Theo Stuss
06.09.2003, 10:30 |
@Prof. Malik: Glauben Sie immer noch an 'bullish sentiment'? Thread gesperrt |
-->Guten Morgen Herr Prof. Malik,
nachdem ich mich schon seit einiger Zeit als simpler Diplom Ingenieur für Ihre Management-Briefe interessiere, fiel doch ihre Hochstimmung im Frühjahr aus dem Rahmen dessen, was man seit einiger Zeit von Ihnen zu lesen gewohnt war.
Ich hatte es dann eine Weile vorgezogen die Briefe von Dr.Richebächer zu konsultieren. Nicht, dass ich ein eingefleischter Pessimist bin, aber nach der Einarbeitung in Dottores und Richebächers Kommentare war ich zu dem Schluss gekommen, dass die Liquidität, die zur Zeit die Börsen speist, aus Kapitalumschichtungen von Seiten der Immobilienblase herrühren muss.
Da es an der Börse nicht eine Mehrheit von Gewinnern geben kann, wenn nur begrenzte Liquidität zur Verfügung steht, musste in den 90'ern die Liquidität eigens für die Börse geschaffen werden, damit ein Zustand entstehen konnte, bei dem sogar Kamele (kein Witz!) so hohe Trefferquoten erzielten, die denen von Analysten ebenbürtig waren.
In den USA entsteht die Liquidität zur Zeit in der Immo-Blase und durch Staatsverschuldung. Die Immo-Blase muss spätestens platzen, wenn Greenspan mit dem Leitzins bei Null angekommen sein wird. Dottore hat sehr gut beschrieben, wie Auskassiervorgänge und Gewinnmitnahmen im Immobilienbereich einen einmaligen Vorgang darstellen, der nur aus der Bewegung des Leitzinses nach unten gespeist wird. Dann wird die Sache abrupt enden. Ebenso die Kapitalumschichtungen vom Immobilienbereich in die Aktien.
Wie Sie bei der von Ihnen schon viel früher nüchtern vorhergesagten Zwischenrallye auf einmal im Frühjahr euphorisch geworden sind und von bullish sentiment gesprochen haben, ist mir schlichtweg ein Rätsel. Handelt es sich nicht viel mehr um ein bullshit sentiment? Bitte entschuldigen Sie den Ausdruck.
Der Chef der Banque de France behauptet zur Zeit, dass eine Konjunktur nichts mit hohen, oder niedrigen Zinsen zu tun hätte, weil es uns früher bei hohen Zinsen doch auch gut gegangen sei. Gleichzeitig kündigt Welteke weitere Zinssenkungen an, wenn sie notwendig sein sollten.
Was für eine Verwirrung. Natürlich ist es nicht so entscheidend, ob die Leitzinsen hoch oder niedrig sind, sondern auf die Liquidität der Banken kommt es an. Die kann man über lange Zeiträume sehr gut aus der Differenz zwischen Sparzinsen und Kreditzinsen ablesen. Je höher die Liquidität der Bank, desto niedriger die Differenz.
Aber eben diese Spanne ist trotz der niedrigen Diskontsätze heute sehr hoch. Mit anderen Worten, die Zentralbanken halten wollen die Banken freihalten, bis die Leitzinsen bei Null angekommen sind. Ab da werden die Banken versuchen sich die Liquidität durch noch höhere Zinsen bei ihren Kreditkunden zu beschaffen, was nicht gelingen kann. Damit wären wir dann in der Deflation.
Aus der Geschwindigkeit mit der Greenspan in der Vergangenheit die Zinsen gesenkt hat, mutmasse ich, dass er höchstens noch ein Jahr bis zum Nullniveau hat.
Mit freundlichen Grüssen,
Theo Stuss
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Prof. Malik
06.09.2003, 11:17
@ Theo Stuss
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Re: @Prof. Malik: Glauben Sie immer noch an 'bullish sentiment'? |
-->
Lieber Herr Stuss,
hier haben wir uns gründlich missverstanden. Ich war zu keiner Sekunde bullish und glaubte, das klar und deutlich in meiner Aktuell-Kolumne dargelegt zu haben. Das"Bullish Sentiment", über das ich informiert habe, ist das sicherste Zeichen dafür, dass der Bearmarket noch lange nicht zu Ende ist, gleichgültig wie lange die Erholung dauert und welche Patterns sie zeigt. Darauf wollte ich meine Leser aufmerksam machen. Es ist m. E. der klassische Fall einer Bull-Trap; vielleicht die grösste die es seit März-April 1930 gab.
Das tut mir nun wirklich leid, dass ich anscheinend doch nicht klar genug formuliert habe.
Es geht im übrigen nicht um Optimismus und Pessimismus. Auch darüber steht einiges in meinen Briefen und Kolumnen. Es geht um Realismus. Und nachdem Sie die Auffassungen von Dr. Martin und Dr. Richebächer kennen, kann ich mich kurz fassen: Die Lage ist ganz klar und einfach - wenn man die richtigen Wirtschaftstheorien kennt. Dann weiss man auch, wie man zu handeln hat. Die Chancen sind gross, wenn man sich rechtzeitig vorbereitet hat.
Nochmals: Tut mir leid, wenn meine Aussagen nicht klar genug formuliert waren.
Mit herzlichen Grüssen
F. Malik
>Guten Morgen Herr Prof. Malik,
>
>nachdem ich mich schon seit einiger Zeit als simpler Diplom Ingenieur für Ihre Management-Briefe interessiere, fiel doch ihre Hochstimmung im Frühjahr aus dem Rahmen dessen, was man seit einiger Zeit von Ihnen zu lesen gewohnt war.
>Ich hatte es dann eine Weile vorgezogen die Briefe von Dr.Richebächer zu konsultieren. Nicht, dass ich ein eingefleischter Pessimist bin, aber nach der Einarbeitung in Dottores und Richebächers Kommentare war ich zu dem Schluss gekommen, dass die Liquidität, die zur Zeit die Börsen speist, aus Kapitalumschichtungen von Seiten der Immobilienblase herrühren muss.
