Euklid
07.11.2003, 17:20 |
Entschuldung durch Deflation oder Inflation? Thread gesperrt |
-->Aus einem bekannten Geldanlagebuch das mich heute erreicht hat:
Die notwendige Entschuldung des privaten Sektors kann prinzipiell über 2 Wege ablaufen.In der ersten Variante wird der Zusammenbruch der hoch verschuldeten Marktteilnehmer zugelassen.Die Gläubiger tragen in diesem Falle den Verlust.In einem stark fremdfinanzierten Kreditsystem wie dem amerikanischen besteht die Gefahr,dass dann weitere Marktteilnehmer,die Forderungsausfälle zu verkraften haben,ebenfalls insolvent werden.
Es kann also zu einer Spirale kommen,bei der immer mehr private Schulden wegen Insolvenz ausgebucht werden.Da die Geldschöpfung der Banken auf Krediten in den privaten Sektor beruht,kommt es in diesem Fall zu einem Einbruch der Geldmengen und der Konsumgüterpreise.Diese Variante durchlitt die amerikanische Volkswirtschaft in der großen Depression von 1930-33,als Geldmengen und Konsumgüterpreise um mehr als 25% fielen.Die Zentralbank war damals aufgrund des Korsetts des Goldstandards,der der Emission von Zentralbankgeld enge Grenzen setzte,zum Zuschauen gezwungen.
Viel eleganter ist die zweite Variante der Entschuldung.Hier läßt der Staat den Zusammenbruch großer Schuldner nicht zu.Durch umfangreiche Bail-Out-Programme gehen die Schulden von Privaten und Unternehmen an den Staat über.Beispiele finden sich in Kreditgarantien für halbstaatliche Telekomunternehmen oder in dem Vorschlag,schlechte Forderungen in eine Bad Bank auszulagern.,die durch staatliche Mittel gedeckt ist.In den USA äußert sich eine derartige Politik in freizügigen Steuergeschenken an die Bürger,die durch eine staatliche Kreditaufnahme finanziert werden.Ein Blick auf die Staatsschuldenquote der USA verrät,daß im historischen Kontext noch viel Spielraum besteht,die Staatsverschuldung weiter auszudehnen.
Anmerkung von mir:
<font color=#FF0000>1947 hatte die USA eine Staatsschuldenquote von 125% des BIP gegenüber knapp 60% heute.</font>
Dem amerikanischen Fiskus war es nach dem Zweiten Weltkrieg vergönnt,sich durch hohe Wachstumsraten des nominalen Bruttosozialprodukts,je zur Hälfte gespeist durch einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus und der realen Wirtschaftsleistung,weitgehend zu entschulden.
Die <font color=#FF0000>inflationäre Entwicklung,für die bereits heute in den USA der Boden bereitet ist,hat zudem den Charme einer marktwirtschaftlichen Lösung der Schuldenproblematik,die zu Beginn von wenigen Marktteilnehmern durchschaut wird,zumal,wenn sie unter dem Deckmäntelchen der Deflationsbekämpfung daher kommt.</font>
Die Wirkungsweise einer inflationären Entwicklung ist in Deutschland noch schmerzlich bewußt:Den Kreditnehmern wird ein Großteil der realen Kreditlast genommen und gleichzeitig dem ahnungslosen Besitzer kurz und langfristiger Spareinlagen aufgebürdet.
Verlierer der unerwarteten Inflation sind auch Lohnempfänger,die ihr Einkommen nicht schnell genug an die steigenden Güterpreise anpassen können.
In den USA wären die Verlierer einer hohen Inflation vor allem die ausländischen Halter von langlaufenden US-Staatsanleihen.
Knapp die Hälfte aller ausstehenden Staatsanleihen von etwas über 6 Billionen Dollar,befinden sich in ausländischen vor allem asiatischen Händen.
Vor einer großen Belastungsprobe könnten auch die europäischen Versicherungen stehen,die sich in den letzten Jahren stark in Anleihen amerikanischer Unternehmen engagiert haben.
Ich weiß zwar, daß dies nicht in Ellis Sichtweise paßt,wollte es aber nicht vorenthalten.
Gruß EUKLID
|
Tiffany
07.11.2003, 17:43
@ Euklid
|
Was ich schon immer ueber Deflation wissen wollte, aber bisher nicht zu fra..... |
-->Danke Euklid, fuer den Text. Ich denke auch, dass es eher so kommt.
Kuerzlich las ich eine Chronik ueber 1923 gezielt im Hinblick auf Hyperinflation und fragte mich, ob Dottores Thesen/Modell (das ich im uebrigen aufgegeben habe zu verstehen, bin wohl zu doof dazu -) ) auch diese Zeit schluessig erklaeren kann. Warum ist es nicht auch damals zu einer Defla gekommen.
