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Kommentar
Werner Pirker
Die Plünderer
Mit Bagdad fiel das Völkerrecht
In diesen Tagen hört der Irak auf, als eigenständiger Staat zu existieren. Das ist eine zivilisatorische Katastrophe.
Denn mit dem Untergang des Irak als Völkerrechtssubjekt ist auch das Ende des Völkerrechtsregimes, das auf
der Souveränität der Nationen beruhte, besiegelt worden. Der schnelle Sieg der High-Tech-Hunnen hat die
schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Die Niederwerfung des Irak sei eine Lektion gewesen, sagte ein Sprecher
des Pentagon im Vollgefühl des Triumphes. Eine Lektion für alle unbotmäßigen Nationen. Diese haben sich künftig
gefälligst am Wettbewerb der Unterwürfigkeit zu beteiligen.
Nun ist in Bagdad ein »demokratische Regimewechsel« angesagt. Die Repräsentanten der irakischen Demokratie
werden aus Übersee eingeflogen. Je abhängiger, desto demokratischer. Die Okkupanten, die eben erst Bagdad
bis zur Unkenntlichkeit zerstört haben, verkünden, dem irakischen Volk sein Land wiedergeben zu wollen. Doch
davor soll das Land seiner Ressourcen enteignet werden. Das Land, das den Irakern von den Besatzern
versprochen ist, wird nichts mehr wert sein. Die wichtigsten Akteure der »demokratischen Umgestaltung« werden
Plünderer, das heißt die Ã-lmagnaten der anglo-amerikanischen Allianz, sein.
In ihrem Gefolge ziehen Figuren irakischer Herkunft ein, die in sich alle Attribute der arabischen Reaktion
vereinigen: Korrupt bis in die Knochen und ebenso elitär wie kriecherisch. Ahmad Chalabi, der Vorsitzender des
»Irakischen Nationalkongresses« und als Quisling von Bagdad vorgesehen, ist der Prototyp einer parasitären
Schicht, die von linken Nationalisten ins historische Abseits befördert wurde und nun zur Revanche angetreten ist.
Er und seinesgleichen garantieren, daß die Plünderungen, die zur Zeit von den lumpenproletarischen Massen
begangen werden, ihre professionelle Fortsetzung finden. Von einem Staatsbesuch in Jordanien sollte dieser
Repräsentant der »irakischen Freiheit« besser Abstand nehmen, denn dort erwartet ihn wegen Konkursbetrug
eine mehrjährige Haftstrafe. Auch US-Außenminister Powell betrachtet die liebevolle Fürsorge, die Chalabi von
den Extremisten um Rumsfeld, Wolfowitz und Rice zuteil wird, als Affront. Denn er hatte dem »Freiheitskämpfer«
die Mittel für die Exilzeitung Hurriya wegen ständiger Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung entzogen.
Mit Leuten wie Chalabi wird kein Staat zu machen sein. Doch dürfte die Absicht der imperialistischen Warlords
ohnehin darin liegen, die irakische Staatlichkeit zu zerstören. Dabei kommt ihnen die Erschöpfung und
Desillusionierung des irakischen Volkes zugute. Die nackte Gewalt sieht sich bestätigt. Doch im Übermut des
Imperiums liegt der Keim seiner finalen Niederlage.
Quelle: jungewelt.de
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