-->Aus der FTD vom 8.10.2003 www.ftd.de/basel2
Basel II: Neuen Regeln droht klägliches Scheitern
Von Rolf Lebert, Frankfurt
Für den Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, ist die Sache schon seit langem klar. Über die neuen Eigenkapitalregeln für Banken (Basel II), so der oberste deutsche Finanzaufseher, müsse letztlich politisch entschieden werden.
Der gesamte mathematische und bankbetriebswirtschaftliche Sachverstand dieser Welt könne niemals ein absolut perfektes System hervorbringen, das alle Risiken des Bankgeschäfts naturgetreu abbilden und in die einzig wahre aufsichtsrechtliche Form gießen kann.
Wie recht Sanio hat, zeigt sich gerade jetzt: Kurz vor Toresschluss ist Basel II in den USA unversehens zu einem Politikum geworden ist. Der ganze Prozess droht zu stocken - und im Extremfall sogar zu scheitern. Eigentlich wollte der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht auf seiner Sitzung am Freitag und Samstag in Madrid dem komplexen Regelwerk den letzten Schliff geben.
Doch daraus wird nun nichts. Statt das Ergebnis von über vier Jahren intensiver Beratungen präsentieren zu können, wird sich der Ausschuss mit Änderungswünschen auseinandersetzen müssen, mit denen US-Banken im Sommer plötzlich an die Ã-ffentlichkeit traten. Sanio selbst rechnet nun nicht mehr damit, dass der Schlussakkord noch vor Mai 2004 verabschiedet werden kann. Damit ist der Plan, Basel II Ende 2006 als weltweit verbindliches Instrumentarium für die Bankenaufsicht einzuführen, gefährdet.
Fingerspitzengefühl nötig
Die deutsche Bankenaufsicht, der neben der BaFin in Bonn auch die Deutsche Bundesbank angehört, kennt die Änderungswünsche bislang nicht im Detail und will sich vor den Beratungen am Wochenende daher mit Bewertungen zurückhalten. Allerdings ist man in Bonn und Frankfurt darüber einig, dass Basel II ohne die Zustimmung der Amerikaner keine Chance hat. Denn in den USA sitzen die meisten weltweit tätigen Banken. Und gerade die Beaufsichtigung internationaler Kreditinstitute nach einheitlichen Regeln ist das Hauptziel von Basel II. Aus Kreisen der deutschen Aufsicht verlautet daher, dass nun viel Fingerspitzengefühl angesagt ist."Es ist ein Gebot der Fairness, die amerikanischen Wünsche unvoreingenommen zu prüfen", heißt es bei der BaFin.
In der deutschen Aufsicht hat man nicht vergessen, dass die Amerikaner den Deutschen und Europäern bereits mehrfach entgegengekommen sind - so etwa bei der Anerkennung bankinterner Ratings von Kreditrisiken oder auch bei der Berücksichtigung der Belange des deutschen Mittelstandes. So hatte der im Mai 2003 aus dem Amt geschiedene Vorsitzende des Baseler Ausschusses und Chef der New Yorker Notenbank, William McDonough, Nachteile für den Mittelstand ausgeschlossen.
Überraschende Kritik aus den USA
Die plötzliche Kritik aus den USA im Sommer hat die deutschen Finanzaufseher überrascht. Zumal sie sich auf Punkte bezieht, die bereits seit zwei Jahren als abgehakt galten. Damals scheiterten die Deutschen mit einer ihrer Forderungen: Sie wollten erwartete Verluste aus Kreditengagements, für die bereits Wertberichtigungen gebildet wurden, aus der Pflicht zur Eigenkapitalunterlegung ausklammern und stattdessen nur unerwartete Verluste erfassen. Aufschlüsse über mögliche unerwartete Verluste sollen die Banken durch entsprechende Daten aus der Vergangenheit ziehen können. Doch für die Trennung gab es keine Mehrheit: Im bestehenden Entwurf von Basel II sind daher erwartete und unerwartete Verluste mit Eigenkapital zu unterlegen, wobei es für Wertberichtigungen bestimmte Abschläge gibt.
Jetzt fordern US-Großbanken unterstützt von ihrer Aufsicht, nur unerwartete Verluste für die Eigenkapitalunterlegung heranzuziehen - und nehmen so genau die alte deutsche Position ein. Kein Wunder, dass Bundesbankvorstand Edgar Meister vor kurzem den amerikanischen Ansatz als methodisch sauberer einstufte als das bestehende Reglement. Die Gefahr besteht allerdings, dass mit Änderungen in diesem Punkt auch die gültige Definition des Kernkapitals der Banken in Frage gestellt wird.
"Wenn das ganze Paket wieder aufgeschnürt werden muss, ist Basel II gestorben", heißt es in Aufsichtskreisen. Das will allerdings nun wirklich niemand. Ein klägliches Scheitern würde nicht nur die Reputation der Aufseher beschädigen. Es würde auch die Banken bestrafen, die in die Vorbereitung auf das neue Regelwerk schon schon viel Zeit und Geld investiert haben.
© 2003 Financial Times Deutschland
<ul> ~ http://www.ftd.de/ub/fi/1065243035780.html?nv=5wn</ul>
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