeschrieben. Ein Grund ist vielmehr eine Deflationspolitik der Zentralbank. Die ständige Schrumpfung der Kreditmenge bedeutet, wie bei der Reise nach Jerusalem, ständig mehr Stühle aus dem Spiel zu nehmen. Die Firmen, und damit auch die Banken, stehen dann dumm da. Ein zweiter Grund ist die Regierung Koizumi-Takenaka, die es zur Politik machte, die Banken, oder zumindest eine oder zwei große, zu verstaatlichen.
DIE WELT: Wozu wird dann diese Verstaatlichung angestrebt?
Werner: Nicht, um der Wirtschaft zu helfen - das ginge viel schneller ohne Verstaatlichung. Sondern, um diese Banken billig an ausländische,Aasgeierfonds' zu verkaufen sowie zwischenzeitlich deren Management zu übernehmen und währenddessen durch Kreditrückforderung Großbankrotte zu erzeugen.
DIE WELT: Warum werden Managementübernahmen und Großbankrotte von der Regierung anvisiert?
Werner: Wie schon gesagt, um diese billig an ausländische,Aasgeierfonds' zu verkaufen. Wenn man sowohl seine Zentralbank als auch seine Regierung gegen einen hat, dann ist es nicht leicht, Bank zu sein. Daher sind diese Institute äußerst gefährdet.
DIE WELT: Gefährdet die Krise des japanischen Finanzsystems die Weltwirtschaft?
Werner: Nein. Nur wenn die falschen Maßnahmen von anderen Zentralbanken getroffen werden.
DIE WELT: Sind Kurs- und Buchwerte der japanischen Banken eigentlich noch aussagekräftig?
Werner: So aussagefähig wie immer bei Banken. Banken sind immer und überall,zahlungsunfähig' - das ist ja nicht überraschend, sondern das Prinzip des Banksystems. Dafür gibt es eine Zentralbank, deren Job ist, dafür zu sorgen, dass dies nicht zur Krise und zur Rezession führt. Japans Zentralbank hat ihren Job allerdings über ein Jahrzehnt nicht getan.
DIE WELT: Auf welchem Nikkei-Niveau wird es wirklich brenzlig für viele japanische Banken?
Werner: Es ist bereits brenzlig, bei oder unter 8000 Punkten.
DIE WELT: Wie könnte die Regierung effektiv gegensteuern, ohne der Deflationsspirale noch mehr Schwung zu geben?
Werner: Ganz leicht: Erstens, das Auflegen von Staatsanleihen einstellen und dafür alle öffentlichen Kredite direkt per Bankkredit von den privaten Banken aufnehmen. Zweitens, einen Zentralbank-Chef ernennen, der das Interesse der japanischen Bevölkerung und Wirtschaft im Auge hat und durch Kreditexpansion die Rezession und Deflation beendet - also jemand anderen als Toshihiko Fukui. Drittens, das Zentralbankgesetz ändern, die Zentralbank wieder demokratischen Institutionen gegenüber verantwortlich machen und per Regierungs- oder Gesetzeserlass vier Prozent nominales Wirtschaftswachstum anpeilen, erzielt durch Kreditexpansion als Ziel der Zentralbankpolitik.
DIE WELT: Langweilt Sie die fast jährlich wiederkehrende März-Krise zum näher rückenden Bilanzstichtag nicht schon?
Werner: Schon etwas. Aber diesmal ist es wieder etwas interessanter, weil es gut die letzte sein könnte.
Das Gespräch führte Bernd Weiler
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