-->Hier also einige interessante Fakten jenseits der Parolen:
Wenn wie allseits posaunt das âWachstumâ Chinas 2002 bei 8% lag, so sagt das an sich noch gar nichts aus: Entscheidend ist die Analyse, wie diese ominösen â8%â zustande kommen - und vor allem: ob da ĂŒberhaupt Substanz gegeben ist.
De facto haben besagte â8%â nĂ€mlich gar nichts mit irgendeiner âRealakkumulationâ zu tun, sondern bestehen gröĂtenteils aus âDeficit Spendingâ auf allen Ebenen oder ansonsten auf âKapitalexportâ (und in dessen Folge auf einer so genannten âExportoffensiveâ). In einem Artikel der SZ (01/03) kann mensch dann lesen, dass diese â8%â zum einen auf âprivaten Ausgabenâ (also âKonsumâ) beruhen, â...wobei vor allem die Ausgaben fĂŒr Wohnungen und Autos um 18% gestiegen seien.â Das hört sich toll an - in China bricht der Wohlstand aus. Da zeigt sich doch, dass die Menschen âgut verdienenâ, und endlich shoppen (sense of life) gehen können (vor allem bei âLohnkostenâ, die gerade mal bei 2 bis 3 Prozent der amerikanischen liegen - und die wiederum liegen durchschnittlich um 20 Prozent unter den deutschen).
Doch Schreck - ein Artikel im Handelsblatt vom 19.11.2002 trĂ€gt eine doch etwas ernĂŒchternde und merkwĂŒrdigerweise ganz schön fette Ăberschrift: âImmobilienkrise droht Chinas Banken zu sprengenâ. Lapidar wird in diesem Artikel festgestellt, dass seit Ende 1999 die Zahl der Hypothekenkredite an private Kunden um 388% gestiegen ist. Im gleichen Artikel wird aber jedoch ebenso vermeldet, dass, laut SchĂ€tzung der Bank fĂŒr Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Bestand an faulen Krediten 410 Mrd. Dollar betrĂ€gt; Honkonger Quellen zufolge sogar 500 Mrd. Dollar. Und damit mensch sich ein Bild machen kann, was das im VerhĂ€ltnis zur Gesamtkreditmasse bedeutet, empfiehlt sich ein Artikel der FTD (Rubrik: Agenda) vom 18.07.2003: âDie Rating-Agentur Standard & Poor`s schĂ€tzt, dass rund die HĂ€lfte der Kredite in den BĂŒchern der chinesischen Banken faul sind - ein Volumen von rund 500 Mrd. Dollar. âDas ist eine gewaltige Bedrohung des Finanzsektorsâ, sagt Chen Xingdong, Chinachef von BNP Paribas Penegrine.â - Da hat er wohl recht. Und somit kann mensch sagen, dass sowohl das âTraute Heimâ als auch die âFreude am Fahrenâ reine Fiktion darstellen.
Bei der weiteren AufschlĂŒsselung der tollen â8%â stellt die FTD vom 20.01.2003 trocken fest: â...Wie zuvor die Begeisterung ĂŒber Japan und Asiens Tigerstaaten könnte (nicht âkönnteâ, sondern âwirdâ) auch die China-Euphorie bald ein jĂ€hes Ende finden und einer realistischen Bewertung der Chancen und Risiken (von wegen: âChancen und Risikenâ - stattdessen: Sozialökonomischer Super-GAU) Platz machen. Denn fĂŒr das Wirtschaftswachstum von etwa acht Prozent 2002 waren neben dem boomenden Export vor allem staatliche Konjunkturprogramme verantwortlich, die das Etatdefizit in ungeahnte Höhen steigen lieĂen (Anmerkung: laut FTD-Artikel vom 06.03.2003 belief sich das Defizit auf annĂ€hernd 33 Mrd. Euro - ( in diesem Artikel wird anschlieĂend offiziell schon mal ein neuer âRekordâ fĂŒr 2003 in Höhe von 35,5 Mrd. Euro sowie ein nochmals um 9,6% gesteigertes MilitĂ€rbudget verkĂŒndet (s.u.))).
