Tempranillo
03.07.2003, 18:26 |
Pressestimmen zum Fall Berlusconi Thread gesperrt |
-->Hallo,
nicht nur bei uns schlägt der Fall Berlusconi Wellen. Im internationalen Blätterwald rauscht es gewaltig. Eine Sammlung von Pressestimmen habe ich mal hereinkopiert.
Überrascht hat mich bei der Diskussion - dieser Seitenhieb muß jetzt einfach sein, Baldur und Königin -, wie viele feurige Plädoyers für einen Mann gehalten werden, der wegen seines Grabmals in Pyramidenform in Italien den Spitznamen"Der Pharao" erhalten hat, und der auch sonst nichts ausläßt, was direkt aus der Bilderberger-Küche zu kommen scheint (EU-Osterweiterung, Beitritt von Türkei und Israel etc.).
Hier eine Zusammenstellung der Pressestimmen aus dem"Standard":
Ist der Mann noch bei Trost?
Attacken auf Berlusconis Psyche -"Algemeen Dagblad": Rats-Präsident verwechselt sein Amt mit persönlichen Interessen
Genf/Den Haag/Basel/London/Rom/Mailand - Das internationale Medienecho auf den ersten Auftritt des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi als EU-Ratsvorsitzender vor dem Europäischen Parlament war am Donnerstag dem Skandal entsprechend, den Berlusconi mit seinen Ausfällen gegen den deutschen EU-Parlamentarierer Martin Schulz ausgelöst hatte.
"Ist der Mann eigentlich noch bei Trost?" fragt etwa der in Zürich erscheinende"Tages-Anzeiger"."Ausgerechnet dieser Mann steht nun für ein halbes Jahr an der Spitze der EU. Im Grunde sollte Europa ein halbes Jahr Ferien nehmen, abtauchen, die Fahnen einziehen, bis das Mandat dieser Figur abgelaufen ist. Das geht natürlich nicht. Das Mindeste aber wäre, dass die anderen Staats- und Regierungschefs ihrem Kollegen unmissverständlich sagen: So nicht, Silvio! Als vor drei Jahren der kleine Jörg Haider seine rechtsnationale FPÃ- in die Regierung des kleinen Ã-sterreich hievte, bliesen sich ein paar Spitzenpolitiker - allen voran Frankreichs Präsident Jacques Chirac - ganz groß auf und sorgten außerdem dafür, dass im neuen EU-Vertrag so etwas wie"Interventions"-Paragrafen verankert wurden. Der"Fall Italien" ist viel ernsthafterer Natur, weil an der Spitze dieses Landes nicht nur ein Provokateur steht, sondern ein Mann, der einen großen Teil der nationalen Medien kontrolliert, was demokratiepolitisch äußerst fragwürdig ist."
Basler Zeitung
Die"Basler Zeitung" geht noch einen Schritt weiter:"Berlusconis Ausfälle vor dem Europäischen Parlament waren in der Sache zwar außerordentlich geschmacklos, ihre eigentliche Bedeutung liegt aber in der erschreckenden Erkenntnis, dass der nun höchste Repräsentant der EU schnell die Kontrolle über sich verliert und partiell von Sinnen ist. Wer so in einer wenn auch scharf geführten parlamentarischen Debatte ausklinkt, der ist ein Risiko für die gesamte Union."
"Algemeen Dagblad"
Das niederländische unabhängige"Algemeen Dagblad" schreibt:"Schon am zweiten Tag des italienischen Vorsitzes in der Europäischen Union ist es Ministerpräsident Berlusconi gelungen, sich unmöglich zu machen. Die Darlegung der Pläne seiner Regierung für das kommende Halbjahr mündete in eine ordinäre, eines Ministerpräsidenten unwürdige Vorstellung. (...) Auch jetzt hat er wieder gezeigt, dass er sein Amt auf unverschämte Weise mit persönlichen Interessen verwechselt, als ob er nicht nur Italien vertritt, sondern selbst Italien ist. Europa muss nicht mithelfen, dass dieses Missverständnis weiter besteht."
"Financial Times"
Die Londoner"Financial Times" kommentiert:"Die mangelnde Sensibilität von Berlusconi dürfte ihren Schatten auf seine sechsmonatige EU-Präsidentschaft werfen. Allerdings kann Berlusconi auch diesmal damit rechnen, dass die italienische Presse sanft mit ihm umgeht. Als Besitzer der größten italienischen Mediengruppe kann Berlusconi darauf vertrauen, dass an wichtigen Stellen ihm wohl gesonnene Journalisten sitzen. Es hätte auch für Berlusconi offensichtlich sein müssen, dass der Vergleich eines deutschen Politikers mit einem KZ-Aufseher alle Grenzen des Anstands überschreitet."
