-->Norman Mailer im Interview
"George Bush ist der glücklichste Mann, der je gelebt hat"
aspekte am 16. Mai 2003, 22.35 Uhr
Norman Mailer über den"Heiligen Krieg" der USA
Hat George W. Bush einen"Bullshit-Detektor"?
Befindet sich Amerika im"Heiligen Krieg"? Das zumindest glaubt Norman Mailer, der"angry old man" der amerikanischen Literatur. Sein neuestes Werk heißt schlicht"Heiliger Krieg" und im Original etwas erklärender:"Why we are at war". Was genau er damit sagen will, erklärt er aspekte-Redakteurin Miriam Böttger.
Interviewtermin bei Norman Mailer, in seinem Apartment in Brooklyn. Durch das Fenster sieht man über den East River hinweg Downtown Manhattan. Mailer sitzt in seinem grünen Lieblingssessel und spricht über eines seiner Lieblingssujets: George W. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten. Es sei anzunehmen, dass George W. einen kleinen Apparat in seinem Gehirn hätte, aber Mailer scheut sich noch, diesen Apparat genau zu benennen, das sei nämlich obszön - schließlich sagt er es dann doch."Na gut, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass George W. Bush einen so genannten 'Bullshit-Detektor' in seinem Hirn hat! Anders könnte er seinen Job nicht erledigen."
Der"Heilige Krieg"
Norman Mailer, seit kurzem 80 Jahre alt, ist in seinem Leben schon vieles gewesen: einer der begabtesten Literaten Amerikas - mit 25 Jahren wurde er schlagartig berühmt mit seinem Anti-Kriegs-Roman"Die Nackten und die Toten" - Journalist, Verschwörungstheoretiker, Anti-Kriegs-Aktivist, Macho, Partygänger, Kandidat für das Amt des New Yorker Bürgermeisters, ein in alle Richtungen boxender Berserker - besessen von den Frauen, dem Phänomen Gewalt, dem amerikanischen (Alb-)Traum in all seinen Facetten.
Auch heute noch ist Mailer ein notorisch kritischer Vielschreiber. Jetzt legt er ein kleines Buch vor, das in der deutschen Übersetzung fast banalisierend"Heiliger Krieg" heißt. Der amerikanische Titel"Why we are at war" trifft die Sache wohl eher: Ausgehend vom 11.September 2001 zeichnet Mailer ein präzises Bild der gegenwärtigen amerikanischen Identitätskrise und liefert eine scharfsichtige wie humorvolle Analyse der amerikanischen Politik und deren Flucht in den Patriotismus - fast ein Stück Realsatire.
Der Bullshitdetektor
Zurück zum"Bullshit-Detektor": Bushs Vorgänger Clinton habe sich gerne mit Leuten umgeben, die etwa 90 Prozent seiner eigenen Intelligenz besaßen, so dass er immer der Anführer sein konnte. Bush weiß, so meint Mailer, dass, wenn er es genauso hielte, das Land in Schwachsinn untergehen würde. Also würde er Top-Experten um sich versammeln. Aber wie erkennt man, ob der Experte Recht hat oder ob er nur so tut? Denn auch ein Experte unterliegt der Tagesform. Dafür habe Bush eben den"Bullshit-Detektor", der ihm sagt, welchem Experten er gerade glauben soll. Das sei reiner Instinkt.
Ähnlich instinktiv ist laut Mailer auch Bushs großes Bewegungstalent."Der kann noch nicht mal einen Hund kraulen, ohne dabei absolut blendend auszusehen." Ein Glanzstück sei Bushs Auftritt auf dem Flugzeugträger"Abraham Lincoln" gewesen, wo Bush in perfekter Pilotenkluft landete und eine bessere Figur machte als Tom Cruise in"Top Gun". Genau hier sieht der Buchautor das Problem: Instinktiv wisse Bush,"welche Knöpfe man bei den Amerikanern drücken muss". Zum Beispiel, dass man ständig vom"Bösen", das es zu bekämpfen gelte, sprechen müsse, um bei den religiösen Amerikanern"wie bei einer Klospülung den Patriotismus durch das System zu jagen".
Dieser Patriotismus, der bereits vor dem 11. September aufkeimte, sei die neue Religion Amerikas und eine Gefahr für die Demokratie. Mailer:"Es ist wie in dem Spiel ‚Die Reise nach Jerusalem', wenn Du keine amerikanische Flagge hast, fliegst Du raus."
<ul> ~ von hier kömmts</ul>
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