-->Weil der letztens gepostete Text über die Ermordung Barschels ohne die Vorgeschichte doch etwas aus dem Zusammenhang gerissen erscheint, hier noch mal, was Victor Ostrovsky darüber in"Geheimakte Mossad" schreibt:
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Operation Hannibal
Es war eine kombinierte Operation,
bei der die Arbeit der Liaison und Geheimaktivitäten seitens der
Melucha verknüpft waren. Bei der Kooperation waren drei Länder
und ihre jeweiligen Geheimdienste beteiligt. Genauer gesagt, waren
es die Geheimdienste, die kooperierten, und nicht die Länder.
An sich war die Operation Hannibal ein Waffendeal zwischen
Israel und Iran, wobei der deutsche Geheimdienst als Strohmann
diente. Da der Iran dringend Ersatzteile für seine ramponierte
Luftwaffe brauchte und Israel die Teile besaß, vor allem für die
»Phantom F-4«, lag nahe, sie ihm zu verkaufen, zumal die Verlängerung
des Iran-Irak-Krieges ein erklärtes Ziel des Mossad war.
Dabei wurde auch nicht vergessen, bei dem Deal einen finanziellen
Gewinn herauszuschlagen. Da der Iran und sein Ayatollah Khomeini
nicht gerade begeistert waren, direkt mit Israel, das zu
zerstören sie täglich schworen, Geschäfte zu machen, wurden die
Deutschen als Zwischenhändler eingeschaltet. Der BND, der deutsche
Bundesnachrichtendienst, wurde ausgesucht, um den Job zu
machen, obwohl der Mossad die örtlichen Dienststellen des Verfassungsschutzes
sowohl in Hamburg als auch in Kiel auf dem laufen-den
hielt. Eine Zusammenarbeit dieser Art mit dem BND war
ziemlich neu; normalerweise ließ der Mossad bei seinen Operationen
in Deutschland den BND im dunkeln.
Im Mossad wurde der BND als unzuverlässig angesehen, weil der
Mossad sicher war, daß die Stasi ihn stark infiltriert hatte. Außerdem
stand er Helmut Kohl sehr nahe, der kein besonderer Freund
des Mossad war. Bei der Operation Hannibal jedoch gab es einen
Verbindungsmann für den BND, der rekrutiert worden war und
der nebenbei noch schmutzige Geschäfte über den Ex-Mossad-Offizier
Mike Harari mit dem Staatschef von Panama, General
Manuel Noriega, machte.
Bei dieser Operation wurden die Flugzeugteile (von Elektronikteilen
für den Bordradar bis hin zu kompletten Motoren und
zerlegten Flügeln) über Land transportiert, damit sie auch wirklich
den Bestimmungsort erreichten beziehungsweise um die Herkunftsquelle
zu verschleiern, falls sie vor der Auslieferung abgefangen
wurden.
Zuerst wurden die Teile im Hafen von Ashdod in speziellen
Containern auf israelische Schiffe verladen. Die Container waren
so konstruiert, daß sie direkt vom Schiff auf die wartenden LKWs
gehoben werden konnten und Teil des LKW wurden. Die Schiffe
liefen verschiedene italienische Häfen an, wo der italienische Geheimdienst
(SISMI) alle notwendigen Papiere beschaffte, die bezeugten,
daß es sich um italienische Agrarprodukte handelte, die
für Deutschland bestimmt waren.Zu diesem Zweck wurden auch
die LKWs mit Werbetafeln italienischer Produkte versehen. Die
Leute für diese Operation und die Fahrer wurden von den italienischen
Verbündeten des Mossad gestellt, den rechtsgerichteten Anhängern
eines Mannes namens Licio Gelli und seiner inzwischen
verbotenen Geheimloge mit dem Namen Propaganda 2 und einer
zweiten Gruppe, Gladio genannt (eine NATO-Gründung ähnlich
der in Belgien).
Die Fahrer brachten ihre Wagen in ein Lagerhallengebiet in
Hamburg, wo sie von neuen Fahrern übernommen wurden, diesmal
von Israelis. Der Mossad nannte diese Fahrer OMI, die Abkürzung
von Oved Mekomy, was »ortsansässiger Arbeiter« heißt. Um
ein OMI zu werden, muß man als Student auf eigene Kosten in das
betreffende Land gekommen sein, und man muß wirklich ein
Studium aufnehmen. Die Studenten wenden sich dann an die
israelische Botschaft, um nach Arbeit zu fragen, und wenn der
Mossad gerade Leute braucht, werden sie vom Shaback einem
Sicherheitscheck unterworfen. Wenn alles in Ordnung ist, können
sie eingestellt werden, um untergeordnete Tätigkeiten zu erledigen.
Sie arbeiten als Fahrer oder werden als Bewohner von sicheren
Häusern eingesetzt. Von Hamburg aus fuhren die LKWs zu einem
ehemaligen Flughafen, zwanzig Minuten von Kiel entfernt. Ein
Iraner, der in den USA studiert und seinen Flugzeugingenieur
gemacht hatte, kam dann aus Kiel angereist und inspizierte die
Ladung.
Wurde die Lieferung für gut befunden, wurde die Hälfte des
Geldes in bar auf dem Flughafen übergeben. Die zweite Hälfte
wurde fällig, sobald die Lieferung im Iran angekommen war. Die
ganze Operation wurde in Kooperation zwischen BND-Leuten auf
mittlerer Ebene und dem Mossad-Verbindungsmann in Bonn
durchgeführt.
Zur Geschichte des Ganzen muß noch erwähnt werden, daß
Helmut Kohl einer Kooperation mit dem Mossad zur Bekämpfung
des Terrorismus einst zugestimmt hatte, weshalb die BND-Oberen
dem Mossad erlaubten, ihren Stationen im Ausland unter die Arme
zu greifen, und es als große Freundschaftsgeste betrachteten, wenn
der Mossad Seminare über Terrorismus abhielt (die den BND-Leuten
als Gästen des israelischen Geheimdienstes in Israel kostenlos
geboten wurden).
Die BND-Bosse wußten allerdings nicht, daß diese Seminare, die
der Mossad in der angenehmen Umgebung des Country Club
abhielt, in Wirklichkeit gut geschmierte Rekrutierungs-Operationen
waren, die dem Mossad Hunderte, wenn nicht Tausende von
Staatsdienern aus den Vereinigten Staaten, wo sie vom Bnai Brith
rekrutiert wurden, oder aus den Geheimdiensten Dänemarks,
Schwedens und vieler anderer Länder Europas einbrachten.
Im Geheimdienstbereich zählt vor allem die Fähigkeit zu beweisen,
daß es einem gelungen ist, einen terroristischen Angriff abzuwehren.
Mit dieser Verheißung manipulierte der Mossad die mittleren
Chargen des BND zur Kooperation, indem man sie wissen ließ,
daß ihre Bosse zwar einverstanden wären, aber die Operation nicht
offiziell billigen könnten. Auch die Tatsache, daß der Mossad die
rückhaltlose Unterstützung der örtlichen Dienststellen des Verfassungsschutzes
hatte, war hilfreich, die BND-Leute zu überzeugen.
Die Transporte gingen reibungslos vonstatten, und lange Zeit
gab es keine Probleme. Von Deutschland fuhren die LKWs weiter
nach Dänemark, wo sie unter den wachsamen Blicken des dänischen
Geheimdienstes und ihres Verbindungsmannes zum Mossad,
Paul Hensen Mozeh, auf dänische Schiffe verladen wurden. Von
dort ging die Fracht in den Iran.
Irgendwann fragten die Iraner ihren BND-Verbindungsmann,
was man tun könnte, um iranische Piloten auszubilden, am liebsten
außerhalb des Kriegsgebietes. Mit dieser Frage wandte sich der
BND-Mann an den Mossad-Kontakt. Zuerst kam der Vorschlag
auf den Tisch, das Training in Südamerika durchzuführen, entweder
in Chile oder in Kolumbien, wo der Mossad sowohl die
notwendigen Flugfelder als auch die Genehmigung für solche Operationen
erhalten könnte. Aber die Nachbarschaft zu amerikanischen
Aktivitäten in jener Hemisphäre ließ den Mossad umdenken.
