dottore
25.09.2003, 16:21 |
Einstein, Freud, die Gewalttheorie und der allseitige IllusionismusThread gesperrt |
-->Hi,
wer zum Thema Gewalttheorie nichts mehr lesen will, bitte gleich wieder zuklappen.
Ansonsten dieses:
Im Septemer 1932 schrieb Freud an Einstein, der selbst im Juli an Freud einen Brief geschrieben hatte zur Frage:"Gibt es einen Weg, die Menschen vom Verhängnis des Krieges zu befreien?"
Einstein selbst suchte darin u.a. nach der üblichen Schalmei ("Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und des Vernichtens gegenüber widerstandsfähiger werden?"). Was aber hier nicht weiter interessiert, zumal diese Sprüche bzw. Fragen bis heute ad nauseam wiederholt wurden / werden.
Interessant ist Freuds Antwort (Werke XVI, 13 ff., Auszug), der als erstes das Wort"Macht" durch das Wort"Gewalt" ersetzt ("das grellere, härtere Wort", hübsch formuliert). Dann führt der bekannte Nervenarzt aus:
"Interessenkonflikte unter den Menschen werden... prinzipiell durch die Anwendung von Gewalt entschieden. So ist es im ganzen Tierreich, von dem der Mensch sich nicht ausschließen solte..."
"Anfänglich, in einer kleinen Menschenhorde, entschied die stärkere Muskelkarft darüber, wem etwas gehören oder wessen Wille zur Ausführung gebracht werden sollte. Muskelkraft verstärkt und ersetzt sich bald durch den Gebrauch von Werkzeugen; es siegt, wer die besseren Waffen hat oder sie geschickter verwendet. Mit der Einführung der Waffe beginnt die geistige Überlegenheit (!) die Stelle der rohen Muskelkraft einzunehmen; die Endabsicht des Kampfes bleibt die nämliche, der eine Teil soll durch die Schädigung, die er erfährt, und durch die Lähmung seiner Kräfte gezwungen werden, seinen Anspruch oder Widerspruch aufzugeben..."
Freud diskutiert dann das Töten und schreibt weiter:"Der Tötungsabsicht kann sich die Erwägung widersetzen, dass der Feind zu nützlichen Dienstleistungen verwendet werden kann, wenn man ihn eingeschüchtert am Leben lässt."
"Dann begnügt sich also die Gewalt damit, ihn zu unterwerfen, anstatt ihn zu töten. Es ist der Anfang der Schonung des Feindes, aber der Sieger hat von nun an mit der lauernden Rachsucht des Besiegten zu rechnen, gibt ein Stück seiner eigenen Sicherheit auf."
Just so hat man sich das wohl auch ökonomisch vorzustellen (was in diversen Zusammenhängen hier intensiv debattiert wurde, zuletzt am Oaxaca-Beispiel: "The Origin of War" in der PNAS-Publikation Flannery/Marcus vom 18. Juli 2003, worin wir die Besicherung der Sicherheit bestaunen konnten). Jedenfalls wüsste ich nicht, was dagegen sprechen sollte.
Danach diskutiert Freud noch lang und breit die (historische)"Einführung" des Rechts, was insofern (ebenfalls nachvollziehbar) nach der Gewalt kommt und nicht dieser quasi als ein"Naturzustand" vorweg geht. Und er sehnt sich - wie Einstein auch - nach so etwas, wie einem Weltschiedsgericht, das alle Probleme löst, kaum dass sie irgendwo entstanden sind.
Seit Freuds schönem Brief mit schönen Ableitungen und Vorschlägen sind diverse Kriege geführt worden und vor allem hat jenes Gebilde, das sich hinter dem schönen Wort"Recht" (Rechtsordnung usw.) verschanzt, der Staat nämlich, sein Gewalt- und Machterhaltungs-Budget riesig ausgeweitet.
Es lag dazumal bei ca. 10 bis 15 Prozent des Welt-BIPs (sog."Staatsquote"), während sie heute in der Nähe von 60 Prozent anzusiedeln ist, von den noch nicht fälligen Verbindlichkeiten (Schulden) bzw. Eventualverbindlichkeiten (Renten usw.) ganz zu schweigen.
Welche ökonomischen Konsequenzen das hat, muss hier nicht noch ein Mal groß erläutert werden - wir lesen und posten es fast jeden Tag.
An früherer Stelle schon war Freud nicht minder deutlich geworden (Werke X, 324 ff. über"Krieg und Tod"; im folgenden habe ich die Bezüge auf den"Krieg" weggelassen, damit das Staatscharakteristikum etwas deutlicher wird), worin er das Waffen-Monopol des Staates behandelt und sich darüber empört,"dass der Staat dem Einzelnen den Gebrauch des Unrechts (i.e. Anwendung von Gewalt mit Waffen) untersagt hat, nicht weil er es abschaffen (!), sondern weil er es monopolisieren (!) will wie Salz und Tabak."
[Noch nie in der Geschichte war der"Bürger" so wehr- und waffenlos wie heute].
Der Staat"gibt sich jedes Unrecht, jeder Gewalttätigkeit frei, die den Einzelnen entehren würde. Er bedient sich nicht nur der erlaubten List, sondern auch der bewussten Lüge und des absichtlichen Betruges... [wem kommt des nicht als aktuell und bekannt vor?]...
"Der Staat fordert das Äußerste an Gehorsam und Aufopferung von seinen Bürgern, entmündigt sie aber dabei...
"Man wende nicht ein, dass der Staat auf den Gebrauch des Unrechts nicht verzichten kann, weil er sich dadurch in Nachteil setzte. Auch für den Einzelnen ist die Befolgung der sittlichen Normen, der Verzicht auf brutale Machtbestätigung in der Regel sehr unvorteilhaft..."
Freud sieht daraufhin die Enttäuschung der"Kulturweltbürger" (deren es bis anhin nicht wenige gibt) über den Lauf der Dinge unter dem Aspekt von Staat, Macht und Gewalt und bemerkt zur Kritik der Enttäuschung dieses:
"Sie [die Enttäuschung] ist, streng genommen, nicht berechtigt, denn sie besteht in der Zerstörung einer Illusion. Illusionen empfehlen sich uns dadurch, dass sie Unlustgefühle ersparen und uns an ihrer Statt Befriedigung genießen lassen. Wir müssen es dann ohne Klage hinnehmen, dass sie irgend einmal mit einem Stück der Wirklichkeit zusammenstoßen, an dem sie zerschellen."
Da ich als komplett illusionsfrei gelten darf, möchte ich mir doch als Schlusssatz erlauben, dass es mir gelungen ist, die gelegentlich durchaus empfundenen Unlustgefühle erfolgreich hinter mich zu bringen, so dass ich diesen kleinen Freud-Exkurs mit großem Amüsement zur Kenntnis geben durfte und mich in die Runde bis zum nächsten Mal
mit donnernd dreifach kreglem Gruß empfehle!
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chiron
25.09.2003, 16:32
@ dottore
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Re: Einstein, Freud, die Gewalttheorie und der allseitige Illusionismus |
-->>Freud diskutiert dann das Töten und schreibt weiter:"Der Tötungsabsicht kann sich die Erwägung widersetzen, dass der Feind zu nützlichen Dienstleistungen verwendet werden kann, wenn man ihn eingeschüchtert am Leben lässt."
>"Dann begnügt sich also die Gewalt damit, ihn zu unterwerfen, anstatt ihn zu töten. Es ist der Anfang der Schonung des Feindes, aber der Sieger hat von nun an mit der lauernden Rachsucht des Besiegten zu rechnen, gibt ein Stück seiner eigenen Sicherheit auf."
Treffender hätte Freud den 11.9. nicht beschreiben können, wenn wir die Verschwörungstheorien mal beiseite lassen.
Gruss chiron
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Helmut
25.09.2003, 16:57
@ chiron
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Freud: Die psychologische Grundlage für eine Theorie der Aggression |
-->John Keegan schreibt dazu:
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Freud hat die psychologische Grundlage für eine Theorie der
Aggression geliefert. Anfangs sah er darin das Ergebnis einer
Nichtbefriedigung des Sexualtriebes; nach dem Ersten Weltkrieg -
in dem sich zwei seiner Söhne auszeichneten - gelangte er zu einer
düstereren Auslegung.8 In seinem berühmten Briefwechel mit
Einstein, der unter dem Titel Warum Krieg? veröffentlicht wurde,
erklärte er unumwunden, der Mensch trage den Drang zu Haß und
Zerstörung in sich. Der einzige Hoffnungsschimmer sei, daß sich
eine wohlbegründete Furcht vor der Gestalt entwickeln werde, die
künftige Kriege annehmen könnten. Diese von Freudianern als
Theorie des «Todestriebs» übernommenen Beobachtungen
betrafen in erster Linie das Individuum. In Totem und Tabu (1913)
hatte Freud eine Theorie der Gruppenaggression vorgelegt, die sich
stark auf die Anthropologie stützte. Er stellte die patriarchalisch
ausgerichtete Familie als gesellschaftliche Ureinheit dar und
erklärte, diese habe sich unter dem Druck sexueller Spannungen
verzweigt. Der Patriarch habe das ausschließliche sexuelle
Verfügungsrecht über die Frauen der Familie gehabt, was seine
unbefriedigten Söhne dazu trieb, ihn zu ermorden und
anschließend zu verzehren. Von Schuldgefühlen heimgesucht,
hätten sie daraufhin den Inzest geächtet (oder tabuisiert) und die
Forderung nach Exogamie aufgestellt - das heißt, fortan mußte
außerhalb des Familienverbandes geheiratet werden. Daraus
entwickelten sich allerlei Möglichkeiten zu Frauenraub,
Vergewaltigung und späteren Fehden, für die sich bei der
Untersuchung ursprünglicher Gesellschaften viele Beispiele
fänden.
Totem und Tabu war das Ergebnis der Vorstellungskraft
seines Verfassers, und in neuerer Zeit hat die vergleichende
Verhaltensforschung (Ethologie), die die Psychologie mit der
Untersuchung des Verhaltens von Tieren verknüpft, genauere
Erklärungen für das Gruppenverhalten geliefert. Die grundlegende
Vorstellung vom Revierverhalten geht zurück auf das Werk des
Nobelpreisträgers Konrad Lorenz, der aus den bei der
Beobachtung von Tieren in Freiheit und in Gefangenschaft
gewonnenen Erkenntnissen den Schluß gezogen hat, bei der
Aggression handele es sich um einen natürlichen «Instinkt», der
seine Energie aus dem Organismus selbst beziehe und sich
«entlade», sobald ihn ein passender «Schlüsselreiz» auslöse. Die
meisten Tiere allerdings verfügen seiner Ansicht nach über die
Fähigkeit, auf aggressive Angehörige der eigenen Art
beschwichtigend einzuwirken, und zwar gewöhnlich durch Flucht
oder durch sogenannte Demutsgebärden. Der Mensch, erklärte
Lorenz, habe sich anfangs ebenso verhalten, doch nachdem er
gelernt habe, Jagdwaffen herzustellen, sei es zu einer
Überbevölkerung gekommen. Nunmehr mußten die einen die
anderen töten, um ein bestimmtes Territorium zu verteidigen, und
die Verwendung von Waffen, die eine emotionale «Distanz»
zwischen Mörder und Opfer herstellten, habe die Demutsgebärde
verkümmern lassen. Seiner Überzeugung nach wurde auf diese
Weise aus dem Menschen, der als Jäger anderen Arten nachstellte,
um sich zu ernähren, ein aggressives Wesen, das Angehörige der
eigenen Art tötet.9
Robert Ardrey hat Lorenz' Vorstellung vom Revierverhalten
weitergeführt, um die Gruppenaggression erklären zu können. Da
Gruppen bei der Jagd erfolgreicher seien als einzelne, so Ardrey,
hätten sie gelernt, wie jagende Tiere auf einem allen gemeinsamen
Gelände miteinander zu jagen. Damit sei die gemeinschaftlich
ausgeübte Jagd Grundlage der gesellschaftlichen Organisation
geworden und habe dazu geführt, andere Menschen als
Eindringlinge anzusehen und zu bekämpfen.10 Ausgehend von
Ardreys Jagdthese haben Robin Fox und Lionel Tiger eine
Erklärung dafür vorgeschlagen, warum in der Gesellschaft Männer
die Führungsrolle übernehmen. Jagende Gruppen, heißt es bei
ihnen, mußten ausschließlich aus Männern bestehen, nicht nur weil
sie kräftiger waren, sondern weil Frauen eine (biologisch
begründete) Ablenkung bedeutet hätten; da Gruppen von Jägern,
um Erfolg zu haben, Führer benötigten und da sie über
Jahrtausende hinweg die für das Überleben unerläßliche Nahrung
beschafften, habe später eine aggressive männliche Führerschaft
den Charakter aller Formen gesellschaftlicher Organisation
bestimmt.11
Den Vertretern der ältesten Disziplin der Sozialwissenschaft,
der Anthropologie, waren die Theorien von Lorenz, Ardrey, Tiger
und Fox, die sich stark auf die Arbeit von Forschern auf dem
Gebiet menschlichen und tierischen Verhaltens stützen, wenig
willkommen. Die Anthropologie ist ein Zweig der Ethnographie,
die überlebende primitive Völker in ihren angestammten Gebieten
untersucht und, auf die Ethnographie gestützt, Erklärungen für
Ursprung und Wesen zivilisierter Gesellschaften zu liefern
versucht. Frühe Ethnographen wie Latifau und Demeunier hatten
im 18. Jahrhundert erklärt, der Krieg sei ein wesentliches Merkmal
der von ihnen untersuchten Gesellschaften, und mit ihrer Arbeit,
beispielsweise über die Indianer, lieferten sie Beschreibungen des
«primitiven» Krieges, die heute als einzigartig gelten.12 Aus der
beschreibenden Ethnographie wurde die Anthropologie, weil sich
im 19. Jahrhundert zunehmend Befürworter und Gegner der
Darwinschen Theorie auf diesem Gebiet tummelten. Damals kam
es zur großen Auseinandersetzung über die Frage, ob das
Verhalten des Menschen ererbt oder erworben ist, die bis auf den
heutigen Tag die Sozialwissenschaftler spaltet.
Eröffnet wurde die Debatte 1874 von Darwins Vetter Francis
Dalton, und schon bald wurde der Krieg zu einem besonderen
Untersuchungsgegenstand. Das war denen zu verdanken, die das
menschliche Verhalten als erworben ansahen; sie wollten, von der
Denkweise des 19. Jahrhunderts beeinflußt, den Nachweis führen,
daß die höheren Fähigkeiten des Menschen seiner niederen Natur
überlegen seien und die Vernunft ihn veranlasse, immer mehr
Formen des Sozialverhaltens zu entwickeln, die auf
Zusammenarbeit ausgerichtet sind. Es gelang dieser Schule, das
Hauptaugenmerk der anthropologischen Untersuchung auf den
Ursprung politischer Einrichtungen zu lenken; diese waren nach
ihrer Ansicht innerhalb von Familie, Sippe und Stamm, nicht aber
in deren Außenbeziehungen (wozu die Kriegführung gehört) zu
finden. Vertreter der Schule, die auf «Vererbung» setzten - weil sie
die These verfochten, Kampf sei das Mittel der Veränderung,
nannte man sie Sozialdarwinisten -, waren anderer Ansicht,
wurden aber an den Rand gedrängt.13 Ihre Gegner lenkten die
Diskussion auf die Frage, die sie als Schlüsselfrage ansahen,
nämlich die der Verwandtschaftsbeziehungen in primitiven
Gesellschaften, aus denen nach ihrer Auffassung alle höheren,
komplexeren Beziehungen nichtverwandtschaftlicher Art
entstanden waren.
Bei der Frage der Verwandtschaft ging es um die
Beziehungen, die zwischen Eltern und Kindern, Kindern
untereinander sowie ferneren Verwandten bestanden. Ebenso
unumstritten wie die Ansicht, daß solche Beziehungen der
Staatenbildung vorausgingen, war die Erkenntnis, daß es sich bei
Familie und Staat um unterschiedliche Organisationen handelte.
Die Schwierigkeit bestand darin, zu zeigen, auf welche Weise sich
aus der Familie der Staat entwickelt hatte und ob Beziehungen
innerhalb der Familie die innerhalb der Staaten bestimmten. Die im
wesentlichen liberale Haltung derer, die das Verhalten des
Menschen als erworben ansahen, benötigte Beweise dafür, daß sich
die Beziehungen innerhalb eines Staates durch rationale
Entscheidungen regeln und in Gesetzesform festlegen ließen.