"La Repubblica"
Die nicht im Einflussbereich Berlusconis befindlichen italienischen Zeitungen schließen sich dem internationalen Tenor an - allerdings ohne ähnliche Beurteilungen seiner Psyche. So schreibt die römische Tageszeitung"La Repubblica":"Exakt drei Stunden und 25 Minuten, die Zeit zwischen dem Beginn der Sitzung des Parlaments in Straßburg und der Bemerkung Berlusconis, haben ausgereicht, um die Rolle zu zerstören, aufzulösen, zu einer Seifenblase zu reduzieren, die der italienische Ministerpräsident formell begonnen hat, in der Europäischen Union auszuüben. Es ist selten, dass ein politischer Führer eine derart wertvolle Gelegenheit so rasch vergeudet. Ein Rekord."
"Corriere della Sera"
Die Mailänder Tageszeitung"Corriere della Sera" meint zu den verbalen Entgleisungen Berlusconis:"Was befürchtet wurde, ist prompt eingetroffen. Beim Debüt seiner EU-Präsidentschaft ist es Silvio Berlusconi nicht gelungen, starke Nerven zu behalten und seine Zunge im Zaum zu halten, nach den vorhersehbarsten Attacken - die manchmal vielleicht über das Ziel hinaus schossen - einiger Mitglieder des Parlaments in Straßburg. Für Italien und seinen Ministerpräsidenten, der bis dahin eine recht ausgewogene Erklärung abgegeben hatte, hätte das europäische Semester nicht schlimmer beginnen können."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Die"Frankfurter Allgemeine Zeitung" lässt auch die Berlusconi-Gegner nicht ungeschoren: Gerade weil das neue Immunitätsgesetz zwangsläufig als"Lex Berlusconi" interpretiert wird, lag ein solcher Vor- und Ausfall in der Luft. Die Sache ist dennoch unrühmlich. Und sie ist bedauerlich, weil die allgemeine Aufregung die sachlichen Anliegen der italienischen EU-Präsidentschaft in den Hintergrund zu drücken droht.(...) Werden die kommenden Monate nur noch von dummen Rundumschlägen und eifernden Hetzjagden bestimmt, wird es schwer werden, die europäischen Arbeiten voranzubringen. (...) So sollten sich auch diejenigen, denen der italienische Regierungschef ein Dorn im Auge ist, deshalb fragen, wie weit sie mit ihren Attacken gehen wollen und welchen europapolitischen Kollateralschaden sie in Kauf zu nehmen bereit sind. Wenn die EU-Präsidentschaft Italiens, in dem der Faschismus gewiß nicht wiederaufersteht, aber die Gewaltenteilung doch unter Spannung steht, in einem Klima der Berlusconi-Phobie und des Politklamauks versinkt, gibt es mehr als nur ein paar Verlierer."
"Hamburger Abendblatt"
Das"Hamburger Abendblatt" meint:"Als neuer Ratsvorsitzender hat Silvio Berlusconi mit seiner Bemerkung, der deutsche EU-Politiker Martin Schulz eigne sich für die Rolle eines KZ-Schergen, gleich beim Debüt alle Befürchtungen übertroffen. Der reichste und mächtigste Mann Italiens, der sich daheim schon mal Gesetze zum Schutz eigener Strafverfolgung maßschneidern lässt, darf wohl als denkbar trübstes Aushängeschild für die Europäische Union gelten."
"Hamburger Morgenpost"
Die"Hamburger Morgenpost" bleibt unaufgeregt:"Das fängt ja gut an, wurde gemurmelt. Wohl wahr, aber man wird den durchtriebenen Selbstbediener ein halbes Jahr als Mr. Europa ertragen müssen: Die Italiener haben ihn mit deutlicher Mehrheit gewählt, befriedigten auf etwas skurrile Weise vielleicht gar eigene anarchistische Gelüste, und nun ist er turnusgemäß dran. Und, na ja: Im Maßschneidern von Gesetzen nach eigenem Gusto steht er nicht völlig alleine. Mit den Präsidenten Bush und Putin scheint er sich auch sehr gut zu vertragen."
