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Warum sachlich, wenn´s auch persönlich geht
Diesen Monat: Michel Friedmann
Von Klaus Bittermann
Friedman, Michel -"Deutschlands eitelster TV-Talker", wie die Bild am Sonntag ihn nannte, hat als einer der zuverlässigsten und treuesten Peinlichkeiten wieder mal auf sich aufmerksam gemacht, denn der"immer perfekt gestylte" Pomadenmensch gibt sich gern selbst die Kante."Ich halte nichts von Distanz, will aber niemanden einschüchtern, sondern Nähe herstellen. Diese körperliche Nähe führt zu Intensität und Wahrhaftigkeit, davon lebt die Sendung. Außerdem: Als letzte Barriere befindet sich zwischen mir und dem Gast immer noch eine stabile Sessellehne", damit Friedman dem Geladenen nicht ganz auf den Schoß oder in den Ausschnitt glitschen kann und die Abendgarderobe der Leute nicht befleckt. Diese zum dürftigen Programm erhobene Distanzlosigkeit ist dabei nicht mal eine Erfindung Friedmans, sondern wird in den täglichen Talksoaps ständig zelebriert. Talkschnepfe und Freundin Bärbel Schäfer konnte ihm da sicherlich wertvolle Tipps geben.
Distanzlosigkeit stellt jedoch weder"Nähe" her noch führt sie zu"Wahrhaftigkeit", sie ist das plumpe Mittel der Aufdringlichen, die dem"Gast" an die Wäsche wollen. Von Gast kann deshalb gar keine Rede sein, denn einem Gastgeber würde es niemals einfallen, die Integrität und die Persönlichkeit seines Gastes zu verletzen, worauf Friedman und Kollegen ständig aus sind. Statt hart und unnachgiebig in der Sache zu sein, will man ihn ins Private herabzerren. Der Gast wird bei Friedman zum Opfer, der Gastgeber zum aufdringlichen Fitti, dem das Herumschnüffeln in dreckiger Unterwäsche große Befriedigung bereitet.
Umgekehrt hat Friedman selbstverständlich nichts dagegen, aus seinem persönlichen Nähkästchen zu plaudern, denn eitle Menschen streben danach, auch ihr Innerstes zu offenbaren, ohne dabei zu merken, dass sie auf dem Ticket der Peinlichkeit fahren und sich dabei in eine Situation manövrieren, die das Gefühl hervorruft, an einem frisch angelutschten Bonbon kleben geblieben zu sein."Ja, ich liebe mich selbst... Aber ich will mich auch verändern und weiterentwickeln", tropft es zähflüssig aus seiner Freundin BamS heraus. Und weiter:"Ich möchte noch unabhängiger, noch gütiger, noch freier, noch sozialer werden." Und als Höhepunkt:"Ich bin ein sehr sinnlicher Mensch, und das ist für mich Erotik." Für Bärbel Schäfer vielleicht, aber wer im Ernst würde einen von Kopf bis Fuß olivenöligen Mann an sich ran lassen wollen? Das wäre ja wie Schlammcatchen, und das ist auch ziemlich unappetitlich. Aber wie konnte es dazu kommen?"Das verdanke ich meinen wunderbaren Eltern, die mir von klein auf am Küchentisch Streitkultur beigebracht haben. Sie haben mich ernst genommen, als ich fünf war und Unsinn geredet habe." Das hätten sie nicht tun dürfen.
Für diesen Quatsch 1. Klasse erhält man in Deutschland dann das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, welches Michel Friedman Gelegenheit gab, mit einer Tränennummer zu reüssieren, die noch den größten Schmierenkomödianten der allerletzten Arzt- oder Heimatserie zur Ehre gereicht hätte, weshalb man ihn sich in einer Hauptrolle in der"Schwarzwaldklinik" wünscht. Schreinemaker wäre vor Neid erblasst. Und weil dieser Auftritt so großartig war, sei hier ein Bericht aus Bild wiedergegeben, für die er sich auch und bestimmt nicht zuletzt ein paar Tränen herausgequetscht hat:"Friedman regungslos, als Oberbürgermeisterin Petra Roth ihm den Orden ans Revers heftet. Doch dann: Explosion der Gefühle. Worte wie ein Vulkanausbruch. ›Habe lange nachgedacht, ob ich die Auszeichnung annehme. Haben dieses Bundesverdienstkreuz nicht zu viele Menschen mit Nazi-Vergangenheit bekommen?‹" Eigentlich schon, und genau deshalb sollte man eigentlich seine Pfoten davon lassen."Doch er nimmt es an. Weil: ›Die Auszeichnung steht für Demokratie und Freiheit.‹ Er ruft: ›Ich bin besoffen nach Freiheit!‹" Wieso eigentlich"nach"? Und wie fühlt man sich am Tag darauf? Voll ist Friedman bestimmt, und zwar mit Pathos bis zur Halskrause. Aber Bild ist noch nicht fertig:"Die Stimme bricht. Tränen. Freundin Bärbel Schäfer eilt nach vorne, zückt ein Taschentuch. Tupft. Tröstet. Zärtlich. Betretenes Schweigen. Fünf Minuten." Mir auch fehlen Worte. Aber authentisch. Kriege Schluckauf. Vom Pathos. Fünf Minuten ergriffen. Denn so lange braucht die Suppentütenterrine Michel Friedmann. Fünf Minuten wallen lassen und fertig.
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