--><font size="5">Null Kredit bei schlechter Bonitä</font>t
Für kleine und mittlere Unternehmen wird es schwieriger, Geld für Investitionen zu bekommen. Ohne Transparenz, Kontinuität und gute Beziehungen zur Bank läuft gar nichts
von Bernd Geisen
Bad Honnef - „Es handelt sich tatsächlich um eine echte Revolution im Kreditgeschäft", sagt Oliver Everling, Chef der Everling Advisory Services (den nicht wenige Fachleute respektvoll den „Rating-Papst" nennen). „Es kommt nämlich in Zukunft bei der Kreditvergabe auf den Faktor Mensch so wenig an wie nie zuvor." In der Vergangenheit hätten Kreditsachbearbeiter nämlich Bankkredite „nicht selten nach Gutdünken vergeben", stößt Kollege Jürgen Demps, Rating-Analyst der Universität Augsburg, in dasselbe Horn. „Ohne detaillierte Informationen über das betreffende Unternehmen. Jetzt beginnen die Banken, risikosensibler zu arbeiten. Das bedeutet, dass sie - wegen ihrer hohen Verluste - endlich wichtige betriebswirtschaftliche Daten ihrer Kunden zur Kenntnis nehmen. In anderen Ländern ist das gang und gäbe. Der mittelständische Unternehmer in Deutschland ist daran aber nicht gewöhnt." Und sorgt sich darum angesichts der Diskussionen um Basel II und Rating, ob er in Zukunft überhaupt noch einen Firmenkredit erhält.
Mittelstand soll zum Glück gezwungen werden
„Rating - Chance für den Mittelstand" sind Titel und Tenor zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema, allen Existenzängsten zum Trotz. Ein Widerspruch? „Keineswegs", lösen die Fachleute das Rätsel auf. Allerdings: „Durch Basel II wird der Mittelstand zu seinem Glück gezwungen." Das bedeutet: Je mehr Transparenz die Kreditinstitute erwarten, je mehr sie über Lage, Planung und Erfolg eines Unternehmens erfahren wollen, desto mehr muss der Unternehmer selbst darüber wissen. Und je mehr er weiß, desto besser wirtschaftet er. Vereinfacht gesagt: Was der Bank nützt, nützt auch dem Unternehmen. Und der Kreditvergabe.
Bankkredite sind und bleiben hier zu Lande nämlich vor allem für kleine und mittlere Unternehmen die wichtigste Finanzierungsart. „Dies ist unter anderem in den USA, Großbritannien oder in den Niederlanden anders", sagt Jürgen Demps. „Hier finanzieren sich Unternehmen im größeren Maße über Beteiligungskapital. Dadurch haben sie eine höhere Eigenkapitalquote. Andererseits fordert aber der Beteiligungsgeber - verständlicherweise - kontinuierliche Informationen über den Geschäftsverlauf. Unter Umständen will er auch ein Mitspracherecht an den strategischen Entscheidungen." Das sei, so Demps, bisher von den deutschen Kreditinstituten deutlich lässiger gehandhabt worden, obwohl sie gerade bei kleineren Unternehmen das meiste Geld in die Firma stecken. Von der Auskunftsfreudigkeit der Kreditkunden gegenüber ihrer Hausbank ganz zu schweigen. Hier galt eher die Devise: Die Bank muss ja nicht alles wissen! „Die Anforderungen an mittelständische Unternehmen in Sachen Berichtswesen, Controlling und Transparenz werden steigen. Die Kreditinstitute werden diese Informationen künftig stärker und nachhaltiger vom Unternehmer einfordern."
Kredit gegen Transparenz
Ob ein Kreditinstitut einem Unternehmen in Zukunft einen Kredit bewilligt oder nicht und wie die Kreditkonditionen ausfallen, wird also künftig vor allem von dessen Informations- und Kommunikationspolitik gegenüber seiner Bank und seiner nachweislichen (und nicht nur angenommenen) Bonität abhängen. So verlangen es die Basel-II-Regelungen. Derzeit noch müssen die Banken und Sparkassen für jeden Kredit einen eigenen Eigenkapitalanteil von pauschal acht Prozent des jeweiligen Kreditvolumens als „Risikopuffer" hinterlegen, und zwar unabhängig vom Risiko, das das Unternehmen mit sich bringt: In Zukunft wird die Höhe des Banken-Eigenkapitalanteils von der Bonität des Kreditnehmers abhängen. Das bedeutet: Ist ein Kredit mit höheren Risiken verbunden, müssen die Kreditinstitute mehr Eigenkapitalanteil stellen. Unternehmen mit schlechter Bonität werden dafür mit höheren Zinsen als bisher „bestraft" oder - im schlechtesten Fall - überhaupt keinen Kredit erhalten. Ziel dieser Basel-II-Regelungen ist, Banken- und Finanzkrisen zu verhindern. Die Veröffentlichung der Basel-II-Regelungen (Baseler Akkord) ist übrigens für den 31. Oktober 2003 geplant. Erst zu diesem Zeitpunkt stehen die endgültigen Regelungen fest. In Kraft treten sollen sie dann am 31. Dezember 2006.
Die Bonität von Unternehmen soll durch ein „Risiko-Zeugnis", ein so genanntes „Rating" ermittelt werden. Dieses Zeugnis werden hier zu Lande - nach dem Willen der Bankenaufsicht - nicht etwa wie in den USA in der Regel externe Rating-Agenturen ausstellen, sondern die Banken und Sparkassen bei ihren Kunden selbst. Oliver Everling: „Dahinter steht die Idee, dass ja jede Bank ihre Kunden am besten kennt und daher deren Risiko am besten beurteilen kann. Damit ist die Bankenaufsicht im Prinzip einverstanden. Sie verlangt allerdings, dass die Kreditinstitute kontrollierbare Rating-Systeme schaffen, die - für die Aufsicht - möglichst transparent und vergleichbar sind." Für den Kreditkunden bleibe das Problem, dass auf diesem Weg eine exklusive Beziehung zwischen ihm und seiner Bank entsteht. Mit dem Rating dieser Bank bekomme er bei einem anderen Kreditinstitut keinen Kredit.
Konsequenz: Der Kreditsachbearbeiter der Zukunft wird in erster Linie harte Fakten zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines Unternehmens einfordern müssen. Sein Handlungsspielraum wird eingeschränkt. Was früher eine große Rolle spielte, die Kenntnisse über seine Kreditkunden, sein persönliches Vertrauen zu ihnen, ob ein Kreditkunde ihn im Gespräch von der Erfolgswahrscheinlichkeit eines Geschäfts überzeugen konnte oder nicht, wird in Zukunft unwichtiger. Die Auswertung zur Bonitätsprüfung erfolgt innerhalb der Bank dann durch ein eigenes computergestütztes Analyseverfahren.
Abgesehen davon, dass sich Unternehmer für dieses Prozedere eingehend mit ihrem Unternehmen auseinander setzen müssen, sieht Jürgen Demps einen weiteren Vorteil: „Wenn Sie heute zur Bank gehen, warten Sie nicht selten drei, vier Monate auf einen Kredit. Bis dahin ist das Geschäft womöglich gelaufen. Wenn die Kreditvergabe standardisiert wird, geht's wesentlich schneller."
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