Und weil diese Passage so schön plastisch die reale Lage Chinas wiedergibt, geht`s ungekĂŒrzt und ungeschnitten weiter: âZudem steht China vor drei Herkulesaufgaben. Das marode Staatsbankensystem (s.o.) muss saniert werden, und der Aufbau eines sozialen Sicherungssystems ist nötig, um die Reform (schönes Wort fĂŒr Bankrott) der Staatsunternehmen und die Risiken der auĂenwirtschaftlichen Ă-ffnung (alias âKonkurrenzmassakerâ - siehe auch: `Die Himmelfahrt des Geldes`; Kapitel 5; `Globalisierung und Phantom-Industrien`) abzufedern. SchlieĂlich sind enorme staatliche Mittel gefragt, um das immense EntwicklungsgefĂ€lle zwischen dem reichen (vielmehr wohl âreichgerechnetenâ (s.u.)) Osten und dem armen Westen (alias âGiga-Slumâ) des Landes auszugleichen. Zusammengenommen könnten diese Lasten (das ist keine âLastâ mehr, sondern eine reale âMission: Impossibleâ) die Staatsschuld, die heute nach offiziellen Angaben unter 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrĂ€gt, schnell auf 130% oder mehr erhöhen.â - Als ErgĂ€nzung: laut des schon oben erwĂ€hnten Artikel der SZ, â...werde das BIP 2002 1,22 Billionen Euro betragenâ.
Ein BIP von 1,22 Billionen Euro - das hört sich doch ebenfalls echt toll an (vor allem, wenn mensch das auf die oben erwĂ€hnte anstehende Verschuldungsquote berechnet -o, je). Doch bei einer Bevölkerung von ca. 1,2 Milliarden Menschen macht das gerade mal eintausend Euro pro Kopf im Jahr - das BIP Nordrhein-Westfalens (ca. 17 Millionen Einwohner) betrug 2002, obwohl um 0,3% geschrumpft, immer noch 459 Milliarden Euro (das macht ca. 33 400 Euro pro Einwohner, bezogen auf die real ErwerbstĂ€tigen dann sogar 55.000 Euro) (SZ, 06.02.2003), d.h. das BIP Chinas ist gerade mal gut doppelt so groĂ wie das von NRW. Erst recht nur noch blankes KopfschĂŒtteln in Hinsicht auf die Hurra-Apostel bleibt, wenn mensch sich die Eckdaten der Wirtschaft in den USA, Japan, der Eurozone und Deutschland ansieht:
So betrug das BIP der USA 2002 11047,5 Mrd. Euro (288 Millionen Einwohner (EW)), das Japans 4241,5 Mrd. Euro (127,4 Millionen EW), in der gesamten Eurozone 7050 Mrd. Euro (307,8 Millionen EW) und in der BRD 2108,2 Mrd. Euro (82,5 Millionen EW) (Entnommen aus FTD `Kompass`, Rubrik: Politik und Wirtschaft - Quellen: Bundesbank, Eurostat, OECD, IWF, WTO). Zusammengenommen (USA, Japan und Eurozone - was auch heiĂt, dass LĂ€nder wie Schweden und die Schweiz noch gar nicht enthalten sind) erwirtschafteten also 723,2 Millionen Menschen ein BIP von 22339 Mrd. Euro, also 60% der Einwohnerzahl im VerhĂ€ltnis zur chinesischen Gesamtbevölkerung erwirtschafteten 1800% des chinesischen BIP; pro Kopf macht das grob 30 000 Dollar, und somit das 30-fache oder 3000% der chinesischen Wirtschaftsleistung pro Kopf.- Mal ganz nebenbei: Selbst wenn âChinaâ ein âREALESâ jĂ€hrliches âWachstumâ von 10% aufwiese (was in der DRITTEN INDUSTRIELLEN REVOLUTION - und nach dem Zusammenbruch der Akkumulationssimulation, selbst SIMULIERT - unmöglich ist), brĂ€uchte das âOst-El Doradoâ 30 Jahre um in Bezug auf das BIP gleichzuziehen - und das innerhalb eines Systems, das auf der ewigen AnhĂ€ufung von Zeit beruht, gleichzeitig jedoch die Zeit sukzessive ĂŒberflĂŒssig macht. Noch Fragen???