Damit geriet die Anthropologie unter Druck; sie mußte Beispiele
für primitive Gesellschaften liefern, deren Verwandtschaftsmuster
die in der Politik neuzeitlicher liberaler Staaten üblichen
Beziehungen vorwegnahmen. Eine ganze Reihe von Belegen ließ
sich so oder so deuten, insbesondere solche, bei denen Mythos und
Ritual für eine Stärkung verwandtschaftlicher Bindungen und eine
Vermeidung von Gewalt sorgten. Bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts widmeten sich die Anthropologen nicht so sehr der
Frage, ob die Wurzeln menschlicher Beziehungen in der
Verwandtschaft zu sehen sind, sondern der Frage, ob die
schöpferischen Kulturen, die sie als Muster ausgewählt hatten,
spontan an verschiedenen Stellen entstanden waren oder sich von
einem ursprünglichen Zentrum an andere Orte ausgebreitet hatten.
Die Suche nach den Ursprüngen lief am Ende ins Leere,
denn man mußte einräumen, daß nicht einmal die «primitivsten»
der untersuchten Gesellschaften im Urzustand existierten. Sie alle
mußten auf die eine oder andere Weise - und sei es noch so
flüchtig - mit anderen in Berührung gekommen sein. Der sich lang
hinziehenden und insgesamt unfruchtbaren Debatte unter
Anthropologen setzte Anfang des 20. Jahrhunderts Franz Boas ein
Ende. Dieser in die Vereinigten Staaten ausgewanderte Deutsche
erklärte schlicht, eine Suche nach den Ursprüngen sei unergiebig.
Sofern sie nur gründlich genug suche, werde die Anthropologie
entdecken, daß eine Kultur jeweils nur auf ihren eigenen
Fortbestand bedacht sei. Da es sich dabei nicht um rationales Tun
handele, sei es sinnlos, frühe Kulturen nach historischen Belegen
für eine bevorzugte politische Form der Neuzeit zu durchforschen.
Der Mensch müsse die Freiheit haben, unter der größten Vielzahl
kultureller Formen frei zu wählen und sich für die zu entscheiden,
die ihm am meisten zusage.14
Diese Vorstellung, die als kultureller Determinismus bekannt
wurde, fand durch die Arbeit von Boas' Assistentin, Ruth Benedict,
weiteste Verbreitung. Ihr 1934 veröffentlichtes Urformen der
Kultur 15 wurde zum einflußreichsten Werk der Anthropologie,
selbst wenn man James Frazers elfbändiges Werk The Golden
Bough (1890-1915) einbezieht, mit dem die Aufmerksamkeit
weiter Kreise auf die Universalität menschlicher Mythen gelenkt
wurde.16 Benedict postulierte die Existenz zweier kultureller
Hauptformen: der autoritären apollinischen und der toleranten
dionysischen. Letztere war bereits 1925 von Margaret Mead, einer
jungen Schülerin von Boas, auf ihrer Reise in die Südsee
«entdeckt» worden. In ihrem Buch Jugend und Sexualität auf
Samoa hieß es, sie habe dort eine Gesellschaft vorgefunden, die in
vollkommenem Einklang mit sich selbst lebe und in der die Bande
der Verwandtschaft so sehr gelockert seien, daß man sie kaum
wahrnehme. Auch sei die Autorität der Eltern innerhalb der
Großfamilie aufgelöst, Kinder stritten sich nicht um den Vorrang,
und Gewalttätigkeit sei praktisch unbekannt. Meads Werk ist bis
auf den heutigen Tag für Feministinnen, fortschrittliche Pädagogen
und Vertreter eines moralischen Relationismus eine Art
Evangelium geblieben, ob ihnen das bewußt ist oder nicht.
Der kulturelle Determinismus beeindruckte auch Boas'
Kollegen in der angelsächsischen Welt, allerdings aus einem
anderen Grund. Die Briten, die dank der gewaltigen Ausdehnung
ihres Weltreiches auf dem Gebiet der Ethnographie führend waren,
erkannten zwar die Bedeutung dieser Theorie an, schreckten aber
vor ihrer intellektuellen Verschwommenheit zurück. Vor allem
störte sie die mangelnde Bereitschaft der Vertreter des kulturellen
Determinismus, einzugestehen, daß die Natur des Menschen und
seine materiellen Bedürfnisse ebenso bedeutsam sein können wie
die Freiheit, zu entscheiden, in welcher Kultur er lebt. Unter dem
Einfluß eines weiteren deutschsprachigen Auswanderers,
Bronislaw Malinowski, der seine ersten Untersuchungen ebenfalls
in der Südsee durchgeführt hatte, allerdings zehn Jahre vor
Margaret Mead, entwickelten sie einen anderen Ansatz, der als
struktureller Funktionalismus bekanntgeworden ist.17 Diese
schwerfällige Bezeichnung spiegelt die Verschmelzung zweier
Sichtweisen, deren erste vom Darwinismus und von der
Evolutionslehre geprägt war. Ihr zufolge ergibt sich die Form einer
Gesellschaft aus der Funktion ihrer «Angepaßtheit» - der Begriff
ist rein darwinistisch - an ihren Lebensraum. Das sei an einem
vergröbernden Beispiel dargestellt: daß Menschen Brandrodungs-Feldbau
betrieben, geht darauf zurück, daß sie in bewaldeten
Gebieten mit geringer Bodenfruchtbarkeit lebten, die aber dünn
besiedelt waren. Daher erschien es ihnen sinnvoll, für eine oder
zwei Ernten eine Lichtung freizulegen, Süßkartoffeln anzubauen,
Schweine zu mästen und dann weiterzuziehen. Die Fähigkeit
solcher Gesellschaften, an ihre Umgebung «angepaßt» zu bleiben,
wird jedoch durch ihre kulturelle Struktur aufrechterhalten, die auf
den ersten Blick einfach erscheinen mag, die sich aber dem
Ethnographen, der bereit ist, lange genug unter ihnen zu leben,
möglicherweise als erstaunlich vielschichtig enthüllt.
Die Vertreter des strukturellen Funktionalismus legten eine
weit detailliertere Analyse der Gesellschaft vor, als es denen des
kulturellen Determinismus erforderlich schien. Das Material, das
sie zusammentrugen, um zu zeigen, auf welche Weise die Struktur
die Funktion stützt, gehörte allerdings in die beiden bekannten
Kategorien, nämlich Mythos und Verwandtschaft. Über beider
Wechselbeziehung wurde in immer abstrakterer Sprache bis zum
Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus debattiert. Nach dem Krieg
nahm die Heftigkeit der Auseinandersetzung zu, als ein brillanter
Franzose, Claude Lévi-Strauss, in die Debatte eingriff. Ihm gelang
es, den Eindruck zu erwecken, als sei die Struktur weit wichtiger
als die Funktion, und ausgehend von Freuds Lieblingsvorstellung,
dem Tabu, machte er sich daran, das entsprechende
anthropologische Fundament zu schaffen, das die Psychoanalyse
nie hatte liefern können. Tatsächlich, so Lévi-Strauss, gebe es in
primitiven Gesellschaften ein vom Mythos gestütztes Inzesttabu.
Auf dessen Einhaltung werde insofern geachtet, als man zwischen
Familien, Stämmen und so weiter Mechanismen für den Tausch
eingerichtet habe, bei dem die Frauen das wertvollste Gut waren.
Durch die Entwicklung eines Tauschsystems habe man Gefühle
des Grolls und der Verstimmung beschwichtigt; die höchste Stufe
der Beschwichtigung sei der Austausch von Frauen gewesen, um
Inzest zu vermeiden.18
Erklärungen, auf welche Weise Gesellschaften stabil blieben
und sich am Leben erhielten, beherrschten von nun an die
Anthropologie. Zwar hatte man schon zuvor gewußt, daß
Streitigkeiten um Frauen die Hauptursache von
Auseinandersetzungen unter primitiven Völkerschaften waren;
doch niemand war bereit, sich mit deren Konsequenz, nämlich
Krieg, zu beschäftigen. Das war sonderbar, denn Lévi-Strauss
schrieb in den Jahren nach dem entsetzlichsten Krieg der
Menschheitsgeschichte, an dem viele führende Anthropologen, vor
allem der in seiner Zeit herausragende Brite Edward Evans-Pritchard,
teilgenommen hatten. Evans-Pritchard selbst hatte 1941
in Äthiopien einen Trupp wilder Stammeskrieger gegen
italienische Einheiten geführt, und die entsetzlichen Racheakte, die
die Äthiopier an ihren einstigen Kolonialherren verübten, riefen
Angstgefühle in ihm wach, die er für den Rest seines Lebens nicht
mehr loswurde.19
Der erste Anthropologe, der die kollektive Weigerung seiner
Kollegen, die Bedeutung des Krieges anzuerkennen, nicht mehr
mit ansehen mochte, war Harry Turney-High, der 1949 ein Buch
vorlegte, mit dem er bewußt Anstoß erregen wollte: Primitive
Warfare. Turney-High hatte, wie viele seiner Generation, seine
Untersuchungen unter Indianern durchgeführt, von denen einige zu
den kriegerischsten Menschen gehörten, die der Ethnographie
bekannt sind. 1942 verließ er die Universität, um in den Krieg zu
ziehen; er kam zur Kavallerie, just als diese im Begriff stand, für
immer von der Bildfläche zu verschwinden. Zweifellos haben das
Kavalleriepferd und die Bewaffnung des berittenen Kriegers die
Vorstellungskraft eines gebildeten Mannes angeregt und auf die
Anfänge hingewiesen, als der Mensch mit der Welt des Tieres in
Berührung kam. Alexander Stahlberg, ein Zeitgenosse
TurneyHighs und Angehöriger eines der letzten deutschen
Kavallerieregimenter, hat geschrieben, man müsse mit einer
Schwadron geritten sein, um die Faszination zu verstehen, die von
Pferden en masse ausgehe, denn das Pferd sei seinem Wesen nach
ein Herdentier.20
Das Exerzieren mit dem Säbel öffnete Turney-High die
Augen dafür, daß fast alles, was Ethnographen über Kriege
früherer Zeiten geschrieben hatten, unzureichend war: «Die
Beharrlichkeit, mit der Sozialwissenschaftler den Krieg mit den
Werkzeugen des Krieges verwechseln», heißt es im
Eröffnungskapitel, «wäre minder erstaunlich, wenn ihre Schriften
nicht eine... vollständige Unwissenheit über die Grundlagen der
Militärgeschichte zeigen würden... Es dürfte schwerfallen, im
Berufsheer zweitrangiger Mächte einen Unteroffizier zu finden,
der die Dinge so verworren sieht wie das Gros derer, die die
menschliche Gesellschaft analysieren.»21
Er hat recht. Noch heute sehe ich den Ausdruck des
Abscheus im Gesicht des hochberühmten Direktors einer der
größten Sammlungen von Waffen und Rüstungen auf der Welt, als
ich beiläufig erwähnte, daß Feldscher im Zeitalter des
Schießpulvers aus den Wunden von Soldaten häufig
Knochensplitter und Zähne von Kameraden herausholten. Er hatte
sich einfach nie Gedanken darüber gemacht, welche Wirkungen
die Waffen, über die er so viel wußte, auf die Körper der Soldaten
hatten, gegen die sie eingesetzt wurden. «Diese Haltung der
Zivilisten», erklärte TurneyHigh, «hat dazu geführt, daß in
Hunderten von Museumsvitrinen Waffen aus der ganzen Welt
ruhen, die man zwar exakt katalogisiert und ordentlich
gekennzeichnet, aber nicht verstanden hat.»22 Er war entschlossen,
den Anthropologen neben der düsteren und gewalttätigen Seite des
Lebens der von ihnen untersuchten Völker auch den Zweck der
von ihnen bei feierlichen Anlässen getragenen Waffen
klarzumachen, der darin bestand, Knochen zu zerschmettern und
Fleisch zu durchdringen. Wenn die Tauschmechanismen
zusammenbrachen, mit denen sie angeblich ihre
Verwandtschaftssysteme beständig im Gleichgewicht hielten,
waren die Folgen tödlich.
Turney-High bestritt nicht, daß manche der primitiven
Völker «vormilitärisch» gewesen seien, und war sogar bereit
einzuräumen, daß einige, wenn man sie sich selbst überließ, gern
eine so friedliche und produktive Lebensweise wählten wie
diejenige, die Margaret Mead angeblich in Samoa vorfand.23 Doch
beharrte er unerbittlich auf seiner These, Krieg habe es, von
einzelnen Ausnahmen abgesehen, überall und zu allen Zeiten
gegeben, und er stieß seine Kollegen gnadenlos mit der Nase
darauf. «Der Ethnograph hat nicht gezögert, nach bestem Wissen
alle Kulturzeugnisse, ob materieller oder nichtmaterieller Art, zu
beschreiben, zu klassifizieren und einander zuzuordnen. Auch hat
er nicht gezögert, den Krieg ausführlich zu behandeln, geht es
dabei doch um einen der wichtigsten nichtmateriellen Komplexe
des Menschen. Nur die Kernfrage ‹Auf welche Weise kämpft diese
oder jene Gruppe?› bleibt ausgeschlossen. Die Feldforschung hat
den Zukkerguß aufs genaueste betrachtet und dabei den Kuchen
übersehen.»24
Der zum Kavalleristen gewordene Anthropologe lieferte jetzt
in handfesten Portionen die ethnographische Beschreibung, wie
Gruppen kämpften. Mit einer großen Bewegung umfaßte er
Polynesien, das Amazonasbecken, das Land der Zulu, die
nordamerikanischen Ebenen, in denen die Indianer gelebt hatten,
die subarktische Tundra und die Wälder Westafrikas. In schaurigen
Einzelheiten beschrieb er dabei Kannibalismus, Folterung von
Gefangenen, Kopfjägerei, Skalpieren und rituelles Aufschlitzen
des Körpers, wo auch immer sie sich fanden. Er analysierte die
genaue Art des Kampfes in Dutzenden verschiedener
Gesellschaften; er beschrieb, wie die Bewohner der Neuen
Hebriden vor den versammelten Kriegern beider Seiten Kämpfer
für rituelle Zweikämpfe auswählten; wie die nordamerikanischen
Papago-Häuptlinge einige Männer zu «Tötern» ernannten und
andere beauftragten, diese im Kampf zu schützen; wie die
Assinboin im Krieg die Führerschaft derjenigen anerkannten, die
vom Sieg über einen ihrer Gegner geträumt hatten; und wie bei den
Irokesen eine Art Feldgendarmerie dafür sorgte, daß Drückeberger
in einer kämpfenden Truppe bei der Stange blieben. Mit
erbarmungsloser Anschaulichkeit stellte er dar, welche
Auswirkung Speer, Pfeil, Keule und Säbel auf das menschliche
Fleisch haben. Um sicherzugehen, daß kein empfindsamer Kollege
der Vorstellung ausweichen konnte, wie eine Waffenspitze aus
Feuerstein gewirkt haben mag, wies er darauf hin, daß deren
direkter Abkömmling das Bajonett sei. Die Entwicklung dieser
Waffe, erklärte er, sei in der Geschichte für die Tötung von mehr
Menschen verantwortlich als alle anderen Waffen zusammen.25
Mit all dem wollte Turney-High selbstverständlich mehr
erreichen, als lediglich der Anthropologie Belege dafür zu liefern,
daß sich der frühe Mensch die Hände blutig gemacht hatte. Der
springende Punkt für ihn war, daß die meisten der von den
Ethnographen mit Vorliebe untersuchten Gesellschaften «unterhalb
des militärischen Horizonts» existierten; ins Zeitalter der Moderne
träten sie aber erst, wenn die Sonne ihrer Zukunft über diesen
Horizont aufgehe. Mit einem Schlag stellte er alle theoretischen
Erwägungen derjenigen in Frage, die den kulturellen
Determinismus und den strukturellen Funktionalismus vertraten,
einschließlich der Theorien von Lévi-Strauss (dessen folgenreiches
Werk Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft ebenfalls
1949 erschienen war). Kühn behauptete Turney-High, es sei
sinnlos, in irgendeiner Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen
Kulturen, in einer strukturellen Anpassung an den Lebensraum
oder in einer mythischen Handhabung von Tauschsystemen die
Ursprünge des liberalen Staates zu suchen. Alle auf jener Stufe
stehenden Gesellschaften, erklärte er mit Nachdruck, seien bis ans
Ende der Zeit dazu verdammt, im Zustand der Primitivität zu
verharren. Erst wenn eine Gesellschaft von der primitiven
Kriegführung zu einer (wie er es nannte) wahren oder zivilisierten
Kriegführung voranschreite, könne ein Staat entstehen. Daraus
folge, daß erst nach der Entstehung eines Staates darüber
entschieden werde, ob er theokratisch, monarchisch, aristokratisch
oder demokratisch sei. Entscheidend für den Übergang vom
Zustand der Primitivität zur Moderne, so Turney-Highs
Schlußfolgerung, sei «das Auftreten des Heeres mit Offizieren».26
Da er den meisten Anthropologen auf den ersten Seiten
seines Buches ein geistiges Niveau unter dem von Unteroffizieren
bescheinigt hatte, kann es kaum überraschen, daß seine Kollegen
es ihm heimzahlten, indem sie sein Buch völlig ignorierten. Der
Politikwissenschaftler David Rapaport, der das Vorwort zur
zweiten Auflage (1971) schrieb, sah in dieser Reaktion eine
«‹systematische Unfähigkeit›, ein originelles Werk zu erkennen».27
Doch die Erklärung war weit einfacher. Die meisten begriffen, daß
man sie gekränkt hatte, und kehrten einer wie der andere dem
Urheber der Beschimpfung den Rücken. Die Reaktion wäre
verständlich, wenn Turney-Highs Buch heute auf den Markt käme.