Waere nett wenn jemand sich dazu aeussern wuerde.
|
Valerie
07.11.2003, 17:52
@ Euklid
|
Danke dafür, denn... |
-->... die Info kann ich heute Abend gut und passend"an den Mann" bringen.
Zwei kleine Bitten:
Um welches"bekannte" Geldanlagebuch handelt es sich?
Sind die folgenden Sätze auch von dir oder stammen sie aus dem Buch? (War für mich nicht so offen ersichtlich.)
>Dem amerikanischen Fiskus war es nach dem Zweiten Weltkrieg vergönnt,sich durch hohe Wachstumsraten des nominalen Bruttosozialprodukts,je zur Hälfte gespeist durch einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus und der realen Wirtschaftsleistung,weitgehend zu entschulden.
>Die <font color=#FF0000>inflationäre Entwicklung,für die bereits heute in den USA der Boden bereitet ist,hat zudem den Charme einer marktwirtschaftlichen Lösung der Schuldenproblematik,die zu Beginn von wenigen Marktteilnehmern durchschaut wird,zumal,wenn sie unter dem Deckmäntelchen der Deflationsbekämpfung daher kommt.</font>
>Die Wirkungsweise einer inflationären Entwicklung ist in Deutschland noch schmerzlich bewußt:Den Kreditnehmern wird ein Großteil der realen Kreditlast genommen und gleichzeitig dem ahnungslosen Besitzer kurz und langfristiger Spareinlagen aufgebürdet.
>Verlierer der unerwarteten Inflation sind auch Lohnempfänger,die ihr Einkommen nicht schnell genug an die steigenden Güterpreise anpassen können.
>In den USA wären die Verlierer einer hohen Inflation vor allem die ausländischen Halter von langlaufenden US-Staatsanleihen.
>Knapp die Hälfte aller ausstehenden Staatsanleihen von etwas über 6 Billionen Dollar,befinden sich in ausländischen vor allem asiatischen Händen.
>Vor einer großen Belastungsprobe könnten auch die europäischen Versicherungen stehen,die sich in den letzten Jahren stark in Anleihen amerikanischer Unternehmen engagiert haben.
|
Euklid
07.11.2003, 18:10
@ Valerie
|
Re: Danke dafür, denn... |
-->Nur der eine Satz mit den Schuldenquoten war von mir,da ich diese überprüft habe weil ich eh nichts mehr glaube was Analzysten und Presse mir vorlegt.
Damit wollte ich eigentlich nur dokumentieren daß der Satz tatsächlich stimmt.
Im historischen Kontext ist Amerika eben nicht so hoch verschuldet wie man Glauben machen möchte.
Die tatsächliche Schuldenquote (vom BIP) ist zwar bei uns in etwa gleich hoch,aber bei näherer Betrachtung durch die Sozialsysteme sind wir wohl höher verschuldet.(Kapitalisierung der Rentenversprechen).
Unsere Ausgangsposition ist schlechter aber durch die Wachstumsdynamik in Osteuropa wird da einiges bewegt werden können.
Noch etwas interessantes zu den unkonventionellen Wegen:
Beispielsweise könnte die FED durch den direkten,endgültigen Ankauf (Outright purchases) von Staats- und Unternehmensanleihen auf den Finanzmärkten dem privaten Sektor zinsloses Zentralbankgeld aufdrängen.
Die Geldmengen würden nicht wie bei der Deflationsvariante fallen,sondern durch die Zentralbank aufgebläht,also inflationiert.
Wachsende Geldmengen stehen einer stagnierenden oder gar schrumpfenden realen Wirtschaftsleistung und einem begrenzten Angebot an Rohstoffen gegenüber,der klassische Fall einer staatlich herbeigeführten Stagflation.
Bisher haben führende Geldpolitiker diese letzte Schamgrenze nur gedanklich überschritten.Aber auch auf konventionellem Wege haben die Notenbanken in den letzten jahren mehr Geld gedruckt als durch die Wirtschaftsleistung gerechtfertigt war.
Die rechtlichen Voraussetzungen für unkonventionelle Aufkäufe von Finanzanlagen sind in den USA,Japan und Europa gegeben.
<font color=#FF0000>Die Diskussion hingegen,ob die Notenbank,der Fiskus,die Lohnforderungen der Gewerkschaften oder die Ã-lmultis für Inflation verantwortlich sind,wird für das breite Publikum vermutlich im Sande verlaufen.</font>
Original zitiert aus Jahrbuch Geldanlage 2004
Anlegen am Wendepunkt Fuchsbriefe 360 Seiten
Gruß EUKLID
|
chiron
07.11.2003, 18:18
@ Euklid
|
Re: Entschuldung durch Deflation oder Inflation? |
-->Hallo Euklid
>Viel eleganter ist die zweite Variante der Entschuldung.Hier läßt der Staat den Zusammenbruch großer Schuldner nicht zu.
