--><b<<font size="6">Sandsturm auch auf dem Parkett</font>
Die Hoffnung der MĂ€rkte auf ein schnelles Kriegsende war ein Trugschluss.[/b]
von Ulrich Reitz(WAMS)
Kriege können auch schon mal eine Börsenweisheit auf den Kopf stellen. âKaufen, wenn die Kanonen donnern." Seit dieser Woche gilt dieses Börsenbonmot nicht mehr. Zwar nehmen die Alliierten die irakischen Truppen immer stĂ€rker unter Beschuss. Doch Börsianer lieben die Zuversicht. Und ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.
Kurz nach dem ersten Bombenhagel sah alles ganz anders aus. Saddam tot oder verletzt? Kapitulation irakischer Soldaten auf breiter Front? Ist der Krieg zu Ende, noch bevor er richtig begann? Kaum hatte US-PrĂ€sident Bush Ernst gemacht und den Startknopf gedrĂŒckt, machten die Börsianer, was sie immer tun: Sie nahmen die Erwartung vorweg. Wetteten auf baldigen Frieden. Und gaben sich dem Kaufrausch hin. Am 12. MĂ€rz hatte der Dax noch auf einem Acht-Jahres-Tief notiert. Ende vergangener Woche lag er knapp 25 Prozent höher.
Lag. Denn inzwischen macht sich auf dem Parkett ErnĂŒchterung breit. Rund ein Drittel gab der Index der deutschen Blue Chips bis zum Handelsschluss am Freitag wieder ab. Zwar waren auch Einzelwerte wie die unter Druck geratene MĂŒnchener RĂŒck daran schuld. Einen weitaus gröĂeren Einfluss aber hatte der Krieg.
âDie Anleger haben auf ein schnelles Ende des Krieges gehofft", resĂŒmiert der Frankfurter Börsenpsychologe Joachim Goldberg. âJetzt herrscht Lethargie." Vor allem zuverlĂ€ssige Informationen ĂŒber den tatsĂ€chlichen Stand der Gefechte fehlen auf dem Parkett, so Goldberg: âDie Börsianer trauen dem Fernsehen nicht." Sein Fazit: Der Blindflug an der Börse dauert an.
Dabei will er unter den Investoren sogar âleichten Optimismus" erkennen: âSolange sich der Dax bei mehr als 2400 Punkten bewegt, bleibt die Börse stabil." Sogar ein Anstieg auf ĂŒber 3000 Punkte sei drin, wenn es glaubwĂŒrdige Erfolge der Alliierten gibt.
Doch mit seiner Zuversicht ist Börsenbeobachter Goldberg allein auf dem Parkett. Die meisten Börsianer sind ĂŒber das zĂ€he Vorankommen der amerikanischen und britischen Truppen im Irak enttĂ€uscht. Die Stimmung an der Börse spiegelt das spĂŒrbar wieder.
âDie MĂ€rkte hassen Unsicherheit", diagnostizierte Gerd HĂ€usler, Direktor beim Internationalen WĂ€hrungsfonds, bei einem Besuch in Frankfurt am Donnerstag die aktuelle Lage. Und warnte vor einer âerhöhten Risikoaversion". Vor allem dann, wenn sich der Irak-Krieg weiter in die LĂ€nge zieht. Auch in seinem Global Financial Stability Report weist der IWF auf dieses Risiko hin: âDie MĂ€rkte haben einen kurzen, die Lage klĂ€renden Krieg einkalkuliert. Jede Abweichung von diesem Szenario könnte das Vertrauen weiter schwĂ€chen."
Die ökonomischen Perspektiven sind denkbar schlecht. Die Wirtschaft bekommt den Krieg bereits zu spĂŒren. Der IWF warnt gar vor einer Rezession. Auch der Ifo-GeschĂ€ftsklimaindex trĂŒbt sich weiter ein. Sogar Bundesfinanzminister Hans Eichel legt seine Stirn in Falten - und denkt ĂŒber eine Senkung des fĂŒr 2003 mit einem Prozent prognostizierten Wirtschaftswachstums fĂŒr Deutschland nach.