"Nürnberger Nachrichten"
Für die"Nürnberger Nachrichten" dagegen ist alles klar:"Dieser Mann ist kein politischer Führer, er ist eine politische Zeitbombe. Rom muss sich schämen, von einer solchen Figur im Ausland repräsentiert zu werden. Europa wird sechs Monate Zeit verlieren und kann nur hoffen, dass keine schlimmeren Eklats folgen."
"tz"
Die Münchner Tageszeitung"tz" meint, dass Berlusconi"wohl jeden Deutschen einen Nazi schimpfen zu dürfen glaubt. Europa ist empört, aber ficht ihn das an? Ach wo. Wer das Gesetz zu seinem Selbstbedienungsladen macht, dem ist wohl gar nichts mehr peinlich." (APA/dpa/AFP)
<ul> ~ Das Echo auf Silvio B.</ul>
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Galiani
03.07.2003, 21:58
@ Tempranillo
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Re: Pressestimmen/Berlusconi - Eine gleichgeschaltete, manipulative Presse eben |
-->Hallo
Nochmals zur Erinnerung:
Rampton/Stauber,"Trust us, we're EXPERTS", Penguin Putnam, New York, 2002:
<ul>"Wenn ganz offensichtlich alle bezüglich eines Gegenstandes gleicher Meinung sind, so kann man sicher sein, daß diese Meinung das Ergebnis von Meinungsmanipulation ist!"</ul>
Oder, wie Peter Drucker an einer Stelle sagt:
«Die"einhellige Meinung" ist wahrscheinlich eine falsche Meinung. Wenn über einen Gegenstand keine Meinungsdifferenzen bestehen, so bedeutet das nur, daß die Beteiligten sich noch nicht die Zeit genommen haben, eigene Meinungen zu entwickeln.»
Gruß
G.
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Tempranillo
03.07.2003, 22:28
@ Galiani
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Re: Wie man auf eine Provokation nicht reagieren sollte |
-->Hallo,
dieser Satz gefällt mir besonders, weil er für viele gelten mag, aber bestimmt nicht für das EW-Board:
>«Die"einhellige Meinung" ist wahrscheinlich eine falsche Meinung. Wenn über einen Gegenstand keine Meinungsdifferenzen bestehen, so bedeutet das nur, daß die Beteiligten sich noch nicht die Zeit genommen haben, eigene Meinungen zu entwickeln.»
Mit Dir, Baldur, Koeningin und vielleicht noch dem einen oder anderen bin ich auch der Ansicht, daß Schulz es auf eine Provokation abgesehen hatte.
Nur sollte ein Politiker, erst recht ein Ministerpräsident wissen, daß er einem Provokateur den größten Gefallen tut, wenn darauf einsteigt.
So weit müßte er sich im Griff haben. Den Vorwurf, auf eine Provokation völlig überzogen reagiert zu haben, muß sich Berlusconi wohl oder übel gefallen lassen.
Tempranillo
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Tassie Devil
04.07.2003, 16:36
@ Tempranillo
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Re: Wie man auf eine Provokation nicht reagieren sollte |
-->>Nur sollte ein Politiker, erst recht ein Ministerpräsident wissen, daß er einem Provokateur den größten Gefallen tut, wenn darauf einsteigt.
Hi Tempranillo,
geh mal davon aus, dass das einer grossen Nummer wie Berlusconi vollkommen klar ist, d.h. Berlusconis Antwort als solche ist seinerseits voellig emotionsfrei und klar kalkuliert vorgetragen worden, er hatte auch genug Zeit, seine Replik zu bedenken, es steckt Tiktak dahinter.
Viel Feind viel Ehr, wenig oder kein Feind...
>So weit müßte er sich im Griff haben. Den Vorwurf, auf eine Provokation völlig überzogen reagiert zu haben, muß sich Berlusconi wohl oder übel gefallen lassen.
Ja und, hat er sich nicht schon entschuldigt?
Alles Berechnung, und sage mir keiner, Berlusconi sei ein heisssporniger Suedeuropaer wie viele seiner Landsleute meinetwegen, dem ist nicht so, und wenn es manchmal so aussieht, dann spielt er Theater.
Nein, Berlusconi praepariert die BRDDR genau auf das, was er diesem Schulz unter die Nase gerieben hat, allerdings fehlt diesmal nur die Nationalkomponente dabei, alles andere aber ist mit enthalten bzw. wird mit enthalten sein.
