-->ZEIT vom 15. Mai 2003.
ISLAM
Keine Huris im Paradies
Wurde der Koran-Text falsch ĂŒberliefert? Nicht Jungfrauen, sondern âweiĂe Traubenâ warten auf den Muslim im Jenseits. Ein deutscher Wissenschaftler hat frĂŒhe Textfragmente untersucht. Seine Quellenkritik bedroht die islamische Theologie
Von Jörg Lau
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Im letzten Jahrhundert rĂŒckte die Textkritik der Bibel zu Leibe. Kommt nun der Koran an die Reihe? Islamische Gelehrte haben begonnen, die amtliche Version von der Urgeschichte des Korans infrage zu stellen. Der Koran ist fĂŒr die Muslime das Wort Gottes, der durch den Erzengel Gabriel in âklarer arabischer Spracheâ zum Propheten gesprochen hat. Das Bekenntnis zum âungeschaffenenâ und âunnachahmlichenâ Koran ist nicht nur Sache der so genannten Fundamentalisten, sondern jedes rechtglĂ€ubigen Muslims.
Diese Lehre ist unter Druck geraten. Westliche Beobachter sprechen schon von einer Welle des âislamischen Protestantismusâ - etwas voreilig vielleicht. In der islamischen Welt sind die liberalen Theologen mit ihrem differenzierten Blick auf Entstehung und Struktur des Koran-Textes hoffnungslos isoliert. Es hilft ihnen gar nichts, dass sie meist fromme MĂ€nner sind, die einen authentischen Zugang zu ihrem zentralen Glaubensdokument suchen. Wer nicht hingerichtet wurde wie der Sudanese Mahmoud Taha, wer nicht ins westliche Exil fliehen konnte wie der Ăgypter Nasser Abu Zaid, der muss wie der Iraner Abbdolkarim Sorusch in Angst vor den SchlĂ€gertrupps der GesinnungswĂ€chter leben.
Mitten hinein in diesen ungleichen Kampf zwischen Liberalen und Orthodoxen hat ein deutscher Gelehrter ein Buch geworfen, das auf dem besten Weg ist, weltweit Furore zu machen. Der Mann zieht es vor, sich Christoph Luxenberg zu nennen - ein Pseudonym. âMeine arabischen Freundeâ, sagt er, âhaben mir dazu geraten, nachdem sie meine Thesen kannten.â Der promovierte Semitist - also Fachmann fĂŒr alte semitische Sprachen, insbesondere das AramĂ€ische - hat gut daran getan, auf seine Freunde zu hören. Sollte seine Methode sich durchsetzen, entstĂŒnde nicht weniger als ein grundlegend neues VerstĂ€ndnis des Korans.
Luxenberg kann zeigen, dass der Koran an vielen Stellen von den arabischen Kommentatoren fehlgelesen und missdeutet wurde. Viele dunkle Stellen, die in ĂŒber 1000 Jahren der Arbeit am heiligen Text selbst fĂŒr arabische native speakers rĂ€tselhaft blieben, kann Luxenberg erhellen. Der Clou seiner Arbeit: Der Text des Korans zeigt sich in ungeahntem MaĂe von syrisch-christlichen Elementen durchwebt.
Die dunklen Stellen des Korans lassen sich aufhellen
Einige Neudeutungen Luxenbergs haben auch fĂŒr den Laien sofort erkennbar ungeheure Brisanz. So klĂ€rt er zum Beispiel das RĂ€tsel der Paradiesjungfrauen auf, der âgroĂĂ€ugigen Hurisâ, die vermeintlich auf die GottesfĂŒrchtigen im Paradies warten. Ăber die Sinnlichkeit der jenseitigen MĂ€nnerfantasien haben sich schon seit je die Kommentatoren gewundert. Keine Religion des vorderasiatischen Raumes wusste ihren GlĂ€ubigen Derartiges zu versprechen, wie es etwa die Suren 44 und 52 tun. FĂŒr die christliche Polemik gegen den Islam waren die entsprechenden Stellen immer willkommen. Nach Luxenbergs Erkenntnissen laufen diese Angriffe ins Leere. Der Koran spricht nĂ€mlich gar nicht von Jungfrauen. Luxenberg zeigt, dass die Huris in Wirklichkeit nichts anderes sind als âweiĂe, kristallklare Traubenâ, FrĂŒchte, die in den Paradiesvorstellungen des Orients von alters her als Sinnbild von Wohlleben und Behaglichkeit galten.
