Sascha
01.07.2003, 15:17 |
0,5 x 2 x 3 - Die Arbeitsformel von morgen (kurze Auszüge aus einer Studie) mkT Thread gesperrt |
--> Hallo Allerseits!
Heute hatte ich mal wieder eine Studie in der Hand:
Titel: Neue Welt der Arbeit
Untertitel: Herausforderungen und Anforderungen im 21. Jahrhundert.
Erschienen: Juni 2003
Dazu kurz ein paar Auszüge:
0,5 x 2 x 3
Die Arbeitsformel von morgen
[...]
Um 66 n. Crh. gab der römische Politiker Gaisu Petronius zu verstehen: Er habe im Leben gelernt, dass wir oft versuchen, neuen Verhältnissen durch Umorganisieren zu begegnen. Das sei eine fantastische Methode, denn sie Erzeuge die <font color="#FF0000">Illusion des Fortschritts</font>. Der"Wind of Change" bzw. Wandlungswahn hat mittlerweile in der gesamten Arbeitswelt Einzug gehalten."Arbeitswelt im Wandel" und"Change Management" gehören heute zu den beliebtesten Vortragsthemen und Buchtiteln.
[...]
<font color="#FF0000">Für die Zukunft ist absehbar: Für die privilegierten Vollzeitbeschäftigten wird die Arbeit immer intensiver und konzentrierter, zeitlich länger und psychisch belastender, dafür aber auch - aus der Sicht der Unternehmen - immer produktiver und effektiver</font>. Die neue Arbeitsformel für die Zukunft lautet: 0,5 x 2 x 3, d.h. die Hälfte der Mitarbeiter verdient doppelt so viel und muss dafür dreimal soviel leisten wie früher. <font color="#FF0000">Die ständige Produktivitätssteigerung bewirkt, dass immer weniger Mitarbeiter immer mehr leisten müssen. Höhere Produktivität erweist sich dabei kaum als Mittel zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit. Ganz im Gegenteil gilt: Produktivere Jobs = weniger Jobs (vgl. Handy 1998)</font>. In die Zukunft projiziert bedeutet dies: Die Mitarbeiter von morgen werden etwa zwanzig bis dreißig Jahre lang Höchstleistungen in der Erwerbswelt erbringen und danach nicht mehr gebraucht, verbraucht oder nur schwer vermittelbar sein, obwohl noch etwa dreißig Lebensjahre aus sie warten.
Die von Soziologen und Trendforschern propagierte"Schöne neue Arbeitswelt" (vgl. Beck 2000) bzw."New Work" (Horx 1998, S. 166 ff.) findet vorerst nicht statt. <font color="#FF0000">Sie erweist sich als ein Mythos wie die Verheißungen der"New Economy" oder der"Spaßgesellschaft" auch</font>. Wohl haben sich in den letzten Jahrzehnten einige Branchen der Arbeitswelt fast revolutionär gewandelt (z.B. aus"Preussag" wurde"World of Tui"), fast unverändert geblieben aber sind die Organisations- und Motivationsstrukturen in den Betrieben. <font color="#FF0000">Unternehmen stellen zugleich - teilweise bis zur Überforderung - immer höhere Anforderungen an die Mitarbeiter</font>. Dabei <font color="#FF0000">sollte </font>der Wandelt in der Arbeitswelt eigentlich umgekehrt verlaufen: Die Mitarbeiter stellen immer höhere Anforderungen an die Unternehmen bzw. die Qualität der Arbeit.
<font color="#FF0000">Letzteres hat sich als ein zutiefst antiökonomischer Traum erwiesen</font>. Und Unternehmenskulturen haben teilweise <font color="#FF0000">zynische Formen</font> angenommen. <font color="#FF0000">"Atmende" Unternehmen kommen im Gewand der Menschlichkeit daher, versprechen Zugehörigkeit, Zuammenhalt, Loyalität, Treue, Familie und Heimat, fordern aber zugleich mehr Durchsetzungsvermögen als Rücksichtnahme, mehr Heimatlosigkeit als Immobilität und mehr Flexibilität als Betriebstreue</font>. Da ist von"Humankapital","Faktor Mensch" und"Ressource Mitarbeiter" die Rede, so als ginge es um Rohstoff und Ware.
Kurzer Kommentar: Dem kann ich eigentlich nur zustimmen. Ich sehe es in weiten Teilen genauso was Produktivität und Arbeitsplätze angeht aber auch was die Tatsache von immer weiter steigenden Belastungen und Anforderungen der Arbeitswelt angeht.
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fridolin
01.07.2003, 16:16
@ Sascha
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Re: 0,5 x 2 x 3 - Die Arbeitsformel von morgen (kurze Auszüge aus einer Studie) mkT |
-->Ähh... nur mal so gefragt: ist Dir schon mal aufgefallen, daß hierzulande niemand gezwungen wird, einen bestimmten Beruf zu ergreifen oder für eine bestimmte Firma zu arbeiten?
