-->Demonstrationen als Wehrkraftzersetzung
Ralf Streck 23.04.2003
Spanien will Zivilisten, die gegen einen Krieg protestieren, vor ein MilitÀrgericht stellen
Mit GefĂ€ngnis zwischen"einem Jahr und sechs Jahren" soll bestraft werden, wer"in einem internationalen bewaffneten Konflikt, an dem sich Spanien beteiligt, öffentlich Handlungen vornimmt, um diese Beteiligung in Misskredit zu bringen". Das ist ein Auszug aus dem Artikel 49 eines Gesetzesentwurfs des spanischen Verteidigungsministeriums zur Reform des MilitĂ€rgesetzes. AuszĂŒge aus dem Gesetzesentwurf hat am Dienstag die spanische Tageszeitung El Pais veröffentlicht.
Mit der Vorlage soll das Delikt der Wehrkraftzersetzung wieder eingefĂŒhrt und die MilitĂ€rgerichtsbarkeit ausgeweitet werden. Zivilpersonen, die gegen Kriege protestieren, wie im Fall des Irak, sollen dann vor MilitĂ€rgerichte gestellt werden.
Die Veröffentlichung der Vorlage hat zu einem EntrĂŒstungsturm gefĂŒhrt. So erklĂ€rte der Sprecher der Vereinten Linken Felipe Alcaraz, dieser Text könne von"jedem Diktator einer Bananenrepublik unterzeichnet werden". Josep LluĂs Carod Rovira, der GeneralsekretĂ€r der Republikanischen Linken Kataloniens Spaniens MinisterprĂ€sident JosĂ© MarĂa Aznar eine"Gefahr fĂŒr die Demokratie". Wenn der in dieser Geschwindigkeit weiter demokratischen Rechte abbaue,"werden wir bald im Gleichschritt in der Jugendfront marschieren". Seitdem die Vorlage aus Verteidigungsministerium bekannt ist, rudert die wegen der KriegsunterstĂŒtzung schwer angeschlagene Regierung Aznar heftig zurĂŒck. Sie bestĂ€tigte, ein neues MilitĂ€rstrafgesetzbuch sei geplant, welches das aus dem Jahr 1985 stammendes Gesetz ablösen und die Kompetenzen der MilitĂ€rgerichtsbarkeit erweitern soll. BegrĂŒndet wird die Reform unter anderem mit"von Spanien eingegangenen internationalen Verpflichtungen".
Kafkaesk trat am Dienstag der Verteidigungsminister Federico Trillo vor die Presse. Er bestĂ€tigte dabei die Existenz des Vorschlags, meinte allerdings, er habe von dessen Inhalt selbst erst aus der Zeitung erfahren. Den Fragen danach, wer den Vorschlag, auf Grund welcher Vorgaben und Anforderungen angefertigt hat, entzog er sich. DafĂŒr klĂ€rt El Pais den Minister heute ĂŒber die ZustĂ€ndigkeiten in seinem Haus auf. Wie alle Vorhaben sei auch dieser Vorschlag in einem Sekretariat des Verteidigungsministeriums ausgearbeitet worden.
Ohnehin entpuppen sich die scheinbaren Distanzierungen der Regierung von der Reform beim genaueren Hinsehen zwischen den Zeilen als BestĂ€tigung des Vorhabens. Der Verteidigungsminister erklĂ€rte,"es macht keinen Sinn" Strafen noch in dieser Legislaturperspektive einzufĂŒhren. Ăhnlich Ă€uĂerte sich auch der VizeprĂ€sident Mariano Rajoy. Er erklĂ€rte, die Reform habe"keine PrioritĂ€t der Regierung" und sie werde"in dieser Legislaturperiode nicht verabschiedet". Nach einer wirklichen Distanzierung von einer weiteren Beschneidung fundamentaler Rechte klingt das nicht. Schon eher danach, dass der Vorschlag ausgearbeitet wurde, als noch nicht bekannt war, wie stark Aznar wegen seines Kriegskurses im Fall Irak an Vertrauen verlieren wird. So spricht alles dafĂŒr, dass die Volkspartei (PP) das Vorhaben nur zurĂŒckstellt und, falls sie die Wahlen im FrĂŒhjahr 2004, entgegen aller derzeitigen Umfragen, doch noch gewinnt, wieder ausgrĂ€bt.
<ul> ~ Quelle</ul>
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