Nachdem der Mossad und der BND Experten der israelischen
Luftwaffe zu Rate gezogen und von den Iranern weitere Informationen
erhalten hatte, etwa über den Ausbildungsstand ihrer Pilo-
ten, entschloß man sich, daß der größte Teil der Ausbildung an
Simulatoren und deshalb in Deutschland stattfinden könnte. Es
wurde vorgeschlagen, daß derselbe Flugplatz mit seinen großen
verlassenen Hangars, der für die Kontrolle der Ersatzteile benutzt
wurde, auch dafür dienen könnte, die fünf Simulatoren mitsamt
dem notwendigen Material aufzunehmen. Die Iraner mußten die
Simulatoren kaufen und auch die gesamte Installation sowie alle
sonstigen Ausgaben bezahlen und natürlich auch für das eigentliche
Training finanziell aufkommen.
Man kam zu dem Schluß, daß ein Team von zumindest zwanzig
Israelis bereitstehen müßte, um die iranischen Piloten auszubilden
und zu trainieren. Die Israelis sollten getrennt in Kiel und Hamburg
leben, während die iranischen Piloten (die, wie die Deutschen
fürchteten, Aufmerksamkeit wecken könnten) auf dem Flughafen
untergebracht werden sollten.
Der BND-Kontaktmann arbeitete jetzt direkt mit dem Mossad-Verbindungsmann
in Bonn zusammen, der seine Informationen an
die geheime Mossad-Station in der Bonner Botschaft weiterleitete.
Die Deutschen sagten, daß zur Sicherheit und für den glatten
Verlauf der Operation der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
in das Geheimnis eingeweiht werden müßte. Sein Name war
Uwe Barschel, er zählte zu den engen Freunden von Helmut Kohl.
Um sich seine Unterstützung zu sichern, kam man überein, daß der
BND seinen Einfluß geltend machen würde, um Bundesgelder für
eine krisengeschüttelte Kieler Werft lockerzumachen, wofür Barschel
dann die Lorbeeren einheimsen könnte. Außerdem ging es um
einen großen internationalen Flughafen in der Region. Und man
versprach noch verschiedene andere Dinge, die weder für den
Mossad noch für Ran von Interesse waren, der jetzt die Operation
leitete.
Als ich den Mossad verließ, war das Training der Piloten voll im
Gange. Außer den Simulatoren gab es noch einige umgebaute
Cessnas, an denen die Piloten auf einem anderen Flugfeld, fünfundvierzig
Minuten von Kiel entfernt, ausgebildet wurden. Ich
kann mich noch gut entsinnen, wie Ran damals zum Star aufstieg.
Ephraim erzählte mir, was danach passierte. Ihm zufolge (und
ergänzenden Details, die zum Ärger von Eli von Uri beigesteuert
wurden) stellte Ran irgendwann im März 1987 fest, daß am
Horizont Gewitterwolken aufzogen.
Es gab im Mossad und bei den rechten Elementen in der Regierung
zunehmende Unzufriedenheit über das Verhalten von Kanzler
Helmut Kohl, der direkten israelischen Warnungen bezüglich seiner
Beziehung zum österreichischen Politiker Kurt Waldheim, den
man scheinbar als Nazi entlarvt hatte, trotzte. (Die »Entlarvung«
war von einer AI-Einheit vorbereitet worden, die in das UNO-Gebäude
an der Park Avenue in New York eingedrungen war und
verschiedene belastende Dokumente, die anderen Akten entnommen
worden waren, in die Akte von Waldheim — und einiger
anderer Personen - geschmuggelt hatte. Die gefälschten Dokumente
wurden dann von dem israelischen Botschafter bei der UNO,
Benjamin Netanyahu, »entdeckt«. Das war Teil einer Diffamierungskampagne
gegen Waldheim, der den israelischen Aktivitäten
im südlichen Libanon kritisch gegenüberstand.) Kohl wischte die
israelischen Drohungen als Nonsens beiseite und verursachte damit
Wutausbrüche in israelischen Geheimdienstkreisen, wo er als Klutz
mit einem großen Maul und schlechter Kinderstube beschimpft
wurde.
Sorge bereitete der Mossad-Führung auch eine plötzliche politische
Krise in Dänemark. Der dänische Geheimdienst bekam kalte
Füße und bat darum, die Waffenlieferungen über Dänemark zeitweilig
zu stoppen, bis man wüßte, wie sich die neue politische
Situation im Land gestalten würde.
Der BND fragte nun bei Uwe Barschel um Erlaubnis an, die
Häfen in Schleswig-Holstein für die Überführung der Waffen in den
Iran benutzen zu dürfen. Barschel lehnte ab. Der Mossad hatte es
nicht für notwendig erachtet, Barschel deswegen anzugehen. Der
BND wußte allerdings nicht, daß der Mossad sich schon die
Kooperation des Verfassungsschutzes gesichert hatte. Deshalb kam
es dazu, daß der BND an Barschel herantrat und ihm einiges mehr
erzählte, als nötig war. Doch der BND hatte Barscheis Festigkeit in
dieser Angelegenheit falsch eingeschätzt. Als Barschel ablehnte,
gerieten alle in Panik. Sie erkannten, daß Barschel für sie zu einer
Bedrohung werden könnte, wenn er sich dazu entschließen würde,
Helmut Kohl über all diese Vorgänge zu informieren.
Es war sehr verführerisch, mehrere Fliegen mit einem Schlag
erledigen zu können: Der Mossad hätte das Sagen bei der Kontrolle
des neuen Politikers und könnte den BND als Partner einführen.
Man könnte einen Störenfried, nämlich Barschel, eliminieren, der
zwar kooperierte, aber nicht aus den richtigen Gründen. Er war
nicht wirklich gekauft, wie es der Mossad bei seinen Politikern
gerne hatte, sondern er nutzte die Situation nach Kräften, um, wie
er meinte, das Beste für seine Wählerschaft rauszuholen, und
gleichzeitig sicherte er seine politische Basis ab. Seine Beseitigung
würde auch ein Schlag für Helmut Kohl sein, der gerade eine Wahl
gewonnen hatte und sich deshalb nun noch unangenehmer aufführen
würde als in der Vergangenheit.
Ran begann also Verbindungen zur Oppositionspartei zu knüpfen
und kam in engen Kontakt mit einem ihrer Führer. Er fühlte ihm
auf den Zahn, ob er, für den Fall, daß er die Wahl gewänne, zur
Mitarbeit mit denen, die ihm geholfen hätten, bereit wäre und sich
erkenntlich zeigen würde. Jenem Oppositionspolitiker wurde bedeutet,
daß der BND hinter ihnen stehe und alles im besten Interesse
Deutschlands geschehe. Die Antwort übertraf alle Erwartungen
Rans: Der Oppositionspolitiker, der keine Chance sah, die Wahl zu
gewinnen, war zu jedem Versprechen bereit. Nachdem Ran diesen
Politiker sicher in der Tasche hatte, was ihn eine neue Pfeife und
etwas Tabak kostete, war es an der Zeit, Barschel aus der politischen
Arena zu werfen.