>Da es an der Börse nicht eine Mehrheit von Gewinnern geben kann, wenn nur begrenzte Liquidität zur Verfügung steht, musste in den 90'ern die Liquidität eigens für die Börse geschaffen werden, damit ein Zustand entstehen konnte, bei dem sogar Kamele (kein Witz!) so hohe Trefferquoten erzielten, die denen von Analysten ebenbürtig waren.
>In den USA entsteht die Liquidität zur Zeit in der Immo-Blase und durch Staatsverschuldung. Die Immo-Blase muss spätestens platzen, wenn Greenspan mit dem Leitzins bei Null angekommen sein wird. Dottore hat sehr gut beschrieben, wie Auskassiervorgänge und Gewinnmitnahmen im Immobilienbereich einen einmaligen Vorgang darstellen, der nur aus der Bewegung des Leitzinses nach unten gespeist wird. Dann wird die Sache abrupt enden. Ebenso die Kapitalumschichtungen vom Immobilienbereich in die Aktien.
>Wie Sie bei der von Ihnen schon viel früher nüchtern vorhergesagten Zwischenrallye auf einmal im Frühjahr euphorisch geworden sind und von bullish sentiment gesprochen haben, ist mir schlichtweg ein Rätsel. Handelt es sich nicht viel mehr um ein bullshit sentiment? Bitte entschuldigen Sie den Ausdruck.
>Der Chef der Banque de France behauptet zur Zeit, dass eine Konjunktur nichts mit hohen, oder niedrigen Zinsen zu tun hätte, weil es uns früher bei hohen Zinsen doch auch gut gegangen sei. Gleichzeitig kündigt Welteke weitere Zinssenkungen an, wenn sie notwendig sein sollten.
>Was für eine Verwirrung. Natürlich ist es nicht so entscheidend, ob die Leitzinsen hoch oder niedrig sind, sondern auf die Liquidität der Banken kommt es an. Die kann man über lange Zeiträume sehr gut aus der Differenz zwischen Sparzinsen und Kreditzinsen ablesen. Je höher die Liquidität der Bank, desto niedriger die Differenz.
>Aber eben diese Spanne ist trotz der niedrigen Diskontsätze heute sehr hoch. Mit anderen Worten, die Zentralbanken halten wollen die Banken freihalten, bis die Leitzinsen bei Null angekommen sind. Ab da werden die Banken versuchen sich die Liquidität durch noch höhere Zinsen bei ihren Kreditkunden zu beschaffen, was nicht gelingen kann. Damit wären wir dann in der Deflation.
>Aus der Geschwindigkeit mit der Greenspan in der Vergangenheit die Zinsen gesenkt hat, mutmasse ich, dass er höchstens noch ein Jahr bis zum Nullniveau hat.
>Mit freundlichen Grüssen,
>Theo Stuss > >
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Bob
06.09.2003, 12:19
@ Prof. Malik
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Re: Ich würde her sagen: Mai-Dezember '33 |
-->Hat vielleicht jemand einen Chart da?
mfg
bob
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Prof. Malik
06.09.2003, 12:38
@ Bob
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Nein: Nov. 29 bis April 30 |
-->>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
>mfg
>bob
Nein, ich meine nicht Mai bis Dez. 33.
Zu dieser Zeit war der Bearmarket zu Ende. Was ich meine, ist die Erholung nach dem Absturz 1929, die bis ins Frühjahr 30 hineinging. Die Leute waren der Ueberzeugung, das Schlimmste sei überstanden, und es gehe nun nach der"gesunden" Korrektur erst richtig los. Blindheit, Selbstgefälligkeit, Naivität, Geldgier etc. des Publikums und der Wallstreet waren ähnlich wie heute und wie vor dem Crash 29 und Ende der 90er Jahre. Man hatte die Ereignisse vom Herbst 29 keineswegs als Lektion verstanden.
F. Malik
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Luigi
06.09.2003, 12:48
@ Prof. Malik
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Re: Chart"Dow 50% Pull Back" |
-->>>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
>>mfg
>>bob
>Nein, ich meine nicht Mai bis Dez. 33.
>Zu dieser Zeit war der Bearmarket zu Ende. Was ich meine, ist die Erholung nach dem Absturz 1929, die bis ins Frühjahr 30 hineinging. Die Leute waren der Ueberzeugung, das Schlimmste sei überstanden, und es gehe nun nach der"gesunden" Korrektur erst richtig los. Blindheit, Selbstgefälligkeit, Naivität, Geldgier etc. des Publikums und der Wallstreet waren ähnlich wie heute und wie vor dem Crash 29 und Ende der 90er Jahre. Man hatte die Ereignisse vom Herbst 29 keineswegs als Lektion verstanden.
>F. Malik
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Theo Stuss
06.09.2003, 12:52
@ Prof. Malik
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Re: Optimismus-Pessimismus-Realismus |
-->Sehr geehrter Herr Prof.Malik,
haben Sie Dank für Ihre kurze Antwort. Ich habe mich übrigens erst seit 2 Jahren in die Thematik eingearbeitet; nicht zuletzt auch durch Ihre Aufsätze, von denen ich einige ausgedruckt ständig in meinem Aktenkoffer mit mir herumtrage.
Ja, an Ihren Aufruf zum Realismus erinnere ich mich sehr gut. Zum Glück gehöre ich nicht zu den gebrannten der Börsen-Hausse. Zum Einen fehlte mir damals die Erfahrung, zum Zweiten hatte ich erst Geld, als es bergab ging.
Jetzt aber mal einige Fragen zur wahren Unternehmerpersönlichkeit, wie Sie sie in Ihrem letzten Brief beschreiben:
Sicherlich sehen wir Zeiten entgegen, die wahre unternehmerische Fähigkeiten fordern, von denen, die ein Geschäft haben. Gleichzeitig sind Neugründungen fast reiner Selbstmord, weil es kaum solide Sparten gibt, die wirklich expandieren. Als Anfänger neu zu beginnen ist also sehr schwer.