Er vertritt nämlich unbeirrt den gleichen Standpunkt wie
Clausewitz, der den militärischen Rang einer Gesellschaft daran
maß, ob sie mit ihrer Kriegführung den Sieg anstrebe; die Mittel
dazu waren Gebietseroberung und Entwaffnung des Feindes. Doch
im Atomzeitalter (Turney-High verfaßte seine Arbeit, bevor die
Sowjetunion ihre erste Atombombe gezündet hatte) erscheint ein
Sieg à la Clausewitz auch den unsentimentalsten
Militärtheoretikern als äußerst fragwürdig, und es ist zweifelhaft,
ob viele von ihnen der Vorstellung des «zivilisierten» Krieges
folgen würden, die Turney-High vor vierzig Jahren entwickelt hat.
Dennoch bleibt es dabei, daß er zu seiner Zeit die Vertreter seiner
Zunft in Verlegenheit gebracht hat. Er wollte, daß sie darüber
nachdenken, wie aus den bei ihnen so beliebten staatenlosen
Gesellschaften durch Krieg die Staaten geworden waren, die für
die Kosten ihrer Feldforschung aufkamen, und er wollte sich nicht
damit abfinden, daß man ihm die Antwort verweigerte.
Tatsächlich bekam er eine Antwort - im Lauf der Zeit. Der
Druck der äußeren Ereignisse veranlaßte die Anthropologen, ihre
«Primitiven» auch als Krieger und nicht ausschließlich als
Menschen anzusehen, die sich gegenseitig Geschenke machten
oder Mythen erdachten. Am stärksten wurde der Druck in den
Vereinigten Staaten empfunden. Sie waren eine bedeutende
Atommacht, führten Krieg in Vietnam und spielten seit 1945 eine
führende Rolle auf dem Gebiet der Anthropologie. Die
Feldforschung von Ethnographen ist ungeheuer kostspielig, und so
mußten sich die meisten Wissenschaftler an den finanzkräftigen
Universitäten der USA nach Mitteln dafür umsehen. Da es ihre
Aufgabe war und ist, die tiefsten und ältesten Geheimnisse des
menschlichen Verhaltens zu erkunden, begannen ihnen die
Studenten der amerikanischen Universitäten, wo der Widerstand
gegen das Wettrüsten am stärksten ausgeprägt war, die ewige
Frage zu stellen: Was veranlaßt den Menschen zu kämpfen? Ist er
von Natur aus aggressiv? Hat es je Gesellschaften ohne Krieg
gegeben? Gibt es noch welche? Kann eine moderne Gesellschaft
den Weg zu einem dauerhaften Frieden beschreiten, und falls nicht
warum nicht?
Waren in den fünfziger Jahren lediglich fünf Aufsätze zur
Anthropologie des Krieges in wissenschaftlichen Zeitschriften
erschienen 28, so gibt es seit den Sechzigern eine wahre Flut. Die
altgediente Margaret Mead versuchte 1964, in einem Artikel mit
dem Titel «Warfare is only an invention» (Krieg ist eine bloße
Erfindung)29 Anhänger um die Fahne des kulturellen
Determinismus zu scharen. Eine neue Generation von
Anthropologen war allerdings nicht der Ansicht, daß die Dinge so
einfach seien. Neue Theorien machten sich breit. Eine davon war
die mathematische Spieltheorie, die bestimmten
Wahlmöglichkeiten in einem beliebigen Interessenkonflikt
Zahlenwerte zuwies und erklärte, am erfolgreichsten werde die
Strategie sein, mit deren Hilfe sich die höchste Zahl erreichen
lasse. Da die Spieltheorie auf der Ebene des Unbewußten
funktioniere, brauchten die Menschen nicht zu wissen, daß sie an
einem Spiel beteiligt seien; es gehe auch so weiter. Der «Lohn»
bestehe im Überleben derer, die am häufigsten die richtige Wahl
getroffen hätten.30 Diese Theorie versuchte lediglich, Darwins
Lehre von der natürlichen Zuchtwahl auf eine quantifizierende
Grundlage zu stellen; doch fand sie aufgrund ihrer Brillanz viele
Anhänger.
Andere beschäftigten sich mit der im Entstehen begriffenen
Ã-kologie, der Untersuchung der Beziehungen zwischen einer
Population und ihrem Lebensraum. Schon bald erkannten junge
Anthropologen, daß gewisse Begriffe der Ã-kologie, beispielsweise
die Ertragskraft, durch die die Bevölkerung in einem bestimmten
Gebiet auf dessen Nahrungsvorrat begrenzt wird, für sie von
großem Nutzen sein konnten. Konsum bedeutet
Bevölkerungswachstum, dieses führt zu Wettbewerb, dieser ruft
Konflikte hervor und so weiter. War der Wettbewerb selbst die
Kriegsursache? Oder war umgekehrt der Krieg durch seine
«Funktion», die Bevölkerung zu vermindern oder die Besiegten
aus dem Konfliktbereich zu vertreiben, eine Ursache an und für
sich?
So hätte man noch lange weiter über die ausgetretenen Pfade
von «Ursprüngen» und «Funktionen» ziehen können, wenn nicht
zweierlei die Geschwindigkeit und Richtung geändert hätte. Zum
einen widmete die Anthropologische Gesellschaft Amerikas bei
ihrem Jahreskongreß 1967 der Frage des Krieges ein Symposium,
bei dem endlich die von Turney-High gemachte Unterscheidung
zwischen «primitivem» und «wahrem» oder «zivilisiertem» Krieg
(inzwischen nannte man ihn «modernen» Krieg) akzeptiert wurde -
achtzehn Jahre, nachdem er sie vorgeschlagen hatte.31 Zum
anderen kehrten von 1960 an Anthropologen, die Turney-Highs
Erkenntnis stillschweigend akzeptiert und sich aufgemacht hatten,
mit seinen Augen nach primitiven Kriegern zu suchen, mit neuen
Ergebnissen von ihren Expeditionen zurück.
Selbstverständlich herrschte noch immer keine Einigkeit
darüber, wie Krieg zu erklären sei, doch hatte man jetzt Krieger
beobachtet, die primitive Waffen - Speer, Keule, Pfeil -
verwendeten, und mit solchen Waffen waren zweifellos erstmals
Kriege ausgetragen worden. Man konnte darüber streiten, ob diese
einfach aus Holz bestanden oder mit Knochen- oder Steinspitzen
versehen waren, oder ob der Kampf zwischen Menschen, der sich
in irgendeiner Weise als Krieg bezeichnen läßt, erst durch die
Entwicklung der Metallbearbeitung möglich geworden war. Aber
nicht einmal die erbittertsten Gegner der Vorstellung, daß die
Technik das Wesen einer Gesellschaft bestimmt, konnten
bestreiten, daß Speer und Keule und sogar Pfeil und Bogen den
Schaden begrenzen, den Menschen einander im Kampf zufügen
können, insbesondere weil ihre Reichweite begrenzt ist.
Die Kriegführung von heutigen Menschen, die zum Kampf
weiterhin Speere, Keulen und Pfeile verwendeten, brachte
zumindest gewisse Erkenntnisse über das Wesen des Kampfes in
der Frühzeit. Kampf ist der Kern des Krieges, die Tätigkeit, bei der
Männer in größerer Zahl verstümmelt oder getötet werden, das,
worin sich Krieg von bloßer Feindseligkeit unterscheidet. Und hier
liegt auch der Grund für das moralische Problem: Ist der Mensch
gut oder böse? Entscheidet er sich für den Krieg, oder wird ihm
diese Entscheidung abgenommen? Die jungen Anthropologen, die
ausgezogen waren, um eine Antwort auf Turney-Highs
Schlüsselfrage «Wie kämpft eine bestimmte Gruppe?» zu finden,
brachten die ersten handfesten Beobachtungen von Kämpfen mit
einfachen Waffen mit und gewannen zumindest unter diesem
Aspekt Erkenntnisse darüber, wie der Krieg möglicherweise
entstanden war. Auf diesen Punkt ist in ihren Berichten zu achten.
Die folgenden Fallstudien werden entsprechend der jeweiligen
Entwicklungsstufe wiedergegeben; am Anfang stehen die
primitivsten Formen der Kriegführung.
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JN++
25.09.2003, 17:58
@ dottore
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Gewalttheorie und Illusionen |
-->Lieber dottore,
ich muß Dich mal ernsthaft etwas fragen: Warum quälst Du uns hier die ganze Zeit mit solchen Binsenwahrheiten?
Stehen wir nicht alle (od. zumindest die meisten) hier voller Bewunderung vor Deinem Meisterwerk des Debitismus und jetzt willst Du das alles verderben mit solchen armseligen Plattitüden über Staat, Gesetz und Gewalt?
Also das geht mir nicht in den Kopf rein.
Könnte es vielleicht sein, daß Du doch noch die Illusion hast, daß man Staat und Gewalt quasi abschaffen und eine"gerechte" (oder was immer Du darunter verstehst) Welt ohne Staat und Gewalt zu schaffen?
Ich will wirklich nicht darüber spotten, daß Du (jetzt endlich) die wahre Natur unserer Gesellschafts- und Lebensordnung erkennst, denn das ist ja eine erfreulicher Tatsache, aber es wäre wirklich schön, wenn Du uns (und Dir vor allem!) solche Peinlichkeiten wie"Gewalttheorie" u.ä. ersparen könntest. Denn der Meister dieser Theorie hat schon lange"fertig" (und das übrigens zum Glück):
"Das ursprüngliche Gefühl, das wir in uns tragen, ist der Kampf" - Adolf Hitler
Gegen den kommst Du 1. nicht an, wirst 2. damit keinen Blumentopf gewinnen und 3. ist das auch gar nicht (s. Geschichte) empfehlenswert für das persönliche Schicksal und Wohlbefinden.
Begnüge Dich mit dem was Du hast und sei froh, daß Du ein so friedfertiger Mensch bist, daß Du von Macht, Gewalt und Krieg gerade mal einen Schimmer von Ahnung hast.
Deshalb nochmal meine herzliche Bitte: Erspar uns allen das!
Besten Gruß,
JN++
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dottore
25.09.2003, 18:10
@ Helmut
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Re: Es ging mir nicht um Aggression, sorry |
-->Hi Helmut,
vielen Dank. Die Freud'schen Gedanken sind zweifellos vom Krieg beeinflusst und insofern die ganze"Wo-kommt-der-Krieg-her?"-Folge-Debatte.
Darum geht's mir indes nicht, also nicht um den"ausgeführten" Krieg, sondern um den"nicht ausgeführten". Nicht um das Resultat der Anwendung von Gewalt, sofern diese auf Gegengewalt trifft und sich die Schlachtfleder rot färben.
Sondern um die Anwendung von Gewalt in dieser Reihenfolge:
1. Der Bewaffnete ist dem nur"Starken" überlegen, der"Stärkere" unterliegt dem"geistig Überlegenen" (Freud - Produktivität der"Waffen-Intelligenz").
2. Es ist sinnvoller, die Gewalt nicht für einmalige Aktionen (Beute, Tötung) einzusetzen, sondern für das Abfordern von"nützlichen Dienstleistungen" (Freud) usw.. (Produktivität der Leistung durch Andere bei geringerem bzw, abnehmendem eigenen Einsatz).
3. Daraus sich ergebende Folgekosten der Machtausübung:"eigene Sicherheit" (Freud) des Mächtigen (= Investitionserfordernisse zu Lasten der Mächtigen ---> zusätzliche Abforderungen ---> zusätzlicher Widerstand, der sich entweder im Obsiegen der Gegengewalt äußern kann oder in laufend steigender Produktivität bei der Erstellung der"Dienstleistungen" usw. --->"Wachstum","Fortschritt").
4. Verzicht auf Gewaltausübung (Freud:"Verzicht auf brutale Machtbetätigung") ist"unvorteilhaft" (siehe Punkt 1).
5. Um die Machtausübung sowohl zeitlich als auch umfangsmäßig zu maximieren, muss der Machtinhaber sie monopolisieren, wobei er vorgibt, sie"abzuschaffen" (nochmals die"Entwaffnungs"-Passage von Freud).
6. Vor allem: Gewalt vor Recht. Ergo auch das unter Druck von bewaffnetem Zwang Erstellte / Geleistete (= Schuld) vor dem freiwillig-vereinbarlichen Geleisteten und Gegengeleisteten (= Tausch).
Gruß!
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Zandow
25.09.2003, 18:21
@ JN++
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Re: Gewalttheorie und Illusionen |
-->Hallo JN++,
seit Wochen bin ich in der Diskussion mit Anhängern der Ã-sterreichischen Schule und versuche dabei, die Eigentumstheorie von Heinsohn/Steiger sowie dottores Sicht der Dinge populär zu machen. Es ist schwierig, sehr schwierig. Das beste Argument, das ich bei dieser Diskussion habe ist, daß keine ökonomische Aktivität freiwillig erfolgt (z.B. die Mär vom Tausch), sondern auf Druck geschieht. Dazu ist die Gewalttheorie sehr hilfreich und überhaupt keine Peinlichkeit. Versuch Du mal die 'Peinlichkeiten' von Menger, Mises oder Rothbard zu widerlegen. Da muß man schon gute Argumente haben. Denk' mal drüber nach!
Herzliche Grüße, Zandow
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ottoasta
25.09.2003, 18:36
@ dottore
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Re: befreie die Männer......... |
-->... vom Testosteron und du wirst die friedlichsten Lämmer haben!
Nicht nur eine Theorie von Prof. Hesch, Konstanz! Link unten!
Gruss
Otto
<ul> ~ zum Hesch</ul>
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dottore
25.09.2003, 18:51
@ JN++
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Re: Leider keine ökonomische Binsenweisheit |
-->>Lieber dottore,
>ich muß Dich mal ernsthaft etwas fragen: Warum quälst Du uns hier die ganze Zeit mit solchen Binsenwahrheiten?
Hi JN,
das tut mir leid. Es sind zwar politische oder militärische, von mir aus auch psychologische Binsenweisheiten, aber keine ökonomischen. Ich kenne keine Wirtschaftstheorie, die mit dem der Ausübung von Gewalt (bewaffnetem Zwang) beginnt.
Damit müssten aber sämtliche Wirtschaftstheorien beginnen und nicht mit dem schalmeienhaften Friedens-Mix der Produktionsfaktoren"Kapital" und"Arbeit" (sog. Produktionsfunktion), wie er durch sämtliche Lehrbücher geistert.
Dass Krieg usw. aus Gewalt resultiert, ist bekannt.
Dass Wirtschaften ebenfalls aus bewaffnetem Zwang resultiert, bzw. überhaupt damit beginnt bzw. beginnen kann, ist dagegen neu!
Der bewaffnete Zwang schafft just jene Schulden, deren weitere Entwicklung der Debitismus sicher richtig beschreibt.
Bisher ging ich als Anstoß für diesen Ablauf von einer privaten"Erstschuld" aus.
Tasächlich ist es eine vom Ausüber und Monopolisten des öffentlich-rechtlichen bewaffneten Zwangs (Herrschaft, Staat) ausgehende, sich dann wie bekannt fortsetzende Verschuldung.
>Könnte es vielleicht sein, daß Du doch noch die Illusion hast, daß man Staat und Gewalt quasi abschaffen und eine"gerechte" (oder was immer Du darunter verstehst) Welt ohne Staat und Gewalt zu schaffen?
Es geht nicht um die Welt, das ist eh klar, sondern um das Phänomen Wirtschaften.
Klartext: Auch einen"Frieden" im Sinne eines braven Tauschens kann es niemals geben.
Es geht dabei nicht um den durchgeführten Kampf, sondern eben um den nicht gekämpften.
Würden Staat und Gewalt abgeschafft, würde sich by the way auch jegliches Wirtschaften sofort verflüchtigen (außer Produktionsversuche für den Eigenbedarf).
Da beides nicht verschwindet, muss also gewirtschaftet werden und dies - wie bereits ausführlichst diskutiert - von immer weniger unter immer härteren Konditionen und Stress für immer mehr.
Dass dies einem gigantischen nicht nur wirtschaftlichen Desaster zutreibt (binnen- und/oder außensozial) ist sonnenklar.
Nur sollten wir die Ursache dafür nicht in irgendwelchem"Nichtfunktionieren" irgendwelcher wirtschaftlicher"Systeme" suchen, sondern ausschließlich dort, wo sie liegt: beim Staat.
Zu machen ist da eh nichts, aber zu wissen, warum nichts (nie!) etwas zu machen ist, ist so schlecht auch wieder nicht.