Bevor der reale Horrorfilm anlĂ€uft noch einmal zurĂŒck zu den virtuellen â8%â. Nicht zu vergessen sind da nĂ€mlich zum einen auch noch die exorbitant gesteigerten RĂŒstungsausgaben, die 2002 um 18% angehoben wurden und ca. 19 Mrd. Euro betrugen und die, wie oben schon mal kurz erwĂ€hnt, 2003 nochmals um 9,6% auf 20,5 Mrd. steigen sollen, zum anderen die angefĂŒhrte âExportoffensiveâ, die jedoch wiederum hauptsĂ€chlich auf Kapitalexport aus KostengrĂŒnden bzw. El-Dorado-Phantasien beruht. Dabei zeigt gerade die âExportoffensiveâ klar und deutlich, dass dieses âWachstumâ nichts als ein Strohfeuer ist; wenn ĂŒberhaupt. China ist nĂ€mlich nur ein weiterer Zusammenbruchskandidat im pazifischen Defizitkreislauf (eindeutig auch in `Die Himmelfahrt des Geldes` beschrieben (Kapitel 8; `Die globalen Defizitstrukturen und der kurze Sommer des Kasinokapitalismus`)), was sich im desaströsen AuĂenhandelsdefizit der USA klar wiederspiegelt. Dieses betrug 2002 468 Mrd. Dollar, wobei fast ein Viertel dieses Defizits im Handel mit China anfiel, nĂ€mlich satte 103 Mrd. Dollar (FTD, 10.07.2003, `Experten verteidigen Chinas Wechselkurs`). Da die chinesische WĂ€hrung jedoch strikt an den Dollar gebunden ist, muss die chinesische Regierung schon seit Monaten immer wieder massiv intervenieren, um eine Aufwertung der eigenen WĂ€hrung zu verhindern, die den Export abwĂŒrgen wĂŒrde (siehe gleicher Artikel).
Dass das trotzdem geschehen wird, also bye, bye Export, liegt auch an dem sich abzeichnenden Zusammenbruch der globalen Immobilienblase, die in den letzten Jahren (trotz Börsencrashs) den ungebremsten Konsum in den USA, GroĂbritannien und Australien getragen hat (- siehe Projekt `Freddie Mac`) sowie an dem eben erst jetzt voll durchschlagenden Zusammenbruch der Akkumulationssimulation (alias âBörsencrashâ) Allerdings wird auch die hauseigene Immobilienblase dem chinesischen âWirtschaftswunderâ ein âBlaues Wunderâ bescheren: (HB 19.11.2002 - ein wirkliches Schmankerl, dieser Artikel) â... âSchnell steigende Preise und wachsende Leerstandsraten, haben die Risiken in diesem Sektor erhöhtâ, heiĂt es im geldpolitischen Bericht der Notenbank fĂŒr das 3. Quartal. Die LeerstĂ€nde sind nach offiziellen Zahlen auf ĂŒber 14%, in Peking sogar auf 26% Prozent gestiegen, schreibt die lokale âChina Business Newsâ.... FĂŒr die Banken besteht eine signifikante Gefahr, sagen Experten. âDas Engagement der Banken bei den Bauentwicklern ist ein beachtliches Risikoâ, schrieb im August Morgan Stanley in Hongkong in einer Analyse mit dem Titel âPlatzt die Immobilienblase?â
Chinas Banken sehen die Entwicklung mit Sorge. Sie haben in den letzten Monaten - um Marktanteile zu gewinnen - oft die Vorgabe der Notenbank ignoriert, höchstens 80% des Immobilienwertes zu beleihen. Doch eine Korrektur der Immobilienpreise um nur 25%, sagt der Volkswirt Yang Jianwen bei der Akademie der Sozialwissenschaften in Shanghai, wĂŒrde die faulen Kredite der Banken um drei Prozentpunkte erhöhen. Das wĂ€re ein Anstieg der offiziell eingestandenen faulen Kredite um 15%. Kein Wunder, dass Morgan Stanley eindringlich warnt, âChinas Banken mĂŒssen ihre Kredit-Konditionen so schnell wie möglich verschĂ€rfen.