Das ist eine schlechte Nachricht fĂŒr jene, die den Koran politisch missbrauchen: Mit der Vision von den willigen Huris werden junge MĂ€nner fĂŒrs MĂ€rtyrertum geködert. FĂŒr alle, die an einer KlĂ€rung des Koran-Textes interessiert sind, sollte die stimmigere Lesart ein Grund zur Freude sein. Freilich ist die Sache nicht so einfach. Radikale Revisionen wie diese lösen naturgemÀà höchst gemischte GefĂŒhle aus, und zwar bei frommen Muslimen ebenso wie bei der etablierten Islam-Wissenschaft.
Hinter dem Decknamen Luxenberg - der manchen an den Mythenzerstörer Lichtenberg erinnern mag - steckt kein Polemiker, sondern ein strenger Philologe. Er hat seine Forschungen nicht sensationsheischend vermarktet. Seine Studie trĂ€gt den graumĂ€usigen Titel: Die syro-aramĂ€ische Lesart des Korans. Ein Beitrag zur EntschlĂŒsselung der Koransprache. Die Fachwelt hat gleichwohl erkannt, welcher Sprengstoff sich in den philologischen Erörterungen verbirgt. Die erste Reaktion war blanke Angst.
Fast nĂ€mlich hĂ€tte Luxenbergs Buch das Licht der Ă-ffentlichkeit nicht erblickt. Die groĂen akademischen Verlage zogen sich nach anfĂ€nglichem Interesse mit dezentem Hinweis auf die Verfolgung von Salman Rushdie zurĂŒck. Ende 2000 kam Luxenburgs Werk in einem mutigen Berliner Kleinverlag namens Das Arabische Buch heraus, ohne groĂe Hoffnung auf öffentliches Interesse. Inzwischen ist der Verlag pleite, das Buch wird aber von seinem Nachfolger, dem Schiler Verlag, weiter ausgeliefert.
Den etablierten Verlagen wird ihre vorauseilende Feigheit mittlerweile leid tun. Der erste Weltkongress der Orientalisten widmete Luxenberg im letzten Herbst in Mainz ein eigenes Symposium. Der Guardian, die New York Times und kĂŒrzlich auch Le Monde haben prominent ĂŒber Luxenberg berichtet, sehr ungewöhnlich fĂŒr einen deutschsprachigen akademischen Titel von solcher Entlegenheit. Der Philosoph RĂ©mi Brague, ein fĂŒhrender Spezialist fĂŒr die arabische Philosophie des Mittelalters, widmet Luxenberg einen langen, euphorischen Essay im Aprilheft der Zeitschrift Critique. Am weitesten geht die semitistische Fachzeitschrift Hugoye (Januar 2003): âIn der Geschichte der Koran-Forschung ist ein solches Buch noch nicht vorgekommen. Ăhnliches gibt es bisher nur im Bereich der textkritischen Bibelauslegung. Ob Luxenberg in jedem Detail Recht hat oder nicht - mit seinem Buch hat er in der Auslegung des Koran die âkritische Wendungâ gebracht, die die Bibelkommentatoren vor mehr als einem Jahrhundert nahmen.â Die Berliner Koran-Expertin Angelika Neuwirth dĂ€mpft diesen Ăberschwang: âLuxenbergs Linguistik ist altmodisch positivistisch.â Aber auch sie anerkennt, dass er mit seinen Thesen âin ein Vakuum der modernen Koranforschung stöĂtâ und das Buch ein âlehrreicher Stein des AnstoĂes seiâ.