Yoel, ein Einsatzoffizier von der Bonner Station, wurde zu dieser
Operation herangezogen. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, als
Kanadier mit deutschen Vorfahren aufzutreten, der sehr reich sei
und nach Deutschland zurückkehren wolle. Bevor er den entscheidenden
Schritt machte, plante dieser Kanadier angeblich, in
Deutschland ein neues Unternehmen zu starten und mit dem politischen
Establishment bekannt zu werden, damit er seine Firma
optimal aufziehen und den größtmöglichen Vorteil aus seiner
Rückkehr ziehen könnte. Ein politischer Apparatschik in Barschels
Partei, der von Ran und Yoel den Spitznamen »Whistler« (englisch:
»to whistle« = pfeifen) erhielt, wurde ihr Zielobjekt. Ran lieferte
der Mossad-Liaison eine Liste mit allen Leuten, die mit Barschel
zusammenarbeiteten und direkten Kontakt zu ihm hatten. Die
Namen sollten durch die Polizeicomputer in Kiel und Hamburg
gejagt werden, um herauszufinden, ob über irgendeinen von ihnen
etwas Nachteiliges bekannt war. Der Name von »Whistler« hatte
einen dunklen Fleck. Es stellte sich heraus, daß er der Mißhandlung
einer Hamburger Prostituierten beschuldigt worden war, aber da es
jemandem gelang, den Zuhälter auszuzahlen, wurde die Akte ohne
förmliche Anklage geschlossen.
Yoel wurde »Whistler« durch einen Sayan vorgestellt, der
»Whistler« laut seiner Mossad-Akte kannte. Nach einigen Schmeicheleien
sagte Yoel zu »Whistler«, daß er nach Kanada zurückkehren
müsse, und machte ihn mit Ran bekannt, der seinen Geschäfts-berater
in Deutschland mimte. Falls »Whistler« in seiner Abwesenheit
irgend etwas benötige, könne er sich an Ran wenden, der
autorisiert sei, ihm zu helfen.
Einige Tage nach Yoels angeblicher Abreise rief Ran »Whistler«
an und verabredete ein Treffen, in dessen Verlauf er ihm klarmachte,
daß er »Whistlers« politische Richtung nicht schätze,
sondern die Opposition unterstütze. Ran erklärte ihm außerdem,
daß er verpflichtet sei, Yoels Interessen nach bestem Wissen zu
vertreten, weshalb er auf eigene Faust eine kleine Untersuchung
vorgenommen habe. Dabei sei er auf den Zwischenfall mit der
Prostituierten gestoßen, was bedeute, daß »Whistlers« politische
Karriere beendet sein dürfte, falls diese Tatsache an die Ã-ffentlichkeit
käme, und obendrein wären Yoels Investitionen auch verloren.
Er schlug ihm dann vor, daß er ihm beim Sturz Barscheis helfen
solle. Ran war überrascht, mit welcher Begeisterung »Whistler«
diesem Vorschlag zustimmte. »Whistler« sagte klipp und klar, daß
er kein Fan von Barschel sei und alles tun würde, um ihn dranzukriegen.
Ran, der schon einen fertigen Plan in der Tasche hatte, um
Barschel abzusägen, ging die einzelnen Schritte mit dem Mann, den
er gerade rekrutiert hatte, bedächtig durch, um ihm das Gefühl zu
geben, dieser wäre an dem Planungsprozeß beteiligt. Auch sollte
ihm das Gefühl von eigener Wichtigkeit eingeflößt werden, unter
anderem für den Fall, daß ihm die Schuld zugeschoben werden
mußte, falls etwas schiefging. Ihm wurde darüber hinaus gesagt,
daß man sich finanziell großzügig um ihn kümmern werde, falls
diese Operation seine politische Zukunft gefährde. Ran gab
»Whistler« zu verstehen, daß er zu einer Organisation nach Art der
Mafia gehöre und daß es ausgeschlossen sei, daß er seine Meinung
ändere oder Geschehenes ungeschehen machen könne. Auch dürfe
er über Ran kein einziges Wort verlieren.
Während dieser ganzen Zeit fütterte der Mossad den Verfassungsschutz
des Bundeslandes mit falschen Informationen über (
Barscheis angeblich geheimen Waffengeschäfte und sonstige illegale
Transaktionen, an denen sein Bruder beteiligt sei, quasi als
Strohmann Barscheis.
Der Plan wurde von Mousa gutgeheißen, der für Operationssicherheit
in Europa zuständig war und damals auch als Chef für
Europa fungierte. Bei dieser ganzen Sache hielt man den BND
draußen. Ran ließ »Whistler« falsche, aber sehr schädigende Informationen
über die Führer der Opposition im allgemeinen und den
Spitzenmann der Opposition im besonderen in der örtlichen Presse
verbreiten, ohne die Quelle der Gerüchte verlauten zu lassen oder
aufzudecken, wer scheinbar nicht dichthielt. Als die Wahlen näher
rückten, wurden Mossad-Leute aus Belgien ins Land gebracht, um
als Privatdetektive aufzutreten, die anzuheuern Ran »Whistler«
empfohlen hatte. Sie agierten höchst auffallend, fuhren bei ihrer
Ãœberwachung teure Autos und sammelten auf sehr amateurhafte
Weise Material über den Oppositionsführer, wodurch sie natürlich
die Aufmerksamkeit auf sich lenkten.
Die Sache wurde auf eine Weise durchgezogen, daß höchstens ein
Reporter der »Braille Times« nicht in der Lage gewesen wäre, es als
das zu erkennen, was es war: eine Schmutzkampagne. In der letzten
Minute, als Dementis von Barschel zu spät gewesen wären, um
noch den Wahlausgang zu beeinflussen, gab »Whistler« zu, daß er
hinter den schmutzigen Tricks stecken würde. Er gab an, daß er
dazu von Barschel beauftragt worden sei, wodurch er endgültig die
Karriere eines Politikers beendete, der sich nicht kooperativ zeigte,
und einen Mann ans Ruder brachte, der dazu bereit war. Außerdem
wurde Kohl dadurch in arge Bedrängnis gebracht. Alle Proteste
Barscheis, daß er unschuldig sei, wurden als politische Rhetorik
beiseite gewischt.
»Ich glaub, das wäre ein tolles Kapitel«, sagte ich. »Es enthält all
die schmutzigen Elemente der Mossad-Aktivitäten in einem freundlich
gesinnten Land.«
»Das ist unmöglich«, sagte Eli. »Ran ist noch im Einsatz, und das
würde sowohl ihn als auch Yoel enttarnen.«
»Wir könnten die Story ein bißchen verändern und trotzdem auf
den Punkt kommen. Wir müßten nur den Ort und die exakten
Angaben ändern«, schlug Uri vor.
»Dann vergiß es«, sagte ich. »Wenn wir nicht die ganze Story
erzählen können, dann erzählen wir sie gar nicht. Wir könnten
allerdings beide Teile voneinander trennen und das Training der
iranischen Piloten in Deutschland bringen.«
Ephraim erklärte, daß noch mehr an der Geschichte dran sei. Er
erzählte, daß nach seiner Niederlage bei den Wahlen (eine direkte
Folge der Kampagne, die Ran organisiert hatte) Barschel seine
BND-Verbindung kontaktierte. Er drohte, das Fehlverhalten des
BND in vollem Umfang offenzulegen, wenn der BND nicht alles tun
würde, um seinen Namen reinzuwaschen. Der BND, der seine
Informationen vom Verfassungsschutz bezog - dieselben Informationen,
die dieser vom Mossad erhalten hatte-, zweifelte nicht
daran, daß Barschel Dreck am Stecken hatte, und bat den Mossad
um Hilfe.
Der Grund, warum der BND den Mossad benutzen mußte, um
mit dieser Situation fertig zu werden, bestand darin, daß sich die
Drohung Barscheis gegen die mittleren Chargen des BND richtete.
Diese hielten entgegen den direkten Befehlen ihrer Vorgesetzten
Kontakt mit dem Mossad. Der BND konnte sich also nicht mit
einem Hilfegesuch an seine eigenen Leute wenden.
Der BND-Kontaktmann sagte dem Mossad-Verbindungsoffizier,
daß innerhalb weniger Tage einige Anhörungen vor einem
Untersuchungssausschuß stattfinden würden, und würde Barschel
vorher nicht Genüge getan, würde er auspacken. Der Zeitrahmen
war zu knapp für den Mossad, um die Operation auf den beiden
Flugfeldern abzubrechen und die israelischen Mannschaften mitsamt
ihrem Material rechtzeitig herauszuholen. Barschel mußte
gestoppt werden, bevor er als Zeuge aussagen konnte.