â â - (was natĂŒrlich auch nicht geht, da ansonsten der private Vodookonsum kollabiert) Auch zu diesem Teil des fabulierten âWachstumsâ bedarf es keines weiteren Kommentars, zumal auch noch ein weiteres Zitat aus diesem Artikel sowohl nochmals das âWachstumâ wie auch die schon erwĂ€hnten âUnternehmensreformenâ ins rechte Licht rĂŒckt: âIn den Augen der Zentralregierung liest der Boomsektor (also die Bau-Bubble) Zehntausende gestrandeter Arbeiter aus maroden Staatsfirmen auf (tolle âReformâ) und trĂ€gt 30% zum BIP-Wachstum des Landes bei.â
Auch die 2002 auf ein Rekordniveau gestiegenen auslĂ€ndischen Direktinvestitionen (die in der Regel nichts anderes als Produktionsverlagerungen aus âKostengrĂŒndenâ beinhalten - und somit Arbeitsplatz- und dementsprechend âKaufkraftvernichtungâ andernorts) sind nur ein weiterer Teil des potemkinschen Wachstums: Zwar verzeichnete China 2002 auslĂ€ndische Direktinvestitionen von ĂŒber 50 Mrd. Dollar, und somit mehr als alle anderen asiatischen LĂ€nder zusammen (Welt, 27.02.2003), doch wurde dieser Zufluss konterkariert von um so höheren KapitalabflĂŒssen. âIn den Jahren 1998, 1999 und 2000 betrug die Kapitalflucht aus China nach Angaben der Rating-Agentur Fitch zwischen 50 und 60 Mrd. Dollar und lag damit ĂŒber den auslĂ€ndischen Direktinvestitionen.â (FTD, 12.06.2003). Dennoch haben diese Direktinvestitionen betrĂ€chtlichen Einfluss auf das âWachstumâ: â...Charles Wolf von der US-Denkfabrik Rand schĂ€tzt, dass Direktinvestitionen im Wert von 10 Mrd. Dollar das BIP um 0,9 bis 1,6% erhöhen. Sollten sich die jĂ€hrlichen ZuflĂŒsse um 20 Mrd. Dollar reduzieren, wĂŒrde dies die Wachstumsrate vermutlich halbieren.â (FTD, 20.01.2003) Und so wird es auch wohl kommen: âUnterdessen bedroht die schlechte Wirtschaftslage in Chinas wichtigsten ExportmĂ€rkten auch das zweite Standbein der Konjunktur (das erste, wie aus gleichem Artikel ja schon dargestellt, sind die staatlichen Konjunkturprogramme, âdie der Staat in diesem Jahr (2003) beibehalten will, doch wobei selbst Regierungsvertreter von einer schwierigen fiskalischen Situation sprechen. Schneller als erwartet steigen die Ausgaben; die Einnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurĂŒck.â). Optimisten (die hegel`schen âMeinerâ) setzen zwar darauf, dass die Konsumenten in den USA, Japan und Europa wegen der schlechten Lage vermehrt preisgĂŒnstige Produkte kaufen, die eben hĂ€ufig in China hergestellt werden (aber auch fĂŒr die brauch mensch erst mal âGeldâ). Ebenso gut vorstellbar ist jedoch, dass die zuletzt ĂŒberraschend hohe Nachfrage nach chinesischen Produkten bald endet und die SchwĂ€che der Weltwirtschaft auf die Exporte durchschlĂ€gt.â
