-->Leben auf Pump immer beliebter
Die Verschuldung der Bundesbürger steigt - dies zeigt eine neue Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Zwischen 1997 und 2001 ist der Anteil der Haushalte mit Konsumentenkrediten deutlich gestiegen - die Belastungen aus Zinsen und Tilgung ebenfalls.
OLAF STORBECK
HANDELSBLATT, 24.4.2003
DÜSSELDORF. Immer mehr Deutsche leben über ihren Verhältnissen - und ächzen zunehmend unter der Last ihrer Schulden. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Verbraucher, die mit Konsumentenkrediten bei den Banken in der Kreide stehen, deutlich gestiegen: 2001 war fast jeder fünfte Privathaushalt verschuldet, 1997 noch nicht einmal jeder vierte, berichtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, in seinem gestern erschienenen Wochenbericht. Die Wissenschaftler betrachteten ausschließlich Verbraucherkredite - und keine Hypotheken- oder Bauspardarlehen.
Überproportional häufig sind laut DIW Familien mit Kindern betroffen - diese seien"in der Gruppe der Haushalte mit Kreditbelastungen besonders stark vertreten, ihre Verschuldung hat stark zugenommen". Zudem sind im Osten deutlich mehr Menschen verschuldet als im Westen (Grafik), zeigt die Analyse auf der Basis des Sozio-ökonomischen Panels, einer Langzeit- Befragung von 12 000 Haushalten.
Auch im internationalen Vergleich ist die Verschuldung der Deutschen hoch: Die gesamten Verbindlichkeiten der Haushalte summierten sich laut OECD 2001 auf 112 % des verfügbaren Einkommens, zehn Jahre zuvor waren es nur rund 85 %. Damit sind die Deutschen sogar höher verschuldet als die kauffreudigen US-Bürger, deren Schulden 2001 bei knapp 109 % des verfügbaren Einkommens lagen. Die OECD-Statistiken widersprechen auch der These, die Deutschen nähmen Kredite vor allem für den Hauskauf auf, während die Amerikaner hauptsächlich ihren Konsum auf Pump finanzierten: Die Hypotheken- Darlehen belaufen sich hier zu Lande laut OECD auf 72 % des verfügbaren Einkommens, in den USA sind es rund 74 %.
Volkswirte halten die deutlich gewachsene Verschuldung in Deutschland aber nicht für ein gesamtwirtschaftliches Problem:"Kurzfristig halte ich das nicht für dramatisch", sagt Jürgen Michels, Deutschland- Experte bei der Citigroup in London. Ähnlich sieht es sein Kollege Holger Fahrinkrug von UBS Warburg:"Das ist nichts, was mir makroökonomisch Sorgen macht - man kann gesamtwirtschaftlich auf keinen Fall von einer Überschuldung sprechen." Ein Grund für den starken Anstieg der Konsumentenkredite in den vergangenen Jahren sei, dass es für die Verbraucher heute leichter sei als früher, Schulden zu machen."Inzwischen können Sie schon bei einem Einkauf für 100 Euro im Kaufhaus Ratenzahlung vereinbaren."
Citigroup-Ã-konom Michels allerdings betont:"Die derzeitige konjunkturelle Situation und die steigende Arbeitslosigkeit führt dazu, dass das finanzielle Polster für die Haushalte immer kleiner wird. Insofern haben wir schon eine kritische Situation erreicht." Allerdings sparten die Deutschen auch nach wie vor viel. 2001 sparten die Deutschen der OECD zufolge knapp 10 % ihres verfügbaren Einkommens, die Amerikaner 3,7 %."Das erweckt nicht den Anschein, als ob schon stark aus der Substanz gewirtschaftet würde."
Parallel zur Verschuldung ist auch die monatliche Belastung der Haushalte gestiegen. Im Westen zahlte ein Haushalt 2001 im Schnitt pro Monat 207 Euro an Zinsen und Tilgung für Konsumentenkredite - 1997 waren es nur 192 Euro. In Ost- Deutschland kletterte die Belastung von 133 auf 152 Euro.
Arme Haushalte sind weniger häufig verschuldet als wohlhabendere, hat das DIW herausgefunden. Allerdings: Zinsen und Tilgung belasten die Armen deutlich stärker als die Wohlhabenderen."Im Westdeutschland brachten arme Haushalte, die Schulden hatten, durchschnittlich 23 % ihre Haushaltsnettoeinkommens für die Begleichung der Schulden auf, nicht arme Haushalte hingegen nur 16 %", schreibt das DIW.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, sprechen sich die Forscher für den Ausbau des Angebots an Schuldnerberatungsstellen aus und für"familienfreundliche Darlehen". Außerdem sollte das Thema Schulden in der Schule eine größere Rolle spielen - die Lehrer sollten die"Risiken bestimmter Finanzierungsformen" deutlich machen und einen"verantwortungsbewussten Umfang mit Geld" fördern.
Quelle: Handelsblatt 24.4.03, S. 8
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