-->"Der Widerstand der Iraker in Zivilkleidung ist unfair"
beschweren sich die Briten. Aber irakische Kinder
massenweise töten, ist in Ordnung, meinen sie!
Spiegel online - 31. März 2003
IRAK-KRIEG
Ein Abgrund von Fremdheit
Sie wollten als Befreier kommen, als umjubelte Helden. Doch selbst in den besetzten
Gebieten bleibt der Umgang eisig. Die Feindseligkeit der Iraker trifft die Amerikaner
zutiefst, untergräbt die Moral. Schmerzvoll müssen die Soldaten lernen, mit dem Hass zu
leben....
Langfristig gravierender indessen erscheint das
Verhalten der Bevölkerung. Die Amerikaner sind
in dem Punkt verwöhnt: Vor zwölf Jahren, als sie
im ersten Krieg gegen den Irak die raubende und
mordbrennende Soldateska Saddam Husseins aus
dem besetzten Kuweit hinauswarfen, wurden die
GIs von Einheimischen als Helden umjubelt. Im
Irak jedoch ist die erste Kriegswoche abgelaufen,
ohne dass der in Washington intensiv ersehnte
Honigmond über den Befreiern und den bisher
Unterdrückten aufgegangen wäre.
Wie bei der Begegnung des barfüßigen Beduinen
mit den nervösen Marines scheint zwischen beiden
Seiten ein grundsätzliches Nichtverstehen, ein
Abgrund von Fremdheit zu klaffen. Die
Amerikaner begreifen keinen Nationalismus außer
ihrem eigenen; warum sie von vielen Irakern, die
den Tyrannen Saddam Hussein verabscheuen, als
fremde und islamfeindliche Invasoren empfunden
werden, bleibt ihrem Durchblick verschlossen....
"Anfangs fühlte es sich großartig an, als wir
einmarschierten und die Leute uns zulächelten", sagt Oberstleutnant Michael Belcher von den
Marines."Aber jetzt müssen wir uns fragen, was hinter diesem Lächeln steckt und hinter diesen
Menschenmengen überhaupt."
Ernüchterung, ja so etwas wie Katzenjammer macht sich breit, seit der Bevölkerung oder
jedenfalls Männern in Zivilkluft nicht mehr zu trauen ist. Mit dem Finger am Abzug ihrer
M-16-Sturmgewehre greifen sich Marines nahe bei Nassirija ein paar Iraker, die ihnen mit dem
Auto gefolgt waren. Die Amerikaner versuchen, die Männer zur Rede zu stellen, zwingen sie
dann nieder in den Sand, um für alle Fälle die Reifen ihres Autos zu zerschneiden....
Die Herzen und die Hirne der Südvietnamesen sollten damals, vor beinahe 40 Jahren, erobert
werden durch Hilfe, Erziehung, Propaganda und mehr oder weniger sanften Druck, um sie dem
Griff der kommunistischen Vietcong zu entwinden und für die Demokratie zu gewinnen. Schlaue
Köpfe im Weißen Haus hatten sich das"Hearts and minds"-Programm ausgedacht, dem
US-Präsident Lyndon Johnson mit kerniger Skepsis die Empfehlung nachschickte:"Packt die
Brüder bei den Eiern. Herz und Hirn folgen dann schon."
Das diskreditierte Erfolgsrezept aus Amerikas erstem verlorenen Krieg hat gerade jetzt einen
ominösen Beiklang erhalten, da ein weiterer unheilschwangerer Begriff die Runde macht:
Guerrilla.
Der Feind sieht auf einmal nicht mehr aus wie der Feind. Die regulären Truppen in Uniform, die
sich im Südirak den Amerikanern töricht in offener Feldschlacht entgegenstellten, sind
niedergemäht worden; ihre alten Sowjetpanzer vom Typ T-55 liegen ausgebrannt in der Wüste
herum.
Mit solch harmlosem Widerstand werden Amerikaner und Briten sich fortan wohl eher selten
abgeben müssen....
Gardisten und Milizen der Baath-Partei legen nun ihre Uniformen ab, verbergen ihre Waffen und
tauchen in der Zivilbevölkerung unter. Diese Taktik finden Offiziere Ihrer Majestät empörend:
"That's not cricket" unsportlich sei das....
Rücksicht auf die Zivilbevölkerung hat in der Planung dieses Kriegs eine ungewöhnlich große
Rolle gespielt, wie auch die Schonung der regulären Truppen des Regimes. Die werden als dann
einzige organisierte Kraft im Lande für den Wiederaufbau des Irak dringend benötigt. Aber der
Kriegsverlauf könnte auch aus diesem Plan Makulatur machen."Die versuchen, uns ständig in
Hinterhalte zu locken, obwohl wir doch hier sind, um ihnen zu helfen", wird in Kuweit ein schwer
enttäuschter Marine-Infanterist zitiert.
Anders als in Pakistan oder Indien gehört das Cricketspiel nicht zu den Traditionen der
irakischen Militärs."Es ist Allahs Wille", hat Saddam Hussein im Fernsehen als Nationalsport
empfohlen,"den Eindringlingen die Kehlen durchzuschneiden."
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