Wenn wir einmal von Dot.com-Gründungen absehen, haben, weiter abgesehen von Ich-AG's, die Gründungen aufgrund der Auslagerung von Kompetenzen fröhliche Urständ gefeiert. Outsourcing nennt man das Land auf, Land ab und Beschränkung auf Kernkompetenz war das Schlagwort.
Ich kenne eine Reihe solcher Gründungen, habe dort gearbeitet und mich manchmal auch beworben. Es handelt sich um eine höhere Form der Ich-AG's:
Auslagerung des Prüfwesens für KFZ-Elektrik bei VW an eine Firma mit 15-20 Angestellten, deren junge Hüpfer bei untertariflicher Bezahlung mal so eben 1 Jahr getrennt von der Familie in Mexiko verbringen usw., ist ein typisches Beispiel. Die Entwicklungsarbeit nehmen solche Firmen VW auch ab.
Natürlich ist der Gründer darauf aus, seine Kundenbasis zu erweitern, aber dafür fehlt oft die personelle Basis. Ist irgendein Projekt vorüber, dann ist es auch schnell mit der Firma vorbei, weil vom Hauptauftragsgeber nichts mehr kommt.
Im Bereich Maschinenbau und Automationstechnik würde ich zur Zeit von Unternehmensgründungen dringend abraten. Was noch Sinn macht, sind Gründungen von kleinen Pharmafirmen, sofern diese über eigene Patente verfügen, die dringend am Markt benötigt werden. Wie auch immer, allenfalls Nischengründungen mit fundiertem technischem Hintergrundwissen, kombiniert mit Markterfahrung. Wieder nichts für Neulinge!
Es ist leider so, dass die letzten 10 Jahre Menschen ans Ruder gebracht haben, die erst durch den Kontratieff-Winter ausselektiert werden müssen, sofern sie nicht dazulernen, bevor eine neue Generation ans Ruder kommen kann. Uns nehmen aber die Blender von gestern und heute, die nach wie vor die Führungspositionen besetzen, die Chance.
Früher war die Industrie und die Welt Ã-konomie überhaupt keine Welt der Linken und Utopisten. Heute ist das anders. Indirekte Fragen nach der politischen Einstellung und zur Homosexualität etc. entscheiden bei amerikanischen Grossbanken, ob man einen Arbeitsplatz bekommt, oder nicht und ob man ihn behält. Dabei reicht es nicht, dass man sagt, man sei an solchen Fragen nicht interessiert. Es wird die positive Unterstützung dessen erwartet, was man früher als permissive Moral bezeichnet hat.
Vor 15 Monaten habe ich auf der Hannovermesse einen eidgenössischen Einkäufer für Automationstechnik erlebt, der nicht nur lange Haare, Ohrringe, sondern 5 Ringe in Ober- und Unterlippe hatte. Eine Gestalt wie aus dem Urwald.
Die heutige wirtschaftliche Praxis ist nichts anderes als eine Übertragung der Philosophie des Idealismus Hegels auf die Ebene ökonomischen Handelns und wird damit ideologisch geprägt. Den verbliebenen Konservativen fehlt es oft am nötigen Mark in den Knochen und am theoretischen Rüstzeug, weil sie die Konsequenz nicht ziehen wollen um den Monetarismus und Keynes zu entzaubern. Dabei braucht man doch nur Greenspans Aufsatz von 1967 zu lesen, um zu erkennen, dass der Sozialismus dem Monetarismus inhärent ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, je linker und idealistischer Menschen eingestellt sind, desto stärker die Verweigerung der Realität, die man als Niederung der Banalitäten betrachtet."Gelber Dreck" ist eine solche Banalität, die Keynes als barbarisches Relikt bezeichnet hatte.
Mit freundlichem Gruss,
Theo Stuss
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Cosa
06.09.2003, 12:53
@ Bob
|
Chart |
-->>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
***********
ja
[img][/img]
Gruss
Cosa
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El Sheik
06.09.2003, 13:00
@ Prof. Malik
|
Fed |
-->>>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
>>mfg
>>bob
>Nein, ich meine nicht Mai bis Dez. 33.
>Zu dieser Zeit war der Bearmarket zu Ende. Was ich meine, ist die Erholung nach dem Absturz 1929, die bis ins Frühjahr 30 hineinging. Die Leute waren der Ueberzeugung, das Schlimmste sei überstanden, und es gehe nun nach der"gesunden" Korrektur erst richtig los. Blindheit, Selbstgefälligkeit, Naivität, Geldgier etc. des Publikums und der Wallstreet waren ähnlich wie heute und wie vor dem Crash 29 und Ende der 90er Jahre. Man hatte die Ereignisse vom Herbst 29 keineswegs als Lektion verstanden.
>F. Malik
Hallo Herr Malik.
Der Vergleich ist richtig. Heute muß es aber nicht so kommen. Fed-Gouverneur Ben Bernanke hat in seiner Rede (ca. 15.10.2002) dargelegt, daß die Minimallektion aus der Zeit 1929-33 sei, einen Kollaps der Asset-Preise bei Aktien zu verhindern. Er hat auch deutlich gemacht, daß die Institution, für die er arbeitet, selbst am Zero Bound noch über genügend geldpolitische Mittel verfügt, eine Verstetigung der Abwärtstrends bei Aktien zu stoppen.
In Richtung solcher Politikmaßnahmen weist auch der Konsens der Forschungselite unter den US-Ã-konomen der volkswirtschaftlichen Schwerpunkte"monetary policy under uncertainty" und"zero bound" (vgl. etwa Auerbach, Obstfeldt: The case for open market purchases in a liquidity trap. Berkeley, April 2003).
Natürlich wird man so vom Regen in die Traufe kommen. Vielleicht läßt man sogar bei der nächsten Asienkrise 2005 kurzzeitig einen Dow von 5000 zu, bisher sprechen die o.g. Evidenzen allerdings dagegen.