Wenn die Firma X schlecht zahlt, die Mitarbeiter ausbeutet,"unmenschliche" Arbeitsbedingungen bietet oder sonst leere Versprechungen macht, wird sie über kurz oder lang ihre Mitarbeiter verlieren, die besten zuerst. Entweder durch explizite Kündigung oder durch die sprichwörtliche"innere Kündigung", wo jeder nur noch widerwillig sein Pflichtpensum abreißt. Was das für die Firma bedeutet, kannst Du Dir ja denken.
Es steht jedem frei, anderswo sein Glück zu suchen. Andere Firmen, andere Aufgaben, andere Bezahlung, auch andere Berufe. Die Grenzen stehen offen wie noch nie. Vielfach ist nur das eigene Phlegma und die eigene Unfähigkeit zum Umdenken die eigentliche Hemmung, so daß es im alten Trott weiter geht. Statt über Alternativen nachzudenken bejammert man nur ständig die schlechten Verhältnisse.
Wie sähe denn Deine Lösung aus? Vielleicht am besten noch mehr staatliche Regulierung, ein neues Ministerium zur Festlegung"angemessener" Arbeitsbedingungen und zur Festsetzung"fairer" Löhne? Mit angegliedertem Beraterstab aus Beamten und paritätisch besetzt mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften? Einschließlich einer riesigen nachgeordneten Behörde zur Überwachung dieser Bestimmungen? Du liebe Zeit!
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Ventura
01.07.2003, 16:57
@ fridolin
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Re: 0,5 x 2 x 3 - Die Arbeitsformel von morgen (kurze Auszüge aus einer Studie) mkT |
-->Die Wahrheit liegt wohl dazwischen. Wie macht man denn so schnell einen Wechsel mit Kindern, Hof und Hund? Darf man doch mal fragen? Es geht nicht um Regulierung, sondern um die 30ßig Jährigen von der Uni mit ihren Boss Anzügen in der HR Abteilung. Ist doch nicht normal, dass 60 % der Unternehmen niemand mehr über 50zig hat oder? So wie wir vom Staatshaushalt her am Ende sind und mit den Typen die uns verwalten, ist es unsere Gesellschaft! Wenn man mit Kinder irgendwo auftaucht wird mitleidig gelächelt oder gestöhnt, die Alten werden ins Heim abgeschoben. Ich darf mitreden, bin wg. des Jobs 4 mal umgezogen und gehöre nicht zur Niedriglohngruppe. Wie immer kurz auf den Nenner gebracht, Werte fehlen, dumm rum gelawert wird überall.
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fridolin
01.07.2003, 19:19
@ Ventura
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Re: 0,5 x 2 x 3 - Die Arbeitsformel von morgen (kurze Auszüge aus einer Studie) mkT |
-->Da hast Du völlig recht. Ich habe in dem Beitrag auch bewußt ein wenig zugespitzt, da ich dieses ewige Gejammere nach dem Motto"es geht bergab!" nicht mehr hören kann, erst recht nicht von der jüngeren Generation.
Tatsache ist, daß der Ruf nach der"guten alten Zeit", in der alles besser war, jeder gut verdiente und die Geschäfte pünktlich um 18 Uhr zugesperrt wurden, nicht weiterhilft. Da wird sich jeder anpassen und ändern müssen. Auch was die Arbeitswelt betrifft. Die klassische Laufbahn - immer in derselben Branche, nach Möglichkeit in derselben Firma, stetiger Aufstieg, Arbeitszeit bitte nur Mo-Fr von 9-17 Uhr - wird es nicht mehr geben. Stattdessen immer häufiger eine"Patchwork"-Karriere in unterschiedlichen Branchen, in unterschiedlichen Firmen, vielleicht auch mal"was ganz anderes" dazwischen. Meine Hochachtung hat jeder, der den Mut hat, neu anzufangen. Vieles wird nicht mehr so glatt und selbstverständlich laufen wie früher. Aber vieles wird auch gerade deshalb interessanter werden.
Selbstverständlich sind so manche Vorstellungen gewisser"Fachleute" in den Personalabteilungen der Firmen ebenso blödsinnig, etwa der erwähnte Jugendlichkeitskult. Da wird sich auch einiges ändern müssen. Wenn nicht, wird auch diesen Firmen wegen ihrer mangelnden Flexibilität irgendwann die Rechnung präsentiert werden.
Nur heißt es halt: jeder fange bei dieser Abkehr vom Althergebrachten bitte bei sich selber an und schiebe nicht die Verantwortung auf andere ("man muß da mal was machen!"). Das Jammern über schlechte Verhältnisse bringt einen persönlich nicht ein bißchen weiter. Das Nachdenken über mögliche Alternativen schon eher.