Sorry fürs Langweile-Verbreitungs-DaCapo uuuuuuund
Gruß!
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R.Deutsch
25.09.2003, 18:53
@ dottore
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Gewalt ist immer mit Dummheit verbunden |
-->Dottore zitiert Freud:
"Interessenkonflikte unter den Menschen werden... prinzipiell durch die Anwendung von Gewalt entschieden. So ist es im ganzen Tierreich, von dem der Mensch sich nicht ausschließen solte..."
Das halte ich für einen kleinen Irrtum. Die Überlegenheit des Menschen ist eben gerade nicht auf Muskeln, sondern auf Hirn gegründet. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wenn Freud weiter schreibt:
"Der Tötungsabsicht kann sich die Erwägung widersetzen, dass der Feind zu nützlichen Dienstleistungen verwendet werden kann, wenn man ihn eingeschüchtert am Leben lässt."
So trifft er genau den wunden Punkt der ganzen Theorie, den er in dem folgenden Satz selbst richtig beschreibt:
[b]Dann begnügt sich also die Gewalt damit, ihn zu unterwerfen, anstatt ihn zu töten. Es ist der Anfang der Schonung des Feindes, aber der Sieger hat von nun an mit der lauernden Rachsucht des Besiegten zu rechnen, gibt ein Stück seiner eigenen Sicherheit auf."
Die Selbstmordattentäter sind die simple Antwort auf die dumme Gewalttheorie. Ein Imperium heute noch auf Gewalt gründen zu wollen, ist so ziemlich das Dümmste was man machen kann.
Moderne Herrschaft baut auf intelligente Täuschung auf (fiat money, Demokratie, Pressefreiheit etc.) und lässt die Untertanen sich selbst unterwerfen (unser Staat, Solidarität, Generationenvertrag, unsere Zentralbank etc.).
Freilich diese Art von Herrschaft ist schwieriger als brutale Gewalt und sie ist angreifbar durch Aufklärung.
Gruß
RD
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dottore
25.09.2003, 19:00
@ R.Deutsch
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Re: Es geht doch nicht ums Herrschaften, sondern ums Wirtschaften (s.u.) (owT) |
-->
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Bob
25.09.2003, 19:06
@ dottore
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Re: Nanu, was lesen wir denn hier? |
-->Jede rationale Geldrechnung und insbesondere daher jede Kapitalrechnung ist bei Markterwerb orientiert an Preischancen, die sich durch Interessenkampf (Preis- und Konkurrenzkampf) und Interessenkompromiß auf dem Markt bilden. Dies tritt in der Rentabilitätsrechnung besonders plastisch bei der technisch (bisher) höchst entwickelten Form der Buchführung (der sog. »doppelten« Buchführung) darin hervor: daß durch ein Kontensystem die Fiktion von Tauschvorgängen zwischen den einzelnen Betriebsabteilungen oder gesonderten Rechnungsposten zugrunde gelegt wird, welches technisch am vollkommensten die Kontrolle der Rentabilität jeder einzelnen Maßregel gestattet.
Die Kapitalrechnung in ihrer formal rationalsten Gestalt setzt daher den Kampf des Menschen mit dem Menschen voraus.
Und zwar unter einer weiteren sehr besondersartigen Vorbedingung. Für keine Wirtschaft kann subjektiv vorhandene »Bedarfsempfindung« gleich effektivem, das heißt: für die Deckung durch Güterbeschaffung in Rechnung zu stellendem, Bedarf sein. Denn ob jene subjektive Regung befriedigt werden kann, hängt von der Dringlichkeitsskala einerseits, den (vorhandenen, oder, in aller Regel, dem Schwerpunkt nach: erst zu beschaffenden) zur Deckung schätzungsweise verfügbaren Gütern andererseits ab. Die Deckung bleibt versagt, wenn Nutzleistungen für diese Bedarfsdeckung nach Deckung der an Dringlichkeit vorgehenden nicht vorhanden und gar nicht oder nur unter solchen Opfern an Arbeitskraft oder Sachgütern zu beschaffen wären, daß künftige, aber schon in ihrer Gegenwartsschätzung dringlichere Bedürfnisse leiden würden. So in jeder Konsumwirtschaft, auch einer kommunistischen.
In einer Wirtschaft mit Kapitalrechnung, also: mit Appropriation der Beschaffungsmittel an Einzelwirtschaften, also: mit »Eigentum« (s. Kap. I § 10), bedeutet dies Abhängigkeit der Rentabilität von den Preisen, welche die »Konsumenten« (nach dem Grenznutzen des Geldes gemäß ihrem Einkommen) zahlen können und wollen: es kann nur für diejenigen Konsumenten rentabel produziert werden, welche (nach eben jenem Prinzip) mit dem entsprechenden Einkommen ausgestattet sind. Nicht nur, wenn dringlichere (eigene) Bedürfnisse, sondern auch wenn stärkere (fremde) Kaufkraft (zu Bedürfnissen aller Art) vorgeht, bleibt die Bedarfsdeckung aus. Die Voraussetzung des Kampfes des Menschen mit dem Menschen auf dem Markt als Bedingung der Existenz rationaler Geldrechnung setzt also weiter auch die entscheidende Beeinflussung des Resultates durch die Ueberbietungsmöglichkeiten reichlicher mit Geldeinkommen versorgter Konsumenten und die Unterbietungsmöglichkeit vorteilhafter für die Güterbeschaffung ausgestatteter - insbesondere: mit Verfügungsgewalt über beschaffungswichtige Güter oder Geld ausgestatteter - Produzenten absolut voraus. Insbesondere setzt sie effektive - nicht konventionell zu irgendwelchen rein technischen Zwecken fingierte - Preise und also effektives, als begehrtes Tauschmittel umlaufendes Geld voraus (nicht bloße Zeichen für technische Betriebsabrechnungen).
Die Orientierung an Geldpreischancen und Rentabilität bedingt also, 1. daß die Unterschiede der Ausstattung der einzelnen Tauschreflektanten mit Besitz an Geld oder an spezifisch marktgängigen Gütern maßgebend werden für die Richtung der Güterbeschaffung, soweit sie erwerbsbetriebsmäßig erfolgt: indem nur der »kaufkräftige« Bedarf befriedigt wird und werden kann. Sie bedingt also: 2. daß die Frage, welcher Bedarf durch die Güterbeschaffung gedeckt wird, durchaus abhängig wird von der Rentabilität der Güterbeschaffung, welche ihrerseits zwar formal eine rationale Kategorie ist, aber eben deshalb materialen Postulaten gegenüber sich indifferent verhält, falls diese nicht in Form von hinlänglicher Kaufkraft auf dem Markt zu erscheinen fähig sind.
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ottoasta
25.09.2003, 19:07
@ ottoasta
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Re: falls ihr den Link nicht anklicken wollt, hier ein Abschnitt... |
--> MEN´S HEALTH
Kulturgeschichte der Sexualität des Mannes
Kulturgeschichtliches zum Rollenverständnis von Mann und Frau
R.D. Hesch
Nach einer Fernsehsendung im Süddeutschen Rundfunk,
einem Vortrag auf dem Internationalen Bodenseesymposium
und dem Internationalen Andrologietraining
Dieser Artikel enthält:
Die"Geschichte" des Mannes, Physiologisches zum Rollenverständnis
Tabuisierung der Frau
Gewalt gegen sich selbst
Gewalt gegen Andere
Physiologie der männlichen Sexualität
Die Rolle der männlichen Sexualität in unserer Gesellschaft, erektionsfördernde Prinzipien
Die Kontrazeption der Frau als Akt der Selbstbefreiung
Die Bedeutung erektionsfördernder Medikamente für die männliche Sexualität
Bedeutet die Einnahme von Viagra einen Rückschritt?
Bedeutet die Verwendung von Viagra für Frauen ein Mehr an zwanghafter Sexualität durch erektionsenthemmte Männer?
Fördert Viagra die (gemeinsame) Sexualität im Alter?
Ausblick
Kulturgeschichtliches zum Rollenverständnis von Mann und Frau
Die Geistes- und Kulturgeschichte der westlichen Gesellschaft ist fast ausschließlichen vom männlichen Einfluß geprägt. Erinnert sei, um nur einige Namen zu nennen, an Sokrates, Platon, Aristoteles, Paulus, Augustinus, Thomas, Luther, Kopernikus, Galilei, Bacon, Decartes, Newton, Locke, Hume, Kant, Darwin, Marx, Nietzsche, Freud. Auch die religiöse Basis, auf der sich alles entwickelt hat, ruht auf Männern:
Jesus, - dessen Leben und Wirken allerdings kaum noch etwas mit dem Macht- und Verwaltungsapparat zu tun hat, zu dem sich die katholische Kirche weltweit aus der Interpretation des Lebens Jesu entwickelt hat. Mohammed,- wobei der Islam in ähnlicher Weise wie die große christliche Kirche das Leben der Menschen und die Sexualität zur Machtausübung tabuisiert hat. Vorgezeichnet war diese Entwicklung schon im Alten Testament, zitieren wir Coolsaet:
„In der Genesis heißt es: „Gott schuf sie als Mann und Frau, zur Frau „sagt Jahwe: Deine Begierde wird dem Mann gelten und er wird Dich beherrschen.
Das ist klare Sprache von Männern. Interessanterweise kam die klare Trennung zwischen den Geschlechtern und all das, was direkt oder indirekt mit Sex zu tun haben könnte erst nach dem Exodus der Juden zustande. Der Vater durfte sich nicht länger dem Sohn nackt zeigen, der Penis durfte beim Wasserlassen nicht mehr angefaßt werden und so weiter. Zudem waren die Juden damals davon überzeugt, daß die Frau nur eine Art Brutkasten sei.. Im Christentum, das hier eine Fortsetzung der Judentum ist, spitzte Paulus die Lage noch ein wenig zu. Er predigte so viel wie den Verzicht auf Lust und Genuß. Die Lust wurde mit dem Satan gleichgesetzt. Der Koitus war nur ein Auftrag zur Fortpflanzung. Das ging soweit, daß, wenn keine Fortpflanzung mehr nötig oder erwünscht war, Kastration als Mittel zum Zweck akzeptiert wurde, im Geiste Gottes zu leben,- in der sog,. Josefsehe“.
Man braucht sich also nicht zu wundern, daß viele Männer immer noch Kastrationsängste haben. Freud hat diese zwar mit dem Oedipuskomplex erklärt, die Urangst des Mannes ist aber wesentlich gestiftet von Paulus., dessen „Thesen bis auf den heutigen Tag nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Haltung der Christen und er kirchlichen Hierarchie, auf die Sexualität haben. Der war Teufelswerk. Die Folgen einer solchen These waren für viele Jahrhunderte erschreckend. Im 7. Jahrhundert beschloß das Konzil von Soisson, mit überwältigender männlicher Mehrheit, daß Frauen die Seele eines Tieres haben“.
So tief mußte die verängstigte Männerwelt der ehelosen Kirchenfürsten die Frau erniedrigen, um ihre heterosexuelle Unfähigkeit zur Lehre werden zu lassen.
„Die Dominanz des Phallus ist in der römisch- katholischen Kirche tief verwurzelt. Dazu kommt noch der Sündenfall: Auch hier ist der Sex das Böse und wieder die Frau die Hauptschuldige. Man kann sich kaum vorstellen, welche sinnlosen Schuldgefühle ein solches Konzept zur Folge hatte.“
Diese Unterdrückung der Frauen hat nichts damit zu tun, daß Frauen weniger intelligent sind; Richard Tarnas sieht darin etwas Archetypisches, das wahrscheinlich schon vor den großen Religionsstiftungen bestand.
„Das männliche Element war allgegenwärtig und dominant, die Gattung Mensch ist in männlichen Worten weltweit ausgedrückt; der Mensch der westlichen Welt, ein prometheischer Held, der immer nach Freiheit und Fortschritt für sich selbst strebte und dabei im Grunde versuchte, sich von dem bergenden Zusammenhang, der ihn hervorgebracht hatte, abzugrenzen und ihn unter Kontrolle zu halten. Diese männliche Prädisposition war, wenngleich weitgehend unbewußt, nicht nur charakteristisch, sondern zentral und wesentlich für den Werdegang des westlichen Geistes.
Die treibende Kraft dieser Entwicklung war der heroische Impuls, durch den Abschied von der ursprünglichen Einheit mit der Natur ein autonomes und rationales Selbst zu schaffen. Die fundamentalen religiösen, wissenschaftlichen und philosophischen Perspektiven der westlichen Kultur wurden von diesem dezidiert männlichen Element geprägt. Beginnend vor 4000 Jahren mit dem Sieg über die matriarchalischen Kulturen in Griechenland und in der Levantine, sichtbar in der den Westen durch den jüdisch - christlichen Einfluß seither beherrschenden patriarchalischen Religion, in der rationalen Philosophie und in der objektivistischen Wissenschaft. Alles dient der Schaffung des unabhängigen individuellen Ichs als Idealbild des Menschen. Um dies zu erreichen, mußte der männliche Geist offenbar den weiblichen unterdrücken. Stets beruhte die Herausbildung des westlichen Geistes auf der Verdrängung des Weiblichen, der Verdrängung des undifferenzierten einheitlichen Bewußtseins, der participation mystique mit der Natur, der fortschreitenden Negation der Anima mundi, der Weltseele, der Gemeinschaft des Seins, des Allumfassenden, von Mysterium und Vieldeutigkeit, Phantasie, Gefühl., Instinkt, Körper, Natur und, vor allem - Frau:
Verdrängung von allem, was das Männliche projizierend als „das Andere“, das Neutrum identifizierte.
Wir werden zeigen, daß diese Verdrängung vorzugsweise aus der Angst des Mannes vor der Frau resultiert, woraus diese Angst gespeist wird und wozu sie führt.
Aber diese Trennung von Männlichem und Weiblichem weckt zwangsläufig die Sehnsucht nach dem Verlorenen. Und diese Sehnsucht nach dem Verlorenen erreicht ihren Höhepunkt genau in dem Moment, in dem das männlich - heroische Streben in Gestalt des spätmodernen, in seiner absoluten Isolation alle bewußte Intelligenz im Universum für sich beanspruchenden Geistes sein letztes Extrem erreicht hat: Der Mensch allein ist ein bewußtes intelligentes Wesen, der Kosmos hingegen blind und mechanistisch, Gott scheint tot. Der Mensch befindet sich in einer existentiellen Krise: Ein einsames, sterbliches und bewußtes Ich in einem völlig sinnlos und unzugänglichen Universum, das sich außerdem noch in einer psychischen und ökologischen Krise befindet. Diese Krise des modernen Menschen ist ganz wesentlich eine männliche Krise.
Wie Jung vorhergesagt hat, erlebt nun aber seit geraumer Zeit die zeitgenössische Psyche einen epochalen Wandel, eine Versöhnung der beiden großen Polaritäten, eine Vereinigung der Gegensätze, eine “heilige Hochzeit“ zwischen dem lange dominierenden, jetzt aber entfremdeten Männlichen und dem lange unterdrückten, jetzt aber aufstrebenden Weiblichen“ (Tarnas).
Wir sind sicher, daß es zu einem kulturgeschichtlichen Wandel der Biologie des Mannes kommen wird und genauso so wie die Pille die Frau aus der sexuellen Abhängigkeit des Mannes befreit hat, werden erektionsfördernde Mittel den Mann aus der Angst vor dem Versagen angesichts der Frau befreien.
Die „Geschichte“ des Mannes, Physiologisches zum Rollenverständnis
Die Geschichte des Mannes ist eine Geschichte der Versagensangst. Die sexuelle Erregung des Mannes mündet in der Erektion; diese ist ein äußerst labiles Geschehen; ihr Auftreten unterliegt kaum dem Willen, sondern hängt ab von der sexuellen Erregung. Diese ist ganz wesentlich das Ergebnis von komplexen Abläufen in unterschiedlichen Gehirnarealen, die zusammenspielen müssen. Hier hat das männliche Hormon Testosteron seine wesentliche Funktion. Sinnliche Eindrücke (Lust und Liebe) und körperliche Bereitschaft (Physiologie des Penis) müssen zusammenwirken, damit die Erketion zustande kommt und „aufrechterhalten“ (im wahrsten Sinne des Wortes) werden kann. Der Vorgang der Erektion ist ein wesentliches, wenn nicht das sinnstiftende Identifikationsmoment in der Biographie eines jeden Mannes. Das Erlebnis des Versagens hierbei ist das fundamentale Trauma in der Biographie des Mannes.
Ich bin der Meinung, daß für die westliche bestimmte Weltgeschichte die Menschheits,- d.h. Mannbegleitende Kulturgeschichte der Versagensangst des Mannes eine, wenn nicht die bedeutendste bisher nicht ausreichend gewürdigte Ursache von Gewalt, Vernichtung und Genozid ist.
Coolsaet sagt:
„Die Grundtendenz ist zweifellos die Angst vor der Frau („Der Mann an sich ist fundamental bange. Er fürchtet sich vor Frauen“, Bo Coolsaet: ZEIT 25,1998, 74).), vor ihr, die verführt und verschlingt“.