Besten Gruß
El Sheik
|
Bob
06.09.2003, 13:05
@ Cosa
|
Re: Chart |
-->>>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
>***********
>ja
> optionaler Bildhinweis</img>
bob
|
Cosa
06.09.2003, 13:23
@ Bob
|
Re: Chart |
-->>>>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
>>***********
>>ja
>> optionaler Bildhinweis</img>
>bob
**************
keine Ahnung warum Dir beim Bärenmarkt der 30iger Jahre ein Nasdaq-Chart von heute mehr einleuchtet. Deine Frage nach einem Chart war wohl missverständlich
Cosa
|
JLL
06.09.2003, 13:26
@ Prof. Malik
|
Re: Willkommen an Board |
-->Hallo Herr Professor Malik,
natürlich wollte ich mit meinen flapsigen Bemerkungen zu Ihrer Kolumne nicht despektierlich erscheinen.
Zudem kann ich ihre langfristige Sicht der Dinge praktisch hundertprozentig unterschreiben und schätze Ihre grundsätzlichen Überlegungen außerordentlich. Mit der richtigen Theorie im Hinterkopf ist ziemlich klar, was gespielt wird und dass es ein böses Ende nehmen wird.
Dennoch:
Als Marktteilnehmer muss ich auch kurz- und mittelfristig"in der Lage leben". Die langfristig richtige Theorie kann kurzfristig zu katastrophalen Ergebnissen führen, da der Markt seine eigene Logik hat, wie er Informationen verarbeitet - ich würde es Erkenntnisschübe nennen. Im Extrem bekommt man zwar langfristig Recht, erlebt es aber nicht mehr, weil man bis dahin eine kurzfristig derart miserable Performance aufweist, dass man seines Amtes enthoben wurde oder einfach pleite geht. Bei mir hat die"richtige Theorie" dazu geführt, dass ich die Rallye zwar mitgespielt habe, aber viel zu früh verkaufte. Toby hat ja weiter unten schon auf das Dilemma aufmerksam gemacht, das sich aus einer verpassten Rallye für die Akteure ergibt.
Für mich ist die Frage, die sich immer wieder stellt, wo und wann der Punkt erreicht ist, an dem ich zwar vielleicht nicht gleich mein langfristiges Szenario kippen muss, an dem ich aber gezwungen bin kurz- und mittelfristig anders zu handeln, als es vielleicht meiner langfristigen Überzeugung entsprechen mag - und sei es nur zur Schadensbegrenzung, auf Neudeutsch die Frage nach dem"Exit" meiner Arbeitshypothese. Gerade eine"aktuell"-Kolumne sollte m.E. diesem Aspekt der Praxis in stärkerem Maße Rechnung tragen. In Phasen kollektiven Irrsinns steht nicht immer der am besten da, der den Irrsinn fürhzeitig erkennt und vor ihm warnt, sondern mitunter der, der sich dem Irrsinn für ein Stück des Weges anschließt.
Ein weiteres Phänomen, das ich häufiger beobachten konnte, dass gerade diejenigen, die sich mit guten Argumenten gegen eine"irrationale" Bewegung gestellt haben, häufig genau gegen Ende dieser Bewegung dann dem Druck nachgeben und sich drehen, daher auch meine Frage nach"Malik's Umfallen".
Nix für ungut und schönes Wochenende
JLL
P.S.: Den Vergleich mit dem Herrn B. aus D. ziehe ich selbstverständlich mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück, da Sie erkennbar in einer anderen Liga spielen und sich auch nicht der Diskussion hier im Board mit Normalsterblichen entziehen.
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HB
06.09.2003, 13:31
@ Prof. Malik
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Vergleich DJIA 1929-1933/NASDAQ Comp 1999-2003 |
-->[img][/img]
Der Vergleich hinkt aber insofern, als diesmal zwar die NASDAQ-Blase geplatzt ist, aber die FED einen gröberen Einbruch im DJIA verhindern konnte, hier kann man mit gutem Willen von einer mehrjährigen Seitwärtsbewegung sprechen.
<IMG src="http://chart.bigcharts.com/bc3/quickchart/chart.asp?symb=djia&compidx=aaaaa%3A0&ma=0&maval=9&uf=0&lf=1&lf2=0&lf3=0&type=2&size=2&state=8&sid=1643&style=320&time=13&freq=2&nosettings=1&rand=8870&mocktick=1&rand=3575.gif" alt="http://chart.bigcharts.com/bc3/quickchart/chart.asp?symb=djia&compidx=aaaaa%3A0&ma=0&maval=9&uf=0&lf=1&lf2=0&lf3=0&type=2&size=2&state=8&sid=1643&style=320&time=13&freq=2&nosettings=1&rand=8870&mocktick=1&rand=3575.gif">
Hier noch mal der Vergleich etwas detaillierter:
<IMG src="http://www.zealllc.com/graphs2002/Zeal1929Big.gif" alt="http://www.zealllc.com/graphs2002/Zeal1929Big.gif">
|
-- Elli --
06.09.2003, 13:32
@ Luigi
|
Re: Chart"Dow 50% Pull Back" / Noch einer, aber log. 62 %... |
-->Logarithmisch waren es sowohl 1930 als auch aktuell ca. 62 %.
Hier noch mal der animierte Chart aus dem Update von Ende Juni:
[img][/img]
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Bob
06.09.2003, 13:35
@ Cosa
|
Re: Chart - sorry, als Parallele zu damals, versteht sich, siehe unten HB (owT) |
-->
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Luigi
06.09.2003, 13:36
@ -- Elli --
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Re: Danke! Die Rally nach dem 11.9.2001 im Nasdaq war doch auch 62%,oder? (owT) |
-->
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chiron
06.09.2003, 13:49
@ El Sheik
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Re: Fed |
-->>>>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
>>>mfg
>>>bob
>>Nein, ich meine nicht Mai bis Dez. 33.