Der BND gab dem Mossad-Verbindungsmann den Ort bekannt,
an dem Barschel auf den Kanarischen Inseln Urlaub machte, sowie
seine Telefonnummer. Er wohnte in einem Haus, das ihm von
einem Freund zur Verfügung gestellt worden war.
Ran rief Barschel an. Beim ersten Anruf meldete sich niemand.
Eine Stunde später versuchte er es wieder, und jemand antwortete,
daß Barschel im Moment nicht erreichbar sei. Beim dritten Versuch
hatte er Barschel am Apparat und sagte ihm, daß er Informationen
besitze, die helfen könnten, seinen Namen reinzuwaschen. Er stellte
sich als Robert Oleff vor.
Er bestand darauf, daß Barschel nach Genf kommen solle. Er,
Oleff, werde ihm am Flughafen abholen. Barschel verlangte mehr
Informationen, bevor er sich festlegte, und Ran sagte, daß vielleicht
einige interessante Iraner anwesend sein würden, die in das Geschäft
verwickelt seien. Das machte Barschel glauben, daß die
Angelegenheit seriös war. Der Mann am Telefon zeigte sich gut
informiert, Barschel war einverstanden, und sie legten die Details
der Reise fest.
Das Kidon-Team, das direkt von Brüssel geschickt worden war,
wartete bereits in Genf. Nachdem es die Lage in Genf genau
untersucht hatte, kam es zu dem Ergebnis, daß das Hotel Beau-Rivage
am besten seinen Zwecken dienen würde. Ein Stück weiter
gab es eine riesige Baustelle. So etwas war immer gut, um das, was
man in der Eile loswerden wollte, verschwinden zu lassen. Zwei
Einsatz-Paare quartierten sich im Hotel ein: das eine im vierten
Stock, nahe beim Ausgang zum Dach, und das andere, das am
selben Tag wie Barschel ankam, im dritten Stock neben dem
Zimmer, das Ran für Barschel reserviert hatte.
Die übrigen Leute des Teams deckten das Umfeld ab und hielten
sich in der Nähe auf, um nötigenfalls eingreifen zu können. Ran traf
Barschel in dessen Zimmer am Nachmittag des 10. Oktober. Nachdem
er eine Flasche Wein für den von ihm mitgebrachten Käse
bestellt hatte, machte er Barschel zuerst ein Angebot. Barschel sollte
überredet werden, seinen Sturz zu akzeptieren. Ran versprach ihm,
daß man ihn großzügig entschädigen werde. Er versuchte ihm zu
suggerieren, daß das, was er angeblich getan habe, im Bereich der
Politik keine so große Sache darstelle und daß es besser für ihn sei,
die Dinge laufen zu lassen und das Geld zu nehmen. Ran benutzte
den üblichen Satz, den der Mossad so liebte, daß Geld keine Rolle
spiele.
Barschel war sehr ungehalten. Er bestand darauf, daß Ran ihm
die Beweise liefere, die seinen Namen reinwaschen könnten, oder
zu verschwinden. Er war nicht daran interessiert, einen Profit aus
der Sache zu schlagen, sondern er wollte es allen zeigen, die ihn
verleumdet hatten.
Da wurde Ran klar, daß es keine Möglichkeit gab, den Mann
umzustimmen. Die Operation mußte in ihre zweite Phase treten,
was die Beseitigung dieses Mannes bedeutete. Er war jetzt zu einer
Gefahr für die Sicherheit der beteiligten Mossad-Leute geworden.
Es gab aus diesem Grund keine Notwendigkeit, die Zustimmung zu
seiner Eliminierung außerhalb des Mossad einzuholen. Das wäre
bei einer Exekution aus politischen Gründen der Fall gewesen; hier
hätte der Premierminister seine Zustimmung geben müssen. Ran
wollte jedoch das Einverständnis des Mossad-Chefs haben, den
man ständig auf dem laufenden hielt und der am selben Tag wie
Barschel nach Genf gekommen war. Er wohnte im Hotel Des
Bergues am Ende derselben Straße, in der Barschel untergebracht
war. Er hatte sich unter den Namen P. Marshon eingetragen.
Bis der Wein in Barscheis Zimmer ankam, war er schon von
einem Kidon-Mitglied präpariert worden, entweder in der Küche
oder auf dem Weg nach oben. Andere Team-Mitglieder schafften in
Vorbereitung auf den letzten Akt Eisbeutel auf ihre Zimmer. Ran
erzählte Barschel, daß es nur seine Absicht gewesen sei, seine
Standfestigkeit zu prüfen. Da er es offenbar mit einem ehrenwerten
Mann zu tun habe, wolle er ihm helfen. Barschel war immer noch
aufgebracht und weigerte sich weiterzureden, wenn Ran ihm nicht
sofort einen Beweis liefern würde, daß er wirklich seinen Namen
reinwaschen könnte.
Ran rief den Mossad-Verbindungsmann an, der in einem sicheren
Haus wartete. Er bat ihn, seinen BND-Kontaktmann anzurufen,
der Barschel in seinem Hotelzimmer zurückrufen solle, um ihm
zu sagen, daß alles gutgehen würde. Der Verbindungsmann war
darauf vorbereitet, er hatte mit Ran im Vorfeld alle Optionen
abgesprochen. Der BND-Mann stand in Wartestellung bereit; er
war schon im voraus angerufen worden — unter dem Vorwand,
etwas Wichtiges würde sich tun.
Einige Minuten später rief der BND-Mann Barschel an und sagte
ihm, daß man die Dinge zurechtrücken werde. Barschel entspannte
sich und trank von dem Wein. Ran täuschte Magenbeschwerden
vor und lehnte ab; er nahm nur etwas von seinem Käse zu sich.
Ran wußte, daß Barschel in etwa einer Stunde ohnmächtig
werden würde, und wollte die direkte Zustimmung des Mossad-Chefs,
um den Job zu beenden. Er sagte Barschel, daß er einige
Papiere holen wolle, die ihn entlasten würden, und daß er in einer
Stunde wieder da sei.
Ran traf den Mossad-Chef in dessen Hotelzimmer. Er gab ihm
eine kurze Zusammenfassung des Vorgefallenen und sagte, daß
Barschel innerhalb weniger Tage vor einem Untersuchungsausschuß
aussagen werde, der Behauptungen über Unregelmäßigkei-ten
im Vorfeld der Wahlen prüfen solle. Es gebe keine Möglichkeit,
Barschel davon abzubringen, vor diesem Gremium alles auszusagen,
was er wußte. Ran konnte nicht garantieren, daß alle Beweisstücke,
die Israel belasteten, in der kurzen verbliebenen Zeit von
den Flugfeldern beseitigt wären. Das Risiko einer Entlarvung war
für den Mossad hier viel zu groß, und deswegen gab der Mossad-Chef
sein Einverständnis, den Mann zu eliminieren.
Ran rief die zwei Männer im vierten Stock von Barschels Hotel
an und gab ihnen grünes Licht für die Operation. Sie warteten die
Zeit ab, bis Barschel von dem Mittel im Wein eingeschlafen war. Sie
riefen außerdem noch bei ihm an, um sicherzugehen, daß er nicht
wach war. Dann drangen sie in sein Zimmer ein.