âEs sollte niemanden wundern, wenn auch China bei seiner Aufholjagd RĂŒckschlĂ€ge einstecken muss. - (ein Paradebeispiel einer zum Scheitern verurteilten âNachholenden Modernisierungâ, siehe auch: Robert Kurz; `Der Kollaps der Modernisierung`; Reclam-Leipzig; 1993; (Taschenbuchausgabe)) GefĂ€hrlich ist jedoch, dass das erste Opfer einer WachstumsschwĂ€che vermutlich die China-Begeisterung in den Chefetagen des Westens wĂ€re - was wiederum eine Krise noch verschĂ€rfen wĂŒrde Denn zwischen dem Kapital aus dem Ausland und dem chinesischen Wachstum besteht ein enger Zusammenhang.â - (siehe Zitat Charles Wolf) Und weilâs so schön ist vermeldete die OECD am 19.06.2003 passend dazu, dass die Direktinvestitionen im Ausland dramatisch eingebrochen sind. 2003 sei ein weiteres Minus von 25 - 30% zu befĂŒrchten, und schon jetzt liegen die Engagements nur bei einem Drittel des Niveaus von 2000 (FTD, 20.06.2003). TatsĂ€chlich macht sich, ebenfalls passend, auch in den genannten âChefetagenâ âUnmutâ breit: VW-Vorstandsmitglied Folker WeiĂgerber in der SZ vom 29.01.2003: â... âDennoch ist China nicht mehr das âlow-cost-Landâ, wie hĂ€ufig angenommen wird. Im konzerninternen Kostenranking rangiert China zwar im unteren Drittel, kommt der Mitte jedoch schon nahe. Am besten stehen derzeit Polen und die Slowakei daâ. Langfristig will VW innerhalb Chinas nach gĂŒnstigeren Standorten suchen.â Schöne Aussichten.
Soweit zu den â8%â. Viel verheerender und gefĂ€hrlicher jedoch stellt sich der soziale Sprengstoff dieses Amoklaufs dar, also das, was âRationalisierungâ bzw. âWeltmarktöffnungâ anrichten. So titelte die Rheinische Post am 24.02.2003: âChinesische Zeitbombe - Im Reich der Mitte kollabiert die Staatswirtschaftâ - um dann gleich fortzufahren: âIm postkommunistischen China wĂ€chst das soziale GefĂ€lle rasend schnell. Die hohe Arbeitslosigkeit verschĂ€rft die Ungleichheit.â Und weiter: âSelbst offizielle BeschĂ€ftigungsstatistiken gehen von einer Arbeitslosigkeit von bis zu 60 Millionen Menschen aus, nicht einmal eingerechnet jene 150 Millionen ArbeitskrĂ€fte auf dem Land, die beschĂ€ftigungslos beschĂ€ftigt sind.â - und bezĂŒglich des sich rasant verschĂ€rfenden sozialen GefĂ€lles heiĂt es dann dort: âIm Ausland dauerte es hundert Jahre, bis es zu Einkommensunterschieden kam, wie China sie in zwanzig Jahren erzeugt hatâ, klagt der Pekinger Sozial-Forscher Lu Xueyi. In den StĂ€dten schicken immer mehr zu Geld gekommene (also âreichgerechneteâ) Chinesen ihre Kinder in auslĂ€ndische Privatschulen oder UniversitĂ€ten, und auf dem Land reicht oft nicht das Geld fĂŒr die baufĂ€lligen Schulen. Von 3000 Grundschulen war nach einer Untersuchung der chinesischen Rechtszeitung jede sechste einsturzgefĂ€hrdet. In Chongquing am Jangtse sollen 20 000 Kulis leben, und an den Anlegestellen der Touristenschiffe tummeln sich die Bettler.â In einem Artikel der SZ vom 06.02.2003 werden diese entwurzelten und entrechteten Menschen dann dummdreist âWanderarbeiterâ genannt (ansonsten ist der Artikel `Der lange Marsch der armen Gesellen` voll und ganz lesenswert), obwohl sie in Wirklichkeit BINNENFLĂCHTLINGE sind (von denen es mittlerweile 200 Mio. gibt), die sich unter elendsten Bedingungen, ohne soziale Sicherung verdingen mĂŒssen - Mao wĂŒrde wissen, was zu tun ist.