>>Zu dieser Zeit war der Bearmarket zu Ende. Was ich meine, ist die Erholung nach dem Absturz 1929, die bis ins Frühjahr 30 hineinging. Die Leute waren der Ueberzeugung, das Schlimmste sei überstanden, und es gehe nun nach der"gesunden" Korrektur erst richtig los. Blindheit, Selbstgefälligkeit, Naivität, Geldgier etc. des Publikums und der Wallstreet waren ähnlich wie heute und wie vor dem Crash 29 und Ende der 90er Jahre. Man hatte die Ereignisse vom Herbst 29 keineswegs als Lektion verstanden.
>>F. Malik
>Hallo Herr Malik.
>Der Vergleich ist richtig. Heute muß es aber nicht so kommen. Fed-Gouverneur Ben Bernanke hat in seiner Rede (ca. 15.10.2002) dargelegt, daß die Minimallektion aus der Zeit 1929-33 sei, einen Kollaps der Asset-Preise bei Aktien zu verhindern. Er hat auch deutlich gemacht, daß die Institution, für die er arbeitet, selbst am Zero Bound noch über genügend geldpolitische Mittel verfügt, eine Verstetigung der Abwärtstrends bei Aktien zu stoppen.
>In Richtung solcher Politikmaßnahmen weist auch der Konsens der Forschungselite unter den US-Ã-konomen der volkswirtschaftlichen Schwerpunkte"monetary policy under uncertainty" und"zero bound" (vgl. etwa Auerbach, Obstfeldt: The case for open market purchases in a liquidity trap. Berkeley, April 2003).
>Natürlich wird man so vom Regen in die Traufe kommen. Vielleicht läßt man sogar bei der nächsten Asienkrise 2005 kurzzeitig einen Dow von 5000 zu, bisher sprechen die o.g. Evidenzen allerdings dagegen.
>Besten Gruß
>El Sheik
Hallo El Sheik
Eine Lektion, die wir alle lernen müssen, ist, dass das FED einen Trend nicht aufhalten kann. Die Massen sind die Treiber hinter einer Bewegung. Die (Geld)Politiker, machen das, was das Volk will, um wieder gewählt zu werden und sich im Applaus zu sonnen. Da sich das Volk der mittel- bis langfristigen Konsequenzen NICHT bewusst ist, trampelt es immer wieder in die Falle. Das Bild mit dem Alkoholiker fällt mir hier immer wieder ein. Nach dem fünften Glas Schnaps kann zwar die Euphorie noch gesteigert werden, der Tag danach verschwindet aber im Blickfeld. Der Zusammenbruch kommt ganz bestimmt, nur erschliesst sich das dem"Alki" in diesem Moment nicht.
Gruss Chiron
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- Elli -
06.09.2003, 13:55
@ Luigi
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Re: Danke! Die Rally nach dem 11.9.2001 im Nasdaq war doch auch 62%,oder?/ Nö... |
-->[img][/img]
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El Sheik
06.09.2003, 14:58
@ chiron
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Re: Fed |
-->>>>>Hat vielleicht jemand einen Chart da?
>>>>mfg
>>>>bob
>>>Nein, ich meine nicht Mai bis Dez. 33.
>>>Zu dieser Zeit war der Bearmarket zu Ende. Was ich meine, ist die Erholung nach dem Absturz 1929, die bis ins Frühjahr 30 hineinging. Die Leute waren der Ueberzeugung, das Schlimmste sei überstanden, und es gehe nun nach der"gesunden" Korrektur erst richtig los. Blindheit, Selbstgefälligkeit, Naivität, Geldgier etc. des Publikums und der Wallstreet waren ähnlich wie heute und wie vor dem Crash 29 und Ende der 90er Jahre. Man hatte die Ereignisse vom Herbst 29 keineswegs als Lektion verstanden.
>>>F. Malik
>>Hallo Herr Malik.
>>Der Vergleich ist richtig. Heute muß es aber nicht so kommen. Fed-Gouverneur Ben Bernanke hat in seiner Rede (ca. 15.10.2002) dargelegt, daß die Minimallektion aus der Zeit 1929-33 sei, einen Kollaps der Asset-Preise bei Aktien zu verhindern. Er hat auch deutlich gemacht, daß die Institution, für die er arbeitet, selbst am Zero Bound noch über genügend geldpolitische Mittel verfügt, eine Verstetigung der Abwärtstrends bei Aktien zu stoppen.
>>In Richtung solcher Politikmaßnahmen weist auch der Konsens der Forschungselite unter den US-Ã-konomen der volkswirtschaftlichen Schwerpunkte"monetary policy under uncertainty" und"zero bound" (vgl. etwa Auerbach, Obstfeldt: The case for open market purchases in a liquidity trap. Berkeley, April 2003).
>>Natürlich wird man so vom Regen in die Traufe kommen. Vielleicht läßt man sogar bei der nächsten Asienkrise 2005 kurzzeitig einen Dow von 5000 zu, bisher sprechen die o.g. Evidenzen allerdings dagegen.
>>Besten Gruß
>>El Sheik
>Hallo El Sheik
>Eine Lektion, die wir alle lernen müssen, ist, dass das FED einen Trend nicht aufhalten kann. Die Massen sind die Treiber hinter einer Bewegung. Die (Geld)Politiker, machen das, was das Volk will, um wieder gewählt zu werden und sich im Applaus zu sonnen. Da sich das Volk der mittel- bis langfristigen Konsequenzen NICHT bewusst ist, trampelt es immer wieder in die Falle. Das Bild mit dem Alkoholiker fällt mir hier immer wieder ein. Nach dem fünften Glas Schnaps kann zwar die Euphorie noch gesteigert werden, der Tag danach verschwindet aber im Blickfeld. Der Zusammenbruch kommt ganz bestimmt, nur erschliesst sich das dem"Alki" in diesem Moment nicht.