Weiter sagt Coolsaet:
„Die Frau wird unbewußt als von Natur aus dominant empfunden, sie muß also um jeden Preis, notfalls mit Gewalt und Unterdrückung, selbst beherrscht werden. Sexualität, sagt Augustinus, bedeutet die Vernunft zu verwerfen. Deshalb war die die Vorstellung einer idealen, unbefleckt - empfangenden, sozusagen sexlosen Mutter in der Person der Jungfrau Maria notwendig,“, um die Angst vor der Frau endgültig loszuwerden. Diese konnten dann auch die Kleriker angstlos verehren, die normale Sexualität wurde zur unwürdigen Ausnahme tabuisiert und der Moralkontrolle unterworfen, da war sie dann wieder die Angst vor der normalen Lust.
Aus der Versagensangst aber vor der sanfteren Sexualität der Frau, die keinerlei demonstrativen Charakter hat, aus dieser Versagensangst sind zwei verhängnisvolle Entwicklungen entstanden, die Tabuisierung der Frau und die Surrogatentwicklung.
Tabuisierung der Frau
Schon früh im Rahmen der Entwicklung von patriarchalischen Gesellschaften ist es durch die Besetzung der Frau mit Angst zu einer Tabuisierung der Frau gekommen. Nach der Tabuisierung war es dann das Recht des gestörten Mannes, das Tabu zu durchbrechen und zwar mit auch Gewalt, „ die Frau sei dem Manne untertan“, eine Lizenz zur Gewalt, Gewalt beherrscht immer wider die Sexualität von Männern bis in unsere heutigen Tage.
Sexualität als Tabubruch bis hin zur Unterdrückung der Frau über Jahrhunderte (Verbringen ins Kloster), bis hin zur Vergewaltigung als Tabubruch, Erniedrigung (Beschneidung in Afrika und Arabien, heute ein Problem, das neben AIDS zur höchsten Sterblichkeit der Frau in Afrika durch Depression führt wie der neuste UNO- Bericht herausstellt), ferner Ausschluß aus der Gesellschaft (das Wahlrecht haben die Frauen in westlichen Gesellschaften erst seit kurzer Zeit), am schlimmsten ist der Gewaltsex erwachsener Männer durch Vergewaltigung von Kindern; nicht selten der eigenen; Sex mit Frauen anderer Rassen: impotente Männer fliegen nach Asien, um dort Frauen gegen Geld zu vergewaltigen, neuerdings werden solche Frauen hier her geschafft für den gleichen Zweck.
Da Sexualität dem Bereich des Unwillkürlichen zuzuordnen ist, - wir werden darüber noch reden,- hat das androgengeprägte Gehirn, das die Sexualität eben nicht rational kommandieren kann, den Konflikt des Versagens unterdrückt durch Tabuisierung der weiblichen Seele und des Körpers der Frau; wir reden von Pornographie: in Sexfilmen wird immer wieder auf unterschiedlichste Art und Weise bis hin zum Waffengebrauch die Allgegenwart einer funktionierenden Erektion vorgetäuscht oder mit Gewalt erzwungen.
Theweleit hat im ersten Band seines 2- bändigen Werkes „Männerphantasien“ die Mechanismen aufgezeichnet, mit welchen faschistoide Gesellschaften Frauenrollen - und Frauenbilder entwickeln, die Frau, das andere, wird zum Benutzungsobjekt ritualisiert.
Gewalt gegen sich selbst
Masturbation als individuelle Triebentladung beim Jungen und erwachsenen Mann ist ein allgemeines Phänomen in der männliche Biologie und nichts negatives. Masturbation läuft neben der normalen Sexualität bei vielen ungestörten Männern ab.
Interessant ist, daß Collegstudenten im Alter zwischen 16- 20 Jahren häufiger masturbieren als vergleichbare Jugendliche, die im Arbeitsleben stehen wie die Kinsey Studie ermittelte.
Aber auch dieser normale Vorgang wurde von sexuell gestörten Männern tabuisiert, am verhängnisvollsten wirkten sich Untersuchungen des Arztes Tissot über lange Zeit aus. Dieser erfand wegen der behaupteten krankmachenden Schäden durch Onanie ( am schlimmsten die Rückenmarkdarre, etwas, das ich in meiner Jugend noch zu hören bekam), entsetzliche Instrumente, die naturgemäß den gesunden Gebrauch des Penis tief im Unbewußten eines jeden Kindes nachhaltig stören konnten.
Sexuell gestörte, impotente Männer benutzen allerdings nicht selten perverse Masturbationstechniken als Ersatz der partnerschaftlich - weiblichen Liebesbeziehung aus Angst vor dem Versagen. Perverse Surrogatbefriedigung ist eine der verhängnisvollsten Entwicklungen in der männlich geprägten westlichen Weltgeschichte, weil sie die Gewalt gegen sich selbst und eine perverse Scham begründet. Das Erlebnis des Versagens und die Unfähigkeit damit umzugehen führt zu bestrafender Gewalt gegen sich selbst, Unterordnung unter Gewalt durch andere, „dort seinen Mann stehen“, „ denen zeig ich’s“ (Fremdenlegion, Krieg, Karriere, Torturen, Entbehrungen).
In unserer modernen Gesellschaft sind allerdings die Schranken des Perversen recht weit geworden und vieles, was früher pathologisch war, wird heute teils in der Ã-ffentlichkeit geduldet,- einer eine erfreuliche Entwicklung, die den Mann den Zwängen einer fragwürdigen Moral befreit, aber auch eine kritische Entwicklung, weil „ je mehr sich die Sexualität im öffentlichen Raum oder in der intimen Situation vom Primärsexuellen, von der individuellen Lust und dem spontanen Verlangen entfernt, so behaupte ich, desto häufiger ist mit sexuellen Störungen einschließlich erektiver Schwäche zu rechnen ( Kurt Starke, 1997). Der öffentliche Sex, der in den Medien eine allgegenwärtig funktionierende Erektion suggeriert, ist eher angsteinflössend als befreiend. Die Gesellschaft soll eine lustvolle Sexualität tolerieren, die Ã-ffentlichkeit soll aber keine Trugbilder einer maschinenhaften männlichen Sexualität vermitteln, eine Entwicklung, von der man befürchtet, daß sie in gewissenlosen Industrieeinfluß und Kommerz geraten kann.
Gewalt gegen Andere
Ich habe nach all meinen Beobachtungen und Studien vieler Biographien von Männern keinen Zweifel daran, daß die früh gestörte Sexualität von Jungen die Reifung der normalen sexuellen Entwicklung so tiefgreifend stört, daß einen normale Beziehung zur Frau später nicht möglich ist, Erektion, wenn sie denn funktioniert als Instrument der Gewalt und wenn sie nicht funktioniert der Surrogatgewaltausübung dient. Schikane im Beruf, Unterjochung, Krieg gegen andere Versager, Qualen, Folter und Bestrafung von anderen, die eventuell kein Surrogat brauchen („Andersdenkende“), bis hin zu Ausrottung (Genozid).
Es rächt sich aber, die Frau über Jahrtausende zu unterdrücken, sie ist es, die die nächste Generation der Jungen wesentlich aufzieht.
Pilgrim hat in seinem Buch „Muttersöhne“ die Frage gestellt: Was veranlaßt Männer Gewalttaten zu begehen, Blutbäder anzurichten, die Welt zu zerstören?“ Er entwirft die These, daß es die Muttersöhne sind, die dies tun, die Söhne der gequälten und früh verlassenen Mütter, die mangels eines funktionierenden Vaters keine Geschlechtsidendifikation erfahren können. Daß die Frau ihren Sohn an sich binden muß, ist eine Verzerrung ihres Verhaltens, die ihr die Männergeselschaft zugemutet hat und der Muttersohn wird diese Rache in mehr oder weniger gestörte Sexualität umsetzen, weiblich darf er nicht werden, männlich kann er nicht werden, er bleibt zeitlebens gestört.
Theweleit hat im 2. Band seines Werkes „Männerphantasien“ eine beängstigende Analyse des Massenphänomens Mann als Gewaltträger gegeben bis hin zur Flucht in homosexuell gefärbte Männergewalt.
Das 20. Jahrhundert war in der Geschichte der Menschheit das Jahrhundert mit den größten Genoziden, die Gewaltherrscher allesamt bis in unsere heutigen Tage (Saddam Hussein, Ceaucescu, Pinochet, Miloszewich,) tief sexuell gestört. Selbst große demokratisch Regierende haben profunde Sexualstörungen (Willy Brand, Bill Clinton). Die gegenwärtigen Blutmänner sind Tiefkühldiktatoren. Ihr Tun und Trachten ist eingefroren in demokratisches Gehabe, ihre Aktionen werden mit ökonomischen Erfordernissen und mit politischen Notwendigkeiten maskiert, die Blutspuren im Balkan und in Rußland sind solcher Art.
Die Menschheit wandert auf einer Gradwanderung zwischen der mehr oder weniger gestörten Sexualität ihrer Regierenden und Herrschenden.
Physiologie der männlichen Sexualität
Biologisch gesehen ist Sexualität die Voraussetzung für Fortpflanzung; sie kann aber auch ohne dieselbe ablaufen und das ist heute vorherrschend (Verhütung). Unter der Sexualität des Mannes verstehe ich die Lust, alleine oder mit einem Partner sexuellen Kontakt zu haben und erfolgreich Lust zu erleben und auszuleben. Die so bezeichnete Lust nenne ich Libido. Potenz ist die Kraft der Lust zur Ausübung der Sexualität, Erektion ist die körperliche Erregung, die mit einer Mehrdurchblutung des Penis einhergeht, der sich durch die Blutfülle aufrecht stellt.
Erektile Dysfunktion ist die komplexe Störung von Libido und neurovaskulärer Regulation von Tumeszenz und Rigidität des Penis, die über längere Zeit anhält.
Ich gebe diese Definition absichtlich, da Zilbergeld noch 1993 sagt, es gäbe „ immer noch keine allseits akzeptierte Definition, was eine Erektionsstörung überhaupt sei“, versuchen wir es doch mit meinem Vorschlag, sonst wissen wir ja am Schluß gar nicht worüber wir reden.
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand wird die Sexualität des Mannes durch drei wesentliche Elemente gesteuert:
Primär bedarf es einer androgengesteuerten neuronalen Vernetzung des männlichen Gehirns, damit dieses männliche Lust entstehen lassen und erleben kann; diese Hormonsteuerung anders ist als die des weiblich geprägten Gehirns. Die Identität der männlichen Prägung des Gehirns und der männlichen Lust wird durch Testosteron, das Hodenhormon, bestimmt. Diese Gehirnprägung und die permanente Präsenz von Androgenen im Gehirn ist für die männliche Sexualität fundamental.
In bestimmten Regionen des androgengeprägten Gehirns kommt es bei sexueller Reizung durch unterschiedliche sexuelle Reizqualitäten zur einer Erregung typischer Zentren. Diese neuronale Erregung des Gehirns programmiert die Organisation wichtiger vegetativer, hormonaler und vaskulärer Abläufe, die darauf abzielen, Emotion und körperliche Funktionen in Richtung eines sexuellen Erregungsablaufes zu stimmen.
Teil des sexuellen Erregungsablaufs ist die Erektion. Es ist klar, daß der sexuelle Erregungsablauf beim Mann (wie übrigens auch bei der Frau) ein komplexes Geschehen ist. Die Erektion ist dabei ein wünschenswerter Zustand, um einen Geschlechtsakt abzuschließen, aber kein notwendiger Vorgang für lustvoll empfundene Sexualität (sexuelle Bedeutung). Für den Mann hat die Erektion im Laufe der westlichen Kulturgeschichte die Bedeutung eines notwendigen Ereignisses beim sexuellen Erregungsablauf erlangt¸ damit ist der Anspruch an ihre Präsenz entstanden (kulturelle Bedeutung).
Die Erektion ist ein Vorgang, der im Gehirn in den Regionen codiert ist, in denen das Unwillkürliche programmiert wird, damit hat sie wesentlich zwei Komponenten:
Die Biographie: die Erektion entspricht dem Lebensstil des Mannes, damit der Maturation der Persönlichkeit, der jeweiligen Sexualität und der erektiven Disposition.
Die Psychologie: Wesentlich hängt die Erektion von der Emotion, von der aktuellen Lebenssituation ab ( Partner, Ambiente, Stimmung, Gesundheit von Schlaf und Körperfunktionen)
Die Erektion, - da sie im Unwillkürlichen programmiert wird,- entzieht sich komplett dem Willen des Mannes., ein entscheidendes Moment überhaupt.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Daten zur Frage wie der Mann seinen Penis betrachtet, ferner neuere Daten zur Ausstattung des Penis, die geeignet sind mit vielen alten Vorurteilen aufzuräumen:
Die Penisgrösse im Alter hat nach neueren Untersuchungen damit zu tun, wie häufig der Penis erigiert wird und dies hat etwas mit der hormonalen Gesundheit zu tun, ob die Häufigkeit des Samerergusses schützend gegen Prostatkrebs ist, ist eine interessante Überlegung.
Wir wissen heute deutlich, daß sowohl die spontane nächtliche Erektion als auch die sexuell ausgelöst Erektion eine Abhängigkeit zur Androgenwirkung zeigen. Hormonale Gesundheit des Mannes ist immer auch Erektion, damit hat die Erektion auch die Funktion eines Barometers der Hodenhormonsekretion. Zeichen eines Androgenmangels ist beispielsweise eine Masturbation ohne Erektion (endokrine Bedeutung, Hormongesundheit). Erektionsfördernde Medikamente bedürfen der hormonalen Gesundheit zur vollen Wirksamkeit.
Die Rolle der männlichen Sexualität in unserer Gesellschaft, erektionsfördernde Prinzipien
Wir können nun untersuchen, welche Rolle die männliche Sexualität und ihre seit Jahrhunderten dauernde Störung in der gegenwärtigen Gesellschaft spielt
Das biologisch androgen geprägte Gehirn ist auf Aggression und Sieg, die Sexualität männlicher Lebewesen auf Macht, Besitz und Vollzug ausgerichtet; die wenigen matriarchalischen Gesellschaften, die dieses Prinzip nicht kennen, sind in der Evolution unterlegen.
Dieser evolutionäre Druck auf den Mann hat sich vor allem in seiner Sexualität festgemacht, mit besonderer Betonung der Erektion. Somit hat das evolutionsbiologische Bild der männlichen Sexualität seinen Fixpunkt in einer funktionierenden Erektion, was sich in der Erziehung eines Jungen zum Mann auch gesellschaftlich festmacht. Schlichtweg geht man deshalb davon aus: Der Mann kann immer, zu Luft, auf Erden, unter Wasser, im Krieg, in der Wüste.
Die kulturgeschichtliche Betrachtung zeigte uns, daß Männer in unterschiedlichem Ausmaß dieser Vorstellung nicht nachkommen können. Der bereits im Altertum verbreitete Gebrauch von Aphrodisiaka aller Arten beweist, daß, was fast als Naturgesetz galt, falsch sein muß. Trotzdem wird die Sexualität des Mannes immer mit dem Erfolg der Erektion in Zusammenhang gebracht; wer diese nicht bringt ist ein Versager! Versagen ist persönlich und gesellschaftlich ein fast nicht zu ertragendes Erlebnis und darüber hinaus seit Jahrhunderten außerdem ein Tabu.
Wir haben gesehen, daß viele Männer aus diesem Versagen heraus in Surrogaterlebnisse, die meist eine aggressive, entweder gegen sich selbst oder gegen andere gerichtet Komponente enthalten, selten findet dieses Versagen eine Sublimierung in der Kunst, häufiger in Depression. Dichter, Politiker, Diktatoren sind Beispiele für eine aus dem Versagen fehlentwickelte Sexualität..
Viagra bringt kulturgesellschaftlich eine Wende. Erstmals kommt es zu dem öffentlichen Eingeständnis, daß eine regelmäßig ablaufende Erektion nach der Vorstellung: „Mann kann immer“ ein jahrhundertelang gepflegter Schwindel an der Rolle des Mannes war, der diesen außerdem noch in eine unglückliches gesellschaftliches Rollenverständnis brachte. Jetzt zeigt sich, daß die Erektion neben der biologischen auch eine menschliche Komponente hat, daß sie Auskunft über die Befindlichkeit des Mannes anzeigen kann, seine Biographie und die der Partnerschaft, in der Sexualität stattfinden soll.
Die Möglichkeiten, die Viagra eröffnet, gestatten es dem Mann, die Erektion als eine Möglichkeit, aber nicht mehr als etwas Zwanghaftes zu erleben; eine Möglichkeit, von der man Gebrauch machen, sie aber auch lassen kann. Der Druck des Versagen fällt weg. Eine Erektion ist möglich, wenn sie gewünscht und nicht nur, wenn sie gebraucht wird. Eine der gesellschaftlichen Hauptwirkungen von Viagra könnte Gelassenheit sein, gelassener Umgang mit männlicher Sexualität. Der Zwang, fehlende Erektion in Perversionen zu suchen, dürften geringer werden. Wenig Hilfe bringt Viagra Kranken, deren perverse Sexualität auf dem Boden einer fehlgeleiteten Erziehung gewachsen ist, hier ist die Psychotherapie gefragt.