Bisher gibt es in der Tat keine kritische Ausgabe des Korans - des religiös, kulturell und politisch einflussreichsten Textes der heutigen Welt, nachdem das Kommunistische Manifest diesen Rang eingebĂŒĂt hat. Niemand hat die verschiedenen Stimmen, Stile und Textschichten bisher systematisch untersucht, wie es an der Bibel seit dem 19. Jahrhundert geleistet wurde. Dabei ist die UnverstĂ€ndlichkeit vieler Stellen keineswegs nur fĂŒr Nichtmuslime ein Problem. Sie war bereits dem groĂen Tabari (838 bis 923), dem berĂŒhmtesten Koran-Kommentator der frĂŒhen Zeit, in seinem 30-bĂ€ndigen Tafsir wohl bewusst.
Auch die Islam-Wissenschaft von heute kommt um die dunklen Stellen nicht herum. Navid Kermani hat in seinem preisgekrönten Buch Gott ist schön die Undurchdringlichkeit der Koran-Sprache ins Positive gewendet und eine anspruchsvolle Ăsthetik der âOffenheitâ des Korans formuliert. Kermani liest die kryptischen Stellen wie absolute Poesie und kann so Wahrheits- und Echtheitsfragen auf produktive Weise ausklammern. Der Hauptstrom der Forschung aber hat vor dem RĂ€tsel der Koran-Sprache resigniert. Man hat Formeln gefunden, hinter denen es elegant verschwindet. So sagt etwa Hartmut Bobzin, ein fĂŒhrender deutscher Koran-Spezialist von der UniversitĂ€t Erlangen, der Koran werde âgleichsam durch Gewöhnung verstĂ€ndlich, und die altertĂŒmliche Form der Sprache wirkt wie Patina, die den religiösen Charakter des Korans in besonderem MaĂe unterstreichtâ. Das ist eine vornehme Formulierung fĂŒr die wissenschaftliche Kapitulation vor der hergebrachten Lehre.
Christoph Luxenberg bricht radikal mit solcher GenĂŒgsamkeit. Er schĂ€tzt die dunklen Stellen mittlerweile auf etwa ein Viertel des gesamten Koran-Textes. Je genauer er nĂ€mlich - ohne sich durch âGewöhnungâ ans UnverstĂ€ndliche zu beruhigen - auf den vertrauten Text schaut, umso fremder schaut jener zurĂŒck. Luxenberg wirft dabei nicht mutwillig das Wissen der Tradition ĂŒber Bord. ZunĂ€chst sieht er im Tafsir nach, ob sich fĂŒr seltsame Stellen, Redewendungen oder Worte eine befriedigende Deutung findet. Dann nimmt er den Lisan zur Hand, das klassische Hauptwörterbuch der arabischen Sprache. Erst wenn diese beiden Quellen versagen, versucht Luxenberg seine eigene, die syro-aramĂ€ische Lesart.
War die arabische Welt vor Mohammed christianisiert?
Und so ist er auch auf die Lösung des Jungfrauen-RĂ€tsels gekommen. Die berĂŒhmten Passagen ĂŒber die vermeintlichen Huris bauen auf dem Wort hur auf, einem Adjektiv im weiblichen Plural, das im Arabischen lediglich âweiĂeâ bedeutet. Die arabischen Kommentatoren haben pos-tuliert, dass sich dieses Adjektiv auf âweiĂĂ€ugigeâ Jungfrauen beziehen mĂŒsse. Luxenberg zeigt nun, dass diese Deutung nichts als MutmaĂung und Wunschdenken ist und dass sie zu inneren Unstimmigkeiten mit anderen Aussagen des Korans ĂŒber das Paradies fĂŒhrt. Den GottesfĂŒrchtigen wird nĂ€mlich an anderer Stelle versprochen, dass sie im Jenseits mit ihren irdischen Gattinnen zusammengefĂŒhrt werden, um mit ihnen âim Schatten auf Teppichenâ zu lagern. Gattinen und Huris zusammen? Ein Ort, an dem Ehefrauen und Gespielinnen aufeinander treffen, verdient wohl kaum den Namen Paradies. Im RĂŒckgang auf aramĂ€ische Quellen lĂ€sst sich das Problem lösen: Das Wort hur bezieht sich auf die âweiĂen Traubenâ, typische ParadiesfrĂŒchte der christlich-syrischen Literatur.
