Wal Buchenberg
13.06.2003, 17:11 |
Frage an die Fachleute zu Rentenlüge & Sozialstaat - Wer subventionierte wen? Thread gesperrt |
-->Hallo Leute,
Die statistischen Zeitreihen des Verbandes der Rentenversicherungsanstalten weisen in fast jedem Jahr Bundeszuschüsse für die Rentenkassen aus. Scheinbar subventionierte der Staat von Anfang an die Sozialversicherungen.
Gleichzeitig weist eine Analyse der Verschuldung des Bundes von 1950 - 1989 nach, dass sich der Staat jahrelang bei den Sozialversicherungskassen verschuldet hat:
Die Beitragsgelder der Sozialversicherungen machten z.B.
1958 4,8% der Bundesschuld,
1966 13,7% der Bundesschuld und
1974 8,9% der Bundesschuld aus.
(aus: Musgrave/Musgrave/Kullmer: Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis 3. UTB, 4. Auflage 1992: 136.
Tatsächlich kreditierten die Sozialversicherungen lange Jahre den Staatsapparat.
Wie ist der genaue Zusammenhang zwischen beiden Zahlenreihen? Wer kann das erklären?
Gruß Wal Buchenberg
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dottore
13.06.2003, 17:34
@ Wal Buchenberg
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Re: Was willst Du uns sagen? |
-->>Hallo Leute,
>Die statistischen Zeitreihen des Verbandes der Rentenversicherungsanstalten weisen in fast jedem Jahr Bundeszuschüsse für die Rentenkassen aus. Scheinbar subventionierte der Staat von Anfang an die Sozialversicherungen.
Nein. Die Rentenversicherungen waren 1956 mega im Plus - dann kam Adenauer und setzte die"Rentenreform" durch (heutiges System), lief auf eine riesige Rentensteigerung hinaus. Und sicherte so den absoluten Siege der CDU/CSU bei den Wahlen 1957. (Leider habe ich das Buch dazu verlegt und finde weder Titel noch Autor mehr).
Man besticht halt immer die Wähler mit deren Geld. Gell, Wal, die Politiker sind schlau.
>Gleichzeitig weist eine Analyse der Verschuldung des Bundes von 1950 - 1989 nach, dass sich der Staat jahrelang bei den Sozialversicherungskassen verschuldet hat:
>Die Beitragsgelder der Sozialversicherungen machten z.B.
>1958 4,8% der Bundesschuld,
>1966 13,7% der Bundesschuld und
>1974 8,9% der Bundesschuld aus.
Das verstehe, wer will.
Derzeit: Bundesschuld = 730 Mrd, Rentenbeiträge = 130 Mrd. (rund). Also 17,8 % der Bundesschuld.
>(aus: Musgrave/Musgrave/Kullmer: Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis 3. UTB, 4. Auflage 1992: 136.
>Tatsächlich kreditierten die Sozialversicherungen lange Jahre den Staatsapparat.
Versteh, wer will.
Die Sozialversicherungen sind minimst verschuldet (paar Mios), geht auch gar nicht anders. Bundeszuschuss ab 1996: ca. 25, heute ca. 50 Mrd €.
>Wie ist der genaue Zusammenhang zwischen beiden Zahlenreihen? Wer kann das erklären?
In der VGR haben wir den Finanzierungssaldo des Staates (es werden Steuern und Sozialbeiträge zusammengefasst - dagegen laufen alle Ausgaben, geht auch gar nicht anders) von zuletzt minus 76,2 Mrd €.
Gruß!
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Jochen
13.06.2003, 17:41
@ dottore
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Re: Was willst Du uns sagen? |
-->>>Hallo Leute,
>>Die statistischen Zeitreihen des Verbandes der Rentenversicherungsanstalten weisen in fast jedem Jahr Bundeszuschüsse für die Rentenkassen aus. Scheinbar subventionierte der Staat von Anfang an die Sozialversicherungen.
>Nein. Die Rentenversicherungen waren 1956 mega im Plus - dann kam Adenauer und setzte die"Rentenreform" durch (heutiges System), lief auf eine riesige Rentensteigerung hinaus. Und sicherte so den absoluten Siege der CDU/CSU bei den Wahlen 1957. (Leider habe ich das Buch dazu verlegt und finde weder Titel noch Autor mehr).
Wars das:"Das Rentenrisiko" von Fides Krause-Brewer, Stuttgart 1980?