Die Kontrazeption der Frau als Akt der Selbstbefreiung
Die Verhütungspille hat die Frau in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts zum ersten Mal aus der verfügbaren Unterdrückung durch den Mann herausgeführt. Wie immer man auch diese Entwicklung analysiert, sie ist nicht zu trennen davon, daß die Frau jetzt über ihre Sexualität selbst verfügen kann und zwar unabhängig von Schwangerschaft und Stillzeit, sondern durch selbstgetroffene bewußte Entscheidung. Seitdem kommt beim Mann in noch stärkerer Weise wieder die alte Angst vor dem Versagen hoch.
Die kurze Phase des sanften Andienens hat sich in der harten westlichen Männergesellschaft nicht durchsetzen können. Trotzdem ist durch feministische, ökologische, archaische, gegenkulturelle und multikulturelle eine Bewegung in die Gesellschaft gekommen, die vor dem Versagen des Mannes vor sich selbst nicht mehr halt machen wird,- und zwar weltweit. Diese Entwicklung geht ebenfalls weltweit parallel mit einer Auflösung der Trennung zwischen weiblicher und männlicher Welt, dem Zusammenbruch der politischen und religiösen Blöcke, einer weltweiten Verständigungsmöglichkeit. Inwieweit die großen Religionen noch einmal die Menschheit in eine Krise stürzen und in welchem Ausmaß, kann noch nicht gesagt werden.
Ich bin aber der festen Meinung, das erektionsfördernde Medikamente den Mann aus dem biologischen Zwang zur erfolgreichen Erektion und aus der Angst vor deren Versagen ebenso befreien werden wie die Pille die Frau aus der Verfügbarkeit durch den Mann befreit hat. Freilich werden für diese Entwicklung einen Zeitraum von zwei Generationen ansetzen müssen, jede Spekulation ist daher heute verfrüht und die Gegner dieser These sollten sich dies auch zu Herzen nehmen.
Die Bedeutung erektionsfördernder Medikamente für die männliche Sexualität
Durch erektionsfördernde Medikamente kann die Potenz und damit die Erektion kontrolliert ins Bewußtseins übernommen werden, ähnlich dem Vorgang, der es Frauen gestattet durch empfängnisverhütende Maßnahmen ihre Fertilität zu steuern. Mit dieser Möglichkeit sollte die Urangst des Mannes, die Angst vor dem sexuellen Versagen des nicht steuerbaren Vorgangs Erketion, ein für alle Mal ein Ende haben. Der Mann kann sich öffnen und der Liebe und seiner Partnerin ohne diese Urangst zu begegnen. Die Legende „Mann kann immer“, die immer eine Lüge war, kann aufgegeben und durch die Chance ersetzt werden „Mann darf immer“, er kann, wenn man Lust hat, wenn beide Lust haben. Der Mann hat keine Angst mehr vor der Frau, er ist ein mündiger Partner in einer mündigen und funktionalen Sexualität.
Bedeutend erscheint mir auch, daß durch erektionsfördernde Medikamente eine bessere Synchronisierung der Liebe möglich ist.
Der Erregungsablauf beim Mann verläuft in einem kürzeren Zeitrahmen als der der Frau und mündet nicht selten in einer vorzeitigen Ejakulation. 60 % aller Frauen sollen bei dieser sexuellen Interaktion keinen Orgasmus erleben, da die Phasen der sexuellen Erregung bei der Frau in zeitlich längeren Wellen auftreten. Eine länger anhaltende Erektion und die fehlende Furcht vor ihrem vorzeitigen unwillkürlichen Ende, kann den Erregungsablauf des Mannes an den der Frau angleichen, durch geeignete Erziehungs- und Aufklärungsmassnahmen wird hierdurch langfristig eine neue Liebeskultur entstehen, deren partnerschafts- und gesellschaftsrelevante Folgen wir nur erst andenken können.
Die dadurch freigesetzten männlichen Möglichkeiten können und werden enorm sein und die Kultur des Zusammenlebens von Mann und Frau, aber auch der Gesellschaft, tiefgreifend beeinflussen. Es ist zu erwarten, daß sich die Verhaltenskultur des Mannes in den kommenden Jahren nicht nur gegenüber der Frau, sondern auch gegenüber anderen, vor allem älter werdenden Menschen in unserer Gesellschaft entscheidend verändern wird; Glück wird wichtiger als Macht. Dies ist sicher ein langsamer Prozeß, der sich auch durch Unkenrufe des Mißbrauchs durch unreife Menschen in seiner Gesamtentwicklung nicht beeinträchtigen läßt.
Was ein Glück für viele Männer, daß sie keine Pornographie mehr brauchen, kein SM, keine anderen Techniken oder Anregungen, um zu einer funktionalen Erektion zu kommen. Was für ein Glück für Frauen, daß sie einen mündigen Partner und keinen ängstlichen „Schlappschwanz“ an ihrer Seite haben, den sich fürchten müssen.
Bedeutet die Einnahme von Viagra einen Rückschritt?
Im Gegenteil, Viagra ist ein Fortschritt in der biologischen und gesellschaftlichen Befreiung der männlichen Sexualität.
Hinter uns liegen die Zeiten der unaufgearbeiteten Probleme des Mannes mit der Störung seiner Libido, die andere Ursachen hat als die Störung der Erektion. Seit dem Mittelalter mit seiner kirchlichen Prägung von männlicher Macht und Sexualität beobachten wir eine fehlgeleitete Erziehung heranwachsender Jugendlicher und Männer durch Unterdrückung der männlichen Sexualität wie wir das an der Masturbation gezeigt haben. Wie die Befreiung der weiblichen Sexualität durch die Pille kann Viagra ein erster Schritt zu einer mündigen Sexualität für den Mann werden. Die Angst nicht mehr zu versagen, nicht mehr zu müssen, sondern dann zu können wenn ich will, führt zu Gelassenheit und nicht zu Vergewaltigung. Die Vorstellung, mich in Ruhe der Liebe widmen zu können und nicht auf meine Erektion achten zu müssen, hat etwas Befreiendes.
Bedeutet die Verwendung von Viagra für Frauen ein Mehr an zwanghafter Sexualität durch erektionsenthemmte Männer?
Diese Gefahr sehe ich als Randerscheinung, die aber nicht ignoriert werden soll. Viagra wird bei einer Randgruppe von Männern, die immer schon eine perverse Sexualität gepflegt haben, eine neue Variante ins Spiel bringen. Denken wir an den prominenten Politiker und Nobelpreisträger, die sich Frauen vorführen ließen, weil seine normale Sexualität nicht mehr funktionierte. Denken wir an ältere Männer, deren Machtbedürfnis verkommen ist und die Lust im Bordell suchen. Denken wir an brutale Ehemänner, die ihre Frauen vergewaltigen. In diesen Fällen ist Perversion und Brutalität aber durch eine fehlgeleitete Biographie hervorgerufen und besteht somit mit und ohne Viagra.
Alice Miller hat in ihrem Buch gezeigt, wie frühkindliche Gewalt durch Eltern zu einer profunden Störung des Verhaltens führen kann.
Vergewaltigung entsteht im Kopf und nicht im Bauch und ist die Folge einer androgenen Fehlsteuerung des Gehirns. Vergewaltiger werden erektionssteigernde Medikamente benutzen, der Drang zur Vergewaltigung entsteht aber nicht durch die Verwendung derartiger Mittel. Es ist Aufgabe unserer Gesellschaft, dieses Problem zu lösen, Viagra kann bei der Lösung des Problems eher helfen, als es zu verschlimmern. Zahlenmäßig wird es nicht zu mehr Vergewaltigungen kommen als bisher, die Zahl wird eher abnehmen.
Fördert Viagra die (gemeinsame) Sexualität im Alter?
In wenigen Jahren ist ein großer Teil unserer Bevölkerung über 60 Jahre alt; über die Hälfte dieser Menschen werden Frauen sein. Wir wissen, daß das Bedürfnis nach Liebe und Sexualität nie aufhört und auch nicht vor dem hohen Alter Halt macht. Trotzdem hat man in unserer Gesellschaft einen Verzicht darauf kultiviert und Sexualität im Alter tabuisiert. Schließlich gibt es noch andere Dinge im Leben, Beschäftigung mit dem Geistigen, Sexualität ist für junge Menschen reserviert, weil sie an die Fortpflanzung gekoppelt ist, also nichts für Frauen nach der Menopause; jüngere Menschen empfinden Sexualität im Alter abstoßend und anstößig.
Dies wird sich ändern, denn in einer Gesellschaft älter werdender Menschen gehören neben Vorsorgeprogrammen für die Gesundheit bis ins hohe Alter auch Hilfsmittel, die das Leben schön und genußreich gestalten. Der Verzicht auf Genuß im Alter ist etwas Unmenschliches, das häufig die Gesichter alter Menschen zeichnet.
Durch die Hormonersaztherapie älter werdender Frauen bis in das hohe Alter bleibt deren hormonabhängige Gesundheit und auch die Sexualität langfristig erhalten. Der Genuß an Gesundheit und Sexualität wird zu einem wesentlichen Element alter Menschen gehören. Natürlich müssen endlich auch Programm zur hormonabhängigen Gesundheit des Mannes auf den Weg gebracht werden. In diesem Bereich wird Viagra für den Mann, dessen Libido und dessen Liebesbedürfnis noch vorhanden ist, eine Bereicherung des Lebens mit seiner Partnerin bedeuten.
Ausblick:
Schließen wir also:
Das Tatsachen ist nun bekannt.
Die bisherigen Gesellschafts- Moral- und Erziehungsmodelle haben entlang der Geschichte der Menschheit bei der Lösung des fundamentalen männlichen Problems versagt, weil es eben kein gesellschaftliches, sondern ganz zu allererst ein biologisches Phänomen ist, dessen Vorhandensein als faktisch und unabänderlich galt. Die bisherigen Modelle haben nicht dort angesetzt, wo meiner Meinung nach biologisch und anthropologisch das Problem beginnt, sondern sie haben in unterschiedlichem Sinne eine postfaktische Problembewältigung angestrebt. Da es nie biologisch verstanden wurde, wurde über Jahrtausende eine Lösung im gesellschaftlichen Kontext gesucht. Die Geschichte hat uns „blutig“ gelehrt, daß diese Strategien nicht zum Ziele führen können.
Modelle der Enthaltung, der Tabuisierung, der Entsagung, der Regulierung, der Kontrolle, der Unterdrückung in unterschiedlichen weltanschaulichen, politischen und gesellschaftlichen Systemen haben alle versagt, fast keiner der Gesellschaftsentwürfe hat nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt. Die Geschichte lehrt aber, daß letztlich nur die Gesellschaftsverträge zum Fortschritt der menschlichen Grundnormen geführt haben, welche Befreiungskonzepte aus zwanghaftem Leid hervorgebracht haben.
Die alleinige Medikalisierung der Erektion als Life Style event darf natürlich nicht zu einer Trivialisierung der männlichen und partnerschaftlichen Sexualität führen, sondern es sind jetzt neue ästhetische und emotionale Erziehungsmodelle erforderlich, welche Genußsexualität als die intensivste Möglichkeit eines partnerschaftlichen Vertrauenerlebnisses und der gegenseitigen Verantwortung herausbilden, ferner sollte die Fortpflanzungssexualität eine angemessene gesellschaftliche Bedeutung wiedergewinnen, damit der Generationenvertrag auch in einer Gesellschaft mit einem größeren Anteil älterer Menschen sicher eingehalten werden kann
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dottore
25.09.2003, 19:22
@ Zandow
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Re: Tröstung |
-->Hi, Zandow,
ich war auch ein Mises-Fritze und der lupenreinste, den es gab. Als ich den zum Hundersten in der"Welt am Sonntag" überschwänglich gepriesen habe, zeigte mir der CR den Vogel (hat's aber fairerweise dann doch gedruckt). Hayek war für mich ein Linker (!) und der damalige Herausgeber der FAZ, Kollege Jürgen Eick schrieb mir entsetzt:"Aber der Mann hat doch Verdienste!" Mit Murray hatte ich schon in NY gesoffen und Ayn Rand war unsere Göttin.
Du ahnst ja nicht, wie schwer es damals war, ein"Ã-sterreicher" zu sein und ich war was für einer, lies meine Kolumnen in"Klartext" nach. Wer hat die"new economics" à la Thatcher & Reagan (mehr Marktwirtschaft, mehr Freiheit!) ununterbrochen bejubelt und die Linken in höchsten Tönen aufjaulen lassen - wenn nicht ich?
Tja, und je tiefer ich in Theorie und Historie gestiegen bin...
Dass ich"wirtschaftlich" so weit"rechts" (liberal, libertär) sei, dass Dschinghis links von mir stünde und rechts von mir nur noch die Wand, war damals ein geflügeltes Wort. Das lasse ich auch gerne weiter gelten.
Nur stimmen die gesamten Wirtschaftsteorien nicht (meine ursprüngliche inklusive). Denn gewirtschaftet wird ex Zwang und Schuld und nicht so locker-flockig eben mal so unterm Holunderbusch bei Schalmeienklängen, wenn sich freudig erregte Tauschende treffen.
Gruß!
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chiron
25.09.2003, 19:30
@ dottore
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Nicht ganz so intelektuell, aber.... |
-->Hallo Dottore
Ich versuchs mal mit einem anderen Ansatz.
Jede Art von Wachstum führt zu einer Schrumpfung an einem anderen Ort. Je mehr Wachstum, desto mehr Schrumpfung. Somit ist alles, was auf Wachstum ausgerichtet ist, eine"Kriegserklärung" an die, die darum zu kurz kommen. Wachstum ohne Waffen ist somit nicht möglich.
Ich weiss nicht, ob Du damit etwas anfangen kannst. Tatsächlich habe ich mich mit diesem Thema noch nie auseinandergesetzt, aber irgendwie scheint mir das intuitiv richtig zu sein. Somit wäre alles Wirtschaften, das auf Wachstum ausgerichtet ist, nur mit"Gewalt" möglich. Macht das Sinn?
Gruss chiron
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Zandow
25.09.2003, 19:32
@ dottore
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Ach du heilige Gurke |
-->Hallo dottore,
>Nur stimmen die gesamten Wirtschaftsteorien nicht (meine ursprüngliche inklusive).
Nehme an, hier ist die Urschuldtheorie gemeint. Und die hatte ich eben im Freundeskreise groß und breit vorgestellt. Nu steh ich aber da.
Macht aber nix. Ich werd's geschickt einarbeiten. Was besseres können mir meine Diskussionspartner eh nicht bieten.
Dank und Anerkennung, Zandow
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ottoasta
25.09.2003, 19:34
@ ottoasta
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Re: und nochmal was zur Gewalt von Männern... |
--> Der frühe Tod der Männer
-Theorie über die Gewalt des Mannes-
R.D. Hesch
Am 03. November 2000 fand in Wien der „Men’s World Day“ statt, eine Veranstaltung zu der Michail Gorbatschow, die Stadt Wien, die Uno und Medical Connection eingeladen haben. Bei der begleitenden wissen-schaftlichen Veranstaltung war mir das Thema aufgegeben worden darüber nachzudenken, warum der Mann etwa 7-8 Jahre früher als die Frau stirbt.
Altern und Tod sind zu wichtigen Themen der modernen Gesellschaft geworden, da sich vorzugsweise in der westlichen Gesellschaft, aber auch in Asien das mittlere Lebensalter der Menschen immer weiter nach oben erhöht. Die entsprechenden länderspezifischen Daten können aus dem UNO-Bericht zu diesem Thema abgerufen werden. Angesichts dieser zunehmenden Überalterung der Weltbevölkerung ist es ein Anliegen, die Gesundheit der älter werdenden Menschen mehr zu fördern als bisher, wobei es sich gezeigt hat, daß sowohl Männer als auch Frauen etwa in den letzten 10 Lebensjahren zunehmend an Störungen erkranken, deren Verursachung in der Jugend oder im mittleren Lebensalter gelegt wurde. Der „Prävention“ von Erkankungen wird daher eine zunehmende Bedeutung zukommen, insbesondere da die „Reparaturmedizin“ eine relativ geringe Effektivität zu den zunehmend ansteigenden Kosten hat (Abb 1).
Neben den Vorsorgemaßnahmen gibt es eine neue Richtung in der modernen Medizin, das „Antiaging“. Hierunter versteht man medizinische Interventionsmaßnahmen, die in der Lage sind, die Krankheitslast beim älter werdenden Menschen zu senken, also zu einer Kompression der Morbidität zu führen (Abb. 2, Gesund sterben“ unter www.hommage.de).