Logisch, daß für jemanden, der schlechter qualifiziert ist, der Familie und Grundeigentum hat, der Wechsel nicht so einfach sein mag. Aber auch solche Sachen wie Gründung einer Familie und Immobilienerwerb sind persönliche Entscheidungen, für die man selbst verantwortlich ist und wo man halt die Konsequenzen auf sich nehmen muß. Man kann halt nicht alle Risiken auf die Gesellschaft und den Staat abschieben.
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Sascha
01.07.2003, 21:52
@ fridolin
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Re: 0,5 x 2 x 3 - Die Arbeitsformel von morgen (kurze Auszüge aus einer Studie) mkT |
-->[b] Ich teile deine Meinung keineswegs aber toleriere sie selbstverständlich. Ich sehe es anders.
Natürlich hat man das Recht auch zu Jammern wenn es bergab geht. Gerade zusehen und denken"Alles wird gut" ist sicher auch nicht der richtige Weg.
Das Problem ist, daß ich keine Lösung weiß wie man alle Probleme (das Arbeitsmarktproblem durch Produktivitätsfortschritte und immer höhere Anforderungen, das Überalterungsproblem und die geringe Zahl der Kinder, das Staatsverschuldungsproblem, die Bildungsmisere, usw.) lösen kann.
Ich versuche (!) wohlgemerkt Lösungen zu finden. Ich selbst bin auch ein Mensch der so denke ich selbst über mich doch flexibel ist. Ich habe auch schon an Auswanderung gedacht und wenn ich hier keinen Job finde werde ich auch innerhalb der BRD umziehen. Ist mir lieber als arbeitslos zu sein oder"zu hängen" bzw. anders ausgedrückt: nicht weiter zu kommen.
Dennoch ist mein Gejammere oder nennen wir es besser"Darlegung zukünftiger Probleme" (so nenne ich es) wichtig. Frühzeitig die Probleme oder auch MÃ-GLICHE Probleme zu erkennen hilft sie abzuwenden, sie zu mildern oder ihnen besser begegnen zu können bzw. sie einkalkulieren zu können.
Fridolin, sicher wird keiner gezwungen einen Job zu machen. Jedem ist es frei arbeitslos zu sein. Sicher schreibt einem niemand vor hier zu bleiben. Man kann nach Südafrika, nach Brasilien und auch nach Sibirien gehen wenn man will.
Doch was ich hier immer sagen will ist der Faktor MENSCH. Der bleibt auf der Strecke. Es ist leicht gesagt wenn Leute Existenzangst haben oder Unterhaltspflichten oder eine Familie, daß sie doch den Job nicht nehmen brauchen.
Die Realität ist doch, daß sie häufig keine andere Wahl haben. Mit ner Familie ist nicht einfach mal so in der Welt umzuziehen. Nicht jedem liegt es einfach seine Heimat aufzugeben oder ständig wie viele Amerikaner á la"motor homes" durchs Lande zu ziehen.
Das die Firmen ihre Mitarbeiter verlieren ist seltener der Fall als die Mitarbeiter ihre Firma (Kündigung). Wenn du super qualifiziert bist dann kannst du Druck auf die Firma machen. Der Otto-Normalbürger mit normaler Ausbildung kann das eher nicht. Gehe mal zu deinem Chef und stelle heute Forderungen. Der sagt dir wenn du nicht herausragend bist wo die Tür ist und das davor zehn andere anklopfen die auch gerne Arbeit hätten. Vielleicht verlangen sie sogar noch weniger Lohn und arbeiten genauso gut.
Es geht hier nicht um Jammern. Es geht darum wie wir abwenden können, daß wir amerikanische Verhältnisse bekommen. Denn das wäre vielleicht für Unternehmen und einige wenige ein Fortschritt aber für den Großteil der MENSCHEN (auf die kommt es doch letztendlich an) ein Rückschritt.
Und den zu vermeiden. Das muß unser Ziel sein.
Ich mag vielleicht manchmal als ein Dauerpessimist eingeschätzt werden aber ich muß dem Mainstream damit einfach manchmal Contra geben. Beispielsweise höre ich schon seit drei Jahren - jedes Jahr wieder - das es im 2. Halbjahr bergauf gehen soll. Eingetreten ist bis heute davon gar nichts. Ganz im Gegenteil. Es ist tatsächlich bergab statt bergauf gegangen. Und m.E. sieht es nach keine Besserung aus.
Nebenbei bringt es uns nicht weiter wenn wir gute Leute denen es stinkt und die jammern auswandern und von dannen ziehen lassen. Denn dann bleibeb tendenziell gesehen die geringer qualifizierten und die Rentner zurück. Und dann?
Ein paar Inseln der Glückseligkeit und auf der anderen Seite Industriestaaten die alle bankrott und überaltert sind?
Viele Grüße
Sascha
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yatri
01.07.2003, 22:35
@ Sascha
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Möchtest du die vertragliche 60-Stunden-Woche bei Thyssen 1899 wieder haben?? (owT) |
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