Gruß
Jochen
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Wal Buchenberg
13.06.2003, 17:44
@ dottore
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Re: Ich will nichts sagen, sondern fragen. |
-->>>Hallo Leute,
>>Die statistischen Zeitreihen des Verbandes der Rentenversicherungsanstalten weisen in fast jedem Jahr Bundeszuschüsse für die Rentenkassen aus. Scheinbar subventionierte der Staat von Anfang an die Sozialversicherungen.
>Nein. Die Rentenversicherungen waren 1956 mega im Plus - dann kam Adenauer und setzte die"Rentenreform" durch (heutiges System), lief auf eine riesige Rentensteigerung hinaus. Und sicherte so den absoluten Siege der CDU/CSU bei den Wahlen 1957. (Leider habe ich das Buch dazu verlegt und finde weder Titel noch Autor mehr).
>Man besticht halt immer die Wähler mit deren Geld. Gell, Wal, die Politiker sind schlau.
>>Gleichzeitig weist eine Analyse der Verschuldung des Bundes von 1950 - 1989 nach, dass sich der Staat jahrelang bei den Sozialversicherungskassen verschuldet hat:
>>Die Beitragsgelder der Sozialversicherungen machten z.B.
>>1958 4,8% der Bundesschuld,
>>1966 13,7% der Bundesschuld und
>>1974 8,9% der Bundesschuld aus.
>Das verstehe, wer will.
>Derzeit: Bundesschuld = 730 Mrd, Rentenbeiträge = 130 Mrd. (rund). Also 17,8 % der Bundesschuld.
Nein, so kann das doch nicht laufen, dass du die Einnahmen der Rentenkassen einfach in die Bundesschuld einrechnest. Die bei Musgrave u.a. ausgewiesenen Zahlen waren verbuchte Kredite der Rentenkassen an die Staatskassen, also wirkliche Kredite, nicht nur rechnerische Guthaben.
Gruß Wal
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dottore
13.06.2003, 18:05
@ Wal Buchenberg
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Re: Mir wurscht, jedenfalls dürfte es so sein: |
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>Nein, so kann das doch nicht laufen, dass du die Einnahmen der Rentenkassen einfach in die Bundesschuld einrechnest. Die bei Musgrave u.a. ausgewiesenen Zahlen waren verbuchte Kredite der Rentenkassen an die Staatskassen, also wirkliche Kredite, nicht nur rechnerische Guthaben.
Wal, jetzt isses klarer.
Das sind aber keine"Kredite" an die Staatskasse, sondern Einzahlungen dort. Das entsprechend geführte Konto ist dadurch im Plus (was mit dem Geld zwischendurch gemacht wird, verballert oder so, spielt keine Rolle).
Dann schmilzt dieser (gebuchte) Kassenbestand (die Kasse selbst kann durchaus leer sein) im Laufe der Jahre ab, und das durch die entsprechenden Auszahlugen der Rentenkassen an die Rentner (nach der Rentenformel, d.h. früher an die Bruttolöhne gekoppelt), die wiederum erfolgen, nachdem der Staat die früher bei ihm gelandeten Einzahlungen wieder auszahlt.
Stell Dir 2 Kassen vor: 1 = Staat (hat 100), 2 = Rente (hat 50). Die 50 Rente geht an die Staatskasse (hat jetzt 150) und in der Rentenkasse liegt ein Zettel (kriege von der Staatkasse 50). Wenn die Staatskasse leer ist, liegt trotzdem in der Rentenkasse nach wie vor der Zettel.
Anders geht's bei kameralistischer Wirtschaft nicht. Der Staat hätte sonst theoretisch die Zahlungen in einen Bunker legen müssen.
Das mit dem "Kredit" (oben) und selbst wenn der vom Staat verknallt worden wäre, spielt übrigens in keiner Variante irgendeine Rolle, da er auf jeden Fall zurückgeführt ist, da ja inzwischen der Staat die knapp 50 Mrd € p.a. zuschießt. Also jeglicher frühere"Kredit" dicke getilgt ist.
Gebucht werden diese Zahlungen (sozusagen"Depots") an den Staat unter Vermögen der Rentenversicherung. Da haben wir noch 9,8 Mrd €, vor allem"Einlagen" (!, darunter auch eigene Barmittel) von knapp 7 Mrd. sowie Wertpapiere (1,0), Darlehen und Hypotheken (1,7) und Grundstücke (0,126).
Isses auch Dir jetzt klarer?
Gruß!
