-->STANDORT-DEBATTE
<font size=5>Der Club der Arbeitszeitverlängerer</font>
<font color="#FF0000">Die Forderung des Siemens-Chefs von Pierer, die Samstagszuschläge abzuschaffen, ist nur ein weiterer Fanfarenstoß in der Debatte um eine verlängerte Arbeitszeit ohne Lohnausgleich</font>. Den Anstoß gab CDU-Chefin Merkel - Wirtschaftsbosse und Arbeitgeberführer sprangen in der Folge begeistert auf den Zug auf.
31. August 2003: Angela Merkel tritt die Debatte mit einem Interview in der"Bild am Sonntag" los:"Es ist nach meiner Auffassung falsch, die längeren Arbeitszeiten im Osten den kürzeren im Westen anzupassen. Richtig wäre es, die West-Arbeitszeiten denen im Osten anzupassen." Dies würden inzwischen sogar einige Gewerkschafter so sehen. <font color="#FF0000">Man müsse sich darauf einstellen, künftig"ein oder zwei Stunden pro Woche mehr zu arbeiten</font>".
6. September: Der Präsident des Bundesverbandes der Industrie (BDI), Michael Rogowski, im"Handelsblatt":"<font color="#FF0000">Ich plädiere dafür, die Wochenarbeitszeit pauschal auf 38 bis 40 Stunden anzuheben</font>."Dies müsse in den Manteltarifverträgen zur Arbeitszeit festgeschrieben werden. Die 35-Stunden-Woche habe zu höheren Lohnstückkosten geführt. Deshalb hätten die Unternehmen Arbeitsplätze abgebaut.
6. September: Auch CDU-Chefin Angela Merkel spricht sich sich erneut dafür aus, die Wochenarbeitszeit um durchschnittlich zwei Stunden zu erhöhen:"<font color="#FF0000">Zwei Stunden mehr pro Woche würde Deutschland für ausländische Firmen schon attraktiver machen</font>."
12. September: Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zur Chemnitzer"Freien Presse": <font color="#FF0000">Das"Verhältnis von Arbeit und Ruhe" stimme nicht mehr</font>. Kein anderes Land gewähre seinen Arbeitnehmern so viel Urlaub wie Deutschland. Der Ausweg seien längere und flexiblere Wochenarbeitszeiten, die sich nach der Auftragslage richten sollten. 40 Stunden wöchentlich im Jahresudurchschnitt statt 37 Stunden stellten keine unzumutbare Belastung für die Beschäftigten dar. Damit ließe sich die Wettbewerbsposition der Unternehmen spürbar verbessern.
13. September: DiHK-Chef Braun in der"Berliner Zeitung" zurück:"Ich will keine starre 40-Stunden-Woche für alle verordnen. Ich will aber die Möglichkeit eröffnen, zeitlich befristet und je nach Auftragslage länger zu arbeiten. Damit können wir kostengünstiger produzieren, besser anbieten und neue Kunden und Märkte erschließen. Das stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit und sorgt so für mehr Beschäftigung."
13. September: Wendelin Wiedeking, Porsche-Chef, im"Hamburger Abendblatt" auf die Frage, ob eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich eine gute Idee sei:"Wenn jemand zwei bis drei Stunden mehr arbeitet, und trotzdem das Gleiche bekommt, tut das nicht weh. Das ist der verdaubarere Weg, auch weil dann die Kaufkraft erhalten bliebe."
17. September: Siemens-Chef Heinrich von Pierer in der"Bild":"<font color="#FF0000">Der Samstag sollte im Bedarfsfall wieder Werktag ohne Zuschläge sein</font>. Die Leute gehen doch eigentlich gern zur Arbeit, das ist doch kein Frondienst."