Dass aramĂ€ische Lehnwörter im Koran vorkommen, ist fĂŒr sich genommen keine Neuigkeit. Das Wort Koran (qurâan) selbst wird heute weithin als Ableitung vom AramĂ€ischen qeryana betrachtet, was ein âLektionarâ bezeichnet, ein liturgisches Buch mit Zitaten aus der Heiligen Schrift, Gebeten und dergleichen. Der Einfluss des AramĂ€ischen auf die Koran-Sprache geht aber nach Luxenberg viel weiter. Luxenberg erkennt christlich-syrische Elemente in vielen Suren aus der mekkanischen Periode - Anspielungen auf den Petrus-Brief etwa oder gar auf die Abendmahlsliturgie.
Der Koran enthĂ€lt in seinen Ă€ltesten Partien eine ansehnliche christliche Textschicht. Luxenberg kommt zu dem Schluss, diese Texte bildeten einen âGrundstock, aus dem der Koran als christlich-liturgisches Buch urspĂŒnglich bestandâ. Das hieĂe, der Koran hĂ€tte in seinen Ă€ltesten Elementen nicht den Anspruch, die jĂŒdische und die christliche VerkĂŒndigung zu ersetzen und zu ĂŒberbieten, sondern sie den Arabern nahe zu bringen. Diese starke These wirft spannende Fragen fĂŒr die Religionshistoriker auf: War Arabien vor Mohammed, war Mekka zumindest gar nicht so heidnisch geprĂ€gt, wie die islamische Tradition behauptet, sondern vielmehr bereits stark christianisiert?
Ob diese SchlĂŒsse Luxenbergs Bestand haben werden, muss sich im Fortgang der Fachdebatte zeigen. Fest steht: Das syrisch-christlich geprĂ€gte AramĂ€ische war zur Zeit des Propheten die gebildete Weltsprache des Vorderen Orients. Das Hocharabische hingegen und die klassische arabische Schrift entstanden erst spĂ€ter. Die Araber verfĂŒgten zunĂ€chst nur ĂŒber ein âdefektivesâ System zur schriftlichen Aufzeichnung, eine Art Stenografie, die keine Zeichen fĂŒr kurze Vokale kannte und auch noch nicht die diakritischen Zeichen - jene Punkte und HĂ€kchen, mit denen spĂ€ter die Konsonanten eindeutig festgelegt wurden. Ein Buchstabe der ursprĂŒnglich 18 Zeichen umfassenden Schrift konnte bis zu fĂŒnf verschiedene Laute bezeichnen. Das System war Ă€uĂerst vieldeutig und anfĂ€llig fĂŒr FehllektĂŒren. Die spĂ€tere Festlegung durch die diakritischen Zeichen bedeutete darum oft auch eine inhaltliche Festlegung - mithin eine Interpretation.
Gerd-RĂŒdiger Puin von der UniversitĂ€t des Saarlandes, ein Experte fĂŒr koranische Kalligrafie, ist ĂŒberzeugt, dass Luxenberg auf dem richtigen Weg ist. Seine eigenen Forschungen stĂŒtzen dessen Thesen. Puin hat die Ă€ltesten bisher gefundenen Koran-Fragmente untersucht, teils nur 50 Jahre nach dem Tod des Propheten verfasst, die bei Bauarbeiten in der groĂen Moschee von Sanaa im Jemen gefunden wurden. Als Puin die Funde restaurierte, stieĂ er auf bedeutende Abweichungen vom spĂ€teren, offiziellen Text. FĂŒr viele Generationen - das beweisen die Fragmente - blieb der Koran-Text in Bewegung. Die FrĂŒhgeschichte sei neu zu schreiben, sagt Puin, âweite Teile des Korans mĂŒssen neu gelesen werdenâ. Der Koran sei ein âCocktail von Textenâ.