Barschel lag auf dem Boden rechts neben dem Bett. Er war
offenbar ohnmächtig geworden und aus dem Bett gefallen. Das
Team zog ein Plastiktuch über das Bett und legte den Bewußtlosen
darauf, mit den Beinen zum Kopfende, damit die nächsten Schritte
einfacher wären. Ein zusammengerolltes Handtuch wurde ihm
unter den Nacken gelegt, als ob er eine Mund-zu-Mund-Beatmung
bekommen sollte. Fünf Leute befanden sich zu dem Zeitpunkt im
Raum. Vier kümmerten sich um das Opfer, und einer füllte die
Badewanne mit Wasser und Eis; das Geräusch würde jedes andere
übertönen. Ein langer, gut geölter Gummischlauch wurde dem
schlafenden Mann in den Hals geschoben, langsam und vorsichtig,
um ihn nicht zu ersticken. Einer schob den Schlauch, während ihn
die anderen Männer für den Fall einer plötzlichen Konvulsion
festhielten. Sie alle hatten so etwas schon vorher gemacht.
Sobald der Schlauch den Magen erreicht hatte, brachten sie am
oberen Schlauchende einen kleinen Trichter an, durch den sie nun
verschiedene Pillen einführten, dazu ab und zu etwas Wasser, damit
sie auch tatsächlich den Magen erreichten.
Danach wurden dem Mann die Hosen heruntergezogen. Zwei
Männer hielten seine Beine hoch, und ein Dritter führte ihm rektal
Zäpfchen mit einem starken Sedativ und einem fiebererzeugenden
Mittel ein. Die Hosen wurden ihm wieder hochgezogen, und
die Leute warteten auf die Wirkung der Medikamente; sie legten
ihm ein Thermometer auf die Stirn, um seine Temperatur zu beobachten.
Nach einer Stunde hatte er hohes Fieber bekommen. Er wurde
dann in das Eisbad gelegt. Der Schock rief starke Körperzuckungen
hervor. Der plötzliche Temperaturwechsel im Verein mit der Wirkung
der Medikamente erzeugte so etwas, was wie eine Herzattacke
aussah. Nach ein paar Minuten stellte das Team fest, daß er
wirklich tot war, und begann das Zimmer aufzuräumen, um keine
Spuren zu hinterlassen. Sie merkten, daß sie den Fehler gemacht
hatten, dem Mann nicht die Kleider auszuziehen, bevor sie ihn in
die Wanne legten. Aber es war zu spät, das noch zu ändern. Sie
merkten auch, daß die Ersatzweinflasche, die sie mitgebracht hatten,
zwar ein Beaujolais war, aber nicht die richtige Marke, so daß
sie keine Flasche hatten, um sie dazulassen.
Die Lage war gespannt. Sie hatten mehrere Stunden in dem Raum
zugebracht, und einige von ihnen waren mehrmals hinausgegangen
und wiedergekommen. Daß sie neben einer toten oder sterbenden
Person Wache hielten, wäre wohl kaum zu erklären gewesen.
Nachdem sie das Zimmer verlassen und das Schild »Bitte nicht
stören« angebracht hatten, ging jeder seiner Wege. Zwei Leute
verließen das Hotel noch am selben Abend, das zweite Paar erst am
folgenden Morgen. Die übrigen Mitglieder des Teams hatten die
Stadt schon in derselben Nacht mit dem Wagen verlassen und
fuhren zurück nach Belgien in die Sicherheit des Mossad-Hauptquartiers
in Europa. Ran wurde informiert, daß die Mission erfüllt
war, ebenso der Mossad-Chef, dem ein Team-Mitglied ein Polaroidfoto
von dem Toten brachte.
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-->Wieder Victor Ostrovsky in"Geheimakte Mossad":
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Der israelische Premierminister Yitzhak Shamir war nicht in bester
Laune, als er in der israelischen Botschaft in Madrid auf einer
besonders gesicherten Leitung einen Anruf erhielt, so berichtete es
mir Ephraim. Shamirs alter Freund Robert Maxwell war am Apparat.
Er rief aus London an und wollte Shamir dringend treffen. Er
war bereit, nach Madrid zu kommen.
Die beiden Männer kannten einander seit langem. Der junge
Shamir hatte den noch jüngeren Maxwell in die radikale zionistische
Untergrundorganisation Irgun eingeführt. Maxwell, der sich
aus Europa retten konnte, kam während des Zweiten Weltkriegs in
ein sicheres Haus in Beirut und anschließend in ein sicheres Haus in
Tel Aviv. Er wurde in verschiedenen Techniken für Untergrundkampf
und Sabotage unterrichtet. Danach schickte man ihn nach
Frankreich, wo er in die britische Armee eintreten und sich abrufbereit
halten sollte.
Nach dem Krieg stellte Shamir, der damals im französischen Exil
lebte, den Kontakt wieder her. Shamir wollte Maxwell direkt in die
Mitte des gehaßten britischen Establishments einschleusen und bot
ihm an, Maxwells erstes großes Geschäft zu finanzieren. In den
folgenden Jahren erhielt Maxwell Insider-Informationen über globale
Ereignisse von seinem Freund im israelischen Untergrund, der
schließlich Mitglied des Mossad und am Ende Premierminister
wurde, nachdem er in die Politik gegangen war. Shamir gab Maxwell
den Kodenamen »Kleiner Tscheche«. Nur eine Handvoll Leute
in der israelischen Geheimdienst-Gemeinde wußte, wer der »Kleine
Tscheche« war. Dieser versorgte die Organisation stets mit
Schmiergeldern in Hülle und Fülle, wann immer sie knapp bei
Kasse war.
All die Jahre stürzte Maxwell jedesmal in finanzielle Löcher,
wenn der Mossad teure Operationen laufen hatte, die nicht auf
legitime Weise finanziert werden konnten, oder wenn andere,
weniger legitime Quellen ausgetrocknet waren. Das war 1990 nach
der amerikanischen Invasion in Panama der Fall, als die Einkommen
des Mossad aus dem Drogenhandel für einige Zeit nicht mehr
flossen und Maxwell sich gezwungen sah, tief in die Kassen seiner
Unternehmen zu langen.
Aber Shamir spielte seinen geheimen Trumpf zu oft aus. Es war
ein großer Fehler, Maxwell in Angelegenheiten von sekundärer
Bedeutung (insbesondere in die Vanunu-Affäre) hineinzuziehen,
wofür Maxwell auch noch den Preis bezahlen mußte.
Dieses Engagement machte das britische Parlament mißtrauisch,
das meinte, ohne Feuer gäbe es keinen Rauch. Den Anstoß hatte ein
Buch von einem amerikanischen Reporter gegeben, der behauptete,
daß Maxwell ein Mossad-Agent sei. Maxwell antwortete mit einer
Klage, aber der Boden wurde ihm langsam zu heiß unter den Füßen.
Der Mossad kam in Verzug mit der Rückzahlung seines Geldes,
und seine üblichen Rettungsaktionen in letzter Minute schienen
sein Finanzimperium nicht über Wasser halten zu können.
Shamir wohnte in seiner gutbewachten Hotelsuite gegenüber
dem Palast in Madrid, wo die Friedensgespräche zwischen Israel
und seinen arabischen Nachbarn stattfanden. Das war nicht gerade
seine große Stunde, um es mal freundlich auszudrücken. Er nahm
an einem Prozeß teil, der in seinen Augen den Sicherheitsinteressen
des Staates Israel diametral entgegenstand, nur weil er von Bush
und seinem »antisemitischen« Außenminister James Baker an die
Wand gespielt worden war. Vor dem Hotel fand eine kleine, aber
hitzige Demonstration statt. Es handelte sich um die Kahane-Chai-Bewegung,
die von Benjamin Kahane (Sohn von Meir Kahane, dem
rassistischen Rabbi, der in New York erschossen worden war)
geleitet wurde. Gleichzeitig hörte Shamir die Nachricht von dem
um sich greifenden Skandal wegen der Mossad-Machenschaften in
Deutschland. Dieser Skandal war das Ergebnis eines Anrufs von Uri
bei der Hamburger Hafenpolizei, in dem er sie informierte, daß
Waffen auf ein israelisches Schiff verladen wurden.
