-->Der Tanz beginnt - Ist ein Kollaps des US-Dollar noch aufzuhalten?
(01.10.2003)
Am internationalen Devisenmarkt geht es rund. Er scheint aus seinem Dämmerschlaf erwacht zu sein, in den er nach dem Statement der sieben führenden Industrieländer (G-7) vom vorletzten Wochenende zunächst gefallen war. Jetzt geht es wohl zur Sache.
Unter der tristen Begleitmusik sehr enttäuschender Konjunkturzahlen aus den USA fällt der US-Dollar nun anscheinend ungebremst besonders gegenüber dem Euro. Dabei setzte der auf breiter Front zu verzeichnende Schwächeanfall des Greenback zunächst gegenüber dem Yen ein.
Der Yen aber wird von der Notenbank in Tokio inzwischen recht gut in Schach gehalten. Noch, sollte einschränkend gesagt werden. Die Verantwortlichen dort erinnern sich nur zu gut daran, dass eine zu starke Aufwertung des Yen gegenüber dem Dollar in den vergangenen 13 Jahren gleich drei zunächst verheißungsvolle Konjunkturerholungen ins Gegenteil umschlagen ließ.
Wir wissen nun, dass die Notenbank in Tokio auch im September massiv zu Lasten ihrer Währung interveniert hat, und zwar weit stärker, als es weithin vermutet worden war. Dresdner Kleinwort Wasserstein weist darauf hin, dass die Interventionen wahrscheinlich auf die erste Septemberhälfte konzentriert waren. Nach Lage der Dinge sei ein monatlicher Rekordbetrag in nur zwei Wochen aufgewandt worden, um den Wechselkurs bei 116 Yen je Dollar zu halten.
Doch das ist inzwischen Vergangenheit. Jetzt versucht es die Notenbank in Tokio, wie sie am Dienstag eingestand, zum einen mit verdeckten Interventionen über die Federal Reserve Bank of New York. Es gilt als sehr fraglich, ob sie damit auf Dauer den gewünschten Erfolg hat. Zum anderen versucht man es in Tokio wieder einmal mit verbalen Interventionen. Doch hier verhält es sich wie mit den Rücktrittsdrohungen des deutschen Bundeskanzlers: Mit mehrfacher Wiederholung verbrauchen sie sich bis zur Bedeutungslosigkeit.
Als den nächsten Halt scheinen sich die Japaner nun die Marke von 110 Yen je Dollar ausgesucht zu haben. Wenn nicht alles täuscht, wird es sehr teuer, sie zu verteidigen. Devisenhändler argwöhnen, dass ein regelrechter Run einsetzt, wenn diese Zone unterschritten wird. Ob sich die Notenbank in Tokio einer solchen Kaufwelle dauerhaft entgegenzustellen vermag, ist sehr zweifelhaft.
Und der Euro? Der Dollar war vor einigen Monaten schon einmal hier. Daher haben die gegenwärtig entstehenden Wechselkurse keinen wirklichen Neuigkeitswert.
Doch wir dürften uns keine Illusionen machen: Der langfristige Aufwertungsprozess des Euro ist noch lange nicht abgeschlossen. Nach Lage der Dinge wird die Konjunktur im Euroraum nach der jetzt zu verzeichnenden leichten Erholung abermals abstürzen. Ein neuerlicher Dämpfer wird von der Exportwirtschaft ausgehen und die ganze Misere nur noch offenkundiger machen. Da helfen auch die jetzt in Deutschland intensiver diskutierten Reformen nicht mehr. Jedenfalls rückt die nächste Zinssenkung seitens der Europäischen Zentralbank nun in greifbare Nähe.
Und der Dollar? Noch ist seine Abwertung von der Regierung in Washington gewollt. Doch wenn dieser Prozess außer Kontrolle gerät und der Greenback zu kollabieren beginnt, werden die Kapitalmarktzinsen dort steigen. Dann ist nicht Holland, sondern Amerika in Not.
Um zu retten, was vielleicht, aber nur vielleicht, noch zu retten ist, wird die Notenbank in Washington (Fed) die Karte der"unkonventionellen" Geldpolitik erneut aus dem Ärmel ziehen, die sie im Juni dort nach kurzem Vorzeigen wieder versteckt hat. Eine Senkung des Leitzinses würde in einer solchen Situation nämlich real nichts mehr bewirken.
"Unkonventionell" würde hier bedeuten, dass die Fed theoretisch unbegrenzt Staatsanleihen aufkauft und/oder Anleihen anderer Emittenten aufkaufen lässt, um die Kapitalmarktzinsen in Schach zu halten und einen völligen Kollaps des amerikanischen Finanzsystems und damit auch der Wirtschaft zu verhindern.
Wie brisant die Situation ist, scheinen die Finanzmärkte noch nicht begriffen zu haben, auch wenn sie nun langsam an ihrer eigenen Verwegenheit zu zweifeln beginnen. Das ist wie ein Dämmerzustand, in dem einem Böses schwant. Doch das richtige Erwachen kann brutal werden.
Arnd Hildebrandt
Herausgeber
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