Obwohl man davon ausgehen darf, daß Antiaging-Maßnahmen auch zu einer Lebensverlängerung führen können, so gibt es doch zunehmend eine weitere Strategie moderner Medizin, nämlich die sogenannte „Life-Extension“, im wesentlichen vertreten durch US-amerikanische Aktivitäten mit dem Ziel, gesund zu altern, aber auch das Leben zu verändern (s. z.B. www.lef.org.). Lebensverlängerung wurde in den modernen Gesell-schaften vorzugsweise durch die großen Errungenschaften der Medizin und Gesellschaft erreicht und weniger durch die heute vielfach angepriesenen Maßnahmen, für die eine solche Wirkung überhaupt noch nicht bewiesen ist. Alle Maßnahmen der Life-Extension sind gegenwärtig in gleicher Weise wirksam für Mann und Frau. Soweit dies erkennbar ist, haben sie noch nicht dazu beigetragen, die Lücke zwischen der Sterblichkeit zwischen Mann und Frau in irgendeiner Weise zu beeinflussen.
nach oben
Im Stern vom 20. September 2000 hat Schuster, den ich dabei unterstützt habe, einen hervorragenden Artikel über den „Patient Mann“, also über die Vulnerabilitiät des männlichen Geschlechtes, über das Leben als Mann und über die Beziehung des Mannes zur Medizin geschrieben. Der Artikel ist gut recherchiert, läßt aber ebenfalls noch die Frage nach der frühen Sterblichkeit des Mannes offen (Abb. 3).
H. Raspe (Lübeck) hat sich zusammen mit E. Nieschlag (Münster) und H.M. Schulte (Hamburg) in zwei öffentlichen Dialogvorträgen Gedanken darüber gemacht, was die frühe Sterblichkeit des Mannes ausmachen kann (siehe www.hommage.de). Letztlich blieb auch in diesem Diskurs die Frage nach der früheren Sterblichkeit des Mannes offen. Eines ist aber klar, daß das Drama des männlichen Geschlechtes schon im Mutterleib beginnt, denn die männlichen Föten haben eine deutlich höhere Sterblichkeit als die weiblichen Föten, d.h. das männliche Geschlecht ist insgesamt offenbar „lebensschwächer“. Es geht immer zu Ungunsten des männlichen Geschlechtes aus, denn es läßt sich zeigen, daß dies sowohl für die natürlichen Todesarten, als auch für die nicht natürlichen Todesarten wie Unfälle und Selbstmorde gilt. Besonders bedeutsam ist, daß anhand zahEntwicklung bis in das Erwachsenenleben beeinflußt. Bei dieser Region handelt es sich um den sogenannten Mandelkern, die Amygdala (Abb. 14). Von der Amygdala weiß man sehr gut, daß dort das Erinnerungsvermögen für Angst abgelegt wird. Von dort werden Signale in die Rinde des Stirnhirns gesendet und Angstreaktionen z.B. in Gewalthandlungen umgesetzt (Garcia R: Nature 402 (1999);294). Schon seit längerem sind Neurobiologen der Meinung, daß es im Gehirn einen Bereich geben müsse, der für soziales Verhalten codiere und auch dieser Bereich wird in der präfrontalen Hirnrinde lokalisiert, also jenem Bereich der von der Amygdala angesteuert wird. Es konnte gezeigt werden, daß dieser Bereich bei zu Gewalt neigenden Männern kleiner ist, als bei Männern wo dies nicht der Fall war. Adrian Raine von der University of Southern California in Los Angeles ist wahrscheinlich der erste, der mit bildgebenden Verfahren ein „Gewaltzentrum“ in der Februarausgabe des Archives of General Psychiatry, beschrieben hat. Durch diese Untersuchungen sind wir ein großes Stück weiter gekommen auf dem Weg zu einem biologischen Verständnis wie Gewalt im Gehirn allgemein, aber speziell beim Mann entstehen kann.
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Es gibt also nicht nur genetische, hormonale und anatomische Differenzen zwischen gewalttätigen nicht nicht-gewalttätigen Männern, es läßt sich auch zeigen, daß das androgen-geprägte Gehirn entsprechend seiner eigenen, eben der männlichen Definition der Welt, die ihm gestellten Aufgagen völlig anders löst, als das weibliche, nämlich ohne Emotionen und ohne Rücksicht auf andere Personen (Abb. 15).
Eine bemerkenswerte Tatsache ist, daß das weibliche Gehirn eine viel höhere Vernetzung der neuronalen Strukturen, d.h. der miteinander zusammenarbeitenden Nervenstrukturen hat, als das männliche Gehirn. Zellkulturen von Gehirnzellen ohne Ã-strogene zeigen eine deutlich niedrigere Vernetzung (Abb. 16 links), als Zellkulturen denen Ã-strogen hinzugegeben worden ist. Neben dieser höheren Vernetzung des weiblichen Gehirns kommt auch noch hinzu, daß die rechte und die linke Hirnhälfte bei der Frau intensiv miteinander kommuniziert, während dies beim Mann nicht der Fall ist.
Nach dem heutigen Kenntnisstand formulieren wir also die Theorie, daß im Gehirn des Mannes spezifische, vom Y-Chromosom codierte Regionen vorhanden sind, in welchen Gewaltinhalte rezipiert, programmiert und zu Handlungen umgesetzt werden können. Die Art der Verarbeitung wird wesentlich von 2 Variablen reguliert (1) den von der Umwelt gelieferten emotionalen, cognitiven und sensorischen Informationsinhalten (Erziehung, Partnerschaft, Einflüsse, Stress, Bedrohung, auch Umweltgifte wie Nikotin, welches den Serotoninspiegel beeinflußt und Drogen) und (2) von der Höhe des biologisch-verfügbaren Androgens, wobei ab einer bestimmten Obergrenze die Gewaltbereitschaft durch minimale Anlässe ausgelöst werden kann. Androgene modulieren also die Schwelle des Gewaltzentrums. Dies ist aber sehr gut bekannt aus dem Doping, der Body-Building-Szene und wissenschaftlich eindrucksvoll in dem Buch „The Adonis Complex“ von den Psychiatern der Harvard Universität beschrieben.
Ein großes Forschungsgebiet der jüngsten Zeit ist die Beschreibung von „Bewußtsein“. Auch hier wird versucht, ein biologisches Verständnis darüber zu erhalten, wie sich das Erbgut, die Umwelt und die Biographie des Menschen zusammen mit dem Stoffwechsel und dem Hormonsystem im Gehirn zu einer bewußten Konstruktion der erlebbaren Welt organisieren.
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Die Interpretation der im Bewußtsein erlebten Welt ist im Androgen-geprägten Gehirn unterschiedlich von der im Ã-strogen-geprägten Gehirn. Kimura (Abb. 17) hat in sehr schönen Untersuchungen Denk- und Handlungsinhalte experimentell untersucht und festgestellt, daß diese vom männlich geprägten Gehirn und vom weiblich geprägten Gehirn unterschiedlich gestaltet werden. Frauen sind im Vorteil bei der Wahrnehmungsgeschwindigkeit ähnlicher Sinninhalte, während Männer im Vorteil sind in der Organisation des räumlichen Vorstellungsvermögens. Das weibliche Gehirn kann zusammenhängende Gegenstände besser erinnern und das männliche Gehirn die positionelle Zuordnung von Gegenständen leichter zuwege bringt. Die Frau ist im Vorteil bei Ideen- und Wortflüssigkeit, während das männliche Gehirn zielgerichtete motorische Fertigkeiten leichter zuwege bringt. Die feinmotorische Koordination ist beim weiblichen Gehirn besser, während das Auffinden einfacher Formen und Strukturen vom männlichen Gehirn leichter geleistet wird. Das weibliche Gehirn erledigt Rechenaufgaben, das männliche mathematische Schlußfolgerungen.
Dieser sexuelle Dimorphismus in der Evolution des Bewußtseins ist letztlich auch verantwortlich für die unterschiedlichen Handlungsstrategien von Mann und Frau. Der Mann setzt bei der gesellschaftlichen Gestaltung auf die Bildung von Hirarchien, während die Frau auf Kommunikation setzt. Männer ordnen sich vorzugsweise in einer Rangordnung, während für Frauen das Individuum die grössere Rolle spielt. Die Handlungsabläufe von Männern unterliegen Regeln, während Frauen auf eine Vernetzung der Interaktion ausgerichtet sind. Wenn in der Hirarchie und Rangordung Regeln verletzt werden, so greift der Mann bei der Lösung solcher Probleme vorzugsweise zur Gewalt, während die Frau Probleme in der Gesellschaft durch Diskurs und Beratung zu mildern sucht. Das männliche Gehirn neigt in Konfliktsituationen zu Unterdrückung, das weibliche zu Caritas. Der Mann ist bereit, wenn Rangordnung, Hirarchie und Regeln verletzt werden, zur Kriminalität zu greifen und er kann dabei eine Ethik begründen, die ihm auch sozusagen „guten Gewissens“ das Töten erlaubt, also eine normative Ethik. Die Frau neigt weniger zur Kriminalität, sie sucht die Sozialität, d.h. sie sucht die Aussöhnung der Gesellschaft, Frauen handeln nicht nach ethischen Wertesystemen, Frauen handeln moralisch.
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Als Beispiel für den sexuellen Dimorphismus in der Evolutionsbiologie des Verhaltens kann auf eindrucksvolle Weise der noch heute geübte Hahnenkampf in Bali herangezogen werden (Abb. 18). Hähne werden dort auf Gewalt dressiert, mit Messern ausgerüstet und aufeinander losgejagt, in einem Kampf auf Leben und Tod. Die Zuschauer sind immer Männer. Da man sich kaum vorstellen kann, daß man ein Huhn in dieser Weise abrichten kann, ist dieses Beispiel aus dem Tierreich besonders sinnfällig für die unterschiedlichen Handlungsstrategien der beiden Gehirne.
Wir brauchen aber nicht nur die Beobachtung von Gewalt im Tierreich, wir können in der gegenwärtigen menschlichen Weltbevölkerung noch alle Formen von Gewalt wirken sehen, von der archaischen bis zu der ultramodernen. Noch heute gibt es in Papua Guinea und bei den Massai Initiationsriten, bei welchen Jungen von älteren Männern auf das Männerleben vorbereitet wird. Dies geschieht immer entfernt von den Frauen, die Jungen müssen dabei grausame Torturen auf diesem Prozeß zur Mannbarkeit erleiden. Dies läuft heute noch in der gleichen Weise wie vor vielen Tausend Jahren ab. In der modernen Gesellschaft funktionieren diese Initiationsgewaltriten auf noch widerlichere Weise, weil sie keinen Bezug mehr zu einer Umweltnotwendigkeit mehr haben. Die Staatsgewalt, die jahrzehntelang vom Kommunismus weltweit ausgegangen ist und die viele Millionen Menschen das Leben gekostet hat, ist von der Geschichtslehre, der internationalen Rechtssprechung und der Intellektuellenwelt weitgehend ausgeblendet
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Bob
25.09.2003, 19:34
@ Bob
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Re: Das ist doch des Rätsels Lösung |
-->Hi,
Die Gewaltsamkeit, die laut dottore historisch am Anfang alles Wirtschaftens stehen muß, ist in Wirklichkeit einem jedem Tauschakt inhärent.
Das geht so: das Individuum verfügt über einen bestimmten Bestand an (materiellen) Tauschmitteln und über ein bestimmtes Gewaltpotential. Jetzt ordnet unser Individuum seine Bedürfnisse je nach Wichtigkeit in eine bestimmte Reihenfolge. Danach überlegt sich unser Individuum, wie man diese Bedürfnisse stillen kann. Es muß dabei berücksichtigen:
1. Welche Menge materieller tauschmittel aufgewendet werden muß, um ein bestimmtes Gut zu erlangen.
2. Welche Güter eventuell mit Gewalt zu erlangen sind.
3. Welchen"Preis" das Individuum zahlen muß, wenn die gewaltsame Beschaffung schief geht (z.B. eine Gefängnisstrafe).
Dieser Preis hat ein Tauschmitteläquivalent. Im Strafrecht hat man das ja gelegentlich auch. Geld oder Knast. Das heißt der Verzicht auf Gewaltsamkeit ist selbst wiederum ein Tausch.
bob
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McShorty
25.09.2003, 19:45
@ dottore
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Welche ihrer Theorien stimmt den nun nicht mehr? - mkF |
-->Hallo Dottore
>Nur stimmen die gesamten Wirtschaftstheorien nicht (meine ursprüngliche inklusive). Denn gewirtschaftet wird ex Zwang und Schuld und nicht so locker-flockig eben mal so unterm Holunderbusch bei Schalmeienklängen, wenn sich freudig erregte Tauschende treffen.
Danke für die geduldigen und erklärenden Beiträge, man kann es nicht oft genug betonen.
Welche ihrer Theorien stimmt den nun nicht mehr? Etwa die Urschuldtheorie, dass wir wirtschaften um uns zu ernähren, kleiden + wohnen? Für die Stammesgesellschaft dürfte das doch wohl noch gelten? Auch ich arbeite doch in 1. Linie dafür, oder?
Bitte um kurze Aufklärung, damit ich schnell umlernen kann. Außerdem habe ich ja noch ´nen HH-Lehrer zu"verarzten". Da will ich doch up-to-date sein und nicht ins offene Messer laufen.[img][/img]
Verbindlichster Dank + Gruß
McShorty
P.S. Wo finde ich Text/Link zu Klartext? thx
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Galiani
25.09.2003, 21:31
@ chiron
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Lb. chiron! Solche (mekantilistischen) Ansichten sind seit Jahrhunderten passé (owT) |
-->
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Galiani
25.09.2003, 21:33
@ R.Deutsch
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Richtig Reinhard! Freud hat manche bêtisen von sich gegeben! (owT) |
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Galiani
25.09.2003, 21:36
@ dottore
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Sind wir damit nicht wieder beim 'Selbsterhaltungstrieb', bei der 'Urschuld' etc (owT) |
-->
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chiron
25.09.2003, 22:02
@ Galiani
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...was nichts über die Qualität aussagt. |
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Hallo Galiani
Ich lasse mich als Novize bei diesem Thema gerne vom Gegenteil überzeugen, nur die Begründung verfängt bei mir nicht. Also, wenn Du magst, hau in die Tasten!
Gruss chiron
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dottore
26.09.2003, 10:40
@ Bob
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Re: Beinahe, Bob - vgl. zur Sanktion auch Masstricht |
-->Hi Bob,
die Postings sind sehr interessant.
>Die Gewaltsamkeit, die laut dottore historisch am Anfang alles Wirtschaftens stehen muß, ist in Wirklichkeit einem jedem Tauschakt inhärent.
Sie sind in jeder Beschaffung inhärent. Vor dem Tausch muss das Tauschgut selbst beschafft sein, wie auch immer.
>Das geht so: das Individuum verfügt über einen bestimmten Bestand an (materiellen) Tauschmitteln und über ein bestimmtes Gewaltpotential.
Warum hat er Tauschgegenstände? Woher weiß er, dass auch ein anderer darüber verfügt? Ausgerechnet jene, die ihm"passen" würden?
Wir reden nicht von Dorfgemeinschaften und Familien, wo jeder genau weiß, was der andere kann oder machen kann. Diese Dorfgemeinschaften (siehe Bernbeck u.a.) stehen zweifellos am Anfang. Sie haben eine Interaktion von maximal 3, d.h. es wird über das dritte Dorf hinaus nichts getauscht. Beim dritten Dorf ist diese"Interaktion" schon nahe Null. Die Tauschgegenstände sind übrigens vor allem Bräute und (ganz gering) Keramik. Ab dem vierten Dorf findet sich nichts mehr, was sich auf das 1. Dorf als Herkunftsort beziehen könnte.
Beim Gewaltpotenzial ist es etwas anders. Da reicht ein einzelner nicht aus, da muss es zu Gruppenbildung kommen, was wiederum Surplusproduktion an Menschen voraussetzt, die ihrerseits dann"überlokal" wirken können, also Nachbardörfer unterwerfen usw., um diese, sofern sie dafür Kapazitäten haben, zur Surplusproduktion von Waren zwingen zu können (Tribute).
>Jetzt ordnet unser Individuum seine Bedürfnisse je nach Wichtigkeit in eine bestimmte Reihenfolge. Danach überlegt sich unser Individuum, wie man diese Bedürfnisse stillen kann.
Diese Bedürfnisse sind jene, die alle in der Dorfgemeinschaft gleichermaßen haben, also hebt sich das Individuum nicht mit"speziellen" Bedürfnissen ab. Woher sollte er auch das, worauf sich ein"besonderes" Bedürfnis richtet, kennen?
>Es muß dabei berücksichtigen:
>1. Welche Menge materieller tauschmittel aufgewendet werden muß, um ein bestimmtes Gut zu erlangen.
Hier ist der springende Punkt: Sobald dem Individuum als Teil einer Gemeinschaft und damit dieser selbst, die Erlangung eines bestimmten Gutes von außen auferlegt wird (die Abgabe eben als Resultat eines Ein- oder Überfalls mit anschließender dauernder Gewaltanwendung), müssen er bzw. die Gruppe dieses Gut erlangen.