>Gruss Chiron
Hallo zehnter Planet,
in einem Gold- oder Warenstandard würde ich Deine finalistische Auffassung teilen. In einem Fiat-Money-System wie dem jetzigen kann die Zentralbank jederzeit entscheidend auf Geldangebot UND -nachfrage als aktiver Spieler einwirken. Bestes Beispiel sind die Bondmärkte. Die Teilnehmer auf diesen Märkten klagen nun die Fed an, sie habe Verwirrung gestiftet, wo sie doch in ihrem eigenen Interesse für Kontinuität sorgen solle.
Das soll sie aber gar nicht, Stichworte Zeitinkonsistenz, diskretionäres Politik-Verständnis der Truppe Greenspan. Der hier noch Sinn machenden Einwand wegen drohenden langfristigen Glaubwürdigkeitsverlust geht auch ins Leere, solange das asiatische Exportkartell den Dollar stützt und den Herren des Dollar somit Macht verleiht. Wer Macht hat, hat auch Glaubwürdigkeit.
Guten Gruß
vom Scheich
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Tempranillo
06.09.2003, 15:02
@ Prof. Malik
|
Re: Ein großes Dankeschön an Professor Malik |
-->Sehr geehrter Herr Professor Malik,
"Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang Bundeskanzler wären?" wurde Prof. Baring in einer Fernsehsendung mal gefragt.
"Dem Volk die Wahrheit sagen", war seine Antwort.
Baring scheint sich darüber im klaren zu sein, daß in Deutschland nichts mehr tabuisiert wird wie die Wahrheit, die unangenehme, versteht sich.
Deshalb war es für mich eine ungeheuer positive Überraschung, daß ausgerechnet ein österreichischer Staatsbürger, Prof. Friedmund Malik, mehrmals gewagt hat, die offenen Wunden klar und deutlich zu benennen.
Wenn mich mein Gedächtnis nicht völlig im Stich läßt, habe ich Sie in zwei Fernsehsendungen gesehen, bei Frank A. Meyer und Maybritt Illner, wo Sie die Dinge unmißverständlich beim Namen genannt haben.
Gefragt, weshalb Deutschland mittlerweile als der kranke Mann Europas betrachtet werden müsse, sagten Sie sinngemäß:"Das Land muß die deutsche Einheit schultern, finanziert die EU, und trägt demnächst auch die Hauptlast der Osterweiterung."
Für diese klaren Worte, die keiner unserer gewählten Politiker auszusprechen wagt, möchte ich Ihnen herzlich Danke sagen, und Sie zugleich bitten, Ihre Offenheit auch in Zukunft beizubehalten.
Auf Ihre Forums-Beiträge freut sich mit allen anderen Board-Teilnehmern
Tempranillo
|
Prof. Malik
06.09.2003, 17:25
@ Theo Stuss
|
Re: Optimismus-Pessimismus-Realismus |
-->>Sehr geehrter Herr Prof.Malik,
>
>haben Sie Dank für Ihre kurze Antwort. Ich habe mich übrigens erst seit 2 Jahren in die Thematik eingearbeitet; nicht zuletzt auch durch Ihre Aufsätze, von denen ich einige ausgedruckt ständig in meinem Aktenkoffer mit mir herumtrage.
>Ja, an Ihren Aufruf zum Realismus erinnere ich mich sehr gut. Zum Glück gehöre ich nicht zu den gebrannten der Börsen-Hausse. Zum Einen fehlte mir damals die Erfahrung, zum Zweiten hatte ich erst Geld, als es bergab ging.
>Jetzt aber mal einige Fragen zur wahren Unternehmerpersönlichkeit, wie Sie sie in Ihrem letzten Brief beschreiben:
>Sicherlich sehen wir Zeiten entgegen, die wahre unternehmerische Fähigkeiten fordern, von denen, die ein Geschäft haben. Gleichzeitig sind Neugründungen fast reiner Selbstmord, weil es kaum solide Sparten gibt, die wirklich expandieren. Als Anfänger neu zu beginnen ist also sehr schwer.
>Wenn wir einmal von Dot.com-Gründungen absehen, haben, weiter abgesehen von Ich-AG's, die Gründungen aufgrund der Auslagerung von Kompetenzen fröhliche Urständ gefeiert. Outsourcing nennt man das Land auf, Land ab und Beschränkung auf Kernkompetenz war das Schlagwort.
>Ich kenne eine Reihe solcher Gründungen, habe dort gearbeitet und mich manchmal auch beworben. Es handelt sich um eine höhere Form der Ich-AG's:
>Auslagerung des Prüfwesens für KFZ-Elektrik bei VW an eine Firma mit 15-20 Angestellten, deren junge Hüpfer bei untertariflicher Bezahlung mal so eben 1 Jahr getrennt von der Familie in Mexiko verbringen usw., ist ein typisches Beispiel. Die Entwicklungsarbeit nehmen solche Firmen VW auch ab.
>Natürlich ist der Gründer darauf aus, seine Kundenbasis zu erweitern, aber dafür fehlt oft die personelle Basis. Ist irgendein Projekt vorüber, dann ist es auch schnell mit der Firma vorbei, weil vom Hauptauftragsgeber nichts mehr kommt.
>Im Bereich Maschinenbau und Automationstechnik würde ich zur Zeit von Unternehmensgründungen dringend abraten. Was noch Sinn macht, sind Gründungen von kleinen Pharmafirmen, sofern diese über eigene Patente verfügen, die dringend am Markt benötigt werden. Wie auch immer, allenfalls Nischengründungen mit fundiertem technischem Hintergrundwissen, kombiniert mit Markterfahrung. Wieder nichts für Neulinge!
>Es ist leider so, dass die letzten 10 Jahre Menschen ans Ruder gebracht haben, die erst durch den Kontratieff-Winter ausselektiert werden müssen, sofern sie nicht dazulernen, bevor eine neue Generation ans Ruder kommen kann. Uns nehmen aber die Blender von gestern und heute, die nach wie vor die Führungspositionen besetzen, die Chance.