Das läuft bereits, soweit o.k.
Durch umfangreiche Bail-Out-Programme gehen die Schulden von Privaten und Unternehmen an den Staat über.Beispiele finden sich in Kreditgarantien für halbstaatliche Telekomunternehmen oder in dem Vorschlag,schlechte Forderungen in eine Bad Bank auszulagern.,die durch staatliche Mittel gedeckt ist.In den USA äußert sich eine derartige Politik in freizügigen Steuergeschenken an die Bürger,die durch eine staatliche Kreditaufnahme finanziert werden.
Wieviel Geschenke kann der Staat noch an die Bürger verteilen, ohne dass der USD komplett absackt, resp. wertlos wird? Falls der Staat wirklich die Bürger entschulden möchte, dann sind die Gläubiger weg, nix mehr mit weiter aufschulden und so. Dass die Wirtschaft weltweit bei diesem Szenario absacken würde, steht auch ausser Frage. Wer würde noch den amerikanischen Konsum finanzieren? Das wäre das Ende des USD-Standards. Vertrauen verspielt.
Ein Blick auf die Staatsschuldenquote der USA verrät,daß im historischen Kontext noch viel Spielraum besteht,die Staatsverschuldung weiter auszudehnen.
>Anmerkung von mir:
><font color=#FF0000>1947 hatte die USA eine Staatsschuldenquote von 125% des BIP gegenüber knapp 60% heute.</font>
Das sind die"offiziellen" Zahlen, wie wir bestens wissen. Tatsächlich sieht die Lage etwas anders aus. Zusätzlich sind die Bundesstaaten bereits viel schlimmer dran, auch das wissen wir dank Arnie bestens. Und nicht zu vergessen, die Privaten und die Unternehmen waren noch NIE so hoch verschuldet wie jetzt.
>Dem amerikanischen Fiskus war es nach dem Zweiten Weltkrieg vergönnt,sich durch hohe Wachstumsraten des nominalen Bruttosozialprodukts,je zur Hälfte gespeist durch einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus und der realen Wirtschaftsleistung,weitgehend zu entschulden.
Wo soll das nächste Mal diese Wachstumssteigerung herkommen? Etwa durch Exporte? Und wenn ja, welche Güter? Glaubst Du wirklich, dass die verfettete US-Gesellschaft wieder durch richtige Arbeit aus dem Schneider kommt?
>Die <font color=#FF0000>inflationäre Entwicklung,für die bereits heute in den USA der Boden bereitet ist,hat zudem den Charme einer marktwirtschaftlichen Lösung der Schuldenproblematik,die zu Beginn von wenigen Marktteilnehmern durchschaut wird,zumal,wenn sie unter dem Deckmäntelchen der Deflationsbekämpfung daher kommt.</font>
Marktwirtschaftlich? Das ist doch Kommunismus pur, wenn der Staat die Schulden Privaten übernimmt!
Gruss chiron
|
libertaryan
07.11.2003, 18:36
@ Tiffany
|
Re: Was ich schon immer ueber Deflation wissen wollte: Notenpresse |
-->>Danke Euklid, fuer den Text. Ich denke auch, dass es eher so kommt.
>Kuerzlich las ich eine Chronik ueber 1923 gezielt im Hinblick auf Hyperinflation und fragte mich, ob Dottores Thesen/Modell (das ich im uebrigen aufgegeben habe zu verstehen, bin wohl zu doof dazu -) ) auch diese Zeit schluessig erklaeren kann. Warum ist es nicht auch damals zu einer Defla gekommen.
>Waere nett wenn jemand sich dazu aeussern wuerde.
Weil damals die Notenpresse zur Staatsfinanzierung direkt angeworfen wurde. Das geht heute (noch) nicht - bzw. noch nicht wieder, daher der Umweg über Defla first. INFLA = steigende Geldmenge, DEFLA = sinkende GM. Preise folgen daraus. Geldmenge hängt ab von Zukunftserwartungen, aber auch von bestehender Verschuldung.
Wie beim Leben von Sternen: nach solidem Leben (Sonne) = Prosperität, XIX. Jahrhundert erst Aufblähung (roter Riese) = Infla, dann Zusammensturz auf weißer Zwerg = Defla, oder Explosion (Supernova) = Hyperinfla dann Zusammensturz bis Neutronenstern = Stabilität oder schwarzes Loch = Pech gehabt.
(Etwas gesucht. Vorteil Sterne: dauert einige Milliarden Jahre. Problem: Wellenzählung langwierig. Vorteil Börse: geht schneller als man glaubt. problem: Wellenzählung bleibt schwierig...).
|
Valerie
07.11.2003, 18:39
@ Euklid
|
Und nochmals: Danke! Gut für uns (gut für dich?), dass du wieder da bist! (owT) |
-->
|