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dottore
13.06.2003, 18:07
@ Jochen
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Re: Leider nein, erschien vor 2, 3 Jahren, zeitgeschichtl. Meisterschuss (owT) |
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mguder
13.06.2003, 18:33
@ dottore
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Wie konnte das passieren? |
-->>>Hallo Leute,
>>Die statistischen Zeitreihen des Verbandes der Rentenversicherungsanstalten weisen in fast jedem Jahr Bundeszuschüsse für die Rentenkassen aus. Scheinbar subventionierte der Staat von Anfang an die Sozialversicherungen.
>Nein. Die Rentenversicherungen waren 1956 mega im Plus - dann kam Adenauer und setzte die"Rentenreform" durch (heutiges System), lief auf eine riesige Rentensteigerung hinaus. Und sicherte so [b]den absoluten Siege der CDU/CSU bei den Wahlen 1957.
Hallo Dottore,
ich war damals noch nicht auf der Welt und es würde mich interessieren, wie so ein Schwachsinn
1. durchgesetzt und
2. auch noch vom Wahlvolk belohnt werden konnte.
Es musste doch jedem klar sein, daß dies einen Riesenschritt in den Sozialismus bedeutete. Wieso hat nicht Ludwig Erhard sein Veto eingelegt? Gab es damals denn niemanden, der versucht hat, diesen Wahnsinn zu stoppen?
Wären nicht angesichts der Tatasache, daß die heutigen Rentner für die Einführung der dynamisierten Rente gestimmt haben, massive Rentenkürzungen für diese Generation durchaus gerechtfertigt und sogar wünschenswert, als nachträgliche Bestrafung sozusagen?
Gruß
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dottore
13.06.2003, 18:46
@ mguder
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Re: Wie konnte das passieren? |
-->>Hallo Dottore,
>ich war damals noch nicht auf der Welt und es würde mich interessieren, wie so ein Schwachsinn
>1. durchgesetzt und
>2. auch noch vom Wahlvolk belohnt werden konnte.
Tja, lieber schnelles Geld als langsames.
>Es musste doch jedem klar sein, daß dies einen Riesenschritt in den Sozialismus bedeutete. Wieso hat nicht Ludwig Erhard sein Veto eingelegt? Gab es damals denn niemanden, der versucht hat, diesen Wahnsinn zu stoppen?
Also Initator war Prof. Winfried Schreiber (Uni Bonn, ich ehr ihn noch vor mir, hager, dunkel, immer weiße Verbände um die Pfoten, Hautkrankheit) und der hat dem Alten das eingeredet ("Generationenvertrag"). Die Details sind wie gesagt in dem Buch, das ich nicht mehr finde. In Koblenz (BuArchiv) sollte noch diverse Nachlässe (Janz?) liegen, die Aufschluss geben könnten.
Auch die Gewerkschaften sollten nicht unzufrieden gewesen sein:
Leider nicht zum Lesen. Die Liefmann-Keil war auch ne schräge Nummer
>Wären nicht angesichts der Tatasache, daß die heutigen Rentner für die Einführung der dynamisierten Rente gestimmt haben, massive Rentenkürzungen für diese Generation durchaus gerechtfertigt und sogar wünschenswert, als nachträgliche Bestrafung sozusagen?
Brillante Idee. Aber die hatten gar nichts zum Abstimmen. Die dachten doch, sie geben was ab, und das würde dann in ihrem Sinne gut verwaltet. Dass es ein Durchlaufposten war, wusste keiner.
>Gruß
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Uwe
13.06.2003, 22:53
@ Jochen
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3-Generationenvertrag -"Kinder kriegen die Leute doch immer" |
-->dottore:[i] Die Rentenversicherungen waren 1956 mega im Plus - dann kam Adenauer und setzte die"Rentenreform" durch (heutiges System), lief auf eine riesige Rentensteigerung hinaus. Und sicherte so den absoluten Siege der CDU/CSU bei den Wahlen 1957. (Leider habe ich das Buch dazu verlegt und finde weder Titel noch Autor mehr).[/i]
Ist zwar nicht der Buchhinweis, doch es dürfte sich um die Grundlagen handeln:
Wilfried Schreiber:
Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft.