Noch drastischer beschrieb Chinas geschiedener MinisterprĂ€sident Zhu Rongji die Lage: âArmut und Verzweiflung der 800 Millionen Chinesen aus lĂ€ndlichen Gebieten könnten die Zukunft des Landes gefĂ€hrdenâ, zitiert die FTD vom 06.03. 2003 den Heuchler. Denn ein paar Zeilen weiter kann mensch dem Artikel entnehmen, dass Asi Zhu in den fĂŒnf Jahren seiner Amtszeit genau dieses Elend mit forciert hat: Er handelte den Beitritt Chinas zur WTO aus, leitete âReformenâ ein, im Zuge derer Staatsbetriebe 27 Millionen Arbeiter entlieĂen (nach einer AFP- Meldung vom 01.09.2003 sind allein seit 1995 7.798 staatliche Firmen bankrottiert, weitere 2.000 stehen mehr oder weniger unmittelbar vor dem Aus) und etliche chinesische Unternehmen in New York und Hongkong an die Börse gingen (natĂŒrlich entweder um Kapital fĂŒr RationalisierungsmaĂnahmen zu beschaffen, also noch mehr werktĂ€tige Menschen âĂŒberflĂŒssigâ zu machen, oder von vornherein als Seilschaftsabzocke initiiert).
Doch auch diesen korrupten AlphamĂ€nnchen / Alphaweibchen droht zunehmend gesundheitsgefĂ€hrdendes Ungemach in Form immer zahlreicher werdender Proteste (die in der Provinz mitunter schon Aufstandscharakter annehmen). In einem Artikel in der SZ (lieĂ sich leider unter den inzwischen mehr als 3000 gesammelten Artikeln seit Juli 2002 nicht auf Anhieb wiederfinden - genaues Datum wird also noch nachgereicht) von Anfang 2003 wird die Zahl der Proteste/AufstĂ€nde mit ĂŒber zehntausend âTeilnehmernâ auf mehr als 100 beziffert; die Zahl der Proteste/AufstĂ€nde mit unter zehntausend seien kaum noch zu zĂ€hlen. Und die FTD vom 23.06.2003 bestĂ€tigt diese Angaben: âIn allen Landesteilen sind groĂ angelegte Unmutsbekundungen nichts neues. Tausende sind es jedes Jahr, mit zum Teil Tausenden von Teilnehmern.â - MerkwĂŒrdig: Im selben Artikel wird von einem Massenprotest von 4000 Textilarbeitern im ostchinesischen Ningbo berichtet, die höhere Löhne und Erhalt ihrer ArbeitsplĂ€tze forderten - wie war das doch noch gleich mit dem âreichenâ Osten??? Und auch um den Nordosten steht es nicht zum besten - FTD, 08.08.2003: âNach dem unterentwickelten Westen will die chinesische Regierung nun auch die Schwerindustrie im Nordosten des Landes wirtschaftspolitisch unterstĂŒtzen.... FrĂŒher war die Region der Stolz des kommunistischen China. Seit Beginn der Reformen (ja,ja - die guten alten âReformenâ) ist sie zum Sorgenkind der Nation geworden. Vor allem Massenentlassungen von Arbeitern unrentabler Staatsbetriebe (genau: rentabel oder tot lautet das Credo) haben in jĂŒngster Zeit fĂŒr viel sozialen Sprengstoff gesorgt.â - Irgendwie könnte mensch meinen, dass Super(nova)china nur noch aus SĂŒden besteht. Doch selbst da ist der Verfall deutlich zu sehen; trotz Glitzerfassaden.
Alles in allem dĂŒrften im Vergleich zum chinesischen TĂŒrmchenbau selbst Luftschlösser mehr reale Bausubstanz besitzen, und die Gefahr ist mehr als groĂ, dass dieses sozialökonomische Pulverfass in nicht allzu ferner Zukunft zur sozialökonomischen Wasserstoffbombe mutiert.
<ul> ~ ganz am Ende dieses mega-langen Artikels</ul>
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