Die Waffen bestanden aus sowjetischen Panzern und Flaks, die in
großen Containern verstaut waren, die die Aufschrift »Landwirtschaftliche
Erzeugnisse« trugen. Die Lieferung war mit Hilfe des
BND zustande gekommen, ohne das Wissen der Bundesregierung
und des Verteidigungsministeriums. Es handelte sich genau um die
Lieferung, die das Verteidigungsministerium im März desselben
Jahres verboten hatte, nach Israel zu schicken, weil man glaubte,
damit gegen das Verbot zu verstoßen, Kriegsmaterial in Konfliktzonen
zu liefern.
Shamir wußte nicht, welche Ausmaße dieser Skandal noch annehmen
würde. Er erinnerte sich noch gut an den Skandal von
1978, als die Deutschen Mossad-Offizieren erlaubt hatten, als
deutsche Geheimdienstoffiziere aufzutreten, um in deutschen Gefängnissen
Palästinenser zu verhören. Es wäre schön, wenn die
deutsche Regierung den sich anbahnenden Skandal eingrenzen
könnte. Aber wenn Informationen erst einmal in die Medien gelangt
waren, wußte man nicht, was noch alles passieren würde.
Und dann kam der Anruf von Maxwell, der darauf bestand,
Shamir in einer wichtigen Angelegenheit zu treffen. Shamir bat ihn,
damit zu warten, bis die Madrider Eskapade vorbei war und er
wieder in Jerusalem saß, aber Maxwell war hartnäckig. Er sprach
sogar eine verhüllte Drohung aus: Da jetzt vom Parlament und den
britischen Medien Untersuchungen angestellt würden, könne er,
falls es ihm unmöglich sei, seine finanziellen Angelegenheiten zu
regeln, nicht garantieren, das Treffen mit Krjutschkow geheimzuhalten.
Maxwell bezog sich (und damit besiegelte er sein Schicksal) auf
eine von ihm mitarrangierte Zusammenkunft zwischen der Mossad-
Liaison und dem früheren KGB-Chef Wladimir Krjutschkow,
der zu dem Zeitpunkt wegen seiner Rolle beim August-Putsch im
Untersuchungsgefängnis Nummer vier in Moskau saß. Bei jenem
Treffen, das auf Maxwells Jacht stattfand, die in jugoslawischen
Gewässern vor Anker lag, wurde die Unterstützung des Mossad
zum Sturz Gorbatschows diskutiert. Der Mossad versprach, über
seine politischen Beziehungen sowohl für eine frühzeitige Anerkennung
des neuen Regimes zu sorgen, als auch sonstige logistische
Unterstützung zu geben. Im Austausch forderte er, alle sowjetischen
Juden freizulassen beziehungsweise auszuweisen, was einen
massiven Exodus bewirken würde. Die Zahl der Auswanderer wäre
zu groß, um von anderen Ländern absorbiert zu werden. Die
Menschen würden daher nur nach Israel gehen können.
Shamir hatte an die Notwendigkeit dieses Treffens mit den
Planern des Putsches geglaubt. Er wußte, wenn Rußland nicht mehr
der Feind war, gab es keine Bedrohung aus dem Osten mehr, und
der strategische Wert Israels verringerte sich für seinen größten
Bundesgenossen, die USA. Dann war ganz realistisch mit Allianzen
zwischen den USA und den arabischen Ländern in der Region zu
rechnen. Shamir glaubte, daß diese Friedenskonferenz, zu der er
gezwungen worden war, das direkte Ergebnis dieser neuen Weltordnung
darstellte, in der Israels Rolle als einsame westliche Demokratie
im Nahen Osten zu Ende ging.
Es war Maxwell gewesen, der geholfen hatte, die Verbindungen
zum jetzt aufgelösten KGB zu knüpfen. Shamir war sich bewußt,
daß es ein verheerender Schlag für Israels Stellung im Westen wäre,
wenn herauskäme, daß sich der Mossad auf irgendeine und sei es
noch so geringfügige Weise an dem Putschversuch zur Beendigung
des Demokratisierungsprozesses in der Sowjetunion beteiligt hätte.
Das würde als Verrat am Westen aufgefaßt werden. Maxwell
benutzte jetzt diese Tatsache als Drohung gegen Shamir, um eine
sofortige Hilfsaktion für sein wankendes Imperium zu erzwingen.
Shamir bat Maxwell, in ein paar Stunden zurückzurufen. Dann
kontaktierte er den Mossad-Chef und verlangte, sich des »Kleinen
Tschechen« ein für allemal zu entledigen.
Der Mossad war auf solch ein Vorhaben nicht vorbereitet.
Shamir erfuhr, daß es mehrere Wochen dauern würde, um einen
Plan aufzustellen, der auf den Gewohnheiten des Mannes basierte,
um dann die Falle zuschnappen lassen zu können. Ein Mossad-Verbindungsoffizier,
der zusammen mit dem Premierminister
(selbst ein Ex-Mossad-Offizier) reiste, schlug vor, die Sache schneller
zu erledigen, indem man Maxwell zu einem Rendezvous einlud,
bei dem der Mossad zuschlagen könnte.
Shamir bat Maxwell, am folgenden Tag nach Spanien zu kommen,
und versprach ihm, daß alles geregelt werde und kein Grund
zur Panik bestehe. Maxwell solle mit seiner Jacht nach Madeira
segeln und dort auf eine Botschaft warten.
Maxwell kam am 31.Oktober 1991 in Gibraltar an, ging an
Bord seiner Jacht »Lady Ghislaine« und segelte nach Madeira, wie
ihm gesagt worden war. Am Freitag, dem 1. November, wurde eine
Sondereinheit des Mossad, die sich wegen der Friedensgespräche
aus Sicherheitsgründen in Spanien aufhielt, damit beauftragt, sich
um Maxwell zu kümmern. Sie flog nach Marokko, wo sie den
Mossad-Chef der dortigen Station traf, der sich bereits um die
notwendige Ausrüstung und sonstige Vorbereitungen gekümmert
hatte.
Zuerst wurde Maxwell gesagt, daß die Begegnung in Madeira
stattfinde und er ausreichend Geld erhalten werde, um die Angelegenheit
bereinigen zu können. Dann wolle man ihm weitere Gelder
überweisen. All das solle unter absoluter Geheimhaltung geschehen,
um seinen Feinden nicht weiteres Material zu liefern, die nichts
lieber hätten, als seine direkte Verbindung zum Mossad nachzuweisen.
Am 2. November erfuhr der Mossad, daß Maxwell seinen Sohn
in England angerufen und mit ihm ein Treffen auf der Insel ausgemacht
hatte. Das warf die Pläne des Mossad über den Haufen, und
Maxwell wurde nun vom Mossad mitgeteilt, das ausgemachte
Treffen sei geplatzt. Statt dessen solle er mit den Geldboten auf
Teneriffa zusammentreffen.
Als er in Santa Cruz auf Teneriffa anlegte, eilte er sofort zu dem
Treffen im Hotel Mency. Als er allein im Hotelrestaurant aß, kam
jemand an seinen Tisch und überreichte ihm einen Zettel: Er solle
am folgenden Morgen in Los Cristos auf der anderen Seite der Insel
sein. Er solle auf seiner Jacht dorthin segeln. Die empfohlene Route
führte um Gran Canaria herum.
Ich erfuhr von alldem in einem Telefongespräch mit Ephraim. Er
hatte keine Ahnung, wie es dem Kidon-Team gelungen war, Maxwell
auf hoher See zu erwischen, während die Jacht mit fünfzehn
Knoten dahinsegelte, aber gerade das Unwahrscheinliche gehörte ja
zur Kidon-Magie. Irgendwann in der Nacht vom 4. auf den 5. November
wurde Shamirs Problem auf den Grund des Atlantiks
versenkt.
Nach einer Autopsie, die mehr Fragen aufwarf, als sie beantwortete,
fand eine zweite Autopsie in Israel unter den wachsamen
Augen des Sicherheitsapparats statt. Maxwell bekam schließlich
ein Begräbnis auf dem Ã-lberg in Jerusalem, dem Friedhof für die
stolzesten Helden der Nation.