Eigener Kommentar: Zuerst dachte ich, daß ich mich wohl verlesen hätte. Die Leute GINGEN vielleicht mal gerne zur Arbeit. Es gibt sie auch heute noch aber es werden wohl immer weniger. Burn-Out, Herzinfarkte und alle diese Krankheiten nehmen EXPLOSIONSARTIG zu weil man die Leute mit Arbeit zuschmeißt und immer mehr von ihnen verlangt. Es gibt Firmen da werden Mitarbeiter regelrecht überwacht, bei kleinsten Fehlern zur Schnecke gemacht, bekommen Hungerlöhne und dürfen noch nicht mal mehr zwei Minuten ihre eMails abrufen oder ein kurzes 1-minütiges Privatgespräch nach Hause führen oder einen kurzen 2-Minuten-Talk auf dem Gang abhalten ohne das der Chef gleich das Gesicht verzieht. Das ist doch p.....
Ich glaube der Spiegel hat Herrn Clement hier bei der Aufzählung vergessen. Der hatte sich doch auch mal für längere Arbeitszeiten ausgesprochen. Müßte im Forumsarchiv auch zu finden sein. Und meines Wissens war Herr Clement eigentlich einer der Ersten der diese Debatte angestoßen hat.
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,265987,00.html, Spiegel Online, 17.09.2003
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-->ARBEITSEIFER
<font size=5>Siemens-Chef will Samstagszuschläge abschaffen</font>
Nach Ansicht von Heinrich von Pierer, Vorstandsvorsitzender von Siemens, sollte der Samstag als ganz normaler Werktag gelten. Außerdem fordert er, dass sich die Deutschen mehr anstrengen sollten.
Hamburg -"<font color="#FF0000">Der Samstag sollte im Bedarfsfall wieder Werktag ohne Zuschläge sein. Die Leute gehen doch eigentlich gern zur Arbeit, das ist doch kein Frondienst</font>", sagte von Pierer der"Bild"-Zeitung.
Den Gewerkschaften warf der Konzernchef vor, bei der Arbeitszeitregelung für deutsche Arbeitnehmer eine zu starre Haltung einzunehmen."Die Gewerkschaften müssen von dem Irrglauben abrücken, jedem die Arbeitszeit vorschreiben zu wollen", sagte er. Um zu einer Flexibilisierung der Tarifpolitik zu kommen, seien unter anderem Zeitkorridore erforderlich,"die zwischen 25 und 45 Stunden Arbeit pro Woche ohne Überstundenzuschläge zulassen". Die Abrechnung könne über Arbeitszeitkonten erfolgen, die über 48 Monate laufen. [Eigener Kommentar: Das wäre die Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die Arbeitnehmer. Wo kommen wir denn da hin?]
Der Siemens-Chef forderte in dem Interview außerdem Bundesregierung und Opposition auf, die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 ohne Abstriche umzusetzen."Die Reformen der Agenda 2010 müssen als Gesamtpaket, also ohne 'Verschlimmbesserungen' in Einzelfragen, Gesetz werden."
Die Deutschen sollten sich vor dem Hintergrund wachsenden internationalen Wettbewerbdrucks mehr anstrengen, verlangte von Pierer überdies."<font color="#FF0000">Wir sind leider ein bisschen zu satt geworden - dagegen sollten wir ankämpfen</font>." Es sei erforderlich, sich wieder auf bewährte Grundtugenden zu besinnen. Dazu gehörten"Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Beharrlichkeit, Qualitätsbewusstsein".
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,265929,00.html, Spiegel Online, 17.09.2003
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LESER-REAKTIONEN
<font size=5>"Rückkehr ins Sklaventum"</font>
Der Vorschlag von Siemens-Chef Heinrich von Pierer, die Samstagszuschläge abzuschaffen, hat bei den Lesern von SPIEGEL ONLINE für teils heftige Reationen gesorgt. Hier einige Auszüge.
Solche Vorschläge wie den von Ihnen, Herr von Pierer, braucht das Land, da es ja soviel Arbeit und sowenig Arbeitslose gibt. Da muss man die die arbeiten natürlich länger arbeiten lassen und schlechter bezahlen damit die wenigen die keine Arbeit haben auch ja keine bekommen, vielen Dank für soviel geistige Brillanz in deutschen Führungsetagen.