>Früher war die Industrie und die Welt Ã-konomie überhaupt keine Welt der Linken und Utopisten. Heute ist das anders. Indirekte Fragen nach der politischen Einstellung und zur Homosexualität etc. entscheiden bei amerikanischen Grossbanken, ob man einen Arbeitsplatz bekommt, oder nicht und ob man ihn behält. Dabei reicht es nicht, dass man sagt, man sei an solchen Fragen nicht interessiert. Es wird die positive Unterstützung dessen erwartet, was man früher als permissive Moral bezeichnet hat.
>Vor 15 Monaten habe ich auf der Hannovermesse einen eidgenössischen Einkäufer für Automationstechnik erlebt, der nicht nur lange Haare, Ohrringe, sondern 5 Ringe in Ober- und Unterlippe hatte. Eine Gestalt wie aus dem Urwald.
>Die heutige wirtschaftliche Praxis ist nichts anderes als eine Übertragung der Philosophie des Idealismus Hegels auf die Ebene ökonomischen Handelns und wird damit ideologisch geprägt. Den verbliebenen Konservativen fehlt es oft am nötigen Mark in den Knochen und am theoretischen Rüstzeug, weil sie die Konsequenz nicht ziehen wollen um den Monetarismus und Keynes zu entzaubern. Dabei braucht man doch nur Greenspans Aufsatz von 1967 zu lesen, um zu erkennen, dass der Sozialismus dem Monetarismus inhärent ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, je linker und idealistischer Menschen eingestellt sind, desto stärker die Verweigerung der Realität, die man als Niederung der Banalitäten betrachtet."Gelber Dreck" ist eine solche Banalität, die Keynes als barbarisches Relikt bezeichnet hatte.
>Mit freundlichem Gruss,
>Theo Stuss >
Herr Stuss
ich stimme mit Ihrer Analyse im wesentlichen überein. Durch meine berufliche und unternehmerische Tätigkeit als Lehrer und Consultant habe ich viel mit Führungskräften zu tun. Die Schäden, die durch den Unfug der 90er Jahre in der gesamten Unternehmensführung, darunter massiv in der Personalauswahl und somit heutigen Stellenbesetzung eingetreten sind, sind m. E. viel gravierender als die finanziellen Verluste an den Börsen, so ernst diese zu nehmen sind. Ihr Bild vom K-Winter ist treffend. Das wird es in der Tat brauchen, damit ein Neustart möglich ist. Die Opfer werden für alle gross sein, auch für jene, die die Lage nüchtern und richtig sehen. Ich bin skeptisch, ob sie verkraftet werden können. Im Nachgang zu solchen Exzessen sind Radikalisierungsperioden wahrscheinlich. Die Geschichte wird sich nicht im Detail wiederholen, gewisse Grundmuster können aber doch frappant ähnlich sein. Ohne 1920er keine Wirtschaftskrise; und ohne diese kein Hitler etc. etc. Wenigstens diese Abfolge sollte sich nicht wiederholen.
Grüsse, F. Malik
>
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Prof. Malik
06.09.2003, 17:47
@ JLL
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Re: Willkommen an Board |
-->>Hallo Herr Professor Malik,
>natürlich wollte ich mit meinen flapsigen Bemerkungen zu Ihrer Kolumne nicht despektierlich erscheinen.
>Zudem kann ich ihre langfristige Sicht der Dinge praktisch hundertprozentig unterschreiben und schätze Ihre grundsätzlichen Überlegungen außerordentlich. Mit der richtigen Theorie im Hinterkopf ist ziemlich klar, was gespielt wird und dass es ein böses Ende nehmen wird.
>Dennoch:
>Als Marktteilnehmer muss ich auch kurz- und mittelfristig"in der Lage leben". Die langfristig richtige Theorie kann kurzfristig zu katastrophalen Ergebnissen führen, da der Markt seine eigene Logik hat, wie er Informationen verarbeitet - ich würde es Erkenntnisschübe nennen. Im Extrem bekommt man zwar langfristig Recht, erlebt es aber nicht mehr, weil man bis dahin eine kurzfristig derart miserable Performance aufweist, dass man seines Amtes enthoben wurde oder einfach pleite geht. Bei mir hat die"richtige Theorie" dazu geführt, dass ich die Rallye zwar mitgespielt habe, aber viel zu früh verkaufte. Toby hat ja weiter unten schon auf das Dilemma aufmerksam gemacht, das sich aus einer verpassten Rallye für die Akteure ergibt.
>Für mich ist die Frage, die sich immer wieder stellt, wo und wann der Punkt erreicht ist, an dem ich zwar vielleicht nicht gleich mein langfristiges Szenario kippen muss, an dem ich aber gezwungen bin kurz- und mittelfristig anders zu handeln, als es vielleicht meiner langfristigen Überzeugung entsprechen mag - und sei es nur zur Schadensbegrenzung, auf Neudeutsch die Frage nach dem"Exit" meiner Arbeitshypothese. Gerade eine"aktuell"-Kolumne sollte m.E. diesem Aspekt der Praxis in stärkerem Maße Rechnung tragen. In Phasen kollektiven Irrsinns steht nicht immer der am besten da, der den Irrsinn fürhzeitig erkennt und vor ihm warnt, sondern mitunter der, der sich dem Irrsinn für ein Stück des Weges anschließt.
>Ein weiteres Phänomen, das ich häufiger beobachten konnte, dass gerade diejenigen, die sich mit guten Argumenten gegen eine"irrationale" Bewegung gestellt haben, häufig genau gegen Ende dieser Bewegung dann dem Druck nachgeben und sich drehen, daher auch meine Frage nach"Malik's Umfallen".
>Nix für ungut und schönes Wochenende
>JLL
>
>P.S.: Den Vergleich mit dem Herrn B. aus D. ziehe ich selbstverständlich mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück, da Sie erkennbar in einer anderen Liga spielen und sich auch nicht der Diskussion hier im Board mit Normalsterblichen entziehen.
