-->AUFSTAND IN Ã-STERREICH
Eisprinz contra Bärentöter
Von Jürgen Kremb, Wien
Ã-sterreich steht ein heißer Mai bevor. Nach den erfolgreichen Protesten von dieser Woche, mobilisieren die Gewerkschaften für den kommenden Dienstag zur Großkundgebungen gegen Kanzler Schüssels"Rentenklau" und drohen mit Generalstreik. Nutzt Jörg Haider die Gelegenheit zum Sturz seines Erzfeindes?
DPA
"Abrutschen in die unkonstruktive Grobheit": Schüssel
Wien - Dann stand er plötzlich im Raum, der hässliche Begriff vom"Kommunistenputsch" und verriet die wahre Intention des Kanzlers. Die Arbeiter und Studenten marschierten noch gar nicht gegen den"Sozialabbau" durch die Straßen von Linz und Klagenfurt, da startete Ã-sterreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (Selbstbezeichnung:"Eisprinz") und sein Wirtschaftsminister Martin Bartenstein bereits das mediale Gemetzel.
"Außerhalb jeder Dimension" sei"diese Art des politischen Streiks" schimpften beide im zum Kanzler-Schwarzfunk mutierten ORF am vorletzten Sonntag. Nur einmal habe es einen vergleichbaren Aufstand im Land der Gemütlichkeit gegeben, 1950 nämlich, als Bauarbeiter gegen eine versuchte Machtübernahme der KPÃ- revoltierten.
Die historische Dimension haben sie richtig erfasst, die Kabinettsmannschaft von Schüssels Ã-sterreichischer Volkspartei (Ã-VP) und Vizekanzler Herbert Haupts Rechtspopulisten von der FPÃ-. Geschätzte 500.000 Arbeiter beteiligten sich am Dienstag zwischen Eisenstadt und Feldkirch an 10.000 Protestaktionen. Ein halbes Jahrhundert gab es nicht mehr so einen Pallawatsch ("Durcheinander") in den Alpentälern.
Nur: den Part des Bösewichts, den damals die roten Aufständler übernahmen, weil sie den sozialen Frieden störten, sehen die Mehrheit der Alpenländer heute den Kanzler spielen. Deshalb will der Ã-sterreichische Gewerkschaftsbund (Ã-VB) am Dienstag mit 200.000"Hackler" ("Arbeitern") auf Schüssels Amtssitz am Ballhausplatz marschieren. Ende Mai droht im traditionell roten Wien gar der Generalstreik.
Was das Land aufbringt, ist nicht allein die angestrebte Pensionsreform. Ã-sterreich hat im europäischen Vergleich mit einem Aufwand von 14,5 Prozent (Deutschland: 11,8 Prozent) des Bruttoinlandsprodukts nicht nur die teuerste Altersversorgung, sondern ist auch Spitze beim Vorruhestand. Das ist kaum bezahlbar.
Doch um die Kassen vor dem Kollaps zu retten, hat der neoliberale Kanzler ein Konzept erstellt, mit der die Altersruhegelder nicht sicherer werden, sondern vor allem drastisch schrumpfen. Experten errechnen in den Medien, dass zukünftige Rentner auf bis zu 40 Prozent ihrer Bezüge verzichten müssen. Das bestreitet die Ã-VP:"Bei zehn Prozent Minus wird gedeckelt."
Was seine Gegner aber noch mehr erzürnt, ist der Husarenritt, mit der Schüssel den als"Jahrhundertwerk" angekündigten Sozialabbau - im Verbund mit Privatisierung bei Bahn und Post, sowie kräftigen Einschnitten im Bildungsbereich - durch die Gremien peitscht. Unter der Tarnkappe von 91 weiteren Gesetzesänderungen, soll die"Rentenklaunovelle" (SPÃ-) schon am vierten Juni im Block durch den Nationalrat gedrückt werden. Nur acht Stunden Debattenzeit ist dafür zugelassen. Während die Sozialkassen schrumpfen, plant das Kabinett bei den Militärausgaben kräftig zuzulegen. Für 1,9 Milliarden will das Land insgesamt 24 Eurofighter kaufen. Eine billigeres Angebot der schwedischen Gripen Abfangjänger wurden am Ballhausplatz aus undurchsichtigen Gründen ausgeschlagen.
Vom"Abrutschen in die unkonstruktive Grobheit", sprach angesichts dessen die"Presse"."Der Kanzler hat ganz bewusst und absichtlich den österreichischen Weg des Dialogs und Konsens verlassen", wetterte SPÃ--Chef Alfred Gusenbauer. Nach dem Modell der"Sozialpartnerschaft" hatten Regierung, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden seit der Staatsgründung 1955 jedweden sozialen Konflikt im Einvernehmen gelöst. Das Ergebnis: nur in Japan wurde in der kapitalistischen Welt weniger gestreikt als in den Alpen.
Dass der als geschickter Stratege geltende Schüssel jetzt das bewährte Modell ad acta legt, sei aus"reiner Siegesgewissheit" geschehen, sagt der Politologe Anton Pelinka."Schüssel will in ähnliche Höhen Aufsteigen wie Bruno Kreisky," sagt Pelinka.
Mit dem spektakulären Ã-VP-Wahlsieg im Herbst wurde der FPÃ--Schattenvorsitzende Jörg Haider de facto entmachtet. Für seine kühnen Pläne von der Umwandlung der schläfrigen Republik nach neoliberalem Vorbild, stehen dem Kanzler jetzt nur noch die Betonköpfe und Blockierer vom Ã-GB im Weg. Die hätten sich aber selbst erledigt, so das vermeintliche Kalkül, wenn die Streiks scheitern und Schüssel die Einschnitte auch gegen den Gewerkschaftswillen durchsetzt.
Das ist ein riskantes Spiel. Mit sechs Stimmen, ist Schüssels Mehrheit im 183-köpfigen Nationalrat äußerst knapp. Ã-VP-Gewerkschaftler Fritz Neugebauer hat angekündigt, dem Rentenpaket nicht zuzustimmen. Und im Kärntner Bärental, dem Familiestammsitz von Jörg Haider, arbeitet der Rechtspopulist wieder am Sturz seines Erzfeindes Wolfgang Schüssel. Falls die Pensionsreform nicht sozial verträglich abgefedert werde, ließ Haider angereiste Journalisten in Manier eines Bärentöters wissen, werde er von gleich gesinnten FPÃ--Parlamentariern am vierten Juni die Regierung Schüssel stürzen lassen. Sieben FPÃ--Abgeordnete, einer mehr, als notwendig, stünden bereit um die Pensionsreform zu Fall zu bringen."Wenn es nicht zur Einigung kommt," meint Politologe Pelinka,"haben wir bald Neuwahlen."
Dass die beiden Kontrahenten sich einigen könnten, scheint indes so gut ausgeschlossen. Als der Kanzler letzte Woche beim Treffen der Landshauptleute, in der Steiermark das Wort ergriff, stand Haider demonstrativ auf und verließ den Saal.
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