»Er hat mehr für Israel getan, als heute gesagt werden kann«,
erklärte Shamir in seiner Totenrede für seinen Freund und sein
Opfer.
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-->Victor Ostrovsky, geboren 1950 in Kanada als Sohn einer
Israelin und eines Kanadiers jüdischer Abstammung,
verbrachte seine Jugend in Israel und wurde mit 18 Jahren der
jüngste Offizier in der israelischen Armee. Er wurde Mitte der
achtziger Jahre vom Mossad rekrutiert und arbeitete vier Jahre
im Geheimdienst, bevor er desillusioniert die Organisation
verließ und nach Kanada zurückkehrte.
Hier, was Andreas von Bülow in"Im Namen des Staates" dazu schreibt (Andreas von Bülow, geboren 1937 in Dresden, war von 1969
bis 1994 Mitglied des Bundestages, unter anderem in der Parlamentarischen
Kontrollkommission für die »Dienste«. Von
1976 bis 1980 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister
für Verteidigung, 1980 bis 1982 Bundesminister für
Forschung und Technologie, seit 1994 Rechtsanwalt in Bonn.):
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Waren Palme und Barschel auf
der falschen Seite des Deals?
In dieser Richtung könnte möglicherweise die Aufklärung des
Mordes an Olof Palme ansetzen, der nach einem Kinobesuch hinterrücks
erschossen wurde in offensichtlicher Anwesenheit zahlreicher
schwedischer, mit Sprechfunkgeräten ausgerüsteter Geheimdienstbeamter,
wie Zeugen beobachtet haben. Ob der Tod des schleswig-holsteinischen
Ministerpräsidenten Barschel in dieses Geflecht einzuordnen
wäre, ist schwer zu beurteilen. Barscheis letzter Besuch
vor seinem Treffen in Genf mit dem in seinem Terminkalender eingetragenen
Roioff galt immerhin dem saudischen Finanzmann und
Waffenhändler Adnan Kashoggi, einem Mann, der nicht nur mit
Shimon Peres befreundet war 182, sondern auch engste Beziehungen
sowohl zum saudischen Königshaus wie zu Gaddafi pflegte und der
im Bericht des US-Kongresses über die Affäre auch als amerikanischer
Agent bezeichnet wird 183. In israelischen Quellen ist er als
langjähriger Agent des Mossad aufgeführt, dessen Unternehmungen
ganz wesentlich aus Geldern des Mossad finanziert wurden 184. Und
schließlich soll über Schleswig-Holstein ein erheblicher Teil der
Waffenlieferung in den Iran abgewickelt worden sein, nachdem es
unversehens mit den dänischen Häfen, den dänischen Schiffen und
einer neuen dänischen Regierung Schwierigkeiten gegeben hatte 185.
Die Besuche Barscheis in Kavelsdorf, das einsame Aufsuchen von
Biotopen in der DDR, die merkwürdige vierwöchige Kur ausgerechnet
in dem sozialistisch-langweiligen Marienbad in der CSSR, all
dies berührt merkwürdig.
Im Falle Barschel muß es zu einer Art Kurzschluß zwischen den
beiden Waffen- und Finanzierungskanälen gekommen sein 186. Kashoggi
spielt eine wesentliche Rolle bei der Einleitung und Finanzierung
des Konkurrenzkanals 187. Zu diesem aus dem Büro von Peres
und dessen Antiterrorberater Nir heraus gesteuerten Kanal gehören
die Verbindungen, die auch in das später zu behandelnde Personalka-
russel des Skandals der Bank for Credits and Commerce International
(BCCI) hineinspielen 188. Peres, Norm, Noriega, Ghorbanifar,
Hashemi, Nir, Mike Harari und nicht zuletzt das Medellin-Drogenkartell
bilden eine Linie, die die Knotenpunkte einer gnadenlos der
Ã-ffentlichkeit preisgegebenen Skandalkette markieren 189. Der erste
Kanal geht mit Skrupellosigkeit gegen den zweiten vor und läßt in
Washington die strategischen Personen hochgehen. Präsident Reagan
und Vizepräsident Bush können sich nur mit Mühe und mit unfeinen
Tricks über die Runden retten 190. Und selbst der spätere demokratische
Präsident Clinton und dessen Gattin Hillary sind nicht ohne
Bezugspunkte zum Skandalkomplex 191.
Von daher verwundert es nicht, daß der israelische Geheimdienstmann
Victor Ostrovsky die Ermordung Uwe Barscheis in Genf
sowohl von der Begründung als auch den technischen Einzelheiten
her genau beschreibt 192. Hier interessieren nur die von ihm angedeuteten
Hintergründe 193. Danach hatte der Mossad in einem Waffengeschäft
Israels mit dem Iran den BND als Strohmann und Zwischenhändler
benutzt. Es ging um die Lieferung von Ersatzteilen für die
auch von der Bundesluftwaffe geflogenen Phantom F 4. Ãœber dieses
Vorhaben waren die Landesämter für Verfassungsschutz der Freien
und Hansestadt Hamburg und des Landes Schleswig-Holstein auf
mittlerer Beamtenebene informiert, nicht jedoch der BND, den der
Mossad angeblich wegen Durchsetzung mit Stasi-Agenten gezielt
außen vor ließ. Auch der Ministerpräsident des Landes, Uwe Barschel,
war zunächst nicht informiert.
Nun zog man offenbar für den zweiten Kanal den BND heran und
stellte diesem einen Verbindungsmann zur Seite, der nebenbei noch
schmutzige Geschäfte über den Ex-Mossad-Offizier Mike Harari mit
dem Staatschef von Panama, General Manuel Noriega, machte. In
Frage kommen Drogen-, Geldwäsche- und Waffengeschäfte.
In die Transporte, die über italienische Häfen liefen, waren der
Altfaschist Licio Gelli und Mitglieder seiner geheimdienstdurchsetzten
Freimaurerloge Propaganda Due sowie streng geheime Kom-mandoeinheiten
(Gladio) der NATO eingespannt, eine Kombination,
auf die später einzugehen sein wird. Die BND-Mannschaft wiederum
scheint laut Ostrovskys Darstellung aus Leuten zusammengesetzt
gewesen zu sein, die zuvor an Mossad-Seminaren zur Bekämpfung
des Terrorismus teilgenommen hatten. Diese Veranstaltungen seien
letztlich zum Zwecke der Rekrutierung abgehalten worden, die dem
Mossad Hunderte, wenn nicht Tausende von Staatsdienern aus allen
möglichen Ländern, nicht zuletzt der Bundesrepublik, als Quellen
und Einflußpersonen eingebracht hätten. Der Mossad habe die mittleren
Chargen des BND manipulieren können, indem man ihnen zu
verstehen gegeben habe, ihre Vorgesetzten seien mit der Angelegenheit
einverstanden, könnten die Operation jedoch offiziell nicht billigen
und müßten in der Lage sein, stets glaubhaft leugnen zu können.
Auch die Tatsache, daß der Mossad die rückhaltlose Unterstützung
der örtlichen Dienststellen des Verfassungsschutzes gehabt habe, sei
hilfreich gewesen 194.
Von Deutschland aus seien die Lkw nach Dänemark gefahren, wo
ihre Ladung auf dänische Schiffe verfrachtet wurde. Von dort sei die
Fracht dann in den Iran gegangen.
Schließlich haben die Israelis ihren BND-Verbindungsmann gefragt,
wo und wie sie iranische Piloten ausbilden können. Die Ausbildung
der Piloten der iranischen Luftwaffe habe dann größtenteils an
fünf Simulatoren stattgefunden, die auf demselben Flughafen in
Schleswig-Holstein aufgestellt waren, auf dem auch die für iranische
Phantom-Kampfflugzeuge vorgesehenen Ersatzteile gelagert wurden.