Liebe(r) JLL
Erstens, es gibt keinen Grund, sich zu entschuldigen. Ich kann mit"flapsigen" Bemerkungen gut leben. Zweitens, Sie haben mit dem, was Sie hier schreiben, Recht. Stünde meine"Aktuell"-Kolumne auf unsere Website isoliert, wäre die Bezeichnung"Aktuell" irreführend. Ich sehe sie aber im Kontext meiner monatlichen Managementletters und vor allem im Kontext meiner Seminare und Vorträge. Dort gebe ich jeweils einen Ueberblick über die Lage, wie ich Sie sehe; die Kolumne war ursprünglich für die Teilnehmer gedacht, damit diese eben einen aktualisierten Stand meiner Ueberlegungen bekommen können. Ich werde mir überlegen, sie umzubenennen.
Für das Trading selbst stimme ich mit Ihnen überein, insbesondere wenn jemand gar als Vermögensverwalter oder Fund-Manager arbeitet. Ob diese Rally"tradable" sein würde oder nicht, und falls ja, mit welchen Vehikeln, konnte ich natürlich nicht wissen. Meines Erachtens war das Risiko nach unten zu jedem Zeitpunkt grösser als die Gewinnchancen long. Aber im Nachhinein wären ein paar Calls schon lukrativ gewesen. Nur eben - im Voraus und im Nachhinein... Sie wissen sicher selbst, wie das ist.
Meine Erfahrung ist, dass es für die meisten Leute viel schwieriger ist, sich eine Meinung zur grundsätzlichen und langfristigen Lage - zum Klima gewissermassen - zu machen, als zu den kurzfristigen Bewegungen - zum Wetter. Ich versuche daher, schwerpunktmässig diesen Aspekt zu betonen. Für kurzfristige Trading-Entscheidungen sind die Informationen nur limitiert brauchbar. Allerdings, wie in in einer anderen Antwort sagte, ich selbst habe entsprechende Positionen im Markt, bin aber kein Trading Advisor oder Vermögensberater.
Danke für Ihr Interesse und
freundliche Grüsse
F. Malik
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Prof. Malik
06.09.2003, 20:18
@ Tempranillo
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Herzlichen Dank; |
-->was Sie schreiben, freut mich. Ich bin viel unterwegs und daher nicht so oft online. Sie werden etwas Geduld mit mir haben müssen. Mein Vorname ist übrigens nicht Friedmund sondern Fredmund, etwas ungewohnt, eine Kombination aus Alfred und Edmund, die meiner Mutter eingefallen ist, weil mein Vater Alfred und ihr jüngster Bruder Edmund hiessen. Wie man erzählte, hat sich der Pfarrer bei der Taufe schwer getan, weil der Name in keinem Verzeichnis stand. Kompliment für Ihr Gedächtnis.
Herzliche Grüsse
F. Malik
>Sehr geehrter Herr Professor Malik,
>"Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang Bundeskanzler wären?" wurde Prof. Baring in einer Fernsehsendung mal gefragt.
>"Dem Volk die Wahrheit sagen", war seine Antwort.
>Baring scheint sich darüber im klaren zu sein, daß in Deutschland nichts mehr tabuisiert wird wie die Wahrheit, die unangenehme, versteht sich.
>Deshalb war es für mich eine ungeheuer positive Überraschung, daß ausgerechnet ein österreichischer Staatsbürger, Prof. Friedmund Malik, mehrmals gewagt hat, die offenen Wunden klar und deutlich zu benennen.
>Wenn mich mein Gedächtnis nicht völlig im Stich läßt, habe ich Sie in zwei Fernsehsendungen gesehen, bei Frank A. Meyer und Maybritt Illner, wo Sie die Dinge unmißverständlich beim Namen genannt haben.
>Gefragt, weshalb Deutschland mittlerweile als der kranke Mann Europas betrachtet werden müsse, sagten Sie sinngemäß:"Das Land muß die deutsche Einheit schultern, finanziert die EU, und trägt demnächst auch die Hauptlast der Osterweiterung."
>Für diese klaren Worte, die keiner unserer gewählten Politiker auszusprechen wagt, möchte ich Ihnen herzlich Danke sagen, und Sie zugleich bitten, Ihre Offenheit auch in Zukunft beizubehalten.
>Auf Ihre Forums-Beiträge freut sich mit allen anderen Board-Teilnehmern
>Tempranillo
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Euklid
06.09.2003, 20:31
@ Prof. Malik
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Re: Herzlichen Dank; |
-->Hallo Tempranillo
von Politikern kannst Du keine Wahrheiten verlangen aber eher unerfüllbare Visionen [img][/img]
Wenn sie die Wahrheit sagen würden müßten sie ja sagen daß sie gerade dabei sind die zukünftigen Renten für ihre Visionen total zu verheizen.
Es ist ja nicht nur das Generationenproblem.
Das ist eine Halbwahrheit.
Die ausländischen Arbeitskräfte haben in den 60er Jahren bis jetzt Milliarden an Euros in die deutsche RV einbezahlt.
Dafür haben sie jetzt natürlicherweise auch einen Anspruch den man ja nicht streitig machen sollte.
Aber was haben unsere Politiker mit den Geldern getan?
Anstatt dieses Geld auf die hohe Kante zu legen haben sie die Renten der in Pension gegangenen deutschen Rentner die in den Jahren 70-90 in Rente gingen auf unsinnige Höhen angehoben.
Jetzt soll die Jugend nicht nur das Demopgraphieproblem bezahlen sondern auch die noch kommenden Renten der ausländischen Arbeitskräfte die man nicht auf die Seite gelegt hat.
Das ist eigentlich ein politischer Skandal und ich wundere mich daß dieses Argument noch nie in der Presse oder bei Diskussionen aufgetaucht ist.
Es entspricht nämlich genau dem Verhalten von Politikern.Die Einnahmen werden verbraten weil die Ausgaben dafür ja viel später anfallen.
Eine ganz bittere Pille für die Jugend die man ihnen da aufgetischt hat.
Gruß EUKLID
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