Haben sie es nicht selbst bzw. können sie es nicht selbst herstellen, müssen sie nun ihrerseits etwas erstellen, um es zu ertauschen. Ist Gold die Abgabe und hat man Gold in seinem Bereich, kann man es so lange abliefern, bis nichts mehr da ist. Ab dann muss man - bei gleicher Abgabenpflicht - losziehen, um es zu beschaffen: der Handel entsteht und da das Abgabengut oft nur über weite Distanzen zu beschaffen ist, eben der berühmte"Fernhandel" (Tausch über weite Strecken), der hier oft genug dargestellt wurde (z.B. Gotland und sein aus dem Nahen Osten beschafftes Silber, das beschafft werden musste, da es an den Jarl der Insel abzuliefern war).
>2. Welche Güter eventuell mit Gewalt zu erlangen sind.
>3. Welchen"Preis" das Individuum zahlen muß, wenn die gewaltsame Beschaffung schief geht (z.B. eine Gefängnisstrafe).
Dies genau ist die Sanktion, die fällig wird, wenn das abgeforderte Gut (Abgabe) nicht zum festgesetzten Termin erscheint. Die Gewalt setzt in der Regel nicht derjenige ein, der das Abgabengut beschaffen und abliefern muss (gibt's auch, z.B. die Piraterie u.ä. oder die"Delegierung" von Abgabenpflichten, z.B. ist der Grundherr an den Oberherrn abgabenpflichtig und lässt das Gut von seinen"Hintersassen" erwirtschaften).
Sondern derjenige, der die Abgabe in Permanenz einfordert. Sobald dessen Macht schwindet (laufende Beispiele der abnehmenden"Zentralgewalt" im Mittelalter wie sehr schön in den Aufsätzen von Volckart, Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung in Politik und Wirtschaft, 2002, nachzulesen), verlagert sich das Sanktionsphänomen"nach unten", was z. B. perfekt begleitet wird von dem Übergang der Gerichtsbarkeit an immer tiefere Instanzen.
>Dieser Preis hat ein Tauschmitteläquivalent. Im Strafrecht hat man das ja gelegentlich auch. Geld oder Knast. Das heißt der Verzicht auf Gewaltsamkeit ist selbst wiederum ein Tausch.
Der Preis ist die Sanktion. Diese besteht aber nicht in der Bestrafung bzw. Nichtbestrafung seiner selbst, sondern in der angedrohten Bestrafung des Abgabenverpflichteten, falls der nicht leistet. Insofern wäre der Verzicht auf Gewaltsamkeit des Gewaltinhabers ein Tausch in dem Sinne, dass die Macht durch Abgabenverzicht (und damit Sanktionsverzicht gegenüber Nicht-Mächtigen) sich ein Macht- oder Machtausübungs-Minus einhandelt.
Der Staat als Eintauscher (Entgegennehmer) von Abgabenmitteln wird bei Verzicht auf Entgegennahme von Abgaben nicht bestraft. Die Bürger bestrafen ihren Staat ja nicht dafür, dass er ein Defizit fährt, also zu wenig Abgabengut"Geld" eintauscht.
Obwohl es in diesem Punkt die interessante Maastricht-Regelung gibt: Erhebt ein Staat nicht genügend Steuern, um die 3-%-Defizitgrenze einzuhalten, wird er von der EU sanktioniert - in Milliardenhöhe. Jedenfalls steht es so auf Papier.
Spannend ist es also allemal. Aber es muss Schritt für Schrit aufgedröselt werden.
Danke nochmals und Gruß!
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dottore
26.09.2003, 10:55
@ McShorty
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Re: Die Urschuldthese muss erweitert werden: Um Steuern und Rentenbeiträge |
-->>Hallo Dottore
>>Nur stimmen die gesamten Wirtschaftstheorien nicht (meine ursprüngliche inklusive). Denn gewirtschaftet wird ex Zwang und Schuld und nicht so locker-flockig eben mal so unterm Holunderbusch bei Schalmeienklängen, wenn sich freudig erregte Tauschende treffen.
>Danke für die geduldigen und erklärenden Beiträge, man kann es nicht oft genug betonen.
>Welche ihrer Theorien stimmt den nun nicht mehr? Etwa die Urschuldtheorie, dass wir wirtschaften um uns zu ernähren, kleiden + wohnen?
Doch, die stimmt schon noch. Aber sie erklärt den Übergang zur Kontraktschuld (Arbeitsteilung usw.) nicht hinreichend. Die Urschuld ist eine Konstante, aber die Schuld, die sich aus Machtausübung mit Hilfe von bewaffnetem Zwang ergibt, schafft die erheblich"stärkere" Schuld, nämlich die dem Machthaber (Staat heute) gegenüber, der sie nach Belieben in die Welt setzen kann. Die Urschuld müsste also entsprechend um die abgezinsten Zwangsabgaben (z.B. Leistungen an die Rentenkassen, die zwangsläufig für kommende Generationen anfallen werden) erweitert werden.
>Für die Stammesgesellschaft dürfte das doch wohl noch gelten? Auch ich arbeite doch in 1. Linie dafür, oder?
Ja, aber der Übergang von der Stammes- zur Abgabengesellschaft (HS: Feudalgesellschaft) ist als"Treiber" für den wirtschaftlichen Ablauf nicht genug herausgearbeitet worden. Das wird nun nachgeholt. Auch die Persistenz des Feudalmittels Macht über die Feudalgesellschaft hinaus (Bildung von"Unter-" bzw."Privateigentum") und in die"Eigentümergesellschaft" hinein (ab dann siehe HS) ist leider übersehen worden."Privateigentum" ist ohne die Persistenz von Macht nicht vorstellbar, ebensowenig dessen Übertragung, Verpfändung, usw. und die Eigentum (Waren) betreffende Kontrakte plus Vollstreckung ebenfalls nicht.
>Bitte um kurze Aufklärung, damit ich schnell umlernen kann. Außerdem habe ich ja noch ´nen HH-Lehrer zu"verarzten". Da will ich doch up-to-date sein und nicht ins offene Messer laufen.[img][/img]
>Verbindlichster Dank + Gruß
>McShorty
>P.S. Wo finde ich Text/Link zu Klartext? thx
Das Buch gibt's vielleicht noch antiquarisch.
Gruß!
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dottore
26.09.2003, 10:57
@ Zandow
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Re: Zur Urschuld die Zwangsabgabenschuld - dann passt's schon (owT) |
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Zandow
26.09.2003, 11:10
@ McShorty
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Antiquariate |
-->Hallo McShorty
>P.S. Wo finde ich Text/Link zu Klartext? thx
Falls noch nicht bekannt, hier die Fundgruben:
www.zvab.com
www.abebooks.de
Warnung: Das Stöbern in Antiquariaten gefährdet die Haushaltskasse!
Grüße, Zandow
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dottore
26.09.2003, 11:11
@ Galiani
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Re: Ja, plus das: |
-->Hi Galiani,
zur Urschuld-Konstante kommt eben als historisches Novum (im großen Stil einsetzbare Gewaltwaffen) die Abgabenschuld, die variabel ist und auf die auch verzichtet werden könnte.
Diese Schuld lässt sich zur Urschuld schlagen, was diese dann selbst variabel macht (muss ich nur mich selbst plus Familie unterhalten oder weitere Personenkreise wie heute per"Umverteilung" usw.).
Dem Abgabenzwang kann man entgehen (Ortswechsel, sich steuerlich"auf Null stellen" usw.), der Urschuld (Aufwendungen, um am Leben zu bleiben usw.) nicht.
Die Abgabenschuld lässt sich stärker minimieren als die Urschuld. Maximiert man seine Urschuld allerdings (Villa, Ferrari"müssen" sein, usw.) steigt die Abgabenschuld automatisch und schon durch die progressiven Steuersätze überproportional.
Dem ganzen debitistischen Doppelzwang (Abtragen der Ur- und der Abgabenschuld) entkommt man letztlich nur durch Minimierung der Urschuld, also dem Leben"am Existenzminimum" und dieses möglichst so, dass es von anderen gestellt wird, die dann auch die Abgaben (Steuern) auf die Güter des Existenzminimums mit übernehmen. Ideal: Sozialhilfe.
Gruß!
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dottore
26.09.2003, 11:29
@ chiron
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Re: Nicht ganz so intelektuell, aber.... |
-->>Hallo Dottore
>Ich versuchs mal mit einem anderen Ansatz.
>Jede Art von Wachstum führt zu einer Schrumpfung an einem anderen Ort. Je mehr Wachstum, desto mehr Schrumpfung. Somit ist alles, was auf Wachstum ausgerichtet ist, eine"Kriegserklärung" an die, die darum zu kurz kommen. Wachstum ohne Waffen ist somit nicht möglich.
Zumindest ist es so gestartet (Surpluserzwingung). Die heute gängige Wachstumstheorie kommt dabei zum durchaus richtigen Ergebnis, dass es zwei Hauptantriebskräfte gibt: die Bevölkerungsvermehrung (plus Inanspruchnahme von noch nicht in Anspruch genommenen Gebieten und/oder Ressourcen). Und die Produktivität, also das Herausholen von Mehr aus Gleichem (z.B. mit einem Liter Benzin weiter kommen als früher usw.).
>Ich weiss nicht, ob Du damit etwas anfangen kannst. Tatsächlich habe ich mich mit diesem Thema noch nie auseinandergesetzt, aber irgendwie scheint mir das intuitiv richtig zu sein. Somit wäre alles Wirtschaften, das auf Wachstum ausgerichtet ist, nur mit"Gewalt" möglich. Macht das Sinn?
Sobald die sog."Grenzen" erreicht sind, Überpopulation droht, abnehmende Erträge von zusätzlichen Erfindungen, siehe dazu, was Freund Böhme immer vorträgt, stößt die Gewalt an ihre Grenzen. Bis dahin ist sie das Essentiale im Hintergrund, das den Prozess vorantreibt.
Bevölkerungsmaximierung ist Machtmaximierung. Und Produktivitätsmaximierung, der dauernde Versuch, letztlich den Abgabenzwang zu mindern (ich muss 100 Sack Getreide abliefern, da ist ein Pflug besser als die Arbeit mit der Hacke).
Beides stößt ersichtlich an seine Grenzen und dann hilft auch Gewalt nicht weiter. Werden heute Steuern erhöht, führt das zur Produktionsminderung, am"Anfang" führten sie zur Produktionsmehrung. Schönes Beispiel dazu die Einführung der Hüttensteuer in den britischen Kolonien.
Oder noch anders: Früher holten die Sieger im Krieg fette Beute und Tribute ab, später noch Reparationen. Heute gehen sie an ihren Siegen selbst bankrott, siehe USA im Irak.
Gruß!
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Burning_Heart
26.09.2003, 13:22
@ dottore
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Re: Die Urschuldthese muss erweitert werden: Um Steuern und Rentenbeiträge |
-->Ah, jetzt verstehe ich.
Ohne Staatsmacht würde es die Wirtschaftliche Dynamik gar nicht geben, weil alle genug damit zu tun haben, ihren eigenen Acker zu beschützen, der zwar Besitz aber kein Eigentum ist.
Der ausserdem fehlende Schuldendruck durch Abgaben an den Staat lässt den Debitismus dann in seinen Grenzen wirken ohne die Lawine loszutreten, die wir in den letzten 50 Jahren erlebt haben.
Hab ich wohl nicht aufgepasst.
Ich habe bisher immer den Debitismus an den Anfang gesetzt und nicht verstanden wie Macht dem einen vorraus sein kann.
Im Prinzip ermöglicht der Staat Personen, etwas als Eigentum zu haben. Dadurch entstehen viele neue Schuldkontrakte die ohne den Staat nicht möglich wären. Staatsdebitismus, der zusätzlich noch zum Standarddebitismus dazu kommt.
Gruß
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JN++
26.09.2003, 13:50
@ dottore
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Re: Leider keine ökonomische Binsenweisheit |
-->Hi Dottore,
daß Du beim Aufdröseln der Wirtschaftslehre auf die Schuld gekommen bist, hat zwei Gründe:
1.) Du hast richtig recherchiert und weitergedacht.
2.)"Schuld" ist die Lösung des Rätsels. (Lösung existiert vor Ent-deckung, alle anderen"Lösungen" sind Humbug)
Warum ist das so? Weil Schuld der Urgrund unserer Existenz ist. Die ganze Welt läßt sich daraus erklären. Als Katholik hättest Du das freilich auch schon früher wissen können.
Das wird Dir hoffentlich helfen, ein paar Fallen zu vermeiden, in die Du bei Deiner Gewaltphantasterei leider schon hereingetappt bist (Nur ein Tip: Was ist"Recht"?). Du befindest Dich gerade auf fremdem Terrain, das hat so manchem nicht gut getan. Vorsicht: Auch Freud hatte einen gewaltigen Dachschaden, also nicht alles kritiklos übernehmen. Es ist eben nicht alles so wie es scheint.
Gruß
JN++
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dottore
26.09.2003, 14:20
@ Burning_Heart
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Re: Genau so. Wer nicht aufgepasst hatte, war leider ICH (owT) |
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Tassie Devil
26.09.2003, 19:28
@ dottore
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Re: J E T Z T wird's langsam richtig - Debitismen |
-->Hi dottore,
vielleicht erinnerst Du Dich daran, dass mir Deine Gleichung Kapitalismus = Debitismus deshalb nie geschmeckt hat, weil bei dieser Gleichsetzung unter der Flagge des Kapitalismus saemtliche debitistischen Funktionen und Elemente undifferenziert ineinander vermengt sind.
Insbesondere die Nichtabtrennung der Urschuld, die zweifellos nicht nur ein sehr wichtiges Element in der debitistischen Struktur ist, sondern die einzigste Schuldart ueberhaupt, der sich niemals ein lebender Mensch entziehen konnte, kann und koennen wird, unabhaengig von seinem jeweiligen irdischen Aufenthaltsort, hat zu der m.E. falschen Gleichung oben gefuehrt.
Um die gesamte Theorie des Debitismus, die sich seit Urzeiten bis dato ueber die menschlichen Ueberlebenswillen spannt, und die tatsaechlich die einzig richtigen und in allen Punkten plausiblen Erklaerungen parat hat, strukturell korrekt darzustellen, bedarf es der dringenden Aufsplittung in
A) naturinduziert erzwungene debitistische Elemente - Aufwand/Leistung fuer Nahrungsbeschaffung, Koerperpflege, Koerperschutz gegen Witterungseinfluesse etc. etc. in naturgegebener Lokation/Gebiet/Environment ===> naturdebitistische Elemente;
B) machtinduziert erzungene debitistische Elemente - Aufwand/Leistung wg. Vertraegen, Pflichten, kulturellen Auflagen, Steuern, Abgaben etc. etc. in staatsgepraegter Lokation/Gebiet/Environment ===> staatsdebitistische Elemente.
Jeder autarke Einsiedler und im vollen Gegensatz dazu jeder"moderne" Staat mit seinen Millionen/Milliarden von menschlichen Mitgliedern hat tagtaeglich - nach wie vor - den debitistischen Elementen nach A) Rechnung zu tragen, wenn er nicht vorzeitig abzunippeln beabsichtigt.
Was einem autarken Einsiedler nicht moeglich ist, naemlich die Loesung seiner Probleme aus den debitistischen Elementen nach A) mittels debitistischen Elementen aus B) zu erzielen, das wird seit Urzeiten beim gruppenweisen Ueberleben praktiziert.
Letzteres bedeutet, dass es auch in einfachsten Stammesueberlebensverhaeltnissen frueherer Zeiten gruppeninterne Machtinduzierungen nach B) gegeben haben muss, z.B. der"Haeuptling""Stammesaelteste" o.ae. hat als lokaler Machtmatador die Ueberlebensparolen ausgegeben, nach der die gesamte Gruppe zu verfahren hatte.
Steuerungs- und Entscheidungsfehler konnten den Untergang der gesamten Gruppe zur Folge haben.
Um mich kurz zu fassen: welche"Loesungen" nach B) auch immer fuer die vordergruendigen Probleme nach A) zu erschlagen angedacht sind - Kapitalismus, Sozialismus, Kommunismus, Diktatur usw. usf. -, stets waren und sind debitistische Elemente nach A) und ebenso nach B) wirksam, in allen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, und sie werden es auch immer sein, solange es Machtinduktion nach B) gibt.
Neue Schweine an den alten Troegen loest ja nicht das Problem der Machtexistenz als solcher, wie wir von Dir wissen, und jedes kurzfristige Machtvakuum wird sogleich deshalb beseitigt, weil es offene debitistische Elemente nach B) inhaerent hat.
Der Debitismus mit seinen natur- und staatsdebitistischen Elementen, genau das isses, was jedes menschliche Ueberleben zwingend beeinflusst.
Dank und Gruss
from a Tasmanian Devil
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