Frank Hartung
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<font color="#FF0000">Eine pure Provokation Herr von Pierer. In unserem Unternehmen sind die Vorschläge zur Arbeitskonten bereits längst Realität. Wir arbeiten Samstag, wenn nötig Sonntag und bekommen lange keine Überstunden mehr bezahlt wie früher</font>. Viele Menschen in Deutschland strengen sich bereits sehr an, dem"Wettbewerb" stand zu halten. Besonders kleinen Unternehmen und Start-up`s steht trotz"Arbeiten bis zur Ohnmacht" das Wasser teilweise bis zum Hals. Die Gründe sind die hohen Lohnnebenkosten und bei vielen Angestellten zu hohe Steuerlast in allen Bereichen. Von den jüngsten Kosten für die Gesundheitsvorsorge rede ich gar nicht. Ich denke eher für unsere Politiker und Wirtschaftsgrößen wie auch Herrn von Pierer ist es lange überfällig, sich wieder auf die bewährten Grundtugenden wie u.a. Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Beharrlichkeit, Qualitätsbewusstsein zu besinnen.
Niels Dose
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<font color="#FF0000">Mich würde mal interessieren, wie sich das Einkommen von Herr Pierer (parallel zum Siemens - Betriebsergebnis und den Personalkosten-Einsparungen) in den letzten 5 Jahren entwickelt hat. Wen meint Herr Pierer eigentlich genau damit, zu satt geworden zu sein?</font> Die Arbeitnehmer und -nehmerinnen, die Manager, die Minister und Abgeordneten der vielen Regierungen und Parlamente, die Gewerkschaftsbosse, die Profi-Sportler, die Rentner, die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger oder einfach alle? Na jedenfalls nicht sich selbst nehme ich mal an.
Achim Tetzlaff
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Vor allem die Manager sollten wieder Mäßigung zeigen und nicht 20, 30 oder gar 50 mal soviel verdienen wie ein Facharbeiter! Das sind Preistreiber!! Außerdem sollten die Manager endlich aufhören, Werke nach China auszulagern (jüngste Meldung von MOTOROLA), da so ja Arbeitskräfte abgebaut werden, Kaufkraft vernichtet wird und Umsatz reduziert wird.
Bernd Wohlgut
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Lieber Herr von Pierer, ich finde es wirklich ruehrend wie sich um die deutsche Wirtschaft sorgen, aber ich finde, Sie sollten erstmal beginnen in ihrem eigenen Hause aufzuräumen. <font color="#FF0000">Ich habe selten eine solche Beamtenmentalitaet wie im Hause Siemens erlebt, tausende von Mitläufern und Arbeitsunwilligen</font>, und da fordern sie mehr Arbeitseifer der deutschen Arbeitnehmer, da ist schon sehr dreist.
Michael Winkler
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<font color="#FF0000">Tatsache ist doch dass viele bereits jetzt wesentlich mehr Arbeitszeit aufbringen, als im Vertrag gefordert</font>.[Eigener Kommentar: Korrekt. Ist nämlich längst Realität] Ich rede hier nicht vom Management, wo das ja nun quasi normal ist. <font color="#FF0000">Die Firmenleitungen üben inzwischen eine dermassen gewaltigen Druck auf ihre Angestellten aus, dass das (auch gesundheitlich) kaum noch zu ertragen ist. Ich selbst bin Angestellter, und bei mir kamen im letzten Jahr über 400 nicht abgefeierte Überstunden zusammen. Finanziellen Ausgleich gibt es nicht</font>.
Herr Pierer hat meiner Meinung nach den Bodenkontakt endgültig verloren. Das was er anstrebt ist die <font color="#FF0000">Rückkehr in das frühindustrielle Sklaventum</font>.
Volker Vockerodt
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<font color="#FF0000">Der Samstag ist ein ganz normaler Werktag! Das war noch nie anders. Und die Zeiten der Kampagne"Samstags gehört Papi mir!" sind seit fast 50 Jahren vorbei</font>. Es wird Zeit, dass die bundesrepublikanische Arbeiter- und Angestelltenschaft endlich im 20. Jahrhundert ankommt. Samstagsarbeit ist im Dienstleistungsbereich etwas ganz Normales. Und warum nicht auch Sonntags arbeiten? Solange ich meine 2 freien Tage pro Woche am Stück bekomme, ist mir das doch egal.