âVor allem der steigende Ă-lpreis ist die Hauptstörungsquelle der Konjunktur", warnt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Barclays Capital. Zudem verhageln steigende Staatsausgaben fĂŒr die Sicherheit im Land die Konjunktur. âDer Staat muss dafĂŒr mehr Geld ausgeben", sagt der Chefökonom. âDie Steuerlast nimmt zu."
Anleger sollten die Nerven bewahren und vorsichtig sein", warnt Gottfried Heller, Chef der MĂŒnchner Vermögensverwaltung Fiduka und langjĂ€hriger Partner des inzwischen verstorbenen Börsen-Altmeisters AndrĂ© Kostolany: âWer nicht investiert ist, sollte zurĂŒckhaltend agieren und gĂŒnstige Momente zum Einstieg nutzen."
Die VolatilitÀt an den MÀrkten ist zurzeit enorm. Trader halten die Börse derzeit fest in ihrer Hand. Mit nervösen Short- und Coverage-Aktionen treiben sie die ausverkauften MÀrkte vor sich her. Und verstÀrken damit die SchwankungsanfÀlligkeit der Kurse.
Erfahrene Börsianer sind sicher: Die NervositĂ€t an der Börse ist nur eine Frage der Zeit. âEs dauert nicht mehr allzu lange, dann haben sich die Anleger an die Bilder aus dem Kriegsgebiet gewöhnt", sagt Verhaltensanalyst Goldberg. âDie Marktteilnehmer finden dann wieder zu ihrer ökonomisch fundierten RationaliĂ€t zurĂŒck." Und die Wirtschaftsdaten sind alles andere als gut. âDie konjunkturelle Entwicklung ist lausig", sagt Jörg de Vries-Hippen, Fondsexperte beim Deutschen Investment-Trust (DIT). Wirtschaftswachstum sei nicht in Sicht.
Rolf Elgeti, Leiter Europastrategie bei der Commerzbank, macht trotzdem âerste Kaufgelegenheiten am Aktienmarkt" aus: âDurch den Irak-Krieg sind auch Aktien nach unten gerutscht, die unter den Kriegswirren nicht leiden." Vor allem Anteilsscheine der Ă-lbranche und Aktien des Telekomsektors âstehen sehr solide da". Riskanter sei es, nach Aktien zu greifen, die von einem Krieg fundamental betroffen sind. Aktien der Autobauer sowie die Stahl- und Maschinenbaubranche gehören dazu. âAnleger, die sich an diese Aktien herantrauen, sollten einen langen Atem haben und die Papiere zwei bis drei Jahre ins Depot legen", empfiehlt Elgeti. Eine Chance, dass sich die Kurse verdoppeln, sei dann durchaus drin. Voraussetzung sei, dass der Krieg im Irak nicht völlig aus dem Ruder lĂ€uft.
Der Rentenmarkt ist fĂŒr die Profis lĂ€ngst tabu. âAls sicherer Hafen haben die Anleihen lĂ€ngst ausgedient", orakelt Kapitalmarktprofi Elgeti. Gottfried Heller bringt es noch deutlicher auf den Punkt: âDie Finger weg von Renten", warnt der Fiduka-Chef. Gerade noch Geldmarkt-Fonds seien zu empfehlen. Nicht einmal Staatsanleihen drĂ€ngten sich auf. âWenn sich ein Anleger in Vorsicht ĂŒben will", so Commerzbanker Elgeti, âdann sollte er lieber Cash halten." Sei das Verstummen der Kanonen erst einmal in Sicht, böten sich auch Kaufgelegenheiten immer deutlicher an. Bis zum Jahresende sieht Elgeti denn auch Potenzial: âBis auf 3000 Punkte kann der Dax locker steigen."
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