Je schwaecher in wirtschaftlicher Hinsicht die BRDDR durch z.B. Muki, desto staerker Bella Italia, ohne ggf. durch eigene Ignaztive effektiv staerker geworden zu sein, i.e. was meinen Gegner schwaecht, das staerkt mich.
Nicht nur Berlusconi weiss, wo"la blue belle de l'Europe" (Muellkippe) liegt.
Ich meine, Berlusconi faehrt die Strategie, Italien auch wirtschaftlich weiter zu staerken, das Land und die Leute hinter sich wissend, gleichzeitig vor allem die BRDDR zu schwaechen. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft, wenn Italien zum Machtfaktor in passender Groesse herangewachsen ist, dann wird er seine Muskeln spielen lassen, und damit drohen, dass bella Italia aus dem EUROTZ und ggf. sogar aus der EU aussteigt, wenn gewisse Dinge nicht nach Italiens Geschmack laufen.
Das war zwar jetzt Spekulle meinerseits, aber ich sehe bereits die Zeit, in der bella Italia laut jubelt, vielleicht werden sogar Mussolini-Rufe wieder laut.
Berlusconi wird noch diesem ganzen europaeischen, vor allem aber germanischen"Euro-"Sozialisten/Kommunisten-Schrott die Baelle kneten und pressen, dass denen Hoeren und Sehen vergeht.
Jeder muss selbst zusehen, wie er durch Paradigmenwechsel hindurchkommt, und wie er da raus kommt, i.e. wie er nach Stabilisierung der Lage dasteht, das hat auch Berlusconi m.E. sicherlich im Fadenkreuz.
>Tempranillo
Gruss
TD
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Herbi, dem Bremser
04.07.2003, 17:02
@ Tassie Devil
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Re: Wie man auf eine Provokation nicht reagieren sollte ** Oh starkes Italia |
-->>Je schwaecher in wirtschaftlicher Hinsicht die BRDDR durch z.B. Muki, desto staerker Bella Italia, ohne ggf. durch eigene Ignaztive effektiv staerker geworden zu sein, i.e. was meinen Gegner schwaecht, das staerkt mich.
Moin Tassie,
man sollte sich öfter Listen der"Nettozahler" der EU vor Augen halten, um festzustellen, dass z. B. Italien mit seinen Beiträgen keine Bratsche im gemeinsamen Konzert streicht, sondern offensichtlich nur die kleine Piccolo flötet.
Der angehängte Link ist nicht unabsichtlich älteren Datums.
Gruß
Herbi
<ul> ~ Der Nettozahler Deutschland sollte still sein </ul>
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Tassie Devil
04.07.2003, 17:48
@ Herbi, dem Bremser
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Re: Forza Italia oder so ;-) |
-->>>Je schwaecher in wirtschaftlicher Hinsicht die BRDDR durch z.B. Muki, desto staerker Bella Italia, ohne ggf. durch eigene Ignaztive effektiv staerker geworden zu sein, i.e. was meinen Gegner schwaecht, das staerkt mich.
>Moin Tassie,
>man sollte sich öfter Listen der"Nettozahler" der EU vor Augen halten, um festzustellen, dass z. B. Italien mit seinen Beiträgen keine Bratsche im gemeinsamen Konzert streicht, sondern offensichtlich nur die kleine Piccolo flötet.
>Der angehängte Link ist nicht unabsichtlich älteren Datums.
>Gruß
>Herbi
Nabend Herbi,
warum hast Du absichtlich einen Link mit Zahlen aelteren Datums und vor Einfuehrung des EUROTZ angegeben?
Befuerchtest Du nationale Forumsaufstaende, wenn Du aktuelles Material lieferst?
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Nein, ich kann Dir nicht beipflichten, Italia spielt nicht die Piccolo, die spielen anhand Deiner Schaubilder immer schoen ausgeglichen im ECU-Mittelfeld.
Auch ist es ein sehr scharfes zweischneidiges Schwert, sowohl die aktuelle kurfristige wie auch die mittelfristige wirtschaftliche Staerke eines Landes nur anhand von Geldzahlen ermitteln und beurteilen zu wollen.
Das Schwert wird aber dann zur Rasierklinge, wenn nur Geldzahlen der Marke"Zahlungen an/von Bruessel" zur Beurteilung herangezogen werden.
Das solltest Du eigentlich vom deutschen Laenderfinanzausgleich her kennen, dass nicht das wirtschaftsstaerkste Land das meisste Geld bezahlt, sondern das am solidesten wirtschaftende Land, zwischen beiden liegen Welten.
Gruss
TD
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