Neben dem Training vor den Simulatoren habe die Ausbildung
der Kampfpiloten an einer zweimotorigen Cessna stattgefunden.
Nachdem die Verschiffung der Ware von dänischen Häfen aus aufgrund
dortiger Widerstände nicht mehr hatte vorgenommen werden
können, sollten die Waffenlieferungen nun über schleswig-holsteinische
Häfen laufen. Der BND habe Ministerpräsident Barschel in
die geplanten Geheimoperationen eingeweiht. Bei dieser Gelegenheit
habe der BND-Vertreter dem Ministerpräsidenten jedoch mehr
erzählt als aus israelischer Sicht verantwortbar gewesen sei. Barschel
habe abgelehnt. Der Mossad habe daraufhin Pfeiffer, den Mitarbeiter
des Springer-Konzerns, angesprochen und ihn mit Enthüllungen aus
seiner Vergangenheit zur Mitarbeit veranlaßt. Ziel sei die Zerstörung
des öffentlichen Ansehens des Ministerpräsidenten gewesen. Pfeiffer
habe nun vorgeblich im Auftrag Barscheis eine mehr als auffällige
Observation des Mitbewerbers Engholm in der Landtagswahl um
das Amt des Ministerpräsidenten organisiert. Die Tatsache der Bespitzelung
sei der Presse zum Zwecke der Rufschädigung zugespielt
worden. Wenige Stunden vor der Wahl habe Barschel nicht mehr rea-
gieren können. Dadurch sei die Abwahl Barscheis und die Wahl des
kooperativeren Oppositionsführers gesichert gewesen.
Barschel habe versucht, sich über den BND Rehabilitation zu verschaffen.
Doch dies hätte die Aufdeckung der streng geheimen Operationen
nach sich gezogen. Barschel habe es abgelehnt, sich gegen
eine hohe Abfindung aus der Politik zurückzuziehen und zu schweigen.
Als Barschel vor dem Untersuchungsausschuß des Kieler Landtages
habe auspacken wollen, habe man aus vielerlei Gründen einschreiten
müssen 195. Daher sei Barschel nach Genf gelockt worden.
Ostrovsky beschreibt, wie Barschel von einem Kontaktmann des
BND getäuscht und von einem Team des Mossad ermordet wurde.
Seine Schilderung der Herbeiführung erst einer Bewußtlosigkeit
und anschließender Einflößung der tödlichen fünf Medikamente mittels
Magensonde stimmt mit den Ergebnissen der allerdings außerordentlich
mangelhaften kriminalistischen Untersuchungen in Genf
überein 196. Die auf die Tatschilderung Ostrovskys angesprochene
Lübecker Staatsanwaltschaft zweifelt an einigen Ortsangaben, kann
jedoch den vom Hörensagen aus Mossad-Kreisen bekannten Zeugen
nicht vernehmen, weil hierzu die Reisemittel fehlen.
Je mehr sich die Spuren des Falles Barschel verlieren, verwischen,
zum Teil aber auch klären, um so merkwürdiger werden die Rollen
der an der Affäre beteiligten deutschen Akteure. Da wird Pfeiffer -beim
Mossad angeblich unter dem Aliasnamen Whistler geführt -als
Angestellter des Springer-Konzerns »für grobe Arbeiten« im
Wahlkampf in die Dienste des Landes Schleswig-Holstein und dessen
Ministerpräsidenten abgeordnet. Er wird in dieser Zeit sowohl
aus der Landeskasse besoldet als auch mit Zusatzmitteln des Springer-
Konzerns ausgehalten. Im Amt erhält er vorgeblich den Auftrag,
Björn Engholm, den Oppositionsführer und Herausforderer Barschels,
auf Eheverfehlungen zu bespitzeln, besorgt sich auch die vertraulichen
Einkommenssteuererklärungen des Finanzamtes. Recht-zeitig
vor der Wahl verpfeift Pfeiffer sein rechtswidriges Tun an die
Opposition und das Nachrichtenmagazin Der Spiegel.
Der Spiegel veröffentlicht unmittelbar vor der Landtagswahl die
Pfeifferschen Enthüllungen und sorgt somit für den sicheren Sturz
Barscheis. Der Stern wiederum übernimmt die Aufklärung des sich
anschließenden Selbstmord-Mordfalles. Der Stern-Redakteur kennt
offensichtlich im vorhinein Ort und Zeit der geheimgehaltenen
Anreise von Barschel, quartiert sich im selben Hotel ein, ruft am
Todestag gegen 12 Uhr im Hotelzimmer an, erhält keine Antwort
und entdeckt auf eigene Faust den Toten. Das Foto des Verstorbenen
zeigt den Uhrzeigerstand 12 Uhr 45. Die Genfer Polizei wird erst
gegen 14 Uhr verständigt. Was der Reporter in dieser Zeit alles getan
oder unterlassen hat, ist nicht ermittelt, geschweige denn objektiv
überprüft worden. Der Reporter machte sich an die Entzifferung der
Notizen des Toten. Die Benachrichtigung eines Arztes schien sich
erübrigt zu haben. Auf jeden Fall kamen strafrechtliche Ermittlungen
mit dem Ziel einer Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung, die
Wiederbelebungsfähigkeit Barscheis unterstellt, nicht mehr in
Betracht, weil die deutschen Ermittler erst nach Ablauf der fünfjährigen
Verjährungsfrist tätig wurden. Die umfassende Spurensicherung
vor Ort ist zum Teil nicht erfolgt, zum Teil wurde sie durch
den langen Aufenthalt des Stern -Reporters in ihrer Aussagefähigkeit
massiv eingeschränkt.
Ob der Spitzendetektiv deutscher Geheimdienste, Werner Mauss,
der um den amtlich nie festgestellten Todeszeitpunkt herum unter
einem Aliasnamen in einer Chartermaschine zusammen mit seiner
Frau und einem weiteren Mann zwischen Frankfurt, Genf und Zürich
hin und her flog und sich in der Tatnacht im benachbarten Hotel Le
Richemond einquartiert hatte, mit dem von Ostrovsky genannten
BND-Kontaktmann identisch ist oder nicht, ist bis heute öffentlich
nicht geklärt. Ein Münchner Gericht hat die öffentliche Berichterstattung
über die Hintergründe der hektischen Flugmanöver um die
Todeszeit Barscheis untersagt 197.
Es bleibt zu vermerken, daß Der Spiegel bis zur Stunde in Übereinstimmung
mit den deutschen Nachrichtendiensten bei der Version
des Selbstmordes bleibt und jede Abweichung von der Orthodoxie
mit Eifer bekämpft 198. Andererseits erlitt der von der Familie Barschel
eingesetzte Schweizer Detektiv und frühere Mitarbeiter des
Meisterdetektivs Mauss kurz vor Abschluß seiner Arbeiten einen
Herzinfarkt. Seinen Aussagen zufolge stand er kurz vor der Aufklärung
des Falles. Alle merkwürdigen Todesfälle der letzten Jahre hingen,
so äußerte er sich kurz vor seinem Tod Dritten gegenüber, miteinander
zusammen. Er meinte offensichtlich die Ermordung auch
des schwedischen Premierministers Palme, die ausgeführt zu haben
inzwischen ein ehemaliges Mitglied der südafrikanischen Todes-
Schwadronen auf sich genommen hat. Bis dato haben die Schweizer
Behörden die von dem Schweizer Detektiv zusammengestellten
Akten weder der deutschen Staatsanwaltschaft noch der Ã-ffentlichkeit
zugänglich gemacht. Die deutschen Behörden sehen sich außer-stande,
die Darstellung Ostrovskys als richtig oder falsch oder als
wahrscheinlich beziehungsweise unwahrscheinlich zu qualifizieren.
Ceterum censeo: NIEMAND hat die Absicht einen Zusammenhang zwischen Barschel und Möllemann zu konstruieren.
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