Vorschläge des Bundes Katholischer Unternehmer zur Reform der Sozialversicherungen. Köln: J.P. Bachem 1955 (= Schriftenreihe des Bundes Katholischer Unternehmer 3)
[i](entnommen aus: http://www.volkmar-weiss.de/iq-falle-biblio2.html)[/i]
Der vorgestellte Generationenvertrag sollte ein"Drei-Wege-System" als Solidaraufgabe beinhalten (Kinder - Beitragszahler - Rentner). Umgesetzt wurde das"Zwei-Wegesystem" (Beitragszahler - Rentner). Aber auch die Veränderungen des (Leistungs-)Umfanges der"Solidargemeinschaft der Beitragszahler" dürfte sowohl nicht in Konsequenz in den Reformenvorschlägen angedacht gewesen sein. Aber es ist eh nur etwas für die"Historiker",den die Dinge sind, wie sie sind.
Gruß!
Quelle: http://www.capital.de/bv/126669.html
(Hervorhebungen nachgetragen)
<hr>
~ Die Rentenreform kommt, die Probleme bleiben
Von Thomas Stoll
[11.05.01, 14:08]
Die Rentenreform ist durch. Sie wird ungefähr so lange halten wie ihre Vorgängerinnen - also keine zehn Jahre. Denn auch die rot-grüne Arithmetik kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass eins und eins noch immer zwei ergibt und dass irgendwer in die Tasche greifen muss, wenn 2,2 herauskommen soll.
Die Schwierigkeiten des aktuellen umlagefinanzierten Systems sind hinlänglich bekannt: Der Generationenvertrag funktioniert eben nur, wenn das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern sich nicht allzu sehr verschlechtert. Der kapitalgedeckte Teil, der jetzt eingeführt werden soll, lindert die Leiden der kranken Rentenversicherung, aber er heilt sie nicht.
Weitgehend unbekannt ist: Die Politik ignorierte die Probleme schon von Beginn an. Mitte der 50-er Jahre, als die Rentenversicherung heutiger Prägung eingeführt wurde, schrieb ihr geistiger Vater, der Kölner Ã-konom Wilfried Schreiber:"Als Tatsache hinnehmen müssen wir, dass sich das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern in naher Zukunft, etwa in den Jahren 1965 bis 1980, merklich verschlechtern wird."
Wer Schreibers Denkschrift über die "Existenzsicherung in der industriellen Gesellschaft" aus dem Jahr 1955 liest, findet dort das komplette Instrumentarium der Rentenversicherung von heute: Beitragspunkte und Beitragssätze, Witwenrenten und Invalidenrenten - all das legte der Kölner Ã-konom in einer beneidenswert klaren Sprache nieder.
Doch am Ende erging es Schreiber wie vielen großen Ã-konomen. Seine Konzepte wurde nur teilweise und halbherzig umgesetzt. Das leuchtendste Beispiel dafür ist die"Kindheits- und Jugendrente", mit der der gesamte Familienlastenausgleich im Rahmen desselben Umlageverfahrens wie die Altersrente hätte geregelt werden können. Schreiber schlug vor, dass jeder bis zum 20. Lebensjahr eine Unterhaltsrente in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vom Einkommen seiner Eltern bekommen solle. Ab dem 35. Lebensjahr müsse der Empfänger diese Rente dann zurückzahlen, wobei Unverheiratete und Kinderlose höher belastet werden sollten als Paare mit Kindern.
Schon damals wurde Schreiber dafür angefeindet: Von"Zuchtprämien" und der Diskrimierung ungewollt Kinderloser war die Rede. Doch Schreiber blieb ruhig und argumentierte klug: Der Kinderlose gibt der Gesellschaft nur das in Geld zurück, was er selbst als Kind erhalten hat. Er wird also nicht bestraft. Wer Kinder großzieht, sorgt für den Fortbestand des Umlageverfahrens und zahlt deshalb weniger. Dies hätte das System wesentlich stabilisiert.
Bundeskanzler Konrad Adenauer soll diesen Teil von Schreibers Rentenmodell mit einer lapidaren Bemerkung vom Tisch gewischt haben: <font color=darkblue>"Kinder kriegen die Leute doch immer."</font> Schon damals galt offenbar: Politiker haben zu ihren Wirtschaftsberatern dasselbe Verhältnis wie Betrunkene zu Laternen: Sie suchen nicht Erleuchtung, sondern Halt.
(Quelle: http://www.capital.de/bv/126669.html)
<hr>
~ Das Projekt »Sozialversicherung« für Ausbildung und Weiterbildung von Robert Berhorst
<hr>
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Wal Buchenberg
14.06.2003, 09:59
@ dottore
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Re: Ja, etwas klarer, aber noch nicht klar. Muss noch mehr Daten auftreiben! (owT) |
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