Die Fragmente von Sanaa geben einen neuen Einblick in seine Rezeptur. Sie weisen eine Reihe von aramĂ€ischen Wörtern auf, die in der rudimentĂ€ren Schrift der Zeit von arabischen Wörtern nicht zu unterscheiden sind. AramĂ€isch und Arabisch sind so genannte Nahsprachen. Sie teilen sich eine FĂŒlle von Wörtern mit gleicher Schriftgestalt, aber unterschiedlicher Bedeutung, Ă€hnlich wie etwa die germanischen Sprachen (anbellen bedeutet in Amsterdam âklingelnâ). WĂ€hrend der folgenden 100 Jahre, so Puin, erfolgte dann meist eine Festlegung des Sinns in Richtung des Arabischen.
Verschiedene GrĂŒnde fĂŒr diese Entwicklung sind denkbar. Durch die Expansion des arabischen Imperiums wurde Arabisch zur Lingua franca des Nahen Ostens, wĂ€hrend das AramĂ€ische in Bedeutungslosigkeit versank und unverstĂ€ndlich wurde. Die spĂ€teren Redakteure, die das endgĂŒltige Textkorpus des Korans schufen, mussten auch jenen Passagen einen Sinn geben, die sie nicht mehr verstanden. Es mag auch sein, dass Theologie und Politik Hand in Hand gingen und man die AramĂ€ismen bewusst arabisierte, um dem werdenden GroĂreich eine rein arabische Religion und Sprache zu schaffen, in der fremde EinflĂŒsse unkenntlich gemacht wurden.
Die biblische Textkritik als Vorbild fĂŒr die Koran-Forschung
Indem Luxenberg diesen Prozess wie ein Detektiv StĂŒck um StĂŒck rĂŒckgĂ€ngig macht, holt er den Koran zurĂŒck in den Kontext des religiös so ĂŒberaus kreativen Milieus seiner Entstehungsregion, in die monotheistische Ursuppe des Nahen Ostens. Patricia Crone, die in Princeton Islam-Wissenschaft lehrt, glaubt zwar auch, dass Luxenbergs Werk âsich als sehr wichtig erweisen wirdâ, macht sich aber keine Illusionen ĂŒber den Widerstand, den dieser Ansatz auslösen muss: âWer möchte im heutigen Klima schon den Koran anrĂŒhren? Man beleidigt die Muslime, ganz gleich, was man darĂŒber sagt.â Stefan Wild von der UniversitĂ€t Bonn, der zu Luxenberg eher kritisch steht, meint, dass schon âviel weniger radikale Annahmen von Parallelen zwischen Koran, Altem Testament und Neuem Testament auf gröĂtes Misstrauen seitens der muslimischen Gelehrten stoĂenâ. Wild sieht âdie VerstĂ€ndigung zwischen muslimischer und nichtmuslimischer Koran-Forschung in höchstem MaĂe gestörtâ.
Das mag sein. Aber eine gestörte Kommunikation kann man nicht dadurch reparieren, dass man ĂŒber Unliebsames erst gar nicht spricht. Wer die andere Seite vor bestimmten Argumenten bewahren zu mĂŒssen glaubt, bevormundet sie und hat die Idee einer wirklichen VerstĂ€ndigung schon aufgegeben. In manchen islamistischen Internet-Foren versucht man Luxenberg mit dem Vorwurf zu erledigen, er wolle den Muslimen das Heiligste nehmen. Das ist ein durchsichtiges Manöver. Unterschlagen wird dabei, dass Luxenbergs Werk nicht nur eine Pointe fĂŒr die Muslime, sondern auch fĂŒr die Christen hat. Auch sie werden gezwungen, im vermeintlich anderen das Fortleben der eigenen Tradition zu erkennen - und zwar ohne das ĂŒbliche Kulturdialog-Gequatsche, nur mit den Mitteln der Philologie.
Ob sich die Hoffnung der theologischen Reformer erfĂŒllen kann, einen liberaleren Islam hervorzubringen, der besser mit der modernen Welt klarkommt, hĂ€ngt gewiss nicht nur von BĂŒchern und Debatten ab. Aber wenn die jĂŒngere Geschichte des Christentums, die mit der biblischen Textkritik begann, hier ein Indiz sein kann, dann sind Luxenbergs Thesen kein Grund zur Angst, sondern ein Anlass zur Hoffnung.
(c) DIE ZEIT 15.05.2003 Nr.21
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