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Der Währungsfonds auf Schlingerkurs
Von Claus Tigges, zur Zeit Dubai
23. September 2003 Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist auf seinem Reformkurs ins Schlingern geraten. Mehr und mehr zeigt sich, daß eine Reihe jener Maßnahmen, die nach den Währungs- und Wirtschaftskrisen in den späten neunziger Jahren in Asien und Lateinamerika in der Absicht ergriffen wurden, die Kreditvergabepolitik des IWF zu reformieren, nicht zielführend sind und neue Probleme aufwerfen.
Der Umgang des Fonds mit Argentinien macht beispielhaft die Schwierigkeiten deutlich, die sich ergeben: Vor fast zwei Jahren verweigerte der IWF dem südamerikanischen Land die Auszahlung eines Kredits in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar, weil sich abzeichnete, daß Argentinien die in der Kreditvereinbarung gemachten Zusagen für Wirtschaftsreformen nicht würde einhalten können. Die Entscheidung, herbeigeführt vom geschäftsführenden Direktor des IWF, Horst Köhler, war richtig und schon damals überfällig. Es folgte ein langer Streit zwischen dem Fonds und den verschiedenen Regierungen in Buenos Aires über neue Reformprogramme und neues Geld.
Der IWF bliebt hart, und dies zu Recht. Anfang dieses Jahres willigte der Fonds nach langem Hin und Her ein, die Rückzahlung eines Milliardenkredits bis Anfang September auszusetzen, um dem krisengeschüttelten Land Zeit für die Präsidentenwahlen und der neuen Führung die Möglichkeit zu geben, die Grundzüge einer soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik zu formulieren. Nun ist auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Dubai eine Vereinbarung unterzeichnet worden, die Argentinien auf Sicht von drei Jahren die Rückzahlung von 12,5 Milliarden Dollar an den Fonds stundet und lediglich die fälligen Zinszahlungen von rund 2 Milliarden Dollar vorsieht.
Die gefährliche Schwäche der Vereinbarung liegt in den völlig unzureichenden Wirtschaftsreformen, die die Regierung von Präsident Néstor Kirchner dem IWF versprochen hat. Die Pläne zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen sind alles andere als ehrgeizig und nicht präzise gefaßt; und die angeschlagenen Banken des Landes erhalten keine Hilfestellung, um möglichst schnell mit Ausleihungen zu beginnen und ihre Funktion als Intermediäre wieder zu erfüllen. Die Grundlage zur Überwindung der Krise und für höhere Wachstumsraten ist damit nicht geschaffen worden. Als positiv läßt sich der Vereinbarung lediglich abgewinnen, daß sie Argentinien kein frisches Geld der Staatengemeinschaft zubilligt.
Der IWF muß nun rasch erkennen, daß der Einschränkung der Bedingungen für die Kreditvergabe - der sogenannten Konditionalität - Grenzen gesetzt sind. Das Bemühen um eine möglichst breite Unterstützung für notwendige Reformen in einem Krisenland selbst ist dem Grundsatz nach richtig. Es darf aber nicht - wie im Fall Argentiniens - zu einer nahezu vollständigen Aufweichung der Konditionalität führen. Das ist der Fonds nicht zuletzt den Steuerzahlern in den Geberländern unter seinen 184 Mitgliedstaaten schuldig. Sie müssen sich darauf verlassen können, daß mit ihrem Geld verantwortungsvoll umgegangen wird.
Es wäre freilich falsch, die Schuld für diese Fehlentwicklung im Reformkurs nur bei der IWF-Führung um Horst Köhler zu suchen. Ein gerüttelt Maß an Verantwortung tragen die Regierungen jener Mitgliedsländer, die den Fonds als Vehikel zur Erreichung (geo-)politischer Ziele sehen und darüber ökonomische Erwägungen hintenanstellen. Das gilt vor allem für die Amerikaner, aber auch die Europäer erliegen manches Mal dieser Versuchung. Sie stehen damit selbst der von ihnen geforderten Rückführung des Fonds auf seine Kernaufgaben im Wege. Eine erfolgreiche Reform des IWF ist nur möglich, wenn die Ã-konomie den Vorrang vor der Politik erhält.
Es ist Köhler nicht vorzuhalten, daß er sich mitunter dem Druck der größten IWF-Anteilseigner beugt. Anerkennung verdient der Chef des Währungsfonds dafür, daß er die Auseinandersetzung mit ihnen nicht scheut. Auf die seiner Ansicht nach gefährliche Entwicklung des amerikanischen Zwillingsdefizits in Haushalt und Leistungsbilanz weist Köhler schon seit einiger Zeit in aller Deutlichkeit hin - zum Mißfallen des amerikanischen Finanzministeriums. Darüber hinaus ist der einstige Finanzstaatssekretär zu einem der schärfsten Kritiker der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik geworden.
Beharrlich kritisiert Köhler den Reformstau und warnt, Deutschland sei im Begriff, seinen Wohlstand zu verspielen. Daß er mit dieser zweifellos richtigen Analyse bei der Bundesregierung in Berlin Unmut erzeugt, kann nicht überraschen. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel sollten in ihrem Zorn auf Köhler aber nicht übersehen, daß dieser eine multilaterale Organisation führt, deren Aufgabe es ist, auf Fehlentwicklungen und Politikversäumnisse in allen ihrer Mitgliedsländer hinzuweisen.
Der IWF, jene mächtige Institution im Herzen des globalen Währungsgefüges, ist wieder ein gutes Stück weiter davon entfernt, sich auf seine Kernaufgaben zu besinnen und größere Zurückhaltung in der Finanzhilfe für Mitgliedsländer walten zu lassen, die aufgrund von Politikversagen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. In die richtige Richtung zielen Bemühungen, die Überwachungsfunktion des Fonds zu stärken und auf diese Weise die Entstehung von Finanzkrisen zu verhindern.
Notwendig ist aber auch eine schärfere Abgrenzung der Aufgaben zwischen Währungsfonds und Weltbank. Sie haben sich mehr und mehr verwischt. Der IWF nimmt zahlreiche Aufgaben in der Entwicklungshilfe wahr, sei es bei der Entschuldung der ärmsten Länder oder der Bekämpfung der Armut, die ihm von seinen Gründervätern in Bretton Woods im Jahr 1944 nicht zugedacht waren. Es ist bedauerlich, daß Köhler hier keinen Handlungsbedarf sieht und sogar darum bemüht ist, die Rolle des Fonds noch zu stärken.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.09.2003, Nr. 222 / Seite 11<center></center>
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