--> Leitartikel in der Financial Times Deutschland vom 15.10.2003:
Frankfurter Gutsherren
Bundesbanker genießen bei vielen Deutschen höhere Autorität als der Papst. Kein Wunder, immerhin wachen sie über deren liebstes Kind: das Geld.
Zudem arbeiten sie in einer Institution, die in der Verfassungslandschaft eine einzigartige Stellung genießt: unabhängig, von niemandem gewählt und niemandem als sich selbst zur Rechenschaft verpflichtet. Diese Konstruktion hat der Geldwertstabilität gut gedient.
Dem jetzigen Amtsinhaber Ernst Welteke aber scheint sie zu Kopf gestiegen zu sein. Er will einige Hundert Tonnen Gold aus den Beständen verkaufen - und den Gewinn nach eigenem Gutdünken verwenden. Die Erträge sollen in eine Stiftung für Bildung und Forschung gehen und so dem Zugriff des Finanzministers entzogen werden.
Kleinigkeit übersehen
Die Verwendung mag eine gute Idee sein, eine Kleinigkeit hat Welteke übersehen. Über den Einsatz von Staatsgeldern entscheidet hier zu Lande ein gewähltes Parlament. Der Bundesbankgewinn fließt laut Gesetz in den Haushalt. Er ist zudem nicht Zweck der Geschäftstätigkeit, sondern allenfalls"Nebenprodukt" einer klugen Geldpolitik.
Wenn Welteke seinem Parteifreund Hans Eichel nicht zutraut, mit dem Geld vernünftig umzugehen, soll er eine andere Regierung wählen. Damit zu drohen, die Goldverkäufe gegebenenfalls zu unterlassen, ist eine Anmaßung. Die Transaktion ist sinnvoll, also soll sie stattfinden - egal, was danach mit dem Geld passiert.
Kann sein, dass der Bundesbankpräsident frustriert ist, weil seine Kernkompetenz in die EZB abgewandert ist. Finanzpolitik aber wird in Deutschland in Berlin, nicht in Frankfurt gemacht.
Quelle: http://www.ftd.de/ub/fi/1066030068223.html?nv=lnen
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