Ich bin kein Unternehmer, ich bin nicht selbstständig, ich bin arbeitslos und Realist.
Klaus Becker
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Die Sprechblasen unserer Wirtschaftsführer und Politiker zum Thema Arbeitszeitverlängerung zeigen nur, wie weit sich <font color="#FF0000">das Sonnendeck von der Schlammzone entfernt hat</font>. <font color="#FF0000">In meinem persönlichen Bekanntenkreis arbeiten auch diejenigen, die einen 35-Stunden-Vertrag haben, pro Woche 40 Stunden plus x. In meinem ersten Arbeitsvertrag stand übrigens der lapidare Satz, dass Überstunden und Bereitschaftszeiten mit dem Gehalt abgegolten seien</font>.[Eigener Kommentar: So ist es!] Herr von Pierer und Konsorten brauchen also nicht auf die Tränendrüse drücken.
Als Coach für Arbeitslose in einer strukturschwachen Region betreue ich genug Leute, die froh wären, wenigstens 35 Stunden in der Woche arbeiten zu dürfen.
Lothar Petzinger
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Natürlich ist die Meinung des Herrn von Pierer zu respektieren. Das Problem der Personalkosten in Deutschland sind nicht die Löhne und Gehälter. Es sind die Lohnnebenkosten, die die Arbeit so teuer machen und das ist nun wirklich kein neuer Fakt. Aber trotzdem geht man wieder her und will die Einsparungen den Arbeitern und Angestellten aufbürden. Dabei sollen jene mit ihren Einkommen den Konsum und damit die Wirtschaft ankurbeln. Wieso berücksichtigt das Herr von Pierer nicht? [Eigener Kommentar: Die Zeiten haben sich geändert. Der Markt ist heute nicht mehr regional. Heute wird weltweit verkauft. Was juckt da schon ein so kleines Ländlein wie Deutschland wo es ein wenig mit dem Konsum nach unten geht.] Also müssen Reformen her, richtige Reformen, konsensfreie Reformen, Reformen nach denen die SPD nicht wiedergewählt wird.
Daniel Sowa
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Aufwachen bitte. Woanders wird Montag bis Sonntag gearbeitet, ohne Aufschlag! Woanders sind die Kinder für den Unterhalt ihrer Eltern verantwortlich. Woanders gibt es vielleicht eine medizinische Grundversorgung, der andere Teil muss versichert werden. Wenn ich das so betrachte, bin ich froh in Deutschland zu leben, da es hier keine Globalisierung der Wirtschaft gibt. Wir haben nur seit eh und je einen riesigen Exportüberschuss. Uns allen sollte klar sein, <font color="#FF0000">dass das kollektive Deutschlandbesäufnis zu Ende ist wenn der Wirt die Rechnung bringt</font>! Falk Swantusch
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<font color="#FF0000">Ich habe den Eindruck, all das, wofür Gewerkschaften und Sozialverbände jahrhundertelang gekämpft haben, wird in wenigen Jahren demontiert</font>. Wo bleibt der Aufschrei dieser Gruppierungen, wo der Einsatz der Parteien? Wofür steht denn das C in CDU oder das S in SPD?
Ihr lieben Parteien und Politiker: Meine Stimme bei den Wahlen müsst Ihr Euch schon verdienen. Also versucht bitte, Euch etwas für die Interessen normaler Angestellter und Arbeiter in Deutschland einzusetzen. Schliesslich lebt Ihr von unseren Steuern, oder?
Wir geben Euch durch unsere Stimmen Euren Job, und bezahlen noch Euer Gehalt. Das ist der Deal. Wir haben unseren Teil getan, jetzt seid Ihr dran.
Bernd Lentes
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,265969,00.html, Spiegel Online, 17.09.2003
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